Herbert Meyer
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Herbert Meyer (geb. 19. Februar 1899 in Bad Lauterberg im Harz, gest. 13. Februar 1984 ebenda) war von Mai 1943 bis April 1945 Oberbürgermeister von Nordhausen.
Leben
Als Sohn des Rektors Hermann Meyer (1876–1954) und dessen Ehefrau Gretchen, geb. Schlösser (1876–1949), kam er in Bad Lauterberg im Harz zur Welt, besuchte dort die Volks- und Realschule, anschließend das Realgymnasium in Goslar und bestand 1917 das Abitur. Im Ersten Weltkrieg diente er bei der Feldartillerie im Regiment 102 und wurde verwundet. Nach 1918 beteiligte sich Meyer an den Kämpfen des Hessisch-Thüringischen Freikorps.
Von 1919 bis 1921 studierte er Jura und Volkswirtschaft an der Universität Göttingen, wo er 1922 zum Dr. jur. promoviert wurde. Die praktische Ausbildung im Justizdienst erfuhr Meyer von 1922 bis 1924. Im folgenden Jahr legte er die Große juristische Staatsprüfung im Justizministerium in Berlin ab und begann seine kommunale Tätigkeit als Assessor bei der Stadtverwaltung in Bad Lauterberg, danach Gerichtsassessor in Saarbrücken. Im Jahre 1927 wechselte er als Stadtrechtsrates nach Olbernhau im Erzgebirge.
Bürgermeister in Prenzlau und Mühlhausen
Im Februar 1928 wurde Meyer zum Zweiten Bürgermeister der nordbrandenburgischen Stadt Prenzlau gewählt.[1] Nach dem plötzlichen Tod des Ersten Bürgermeisteres Dr. Max Schreiber am 25. Februar 1929 trat er die Stelle des Ersten Bürgermeisters an.[1] Ein Höhepunkt seiner Amtszeit war die 700-Jahrfeier von Prenzlau. Nach der Verlegung der Prenzlauer Garnison nach Neuruppin bemühte er sich um die Wiederbelebung der Wirtschaft seiner Stadt. So erreichte er die Einrichtung eines Flugversuchs-Instituts und eines Flugplatzes (später Fliegerhorst der Luftwaffe).
Meyer, der als erfahrender Verwaltungsbeamter angesehen wurde[2], gehörte bis 1933 keiner Partei an und galt als Sympathisant des konservativen Lagers.[1] Die Machtübertragung an die Nationalsozialisten blieb ohne personellen Wechsel an der Prenzlauer Rathausspitze; im März 1933 trat Herbert Meyer der NSDAP und SS bei.[3]
Nach einer Auseinandersetzung mit Landrat Dr. Silvio Conti wurde Herbert Meyer im September 1934 zwangspensioniert. Conti war seit Juli 1930 NSDAP-Mitglied und galt als „alter Kämpfer“. Er hielt Meyer wegen seines Parteibeitritts nach der Machtübernahme für einen politischen Opportunisten, der inbesondere seine Mitgliedschaft in der SS zur Schau trage.[4] Weiterhin habe er in nahezu allen die Stadt betreffenden Fragen versagt sowie – was für Conti noch schwerer wog – eine „passive Resistenz gegen die staatliche Aufsicht und die Zusammenarbeit mit den staatlichen Aufsichtsbehörden“ gezeigt.[4] Nach Contis Beschwerden an den Gauleiter und an den Potsdamer Regierungspräsidenten wurde Meyer nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums Ende September 1934 in den Ruhestand versetzt.[4]
Durch Erlass des Reichs- und Preußischen Innenministers wurde Herbert Meyer mit Wirkung vom 3. Dezember 1934 zum Oberbürgermeister von Mühlhausen/Thüringen berufen. Seine Amtseinführung durch den Regierungspräsidenten Friedrich Bachmann erfolgte am 10. Dezember 1934. In dieser Funktion war er mit Unterbrechungen durch erneute Einberufung zum Militärdienst (1940/42) als Oberleutnant der Artillerie bis zum 8. Mai 1943 tätig. Seit Anfang 1940 vertrat er auch den Landrat des Kreises Mühlhausen und war Leiter der Rotkreuz-Kreisstelle und des Luftschutzes.
Oberbürgermeister von Nordhausen
Vom 9. Mai 1943 bis zur Besetzung Nordhausens durch die US-Armee am 11. April 1945 war Herbert Meyer Oberbürgermeister von Nordhausen. Er trat die Nachfolge von Johannes Meister an, der aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand ging. In Meyers kurzen Amtszeit waren die Versorgung der Bevölkerung, der Bau von Luftschutzanlagen und die Unterbringung von Evakuierten und Flüchtlingen die größten Probleme. Am 20. August 1943 stellt er in einer nichtöffentlichen Ratsherrensitzung fest, dass seitens der örtlichen Luftschutzleitung alles getan würde, um die Stadt luftschutzbereit zu machen bzw. deren Erfordernisse entsprechen laufend ergänzt werden.[5] Der Bau von Behelfsheimen im Rahmen des Wohnungshilfswerks wird von ihm am 10. Dezember 1943 bekanntgegeben.[6] Unter Meyers Leitung sollte ein Ehrenbuch für alle im Zweiten Weltkrieg gefallenen Nordhäuser angelegt werden; bis Anfang 1945 wurden ca. 500 Gefallene namentlich erfasst.[5]
In der letzten Not-Ausgabe des Südharz-Kurier vom 10. April 1945 „… riefen Kreisleiter Nentwig, Landrat von Wolffersdorf und Oberbürgermeister Dr. Meyer letztmalig zum Durchhalten auf. ... Wir müssen jetzt mehr denn je in eiserner Haltung zusammenstehen. Weiße Fahnen sind Schandfetzen.“[7] Zu diesem Zeitpunkt hielten sich die Funktionäre bereits in den Bergen des Südharzes versteckt.[7] Nach Erinnerungsberichten sollen OB Meyer und sein Stellvertreter Sturm bereits in den letzten März-Tagen die Mitarbeiter der Stadtverwaltung angewiesen haben, alle Geheimsachen der verschiedenen Dienststellen, die Karteien des Einwohnermeldeamtes und die Personalakten der Bediensteten zu vernichten.
Der Historiker und Zeitzeuge Hans Silberborth urteilte später: „Oberbürgermeister Dr. Meyer, Major der Schutzpolizei Dettmann und der Arbeitsstab der Stadtverwaltung hatten schon während des (Luft-)Angriffs völlig versagt und hilflos in einem Keller der Zichorienfabrik am Ausgang der Stolberger Strasse gesessen. Beim Herannahen der US-Armee erfolgte die Flucht des Kreisleiters, der Behörden und der Polizei.“[7] NSDAP-Kreisleiter Hans Nentwig hat später behauptet, er sei Dr. Meyer nach den Luftangriffen nicht mehr begegnet. Meyer gab an: „Ich habe Nentwig an einem Tag vor den Angriffen in einer Luftwaffen-Uniform mit den Rangabzeichen eines Unteroffiziers gesehen.“[7] Wie aus anderen Berichten hervorgeht, setzte sich Nentwig mit seinem Stab über die Napola im Kloster Ilfeld und Benneckenstein nach Stiege ab. „Zum Stab des Kreisleiters sollen noch immer Dr. Meyer und von Wolffersdorf gehört haben ... Als es Nentwig gelang, in einer Kampfgruppe unterzutauchen, suchten auch die anderen das Weite“, schrieb Peter Kuhlbrodt in der Schriftenreihe heimatgeschichtlicher Forschungen des Stadtarchivs Nordhausen.[8] Herbert Meyer verließ am 3. oder 4. April 1945 Nordhausen und kehrte nicht zu seinen Amtspflichten zurück. Die Stadtverwaltung aus „wenigen pflichtbewussten Verwaltungskräften“ sammelte sich nach einigen Tagen im Gehege.[9]
In einem Exklusivinterview mit dem Journalisten Manfred Neuber um 1964 in Bad Lauterberg erklärte Meyer: „An die Stadtverwaltung ist niemals bis zu den Angriffen eine Aufforderung der Amerikaner ergangen, Nordhausen zur offenen Stadt zu erklären. Ich möchte bezweifeln, dass sie an Kreisleiter Nentwig ergangen ist.”[10]
Am 15. April 1945 wurde Otto Flagmeyer vom amerikanischen Militärgouverneur zum neuen Oberbürgermeister bestimmt. Meyer wurde von den Amerikanern nicht in Nordhausen festgenommen und bei deren Abzug in den Westen mitgenommen. Am 25. September 1945 wurde er als Beamter seitens des Landesamtes des Inneren des Landes Thüringen aufgrund des „Gesetzes über die Reinigung der öffentlichen Verwaltung von Nazi-Elementen“ vom 23. Juli 1945 offiziell entlassen.
Nach Kriegsende
Vor der Spruchkammer 74 des Internierungslagers Ludwigsburg-Ossweil musste er sich als „Nazi-Aktivist“ verantworten. Nach seiner Entlassung am 3. April 1948 aus dem Lager Staumühle zwischen Bielefeld und Paderborn in der britischen Besatzungszone kehrte er in seine Heimatstadt Bad Lauterberg zurück und übte von 1951 bis 1953 eine selbständige Tätigkeit als Verwaltungsrechtsrat aus. In Bad Lauterberg fungierte Meyer 1952/53 für die FDP als ehrenamtlicher Bürgermeister, und er wurde in den Kreistag des Landkreises Osterode am Harz gewählt. Zehn Jahre lang (vom 1. Januar 1954 bis 29. Februar 1964) war er Stadt- und Kurdirektor in Bad Lauterberg, in den folgenden Jahren gehörte er noch dem Rat der Stadt Bad Lauterberg an.
Familie
Meyer und seine Ehefrau Edelgard, geb. Lohse (Heirat am 20. Juli 1929 in Olbernhau), hatten zwei Söhne.
Literatur
- Peter Kuhlbrodt: Nordhausen unter dem Sternenbanner (= Schriftenreihe heimatgeschichtlicher Forschungen des Stadtarchivs Nordhausen, Harz; Nr. 7). Nordhausen: Archiv der Stadt Nordhausen, 1995.
- Klaus Neitmann, Winfried Schich (Hrsg.): Geschichte der Stadt Prenzlau (= Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission, Band 16). Horb am Neckar: Geiger, 2009. ISBN 978-3-86595-290-5
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Klaus Neitmann (Hrsg.): Geschichte der Stadt Prenzlau. Horb am Neckar: Geiger, 2009. S. 235.
- ↑ Klaus Neitmann (Hrsg.): Geschichte der Stadt Prenzlau. Horb am Neckar: Geiger, 2009. S. 236.
- ↑ Klaus Neitmann (Hrsg.): Geschichte der Stadt Prenzlau. Horb am Neckar: Geiger, 2009. S. 248.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Klaus Neitmann (Hrsg.): Geschichte der Stadt Prenzlau. Horb am Neckar: Geiger, 2009. S. 249.
- ↑ 5,0 5,1 Stadtarchiv Nordhausen: Chronik der Stadt Nordhausen. 1802 bis 1889. Horb am Neckar: Geiger, 2003. S. 395.
- ↑ Stadtarchiv Nordhausen: Chronik der Stadt Nordhausen. 1802 bis 1889. Horb am Neckar: Geiger, 2003. S. 397.
- ↑ 7,0 7,1 7,2 7,3 Peter Kuhlbrodt: Nordhausen unter dem Sternenbanner, Nordhausen: Archiv der Stadt Nordhausen, 1995. S. 8
- ↑ Peter Kuhlbrodt: Nordhausen unter dem Sternenbanner, Nordhausen: Archiv der Stadt Nordhausen, 1995. S. 10
- ↑ Peter Kuhlbrodt: Nordhausen unter dem Sternenbanner, S. 7).
- ↑ Heinz Sting: Das 1000-jährige Nordhausen und der schöne Südharz. Hannover: Nordhäuser Heimatfreunde, 1965. S. 252.
- 1802–1868
Johann Grünhagen (1802–1822) | Carl Seiffart (1822–1832) | Heinrich Karl Kölling (1832–1839) | August Christoph Götting (1839–1847) | Moritz Eckardt (1847–1851) | Gottlieb Ullrich (1851–1868)
- 1868–1945
Julius Riemann (1868–1885) | Karl Hahn (1885–1892) | Kurt Schustehrus (1892–1899) | Carl Contag (1899–1924) | Curt Baller (1924–1933) | Heinz Sting (1933–1935) | Johannes Meister (1935–1942) | Herbert Meyer (1943–1945)
- 1945–1990
Otto Flagmeyer (1945) | Richard Senger (1945) | Karl Schultes (1945–1946) | Hans Himmler (1946–1952) | Alfred Meyer (1952–1953) | Heinz Andree (1953–1957) | Fritz Gießner (1957–1963) | Kurt Juch (1963–1973) | Fritz Lande (1973–1981) | Herbert Otto (1981–1985) | Peter Heiter (1985–1990)
- seit 1990
Olaf Dittmann (1990) | Manfred Schröter (1990–1994) | Barbara Rinke (1994–2012) | Klaus Zeh (2012–2017) | Kai Buchmann (seit 2017)