Der Nordhäuser Roland (11/1957): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. September 2015, 20:50 Uhr
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Zum 40. Jahrestag der Großen Sozialistischen OktoberrevolutionIm Mittelpunkt der kulturellen Ereignisse des Monats November stehen die Feierlichkeiten anläßlich der 40. Wiederkehr des Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Dem Theater, also der Schaubühne in der wahren Bedeutung des Wortes, fällt dabei eine besonders wichtige Aufgabe zu; ist es doch in der Lage, jene Zeit sinnfällig dem Auge und Ohr des Zuschauers wahrnehmbar zu machen und ihn den heißen Atem jener weltbewegenden Ereignisse spüren und mitempfinden zu lassen. In allen Theatern unserer Republik stehen zu diesem Zeitpunkt Revolutionsstücke auf dem Spielplan. Es gibt eine ganze Reihe ausgezeichneter Werke sowjetischer Schriftsteller, die sich mit den verschiedenartigsten Problemen, die im Zusammenhang mit der Oktoberrevolution standen, befassen. Sie zählen zum Teil bereits zu den klassischen Dramen der Revolution und sind meist auch verfilmt worden. „Das unvergeßliche Jahr 1919“ von Wischnewski ist z. B. vielen unserer Mitbürger auf diese Art bekannt geworden. Von dem gleichen Autor, der selbst an vielen Kämpfen teilgenommen hatte, stammen auch die Schauspiele „Die erste Reiterarmee“ und „Optimistische Tragödie“. Die großen Schauspielhäuser in Berlin, Leipzig und Dresden, die über zahlenmäßig starke Ensembles verfügen, brachten diese personell umfangreichen Werke heraus, ebenso wie Iwanows „Panzerzug 14-69“ sowie „Der Mann mit dem Gewehr“ und „Das Glockenspiel des Kreml“ von Fogodin. Die besten Schauspieler interpretierten die Hauptrollen dieser Stücke und traten in der Maske Lenins und Stalins auf. Die Bühnen der Stadt Nordhausen entschieden sich für das Schauspiel von Leonid Rachmanow „Stürmischer Lebensabend“. Dieses Werk befaßt sich mit dem Problem, das auch noch heute in seinen Grundzügen aktuell und bei uns in der Deutschen Demokratischen Republik noch nicht vollständig gelöst ist. Das Thema heißt, auf einen Nenner gebracht: Die Stellung der Intelligenz zu ihrer Arbeit und zu den politischen Ereignissen. Das Interessante an dem Stück ist, daß es in allen Hauptzügen auf Tatsachen beruht. Der Autor hat zwar kein biographisches Stück geschrieben, doch der Held seines Schauspiels ist dem berühmten sowjetischen Biologen Kliment Arkadjewütsch Timirjasew nachgestaltet. Als das Werk in der Deutschen Demokratischen Republik seine Erstaufführung erlebte, schrieb Leonid Rachmanow an den Regisseur Gustav von Wangenheim über die Veranlassung und Absichten, die ihn dazu brachten, dieses Schauspiel zu schaffen. Er berichtete von seiner großen Liebe und Verehrung jenem unbeugsamen Gelehrten gegenüber, der als erster sich auf die Seite der revolutionären Arbeiterklasse stellte, „unter dem Heulen der reaktionären Presse, durch die Spießruten böswilliger Ausfälle seitens einer Gesellschaft, die er ablehnte“. Der Autor betonte: „Es lag mir daran, eine Kollektivgestalt zu schaffen, in der sich die besten Charakterzüge der Vertreter der russischen Intelligenz überhaupt widerspiegeln sollten — ihre Ehrlichkeit, ihr Idealismus, ihre hohe Menschlichkeit und Hingabe an die Interessen des Volkes.“ Der Professor Poleshajew im Stück ist ein politisch klar und zielbewußt denkender Mann. Er steht am Ende seines Lebens und hat die böswilligen und hemmenden Auswirkungen des monarchistisch-reaktionären Zarenregimes am eigenen Leibe — und was für ihn ausschlaggebend ist — an den Arbeitsbedingungen seiner wissenschaftlichen Betätigung kennengelernt. Als Biologe plant er großzügige Unterstützung der russischen Landwirtschaft durch die Ergebnisse seiner Forschungen. Er erkennt, wie unrentabel und primitiv der Ackerbau fin altausgefahrenen Geleisen läuft, daß man Hungersnöten Vorbeugen kann, indem man dem Boden besseres Saatgut anvertraut und das Leben der Pflanzen studiert. Erbittert muß er immer wieder feststellen, daß man seine Projekte ablehnt, seine Vorschläge verwirft, ihn in jeder Weise kaltstellt. Während sein wissenschaftlicher Ruhm sich über die ganze Welt ausbreitet, stößt er im eigenen Lande auf Unverständnis und Borniertheit. . Das Stück beginnt im Jahre 1916, als durch die harten Kriegsjahre der Gärungsprozeß innerhalb der Volksmassen soweit fortgeschritten war, daß sich klare Fronten zu bilden begannen: gegen das Zarenregime, gegen Adel und Bourgeoisie, gegen den Krieg — für gerechte Verteilung des Bodens, für die Kontrolle der Produktion in den Fabriken, für die Macht des Volkes, für die Revolution. Jeder russische Mensch sah sich vor die Frage gestellt: Wo stehe ich? Kompromißlerische Parteien versuchten, die sich scharf abhebenden Gegensätze zu verwischen und machten je nach Lage der Dinge Zugeständnisse nach beiden Seiten. Besonders die Kreise des Bürgertums und der Intelligenz fühlten sich hin- und hergerissen. Man gab zu, daß das Staatsgefüge in allen Fugen krachte und daß es so nicht mehr weitergehen konnte, aber man schreckte vor den notwendigen Konsequenzen'zurück. Dieser Bruch, verursacht durch die revolutionäre Entwicklung, ging auch durch Poleshajews engsten Mitarbeiterstab. Der Dozent Worobjow, der jahrelang unter ihm gearbeitet hatte, entwickelte sich zum Abscheu Poleshajews zu einem kleinlichen, ruhmsüchtigen, ichbezogenen Menschen, unfähig, in den Tagesereignissen die großen politischen Zusammenhänge zu sehen, maßlos stolz auf den Ruhm des Professors und darauf, sein Mitarbeiter zu sein. Der Student Botscharow dagegen gehörte zu der revolutionären Jugend, die an den Universitäten politische Arbeit leistete. Er agitierte unter den Matrosen der Flotte, wurde verhaftet und an die Front geschickt. Bei Ausbruch der Revolution kehrte er zurück und übernahm wichtige Aufgaben als Mitglied der Partei. Professor Poleshajew sah seinen Weg klar vor sich, öffentlich in einem Zeitungsartikel bekannte er sich zu der Arbeiter-und-Bauern-Regierung und stellte sich auf die Seite der Bolschewiki. Er gab damit vielen noch schwankenden Elementen ein wahrhaftes Beispiel. Zu diesem Schritt gehörte Mut. Es erwies sich auch bald, daß der alte Gelehrte unter seinesgleichen auf unverhohlene Verachtung und Haß stieß. Viele seiner Professorenkollegen rückten von ihm ab, als scheuten sie das Feuer, die reaktionäre Presse fiel über ihn her, bürgerliche Studenten drückten ihm ihre Mißachtung aus. Bereits einige Jahre später gab die Entwicklung Poleshajew recht. Unter der Arbeiter-und-Bauern-Regierung, geführt von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, blühten Wissenschaft, Technik, Kunst auf wie nie zuvor. Die Menschen lernten die Arbeit lieben, Erfolge lockten zu immer höheren Zielen, es lohnte sich wieder, ein Mensch zu sein. Die architektonische Gestaltung der Rautenstraße in NordhausenNach wie vor steht der Wiederaufbau unserer früheren Hauptstraße, der Rautenstraße, im Mittelpunkt des Interesses unserer Bevölkerung. Daß dies so ist, bewies u. a. auch der starke Besuch des Vortrages unseres Nordhäuser Chefarchitekten Stabe, den dieser vor kurzem im „Thomas-Mann-Klub“ über das Thema hielt: „Die architektonische Gestaltung der Rautenstraße in Nordhausen“. Chefarchitekt Stabe knüpfte einleitend an seinen Vortrag an, den er über das gleiche Problem im November vorigen Jahres ebenfalls im „Thomas-Mann-Klub“ hielt. Dem erwähnten Vortrag waren bereits vierzehn öffentliche Diskussionen mit allen Teilen unserer Bevölkerung vorausgegangen, ohne daß bislang eine völlige Übereinstimmung hätte erzielt werden können; wobei wir nur anfügen wollen, daß sich die Bevölkerung in den ersten Diskussionen zu 50 bis 60 Prozent den vorliegenden Plänen gegenüber ablehnend verhielt, während in den letzten Besprechungen, nach eingehender Erläuterung des Wundenberg-Plans, immerhin schon eine 60- bis 70prozentige Zustimmung herrschte. Was für die Rautenstraße geplant wurde, dürfte unserer Bevölkerung gegenwärtig sein: es sind, wie eben schon erwähnt, nicht nur eine große Reihe von Diskussionen bisher geführt, sondern auch Modelle und Zeichnungen ausgestellt worden. Nicht zuletzt hatten sich der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands mit seiner Zeitschrift „Der Nordhäuser Roland“ und der „Thomas-Mann-Klub“ hierbei eingeschaltet, denn es ist ja auch nicht ganz unwichtig und unwesentlich, was die Vereinigung der Nordhäuser Kulturschaffenden zu dem Problem des Wiederaufbaus unserer Hauptstraße zu sagen hat. Es kann also wohl auch an dieser Stelle der Plan der Stadt-und Dorfplanung Weimar als bekannt vorausgesetzt werden. Nach der vorerwähnten Diskussion im „Thomas-Mann-Klub“ berief der Rat der Stadt und des Kreises Nordhausen noch eine Schlußberatung ein, in der es besonders Architekt R i e m a n n war, der die in dem Klubvortrag vorgetragenen und erarbeiteten Gedanken zum Wiederaufbau der Rautenstraße den Ratsmitgliedern bekanntgab. Es dürfte nicht zuletzt den Bemühungen des Kulturbundes zuzuschreiben sein, daß sich der Rat des Bezirkes entschloß, für die zukünftige architektonische Gestaltung, also das fassadenmäßige Gesicht unserer Hauptstraße in Form, Farbe und Gestaltung der Gebäude einen Wettbewerb auszuschreiben. Herr Stabe erinnerte daran, daß er in seinem ersten Vortrag im Klub neben zahlreichen schlechten Beispielen neuer Architektur auch den Wiederaufbau der Stadt Freudenstadt im Schwarzwald gezeigt habe, der beweist, daß man nach einer guten Planung sehr wohl in der Lage ist, auch ohne überwältigend große Mittel stilgerecht und organisch wiederaufzubauen. Die Schau des Städtebauers, so betonte der Vortragende sehr richtig, muß ja noch weit über die eines Architekten, der beispielsweise nur ein Haus baut, hinausgehen, denn das Stadtgefüge, das Stadtbild als Ganzes hat ja unaufhörlich zu wachsen, hat sich stets an das bereits Geschaffene harmonisch anzugliedern; Aufgaben, die über diejenigen eines einzelnen Gebäudes weit hinausreichen. Stark haben sich, so führte Chefarchitekt Stabe weiterhin aus, gegenüber früher heute unsere Ansprüche und Maßstäbe geändert, selbstverständlich auch auf dem architektonischen und städtebaulichen Gebiet; aber nid wollen wir dabei das alte Wort vergessen, daß der Mensch das Maß aller Dinge zu sein hat, der Mensch mit seinen notwendigen und berechtigten Forderungen. Nie wird der moderne Städtebau daher zurückkehren etwa zu der früher so beliebten Verschachtelung der Häuser und Wohnviertel mit ihrem ungesunden und stickigen Halbdunkel; nein, wir holen uns die Natur in die Stadt, lockern das Stadtbild durch Grünflächen auf und werden als Städtebauer alles tun, daß auch in unseren Städten Licht, Luft und Sonne keine unbekannten, höchstens einmal am Wochenende oder ini Urlaub genossene Dinge sind! Eingehend behandelte der Vortragende nunmehr das Ergebnis des oben bereits erwähnten Wettbewerbs für die zukünftige architektonische Gestaltung unserer Rautenstraße. Sieben Wettbewerbsteilnehmer waren eingeladen, drei davon traten zurück, drei wurden mit Preisen ausgezeichnet; alle vier begutachteten Arbeiten stellte Chefarchitekt Stabe vor: den ersten Preis errang das Zentrale Entwurfsbüro des Ministeriums für Aufbau, Berlin, in die anderen zwei Preise konnten sich das Autorenkollektiv des Entwurfsbüros für Hochbau, Erfurt und das Entwurfsbüro für Hochbau, Nordhausen, teilen. Die Arbeit der Abt. Stadt- und Dorfplanung Weimar konnte nicht prämiiert werden. Es mag dabei betont werden, daß den Mitgliedern des Preisgerichts vor der Preisverteilung nicht die Schöpfer der Pläne, sondern lediglich Kennziffern bekannt waren! Es würde naturgemäß zu weit führen, an dieser Stelle auf jeden der vier Entwürfe einzeln einzugehen, nur soviel sei gesagt, daß sie nach den folgenden Gesichtspunkten gewertet wurden: Baumassenkomposition, architektonische Haltung, Funktion der Wohnungen und Läden, Einbeziehung der Silhouette des Petersberges in das räumliche Erlebnis, Wegeführung beim Einkäufen, Einmündung der Rautenstraße in den Grüngürtel, Probleme der Denkmalspflege und Farbkomposition. Der Plan des Entwurfsbüros für Hochbau, Nordhausen, hielt sich dabei in seiner Baumassenkomposition im wesentlichen an die von der Stadt- und Dorfplanung Weimar gegebene Vorlage, wobei die Korrektur des Einbindens in die Zeilenbebauung gegenüber der gegebenen Grundkomposition zu bejahen ist; auch das Fortfallen der Stufen vor den Läden erscheint durchaus begrüßenswert. Die architektonische Gesamthaltung des Nordhäuser Entwurfs versucht den Maßstab und die Grundhaltung unserer Vaterstadt in moderne Bauformen zu übersetzen und die dabei vorgeschlagene Kleinarchitektur verrät ein liebevolles Eingehen auf die Stadtbaugeschichte Nordhausens. Man ist in diesem Entwurf weiterhin davon ausgegangen, daß durchgehende Läden, eingebaut in die Häuser auf der Westseite der zukünftigen Rautenstraße, nicht nur teuer, sondern in dieser Vielzahl auch nicht zweckmäßig zu verteilen sind, da es sich auf dieser Seite nur um kleinste Läden handeln soll. Das Einmünden der „Magistrale“ in den Grüngürtel und der Versuch, eine bauliche Zäsur mit gleichförmigen, zweigeschossigen Baukörpern zu schaffen, wird in dem Nordhäuser Projekt nicht als vorteilhaft empfunden, weil — wie schon eine bauliche Unterteilung des Grüngürtels ergibt — diese Elemente auch eine besondere materielle Bedeutung haben müßten. Angeregt durch die zu beurteilenden Arbeiten, war die Jury schon von sich aus zu der Überzeugung gekommen, daß der verhältnismäßig nur schmale Raum zwischen der Rautenstraße und dem Petersberg lediglich dem Einkäufen — also Läden — überlassen werden sollte. Das Zentrale Entwurfsbüro des Ministeriums für Aufbau, Berlin, hatte eine solche Konsequenz bereits von sich aus gezogen; wobei hinzugefügt werden soll, daß die Ausschreibung des Wettbewerbs eine solche Möglichkeit — also die Abweichung von der ursprünglichen Konzeption des Bebauungsplans — offengelassen hatte. Außerdem enthält die Lösung des Entwurfsbüros Berlin die beste Möglichkeit, den dominierenden Petersberg mit in die Sicht einzubeziehen. Die Jury stellte sich die Weiterentwicklung des Berliner Plans durch die Schaffung sogenannter „Atriumhöfe“ vor, d. h. man muß versuchen, den ruhigen Einkaufsweg nicht entlang der Rautenstraße — für die ja ständig wachsender Verkehr in Zukunft zu erwarten sein wird — zu legen, sondern es seien nach Möglichkeit eine Folge von Einkaufsräumen in Form von Schmuckhöfen zu schaffen, die im Innern durchschritten werden und in einen Grüngürtel ausmünden. Schaufenster können sich dabei sowohl in der Front der Rautenstraße, als auch zu den Atriumhöfen hin befinden, so daß breiteste und ausgedehnteste Aüsstellungsmöglichkeit besteht. Baulücken zwischen diesen Höfen könnten einen vollständigen Durchblick zum Petersberg hin freigeben. Der Blick sowohl von der Höhe der Rautenstraße, als auch von der Höhe des Petersberges in diese selbstverständlich schön gestalteten Höfe wird sehr viel reizvoller wirken, als dies sämtliche anderen Vorschläge gestatten würden. Überzeugend bei dem Berliner Projekt wirkt auch das Einbinden des vorgesehenen großen Cafes in die noch vorhandene Mauer auf der Westseite der Rautenstraße, und gleichfalls gut gelöst erscheint die vorgeschlagene Gestaltung der Läden; Weniger überzeugend ist in dem Berliner Plan, das Problem der Wohnungsbauten gelöst, für die wiederum bessere Lösungen bei den anderen Projekten des Wettbewerbs vorliegen. Ohne jede Frage hat dieser Wettbewerb das Ringen um eine Bestform der Gestaltung der Rautenstraße ein gutes Stück vorangetrieben, so daß nach den Beschlüssen des Rates der Stadt Nordhausen und der Stadtverordnetenversammlung die einmütige Auffassung darüber besteht, bei der Endprojektierung unserer „Magistrale“ die preisgekrönten Entwürfe — und zwar von jedem die besten Vorschläge — zugrunde zu legen. Dabei stehen für den Aufbau der Westseite der Rautenstraße im Jahre 1958 voraussichtlich 2,2 Millionen DM zur Verfügung, die als Rohbaukosten anzusehen sind. Für die vorgesehene große Tanzgaststätte mit Terrassen-Cafe auf der Stadtmauer mit einem Fassungsvermögen von 250 Personen liegen die Kosten noch nicht endgültig fest. Über den Bauwert der atriumartigen Läden und Höfe an der Ostseite wird erst das Grundprojekt Aufschluß geben können, ebenso wie auch über die Beheizungsfrage durch eine Fernheizzentrale noch genauere Untersuchungen angestellt werden müssen. Selbstverständlich soll so modern, aber auch so wirtschaftlich wie möglich gebaut werden. Für die Konzentration der Wohnungen an der Westseite unserer Hauptstraße ist eine größtmögliche Kapazität anzustreben, d. h. es sind hier etwa bis zu 90 Wohnungseinheiten zu schaffen. Die Erweiterung des Kreishauses I wird nur bis zur Ecke der Rautenstraße durchgeführt; für den Wohnungstrakt von dieser Ecke nach Süden bis hinunter zur Einmündung der Treppenanlage zur Jüdenstraße ergeben sich natürlich nur sehr begrenzte Hofverhältnisse, es wird daher empfohlen, hier Kleinstwohnungen unterzubringen. Aber auch für die übrigen Blocks soll nach Möglichkeit über eine Wohnungsgröße von 2V2 Zimmern nicht hinausgegangen werden. Da auf der Ostseite der zukünftigen „Magistrale“ eine starke Konzentration von Läden vorgesehen ist, soll sich der Einbau von Verkaufsläden auf der Westseite auf nur etwa fünf beschränken. Über die in den Läden unterzubringenden Branchen wird die Abteilung „Handel und Versorgung“ entscheiden. Bundesfreund Stabe erklärte abschließend, daß das Grundprojekt bis zum Jahresende 1957 fertig zu sein hat, um einen rechtzeitigen Baubeginn im Jahre 1958 zu gewährleisten; er schlug dabei vor, einen Mitarbeiterstab zu bilden aus Städtebauern, Architekten, Verkehrsfachleuten, Gastronomen, Einzelhändlern, Landschaftsgestaltern, Soziologen, Ärzten, Ingenieuren, Politikern, berufstätigen Frauen, Hausfrauen und anderen „Nichtfachleuten“, die den Architekten beratend zur Verfügung stehen. Für die variable Gestaltung der Ostseite der Rautenstraße empfahl der Vortragende die Methode des bauabschnittsweisen Bauens, d. h. Schritt für Schritt im Rahmen der Finanzen und der verbesserten Materialmöglichkeiten, wobei stets die wachsenden Verdichtungen der städtebaulichen Nutzung, der Kauf- und Wohnqualitäten und Möglichkeiten und des fließenden und ruhenden Verkehrs zu berücksichtigen sind. Ebenfalls empfahl Chefarchitekt Stabe eine variable Gestaltung der Wohngrund-risse von Kleinwohnungen zur verschmolzenen größeren, bzw. Großwohnung, da nicht nur an wachsende Familien und wachsenden Lebensstandard zu denken ist, sondern auch an Dinge und Räume für beispielsweise Arztpraxen, Foto- oder Schneiderinnenateliers usw. — Der Probleme und Fragen sind also noch viele und wir stehen jetzt erst an ihrem Anfang; eines aber ist heute bereits sicher: bewältigen werden wir diese Fragen und Probleme in gemeinsamer Arbeit! Reicher Beifall lohnte die durch gute Lichtbilder unterstützten Ausführungen unseres Chefarchitekten, so daß es nicht wundernahm, daß sich auch die Diskussion aufgeschlossen und lebhaft gestaltete. Zur Geschichte der Nordhäuser Kinderklinik
Die Entstehung dieser Anstalt kann man nicht isoliert betrachten. Sie ist mit der Geschichte der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der Stadt, des Kreises, ja, ganz Deutschlands verbunden. Die Darstellung der ärztlichen Versorgung und des Krankenhauswesens im allgemeinen wird einen besonderen Geschichtsschreiber finden müssen. Hier sei nur das Notwendigste über die Versorgung der kranken Bürger im Verlauf der Jahrhunderte gesagt. Die erste organisierte Krankenhaustätigkeit war bekanntlich an die Klöster geknüpft und machte da zahlreiche Wandlungen durch. Folgen wir der Chronik der Stadt Nordhausen, wie sie zur Tausend-Jahr-Feier (Verlag Theodor Müller, 1927) erschien, so wird der heute noch bestehende Siechhof (1281) immer wieder genannt. Er dürfte jedem Nordhäuser Kinde bekannt sein. Weit vor den Toren der alten Stadtmauer gelegen, diente er ursprünglich der Versorgung der Aussätzigen und später als das Spital schlechthin. Die bauliche Form, so wie wir sie heute kennen, gleich zur Rechten, wenn wir die nach Kassel führende Brücke über die Zorge überschreiten, verdankt er einem 1825 vorgenommenen Umbau. Hierhin wurden die kranken Bettlägerigen gebracht, soweit sie das Armenrecht für sich in Anspruch nahmen. Der wohlhabende Bürger, der Kranke, der noch Familienbindung besaß, wurde in seiner Wohnung vom Arzt besucht und behandelt. Dort inmitten der Seinen genas oder starb er. Die uns heute so geläufige Einlieferung in ein Krankenhaus oder gar in eine entfernte Universitätsklinik gab es nur ganz ausnahmsweise. Dies Verfahren dürfte kaum hundert Jahre alt sein. An anderen kleinen Spitälern sei noch das Elisabeth-Spital (1-436), heute noch bestehend am Ende der Elisabethstraße, und das Martin-Spital (1389) genannt, das wir uns am Rumbach gelegen vorstellen müssen. Es fiel 1945 den Bomben zum Opfer. Spitäler, Armenhäuser, Altersheime und Arbeitshäuser waren durch die Jahrhunderte nicht streng getrennte Begriffe. Sie wechselten ihre Bestimmung nach Bedarf. Die Verwendung als Altersheim oder, wie man heute sagt, „Feierabendheim“, hat der Siechhof bis auf den jetzigen Tag behalten. Es muß erwähnt werden, daß der Siechhof in den letzten Jahrzehnten hilfsweise auch noch als Arrestlokal benutzt wurde. Jedenfalls war bis Ausgang des 19. Jahrhunderts diese historische Stätte das einzige Krankenhaus für die Nordhäuser Zivilbevölkerung. Als 1834 aus Halle eine Jägerabteilung nach Nordhausen verlegt wurde, die hier bis 1848 garnisoniert war, wurde ein kleines Militärlazarett am Weinberg, Ecke Taschenberg, errichtet. Dieser alte kleine Bau, der im Komplex des späteren Krankenhauses einbegriffen war, diente bis zu seiner Zerstörung 1945 als Infektionsabteilung, Mütter heim und anderen Zwecken. Es ist anzunehmen, daß es gerade dieses Haus war, das die Wahl für den Platz des Städtischen Krankenhauses am Taschenberg bestimmt hat. 1888 wurde dies schon recht moderne Krankenhaus eröffnet; 1912 erfolgte ein Erweiterungsbau, vorwiegend für interne Zwecke. Völlige Zerstörung am 4. April 1945. Um die Jahrhundertwende und auch noch später entstanden namhafte Privatkliniken, die dem Bedürfnis nach neuzeitlicher, fachärztlicher Behandlung, vor allem was die Chirurgie und Frauenkrankheiten betraf, Rechnung trugen. Aber wie sah es mit den Kindern aus! Nun, die wurden wie die Erwachsenen von den Ärzten der Stadt behandelt. Es gab weder den Begriff des Facharztes noch Anstalten mit besonderen Einrichtungen für kranke Kinder. Doch nichts entsteht sprunghaft und ohne Vorboten. Vorläufer im Bestreben bedürftigten, vor allem alleinstehenden Kindern Pflege und Hilfe angedeihen zu lassen, müssen wir in den Findlingsanstalten und Waisenhäusern sehen. Ist uns über eine Findlingsanstalt nichts überliefert, so besteht das Nordhäuser Waisenhaus doch schon seit 1715—17 (Waisenstraße). Das Wirken eines Pestalozzi und Fröbel blieb nicht ohne Wirkung, und schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts gründete Pfarrer Balzer einen Kindergarten von allerdings kurzem Bestände (1845 bis 1848). In der Domstraße 7 wurde 1893 ein Kinderheim eingerichtet. Eine Kinderbewahranstalt in der Domstraße wird schon 1863 erwähnt. Es war das alles gewiß nicht viel, aber es geschah doch wenigstens etwas für die hilfsbedürftigen- Kinder. Die überzeitliche Grundlage auch der heutigen Krankheitspflege muß das angeborene Gefühl und die innere Berufung zur Hilfe am Notleidenden sein. Die Bereitschaft zum Helfen, die zunächst aus den wohlhabenden Kreisen heraus organisiert war, konnte die kommenden großen Aufgaben allein nicht leisten. Der Hauptanstoß in Richtung der Vervollkommnung des Gesundheitswesens kam erst durch die eingreifende Wandlung, die Stadt und Kreis nach einer Reichsgründung erfuhren. Mit der Entwicklung großer Fabrikationsbetriebe, dem Wandel Deutschlands von einem Agrar- zu einem Industriestaat, war auch eine neue Einstellung zum Gesundheitswesen dringend notwendig geworden. Stadtbeleuchtung, erst Gas (1849), dann Elektrizität (1898), Wasserversorgung (1874), Kanalisation (1911) und Stadtbad (1907) wurden dem modernen Stande angepaßt. Die Gründung der Krankenkassen und der Invalidenversicherung (1883) waren einschneidende Maßnahmen im gesamten Deutschen Reich. Es ist einleuchtend, daß mit der sprunghaften Zunahme der Zahl der Werktätigen in der Industrie immer schleunigter auf den modernen Aufbau des Gesundheitswesens hingearbeitet werden mußte. In diesem Zusammenhang ist der Krankenhausbau zu verstehen, erfolgte die Gründung von Kliniken, und schließlich fand auch die Fürsorge für Säuglinge, Klein- und Schulkind Anschluß an die große, jetzt staatlich organisierte, prophylaktische Betreuung der Jugend. Meilensteine auf diesem Wege sind die Armenordnung (1876), die Ordnung der Waisenpflege (1906) und die Einrichtung von Fürsorgestellen für Lungenkranke (1907). Für den Gegenstand unserer Betrachtung ist der 1. August 1912 ganz besonders hervorzuheben, denn an diesem Tage wurde die erste öffentliche Beratungsstelle für Säuglinge eröffnet. Hier folgte man wieder dem allgemeinen Zuge der Zeit. Schloßmann (Düsseldorf), Rott (Berlin) u. a. veranlaßten die Einrichtung öffentlicher Mütterberatungsstellen in ganz Deutschland. Die erste Fürsorgerin in Nordhausen war Frau Berta Pape, die Mutter der noch vor kurzem im Amt befindlichen, unzähligen Nordhäuser Müttern und Kindern bekannten Schwester Hoppe, der wir auch die folgenden Angaben verdanken. Man hatte sich in Magdeburg die neu eingerichteten Beratungsstellen angesehen und nach deren Muster auch in Nordhausen zu arbeiten begonnen. Erster Beratungsarzt war Frauenarzt Dr. Blaß, der Erbauer der jetzt Dr. Prost’schen Frauenklinik. Dann kam der erste Weltkrieg, der sich auch auf diesem Gebiet bemühte, „Vater aller Dinge“ zu sein. Die steigende Not, die Beanspruchung weiblicher Arbeitskräfte in der Kriegsindustrie machten die Schaffung einer Kinderkrippe notwendig. Den Auftrag der Einrichtung übernahm der sogenannte „Vaterländische Frauenverein“, der seit 1888 die weibliche Abteilung des Deutschen Roten Kreuzes wurde (letzte Leiterin Frau H. Schreiber). Wir sind noch im Besitz von Aufzeichnungen über die Gründung dieser Krippe. Sie hatte 13 Betten und befand sich kurze Zeit in der Martinstraße in der Nähe des Klosterhofes (heute alles bis auf den Grund zerstörte Straßenzüge). Da die Räumlichkeiten bei weitem nicht ausreichten, schritt man zum Erwerb eines großen Grundstückes in der Riemannstraße 15, auf dem sich auch heute noch die Kinderklinik befindet. Schön gelegen, war die Wahl eine glückliche zu nennen. Das Gebäude, eine ehemalige Gastwirtschaft, wurde behelfsmäßig schon 1919 als Säuglingsheim eingerichtet und wies bereits 30 Betten auf. 1921 kam der erste Kinderfacharzt (Dr. Schede) nach Nordhausen, dem auch bald die Leitung der Anstalt übertragen wurde. Schon 1924 erfolgten wesentliche bauliche Erweiterungen, die Bettenzahl stieg auf 105. Seit 1920 besteht auch eine staatlich anerkannte Säuglingspflegeschule. 1924 wurden die Zehlendorfer Schwestern, die bis dahin die Anstalt versehen hatten, von dem Mutterhaus der Elbingeröder Diakonissen abgelöst und dieses vertraglich verpflichtet, die Schwesternschaft zu stellen. Zu dieser Zeit, 1924, trat auch Schwester Frieda Gerhart ihren Dienst an, den sie mit geringer Unterbrechung in voller Rüstigkeit bis heute als Oberschwester versieht. Sie hat nun schon zwei Generationen von Kinderri betreut, und mit ihr arbeiten, der Pflege kranker Kinder hingegeben, ihre Mitschwestern unermüdlich Tag und Nacht. Wer von den kleinen Bürgern bevölkerte nun eigentlich das damalige Säuglings- und Kinderheim? Natürlich in erster Linie Kinder der Stadt und des Kreises. Später wurden in zunehmendem Maße von der Provinzialverwaltung in Magdeburg (Nordhausen gehörte bis 1945 zur Provinz Sachsen) Fürsorgekinder, d. h. Kinder, deren Erziehung gefährdet war, eingewiesen, die meistens bis zum Schulbeginn blieben. Der Kostenzuschuß der Provinz bildete zeitweise das finanzielle Rückgrat des Kinderheimes. Manch eines dieser Kinder ist später ein ordentlicher Mensch geworden. Obschon alles recht sparsam zuging, waren die Kosten doch noch zu hoch. Es kam im Jahre 1930 im Zusammenhang mit der Weltkrise zu einer finanziellen Katastrophe in Deutschland, in deren Verlauf fast alle Gemeinden ihre Kinder aus den öffentlichen Heimen zurückzogen und in den heimatlichen Orten in Pflegestellen billiger unterzubringen versuchten. So tief schneiden Wirtschaftskrisen auch in anscheinend friedliche Bezirke des öffentlichen Lebens ein! Jetzt muß eines anderen Ereignisses Erwähnung getan werden und das ist die Gründung und Entwicklung des Entbindungsheimes. Im Jahre 1926 wurde auf Veranlassung, wiederum der Provinzial Verwaltung (Landeshauptmann) in Magdeburg, die Errichtung einer Entbindungsanstalt beschlossen und mit dem Bau auch gleich begonnen. Dieses sollte der Unterbringung schwangerer Fürsorgemädchen dienen. Sie blieben vor und nach der Entbindung eine gewisse Zeit im Heim mit Hausarbeiten beschäftigt, arbeiteten bis kurz vor der Niederkunft und stillten dann noch einige Zeit ihre Kinder. Die Verwaltungsgemeinschaft des Entbin-dungs- und Säuglingsheimes unter Führung des Roten Kreuzes war eine äußerst fruchtbringende Arbeitsgemeinschaft. Beide Einrichtungen haben Nutzen aus dieser Verbindung gezogen. Mit einem gewissen Neid denkt man an die Zeit zurück, wo für ungestillte Neugeborene und Frühgeburten stets eine genügende Menge frischer, einwandfreier und nicht konservierter (roher) Frauenmilch zur Verfügung stand. Um das Entbindungsheim voll auszulasten, wurde bestimmt, daß auch andere hilfesuchende Frauen dort Aufnahme finden konnten. Die Leitung hatte eine erfahrene Hebamme (durch viele Jahre Hebammen-Schwester Margarete Schmauß). Ein Arzt konnte nach Belieben der Mütter hinzugezogen werden, ebenso wie auch praktische Ärzte dort ihre Kreißenden entbinden konnten (sogenannte offene Krankenanstalt). In den Krisenjahren 1938/39, aber noch darüber hinaus, bildete die gut florierende Anstalt, die nicht selten auch vom Ausland beschickt wurde, eine finanzielle Stütze des gemeinsamen Unternehmens. Säuglingsheime warfen und werfen keinen Profit ab und sollen es auch nicht, wurde doch in einem solchen von den Gemeindeverwaltungen für Pflege und Ernährung nur 80 Pfennig je Tag gezahlt. Die Gemeinden und auch die Stadt Nordhausen trugen weiter keinen Deut zur Erhaltung der Anstalt bei. So war auch die medizinische Einrichtung des Säuglingsheimes eine recht bescheidene, von Labor und Röntgeneinrichtung nicht zu reden. Wie schon erwähnt, bildete das Säuglingsheim auch Schwestern aus. Die Einteilung in Säuglingspflegerinnen und Säuglingsschwestern (mit ein-oder zweijähriger Ausbildung) wurde erst 1930 durch Reichsgesetz verfügt. Eine Ausbildung als Säuglingsschwester setzt das Vorhandensein kranker Kinder in der Anstalt voraus. So lange der erste Kinderarzt amtierte, nahm die Zahl der kranken Säuglinge zwar zu, sie bildeten aber stets eine Minderzahl. Es entstanden Schwierigkeiten in der Bezahlung von Rechnungen durch die Kassen für Krankenpflegeleistungen. So ersuchte die Anstalt 1934 die zuständige Regierung in Erfurt, das Heim als Kinderklinik anzuerkennen. Diesem Antrag wurde stattgegeben, und Nordhausen hatte auch de jure seit 1934 eine Kinderklinik. Die Einrichtungen wurden ausgebaut, die Einweisungen stiegen von Jahr zu Jahr. Einen besonderen Auftrieb erhielt dann die Anstalt im Kriege, wo die Fluktuation großer Bevölkerungsteile begann (Evakuierte, Fremdarbeiter usw.). Die Höchstbelegzahl stieg in diesen Jahren vor der Katastrophe bis auf über 160 Kinder.
Walter Treichel begeht sein 25jähriges ChorleiterjubiläumSeit einem Vierteljahrhundert leitet Walter Treichel die Konzerte des Früh’schen Oratorienchors und hat damit einen bedeutenden Einfluß auf das Musikleben unserer Stadt ausgeübt. Als er im Frühjahr 1932 zum Nachfolger des erkrankten Eduard Lin™ denhan auserkoren wurde, war er hier kein Unbekannter mehr. Schon lange vorher hatte er durch seine außerordentliche Bewährung als Musiklehrer und Chorleiter in Bad Frankenhausen die Aufmerksamkeit musikbeflissener und amtlicher Kreise in Nordhausen auf seine Person gelenkt, was Anfang Herbst des Jahres 1931 zu seiner Berufung als Musiklehrer an die hiesigen höheren Knabenschulen führte. Für die Wahl des damals 32jährigen Anwärters waren dessen vorangegangene Ausbildung und erfolgversprechende künstlerische Laufbahn ausschlaggebend. Als Sohn eines Kantors und Lehrers zu Altmarrin im Kreis Kolberg geboren, besuchte er nach Absolvierung der Schulzeit das Lehrerseminar in Köslin. Dort erhielt er instruktiven Unterricht durch den weit über die Grenzen seines pommerschen Wirkungskreises hinaus bekannten Musikpädagogen Gustav Hecht. Im Anschluß daran studierte er drei Jahre an der Staatlichen Hochschule für Kirchen- und Schulmusik in Berlin-Charlottenburg, an der Lehrer, wie die Professoren Carl Thiel, Waldemar von Baußner, Wolfgang Reimann, Kurt Schubert, Julius Dahlke, Joh. Wolf und Fritz Jöde, dozierten. Sein gründliches Studium verschaffte ihm nicht nur vielseitige Kenntnisse über Praxis und Theorie der Musik, sondern auch solche über deren Entwicklung und ihre Literatur. Schon während seiner Studienzeit leitete er einen Kirchenchor in Neukölln, und im Herbst 1926 wurde er an die Deutsche Aufbauschule in Gotha als Musiklehrer berufen. Hieran schloß sich die bereits erwähnte Betätigung in Bad Frankenhausen. W. T. hatte schon mit seinem Debüt am 24. Oktober 1932 die Sympathien des Nordhäuser Konzertpublikums erobert. Der kritischen Einstellung des letzteren gegenüber moderner Musik kam er insofern entgegen, als er den Spuren seines Vorgängers ein gutes Stück Weges folgte. Wie dieser nahm auch er das klassische Oratorium Händels sowie Werke von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert und Schumann in sein Programm auf. Seine Verehrung gilt aber dem grandiosen Lebenswerk des Leipziger Thomaskantors und der erhabenen Kunst eines Johannes Brahms. Von Bach erfuhren die „Hohe Messe in h-Moll“ und die „Matthäuspassion“ je zwei Aufführungen, die „Johannespassion“ kam einmal zu Gehör; „Ein deutsches Requiem“ von Brahms wurde im Rahmen von Toten-Gedächtnis-feiern 15mal zur Aufführung gebracht. W. T. führte von zeitgenössischen Komponisten „Die Liebesmesse“ von Hermann Zilcher und „Das Spiel vom deutschen Bettelmann“ von Fritz Reuter auf. Beide Veranstaltungen wurden von der Presse und dem Publikum als musikalische Ereignisse gewürdigt. Mit dem Früh’schen Chor hat W. T. insgesamt 50 Konzerte herausgebracht, deren Programme überwiegend die größten Oratorien und Meisterwerke deutscher Komponisten verzeichneten. Damit wurde jedoch nur e i n Ruhmesblatt seiner regen und vielseitigen Betätigung im Dienste an der Kunst aufgeschlagen. Ihm ist es ferner zu danken, daß einer zahlreichen Hörerschaft die Blütezeit des deutschen Volksliedes während des 15., 16. und 17. Jahrhunderts weitgehend erschlossen wurde. Daneben hat er die Pflege des Volksliedes späterer Epochen nicht vernachlässigt. Seine Vorliebe für Johannes Brahms ist aber auch auf diesem Gebiete deutlich spürbar. Als Mittel zur Interpretation solchen deutschen Kulturerbes kann er sich des nach ihm benannten und von ihm geleiteten Walter-Treichel-Doppelquartetts bedienen; denn der Früh’sche Chor ist hinreichend in die Proben zur Einstudierung der Oratorien eingespannt. In den Veranstaltungen des Doppelquartetts lernten die Besucher auch W. T. als Schöpfer einer stattlichen Reihe von Kompositionen kennen, die von seiner ausgeprägten Musikalität Zeugnis ablegen. Aus der Fülle deutscher Dichtung hat ihn am meisten die Lyrik Theodor Storms zum Vertonen angeregt. Daß er ebenfalls eine Anzahl Konzertwalzer schuf, spricht für die Vielseitigkeit seiner kompositorischen Begabung. Großen Beifall und starke Anerkennung fand seine Vertonung der Ballade von Mörike „Der Feuerreiter“ für gemischten Chor mit Klavierbegleitung. Kennzeichnend für seine Persönlichkeit ist es, daß er nach der Befreiung vom Faschismus die neue Konzert-Ära des Früh’schen Oratorienchors mit der Aufführung der „Schöpfung“ von Joseph Haydn eröffnete, an deren Anfang die verheißungsvolle Verkündigung „Und es ward Licht!“ ertönt. Mit einer Aufführung dieses Werkes, das am Anfang seiner Dirigententätigkeit in Nordhausen stand, wird W. T. am 4. November sein Dirigentenjubiläum begehen. Wir wünschen ihm für dieses Konzert und seine gesamte weitere Tätigkeit im Dienste der Musikpflege besten Erfolg. Zum 2. Anrechtskonzert – Montag, den 18. November, im StadttheaterDas Standardwerk des 2. Sinfoniekonzerts des Loh-Orchesters ' ist die 2. Sinfonie von Joh. Brahms. Sie stammt aus der Zeit des unbeschwerten Schaffens des Meisters und bedarf in ihrer stillen Heiterkeit und musikan-tischen Fröhlichkeit keiner Empfehlung. Daneben stehen zwei Werke, zu denen ein paar Worte nötig sind. Bartoks III. Konzert für Klavier und Orchester ist sein letztes Werk, das er bis auf wenige Takte vollendete. In seiner Klarheit und reifen Gestaltung ist es besonders geeignet, den Weg zum Verständnis der Musik unserer Zeit zu bahnen. Von der Solistin Vibeke Wärlev, Kopenhagen, kennen wir bisher nur den Namen. Hoffen wir, daß ihr Auftreten zu einer wertvollen Erinnerung wird. Die eingangs gespielte III. Sinfonie des in Weimar wirkenden Komponisten Joh. Cilensek ist für Nordhausen eine Neuheit. Über ihn und sein.Werk erfahren wir durch ihn folgendes:
geboren am 4. Dezember 1913 in Großdubrau (Sachsen). Er absolvierte sein Musikstudium am Leipziger Konservatorium und war Schüler von Joh. Nepomuk David (Komposition). Er schrieb Orchesterwerke, Kammermusik verschiedener Besetzung, Lieder, Konzerte mit Orchesterbegleitung für Violine, Violoncell, Klavier und Orgel. Seit 1945 war er als Dozent für Theorie und Komposition am Konservatorium Erfurt tätig, und seit 1947 ist er Abteilungsleiter und Professor an der Hochschule für Musik in Weimar. Für sein kompositorisches Schaffen wurde er im Jahre 1953 mit dem Nationalpreis ausgezeichnet. Die III. Sinfonie hat vier Sätze. Das Werk ist musizierfreudig, heiter, tänzerisch, bisweilen ausgelassen. Nur ein Satz weist lyrische und besinnliche Partien auf. Der erste Satz beginnt mit einer ruhigen Einleitung und leitet in einen Sonatensatz über. Der zweite Satz, ein Presto, ist ein virtuoses Scherzo. Der dritte Satz ist ruhig im Zeitmaß und beginnt mit einem Fugato zwischen zwei Flöten und zwei gedämpften Hörnern. Das marschartige Hauptthema bringt zuerst eine Klarinette, begleitet von Celli, Bässen und einem Horn, und wird dann gesteigert fortgeführt. Ein lyrisches, schlichtes Trio beherrscht die Satzmitte. Ihm folgt eine variierte Reprise. Der letzte Satz wird mit einem Kanon von Blechbläsern eingeleitet. Das motorische Hauptthema tritt zuerst einstimmig in den Streichern auf. Ein zweites melodisches und ein drittes rhythmisch betontes Thema führen den Satz zu einem Höhepunkt. Die Durchführung beginnt mit gedämpften Streichern und ist zart und durchsichtig gehalten. Die Reprise beginnt mit dem zweiten Thema und bringt das motorische Hauptthema erst als Coda des Satzes. Nordhäuser Chronik / September 1957Am 8. September jährte sich zum zwölften Mal der Gedenktag für die Opfer des Faschismus. In Kranzniederlegungen und Ansprachen würdigten Vertreter der Massenorganisationen den Kampf der antifaischistischen Patrioten, von denen viele in der Nähe unserer Stadt, im Lager „Dora“, leiden und sterben mußten. Der in den letzten Jahren als Kreissekretär der Nationalen Front tätig gewesene Walter Neurohr wurde der ihm übertragenen Aufgaben entbunden. Als sein Nachfolger wurde Heinz Staat in sein Amt eingeführt. Vom 19. bis 215. September fand in den Stadtsälen eine Wanderausstellung des Deutschen Hygiene-Museums Dresden unter dem Leitgedanken „Wie werde ich 100 Jahre alt?“ statt. Auf der diesjährigen Gartenbau-Ausstellung in Leipzig-Markkleeberg konnte die Firma Julius Appenzeller für die von ihr gezeigten Gummibäume mit einer Bronze-Medaille ausgezeichnet werden. Das Volkspolizeikreisamt siedelte im September in sein neues Gebäude in der Kranichstraße über. Vor etwa zwei Jahren kamen die ersten Fernsehempfänger nach Nordhausern. Inzwischen gewinnen immer mehr Einwohner Freude am Fernsehen, zumal der Empfang sehr gut ist. Zur Zeit gibt es in unserer Stadt 516 und im Kreisgebiet 843 bei der Post registrierte Fernsehteilnehmer. Die Radwege in der Freiherr-vom-Stein-Straße sowie in der Leninallee wurden mit einer neuen Teerdecke versehen. Die vor über einem Jahr begonnene Pflasterung der Lönsstraße wurde jetzt fertig-gestellt. Da die Hackfruchternte wegen der häufigen Niederschläge nur langsam vorankommt, stellten 'sich viele Einwohner als freiwillige Helfer zur Verfügung. Es kann schon jetzt gesagt weiden, daß die Kartoffel- und Rübenernte sehr gut wird. Vom 14. bis 22. September fand auf dem August-Bebel-Platz der Herbst-Jahrmarkt statt. Die asiatische Grippe hielt auch in unserem Kreisgebiet ihren Einzug. Wenn die Epidemie auch nicht so stark wie in anderen Bezirken auftrat, so war in vielen Betrieben doch ein hoher Krankenstand zu verzeichnen. Im allgemeinen nahm die Grippe einen ungefährlichen Verlauf. Die Bühnen der Stadt Nordhausen brachten als erste Inszenierung der neuen Spielzeit das musikalische Lustspiel „Der Aushilfsgatte“ von Hansen / Lenz am 12. September heraus. Regie führte der neuverpflichtete Werner Urberg. Georg Rönisch zeichnete für den musikalischen Teil verantwortlich. Am 26. September folgte als erste Operninszenierung „Carmen“ von Bizet mit der neuverpflichteten Ruth Wenzel in der Titelpartie. Die Regie lag in den Händen von Erich Kampf, während MD Walter Herbst für die musikalische Leitung verantwortlich war. Circus Barlay gastierte mit einem ansprechenden Programm vom 30. September bis 2. Oktober auf dem August-Bebel-Platz,. Im September regnete es an 22 Tagen, besonders in der zweiten Monätshälfte. Die gesamte Niederschlagsmenge betrug 911,5 mm. Der kälteste Tag war der 27. mit + 2 Grad. Am wärmsten war es am 7., an dem das Thermometer 22,5 Grad auf wies.. Das Monatsmittel belief sich auf 11,9 Grad. Am 12. September war ein sehr stürmischer Herbsttag, an dem Böen der Windstärke 9 gemessen wurden.
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1953: 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1954: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1955: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1956: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1957: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1958: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1959: 1 | 2 | 3