Der Nordhäuser Roland (11/1955)

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Der Nordhäuser Roland (November 1955)
Reihe Der Nordhäuser Roland
Band-Nr. 11/1955
Autor Verschiedene
Herausgeber Kulturbund
Erscheinungsjahr 1955
Stand: 23. November 2017
Digitalisat: PDF (4 MB)
Editionsrichtlinien:
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Titel Autor
Michael Meyenburg, Stadtschreiber und Bürgermeister der Reichsstadt Nordhausen (1491-1555) R. H. Walther Müller
Johann Heinrich Christian Hüpeden, seine Zeit und sein Werk Walter Joedicke
Aus unserer Veranstaltungstätigkeit im Monat November 1955 G. B.
Kritik der Leinwand Gerhard Bachmann
Buchbesprechung – Fachwerkbauten in Nordhausen Hermann Weidhaas
Die wiedererstandene Deutsche Staatsoper in Berlin – ein kultureller Sammelpunkt des deutschen Volkes Otto Schelz

Michael Meyenburg, Stadtschreiber und Bürgermeister der Reichsstadt Nordhausen (1491-1555)

Von Stadtarchivar R. H. Walther Müller

Am 13. November 1555 starb der Bürgermeister der freien und des Reiches Stadt Michael Meyenburg im 64. Jahre seines Lebens. Im gleichen Jahre war der allgemeine Religionsfriede zu Augsburg geschlossen worden, der die friedliche Koexistenz von Katholiken und Protestanten zu garantieren versprach, war damit auch die Epoche der Reformation, an der Meyenburg als einer der führenden Köpfe nicht geringen Anteil gehabt hatte, zu Ende gegangen. Und dieses Ende eines inhaltsschweren Zeitabschnittes wurde gleichsam unterstrichen, als Kaiser Karl V. im selben Jahre die Bürde seines Amtes seinem Bruder Ferdinand abtrat und sich in ein spanisches Kloster zurückzog.

In der St. Blasiikirche wurde Meyenburg ehrenvoll beigesetzt, zu seinem Gedächtnis daselbst das Gemälde Cranachs von der „Auferstehung des Lazarus“ angebracht, das ihn im Kreise seiner Familie als Stifter des Bildes darstellt.[1]

Wenn heute, nach 400 Jahren, Meyenburgs Name in Nordhausen mit einem gewissen Stolze genannt wird, so, als ob die Bürger der Stadt in ihm den Repräsentanten alles dessen sähen, was einem städtischen Gemeinwesen Achtung, Ansehen, Ruhm, Ehre und Erfolg verschafft, so ist das nicht immer so gewesen. Schon bald nach seinem Hinscheiden zerstob das, was ihm seine Gegner an persönlichem Besitz und Vermögen geneidet hatten, in alle Winde. Unvermittelt erloschen Glanz und Ansehen der hinterlassenen Familie. Noch in der ersten Generation kehrte sie der Stadt den Rücken.

Erst 300 Jahre später wurde Meyenburg als historische Persönlichkeit neu entdeckt. 1855, also vor 100 Jahren, veröffentlichte E. G. Förstemann in seinen „Kleinen Schriften“ das, was er bei Sichtung des Stadtarchivs über den bedeutenden Stadtschreiber und Bürgermeister gefunden und durch Studien an anderer Stelle, bspw. im Briefwechsel Melanchthons, ergänzt hatte. Im Wesentlichen handelte es sich noch um bloße Daten, die zögernd miteinander in Beziehung gesetzt wurden. Abermals 55 Jahre später gab Karl Meyer (1910) eine umfassende Lebensgeschichte heraus, die auf Grund vieljähriger Forschungen ein anschauliches Blid von dem Dasein und der Wirksamkeit Meyenburgs zeichnete. Auf dieser Grundlage hat dann Paul Schreckenbach 1917 seinen Roman „Michael Meyenburg“ aufgebaut und zweifellos damit erheblich zu einer Popularisierung dieses Mannes und einer wichtigen Epoche der Nordhäuser Geschichte beigetragen.

Daß auch Meyers Fleiß den weit verstreuten urkundlichen Stoff nicht hatte ausschöpfen können, erwies sich, als Hans Silberborth (1932) durch die Veröffentlichung von Meyenburgs Beziehungen zum Mansfelder Kupferhandel[2] ein ganz neues Moment in die Meyenburgforschung hineintrug. Daß aber privatkapitalistische Interessen schon vordem den Nordhäuser Stadtschreiber in die Sphäre der Fuggerschen Handelspolitik gebracht hatte, wies dann 1953 Walter Schmidt-Ewald nach.[3]

Mit all den bisherigen Kenntnissen sind wir aber immer noch weit davon entfernt, eine abschließende Würdigung der wirklichen Leistungen und des Charakters Meyenburgs geben zu können. Das beweisen die immer neu auftauchenden Funde in fremden Archiven. Erst eine systematische Forschung, u. a. in Mühlhausen und Goslar, in Erfurt und Braunschweig, in Augsburg und Wien, wird die Grundlage einer neuzeitlichen Biographie abgeben können. In Anbetracht dessen muß es heute genügen, einen kurzen Überblick über Meyenburgs Leben zu geben, um der lebenden Generation wenigstens das Wichtigste im Zusammenhänge nahezubringen.

Es dürfte sich empfehlen, von vornherein darauf hinzuweisen, daß unsere Darstellung gewissermaßen mit der Entdeckung Amerikas (1492) beginnt, um den Abstand zu kennzeichnen, der uns Heutigen von den Einrichtungen, Gewohnheiten, Anschauungen und Gesetzen jener Zeit trennt, einer Zeit, die beispielsweise auch die revolutionäre Bauernbewegung umfaßt, die uns gemeinhin so sehr naheliegend anmutet.

Michael Meyenburg stammt aus Steina an der Straße im Hessischen (dem heutigen Steinau, Kreis Schlüchtern) und muß dort 1491 geboren sein. Während über seinen Vater und dessen soziale Herkunft nicht das Geringste bekannt ist, wird seine Mutter, mit der er wohl in früher Kindheit nach Nordhausen kam, als „Badmagd“ bezeichnet, die „zu Schlüchtern und im Stift Fulda allermeist das Bettelbrot viele Jahre gehabt“. Nackt und bloß sei er hier angekommen, wo sich dann etliche Bürger seiner angenommen und Pfaffen ihn zur Schule angehalten hätten. Diese Angaben entstammen einem erbitterten Widersacher Meyenburgs, Christian Heune, der Angehöriger einer angesehenen Familie und Kanonikus des Domstiftes zu Nordhausen war. Heune wirft ihm noch besonders vor, er habe sich des Namens seines Vaters geschämt, der Leyser geheißen habe, und sich nach Art der Päpste einen eigenen Namen zugelegt. In der Tat lauten amtliche Eintragungen bis gegen Ende seiner Stadtschrejber-schaft ..Michael Meyenburg alias Leyser (Lyser)“. Ist die Vermutung einer unehelichen Geburt Michel Leysers auch nicht beweisbar, so bleibt immerhin verwunderlich, daß dieser „Sohn einer Bademagd“ in Erfurt von 1506 bis 1509 die Rechtswissenschaften studierte, um dann als achtzehnjähriger Bakkalaureus Stadtschreiber in Nordhausen zu werden.

War die erste Amtstätigkeit des jugendlichen Unterstadtschreibers vornehmlich juristisch-notarieller Art, so ergab sich alsbald seine Verwendung auch im außenpolitischen Dienste der Reichsstadt. Bei Vertragsabschlüssen mit den benachbarten Städten und Grafen bewies er eine außerordentliche Geschicklichkeit, so daß er 1523 zum Oberstadtschreiber (Syndicus) ernannt wurde.

Im gleichen Jahre erwarb er in der Hagengasse (spätere Baltzerstraße) ein Grundstück, auf dem er ein ansehnliches Haus errichten ließ. Daß er das aus eigenem Stadtschreiberlohn bewerkstelligt hat, ist kaum anzunehmen. Er muß also wohl schon damals durch Vermittlung des Gothaer Bürgers und Fuggerschen Faktors (Geschäftsführer) bei der Hütte zu Hohenkirchen, Matthias Lachenbeck, am Kupferhandel beteiligt gewesen und zu Gelde gekommen sein. Ende 1525 heiratete er jedenfalls Lachenbecks Tochter Ursula.

Diese Ehe, der zwei Söhne, Johannes und Caspar, entsprossen, endete durch den Tod der Frau bereits 1529. Der plötzliche Verlust mag Meyenburg bewogen haben, Nordhausen zu verlassen und den ihm angetragenen Stadtschreiberposten in Frankfurt am Main zu übernehmen. Indes gelang es dem Nordhäuser Rate, den bewährten Mann zu halten, indem man ihm die Aufnahme in die Gilde der Kaufleute ermöglichte. Das aber bedeutete den Eintritt des bisher nur in Beamteneigenschaft dem Rate und der Stadt verpflichteten Stadtschreibers in eine Gemeinschaft von Männern, die zumeist patrizischen Familien angehörten, die zumindest zu den wohlhabendsten und angesehensten zählten, aus denen sich aber vor allem die Mitglieder des Rates und die Bürgermeister rekrutierten. Neuere Forschungen haben ergeben[4], daß die Zugehörigkeit zu der vornehmen Kaufleutegilde für Meyenburg keineswegs eine bloße Formsache war. Ihm kam es zupaß, als wahrer Kaufmann legal die Mittel zu erwerben, die einfach erforderlich waren, um die finanzielle Unabhängigkeit zu erringen, die die Voraussetzung für die ehrenamtliche Tätigkeit im Rate der Stadt bildeten. Von den drei „W“ (Waid, Wolle, Weizen), die nach zeitgenössischer Überlieferung die Grundlagen des Wohlstandes in Thüringen waren, wählte er die Wolle. Ob die Erträgnisse ihn befriedigten, wissen wir nicht. Oft hat er säumige Schuldner jahrelang um sein Geld drängen müssen. Da erschien doch der Kupferhandel ergiebiger. Durch seine diplomatischen Missionen bei den Grafen von Mansfeld hatte er Einblick in dieses Geschäft gewonnen, zugleich die Bekanntschaft mit den Hüttenfaktoren gemacht. Unter ihnen war der Hüttenmeister Hans Reinecke in Eisleben, in sehr wohlhabender Mann, der beiläufig mit Martin Luther von Jugend auf eng befreundet war. Zwischen 1530 und 1535 heiratete Meyenburg in zweiter Ehe Reineckes Tochter Anna und legte damit eigentlich den Grund zu der gesellschaftlichen Unabhängigkeit, die ihm fortan die größte Handlungsfreiheit auf politischer Ebene ermöglichte. Die Lebenshaltung des Stadtschreibers war und blieb die eines Mannes von Welt, der bei aller Inanspruchnahme durch die Geschäfte der Stadt und seine eigenen nie eines starken Interesses an Kunst und Wissenschaft ermangelte. Sein Haus in der Hagengasse wurde der Treffpunkt der Männer, die auf dem Gebiete der Politik, des Wirtschaftslebens, der schönen Künste oder der Theologie etwas zu sagen hatten. Bereits während seiner Erfurter Studienjahre hatte Meyenburg die führenden Köpfe der Humanistenbewegung kennengelernt. Jetzt genossen seine Gastlichkeit, zugleich seinen klugen politischen Rat, zuweilen seine finanzielle Hilfe die geistigen Führer der Reformation, unter ihnen Luther selbst, der Nordhäuser Justus Jonas, Philipp Melanchthon und Lukas Cranach.

Aus diesem persönlichen Verkehr und einem ausgedehnten Briefwechsel mit den fortschrittlichen Geistern seiner Zeit schöpfte Meyenburg seine tiefe Einsicht in die Kräfte, die der neuen Bewegung innewohnten. Aber indem er sich auf ihre Seite stellte, überließ er sich ihr nicht, denn seine staatsmännische Klugheit übersah nicht die Macht, die auch weiterhin der Papstkirche und dem Kaiser zu Gebote stand. Zwischen allen wider-streitenden Gewalten aber die Stadt Nordhausen bei ihren Rechten zu erhalten, ja, ihre Sicherheit zu festigen, ihren Wohlstand zu vergrößern und ihr Ansehen im Reiche zu erhöhen, das war und blieb das unverrückbare Ziel bei allen seinen Handlungen.

(Schluß im nächsten Heft.)

  1. Vgl. Müller, Das Cranachgemälde ln der Blasiikirche und die Familie Meyenburg in: „Nordhäuser Roland“, August 1954
  2. Harz Zeitschrift 65. Jahrg., 1932, S. 111/129
  3. Zwei Fugger-Faktoren auf der Hütte zu Hohenkirchen, in: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven, 1953
  4. Copialbücher 1543—1548 im Mühlhäuser Stadtarchiv

Johann Heinrich Christian Hüpeden, seine Zeit und sein Werk

Von Gartenmeister Walter Joedicke
(Fortsetzung und Schluß)

Ich gehe wohl nicht fehl in meiner Annahme, daß er mündlich und praktisch erzieherisch und belehrend gewirkt hat. ich glaube auch annenmen zu dürfen, daß er so manche Anregung von Georg Kayser cf. A., Johann Georg Kayser d. J. und Johann Christian Kayser, den ersten Mitgliedern eii^er Gärtnerfamilie, die seit 1729 in Nordhausen nachweisbar über zwei Jahrhunderte ansässig war, erhalten hat. War die Tätigkeit Hupedens im Obstbau — er baute auch Gemüse und Heilpflanzen an — mehr von lokaler Bedeutung, so ging seine Wirksamkeit in der Landwirtschaft weit über die Grenzen Nordhausens hinaus. Hüpeden brach zuerst mit der seit fast einem Jahrtausend bestehenden Überlieferung, ein Drittel des Bodens brach liegen zu lassen. Er säte auf der Brache Klee an. Der Stein der Weisen schien gefunden zu sein. Der Futtermangel, das Gespenst im Spätwinter und Frühjahr, war behoben. Wie war es vorher? Da hatte der Bauer „Schwanzvieh“ im Stalle. Was sollen wir uns heute darunter Torstenen? Ausgangs des Winters wurde das Futter knapp. Wenn nun das Vieh auf die Weide getrieben werden sollte, waren die Tiere meistens so schwach, daß sie gefahren werden mußten. Aber auf der Weide fielen sie immer wieder vor schwäche um. Dann wurden die. bedauernswerten Tiere am Schwänze gepackt, in die Hohe gezogen und wieder auf die Beine gestellt. Wurden wir heute eine Kuh von Anno dazumal mit ihren drei bis vier Zentnern Lebendgewicht sehen, wurden wir nur mit dem Kopfe schütteln. Das normale Gewicht einer Kuh; hegt heute bei zehn Zentnern.

Mit der "Ernte von Klee schien alle Not ein Ende zu haben. So schrieb der Staatarchivar Heineck anläßlich der Gartenbauwoche 1925 unter der Überschrift „Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis“; Auf dem kleinen Terrain der freien Reichsstadt Nordhausen machte sich der Mangel an Wiesen bei der Viehzucht unangenehm fühlbar. Da war der Magister Hüpeden der erste, weicner unter Begünstigung des Magistrats im Jahre 1753 den Kleebau im Großen eintuhrte. Hüpeden hatte das bekannte Landhaus gebaut und besaß den dabei befindlichen fünf Acker haltenden Garten. Er richtete das Terrain zu einer vollständigen Ökonomie ein und brachte 70 Acker Land von den Besitzern der um sein Haus liegenden Ländereien durch Kauf oder Tausch an sich. Auf diesem Gebiet säte er Luzerne-Klee an, der ganz vortrefflich gedieh. Erst durch den hierdurch gewährleisteten Vorrat an Futterkräutern wurde es möglich, in Altnordhausen die Stierwirtschaft einzuführen, die mit Branntweinbrennerei verbunden den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt von 1770 bis 1850 ermöglichte.

Schon am 7. Dezember 1799 schrieb der Bergkommissar Rosenthal im „Hohnsteinschen Erzähler“: Die Verdienste Hüpedens um die Ökonomie in allen ihren Zweigen sind in unserer Gegend so allgemein bekannt, daß es ein Überfluß sein würde, sie nach der Reihe aufzuzählen. Es wird hier genug sein, der Einführung des Kleebaues im Großen in den Jahren 1763 und 1764 zu gedenken. In der Zeit, als der vom deutschen Kaiser Joseph II. deshalb geadelte Schubart, Herr von Kleefeld, in die Posaune stieß und alle Ökonomen in die Hörner bliesen: „Baut Klee, baut Klee!’c (1782), da hatte Hüpeden bereits 15 Jahre vorher mehr Kleeäcker in der Flur, als Schubart von Kleefeld je gehabt. Niemand, vom Fürsten bis zum Handwertosiburschen, wird je die Landstraße von Woffleben bis Werther gereist sein, der nicht bei Hüpedens Plantagen ausgerufen hat, welch eine Gegend ist das, wer ist der große Ökonom, dessen Werk dieses ist! Ihr Ökonomen Nordhausens und der Grafschaft Hohenstein, setzet Hüpeden zu Ehren ein Denkmal, zieret damit seine Plantagen und laßt mit goldenen Buchstaben darauf setzen:

„Was Hüpeden in unseren Tagen
Für Land- und Kleebau tat,
Und was er da geleistet hat,
Davon wird noch spät die Nachwelt sagen!“

Justus Ludwig Günther Leopold, Prediger zu Appenrode, schrieb das Buch vom Ackerbau, Schnepfenthal 1795:

Und Sie, teurer Hüpeden, führten vor 30 Jahren zuerst in Nordhausen und in der umliegenden Gegend die Stierwirtschaft ein, die Ihrer guten Stadt bei ihren 100 und mehr Brennereien so nützlich geworden ist. Sie egten die ersten Luzerne-Kleeäcker an, die Ihrer wiesenarmen Stadt vortrefflich zustatten kamen. Sie trieben zuerst den so nützlichen Ertoffeinbau (Kaxtoffelbau) ins Große. Sie pflanzten Maulbeerbäume und führten erst für sich, dann, um das Ihnen untergebene Waisenhaus zu, beschäftigen, den Seidenbau ein. Nächstdem machten Sie gut einschlagende Proben vom Tabaks- und Spargelbau und waren vor Nordhausen in der Gegend Ihres schönen Landsitzes der erste Obstbaupflanzer im Freien.

Weitere Berichte über Hüpedens Tätigkeit liegen nicht vor. Auch folgten auf die Einführung des Kleeanbaues Rückschläge. War in die bisherige Wirtschaftsweise der Dreifelderwirtschaft eine Bresche geschlagen, der Wechsel Wirtschaft der Weg geebnet, so ergab sich aber, daß Klee nach Wintergetreide im 1. und Sommergetreide im 2. Jahr im 3. Jahr wiederholt angebaut eine Verunkrautung der Äcker zur Folge hatte. Diese Feststellung mindert nicht im geringsten die Verdienste Hüpedens. Im Gegenteil, wir können stolz darauf sein, daß ein solcher Mann in Nordhausen gewirkt hat, ein Wegbereiter für Erfahrungen und Erkenntnisse, die nach ihm Al brecht Thaer in Celle und Möglin und Justus von Liebig in Gießen zum Erfolg führten. Thaer hatte „den Fruchtwechselbau“ nicht erfunden, er hatte sich immer wdeder dafür eingesetzt, Halmfrucht und Hackfrucht wechseln zu lassen. Als Arzt, der seine Praxis auf gegeben hatte, setzte er auf seinem Rittergut Möglin seine Versuche in die Tat um. Heute ist uns Menschen des 20. Jahrhunderts die Wechselwirtschaft eine Selbstverständlichkeit. Die dann noch bestehende Lücke, die Pflanzen ausreichend durch mineralischen Dünger zu ernähren, wurde durch Justus von Liebig geschlossen.

Abschließend müssen wir feststellen, daß die Verdienste Hüpedens gar nicht hoch genug angeschlagen werden können. Durch seine bahnbrechende Arbeit war es möglich, die Landwirtschaft im weiten Umkreis von Nordhausen wirtschaftlich zu heben und zu fördern. Wieviel ihm die Brennherren zu verdanken hatten, ist gar nicht abzuschätzen. Hüpeden selbst war es nur darum zu tun, der Landwirtschaft und dem Gartenbau zu helfen. Welche ungeahnten Möglichkeiten im Anschluß an seine eigenen Erfolge in der Futtergewinnung sich den Nordhäuser Brennern durch den Wechsel von der Schweinehaltung zur Rindviehzucht ergaben, hat Hüpeden selber auch nicht voraussehen können. Er hat somit unbewußt die Entwicklung der Brennereien, und hierdurch das gesamte Wirtschaftsleben Nordhausens auf Jahrzehnte hinaus so stark beeinflußt, daß der daraus erwachsene Wohlstand der Stadt ohne die oben genannten Voraussetzungen nicht denkbar wäre.

Nach seinem Tode am 18. November 1799 gingen das Gartenhaus und wahrscheinlich auch die Ländereien in den Besitz der Familie Friedrich Kuntze über. Als weiterer Besitzer des Gartenhauses wird der Hofrat Seiffart genannt. Seit 1824 ist die Familie Reichardt an der Salza ansässig. Der Erwerb durch Kauf hat erst später stattgefunden.

Das Gartenhaus wurde vom Pfarrer Riemenschneider als zweistöckiges Gebäude beschrieben. Im Erdgeschoß befanden sich Stallungen. Das Obergeschoß enthielt ein Eckzimmer, eine Küche und einen schönen großen Speisesaal. Der jetzige Besitzer Wilhelm Reichhardt stellte mir ein Bild zur Verfügung, das mit der gegebenen Beschreibung übereinstimmt.

Dagegen weicht die weitere Beschreibung Riemenschneiders ab. Danach war das Dachgeschoß in der Art niedersächsischer Landhäuser in zwei Absätzen, einem steilen unteren und einem flacheren oberen aufgebaut. Nach Aussagen Wilhelm Reichhardts erreichte das Gartenhaus mit seinem spitzen Giebel insgesamt sieben Geschosse. An seinem obersten Stockwerk befand sich an einem vorstehenden Balken eine Aufzugvorrichtung. Das Gebäude wurde im Volksmund die Grenadiermütze genannt, da es eine gewisse Ähnlichkeit mit der Kopfbedeckung in der Zeit des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. aufwies. Ob die oberen Stockwerke der Grenadiermütze abgebrochen sind, oder ob das Gartenhaus in dieser Gestalt Anfang des vorigen Jahrhunderts abgebrannt ist, ließ sich nicht ermitteln. Wie aus der ersten Abbildung ersichtlich ist, brannte das Haus 1898 ab. Die 2. Abbildung zeigt das Gartenhaus in seinem gegenwärtigen Zuistand. Der landwirtschaftliche Betrieb besteht nicht mehr. Aus dem Obstgarten wurde eine Gärtnerei, seit mehr als 130 Jahren in Bewirtschaftung der Familie Reichhardt. Als Inhaber konnten festgestellt werden: Ab 1824 Frau Reichhardt ab 1852 Heinrich Reichhlardt, ab 1862 Aug. Reichhardt, ab 1897 Luise Reichhardt und seit 1908 Wilhelm Reichhardt.

Eine Merkwürdigkeit ist auch, daß die Gärtnerei Reichhardt gleichzeitig eine Gastwirtschaft betreibt, eine Schankkonzession besitzt. Wann diese Konzession gegeben wurde, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls besteht sie schon lange, so daß früher verschiedentlich die Auffassung vertreten wurde, daß Hüpeden das Gewerbe eines Gastwirts aus geübt habe.

Am 25. Juli 1926 faßte der Gemeindekirchenrat von St. Jakobi den Beschluß, beim Magistrat zu beantragen, zu Ehren des Nachfolgers Lessers, dessen Name in der Lesserstiege festgehalten ist, den Weg an der Salza, der an seinem Gartenhaus entlang führt, „Hüpedenweg“ zu benennen. Sein Name lebt fort in der Straßenbezeichnung HüpecDenweg. Im Sprachgebrauch lebt sein Name, den alten Nordhäusern eine liebe Erinnerung, fort als Hübchens Garten.

Aus unserer Veranstaltungstätigkeit im Monat November 1955

„Unter Zwergnegern und Riesengorillas“
Der bekannte Reiseschriftsteller und langjährige Afrikareisende Hermann Freyberg berichtet nach seinem ersten Vortrag, „Kano, die tausendjährige Messestadt am Südrand der Sahaira“, nunmehr am 1. und 2. November im Stadtsaal Nordhausen über seinen Besuch bei den Zwergen des Urwalds, den Pygmäen, und schildert an Hand zahlreicher Lichtbilder die Lebensgewohnheiten dieser Bewohner der Urwälder von Ituri. In den gleichen Gebieten hausen auch die Riesengorillas, deren rätselhafte Lebensweise der Vortragende ebenfalls an Ort und Stelle Gelegenheit hatte zu studieren. (Siehe „Nordhäuser Roland“, Oktober 1955, „In den Schlupfwinkeln der Zwergneger und Riesengorillas“.)

In seinem nächsten Vortrag berichtet Hermann Freyberg am 11. November ebenfalls im Stadtsaal über seinen „Besuch bei Albert Schweitzer“, dem großen Arzt und Menschenfreund, in dessen Urwaldhospital in Lambarene Freyberg zweimal zu Gast war. Auch zui diesem Vortrag gelangen zahlreiche Lichtbilder zur Vorführung.

„Die Bluttransfusion im Wandel der Zeit“
Professor Dr. med. G. Jörns, Chefarzt des Städtischen Krankenhauses Arnstadt, ist den Lesern unseres „Nordhäuser Roland“ als Verfasser des Artikels „Der Nordhäuser Arzt Dr. O. Hasse — Spezialist für Blutübertragungen“ in bester Erinnerung. In seinem Vortrag am 8. November im Stadtsaal wird Professor Jörns an Hand von Lichtbildern über die Bluttransfusion im Wandel der Zeit sprechen.

„Hamburg — die Stadt zwischen den Wassern“
ist der Titel eines Farblichtbildervortrages von Erich Feuereißen, Plauen, am 18. November im Stadtsaal. Der Vortragende zeigt uns, ausgehend von Lüneburg, die Stadt Hamburg bei Tag und bei Nacht. Wir sehen Alt-Ham-buirg, die Reeperbahn, erleben die große Hafenrundfahrt, besteigen den „Michel“ und statten Hagenbecks Tierpark in Stellingen sowie dem Ohls-dorfer Friedhof und anderen Stätten einen Besuch ab. „Der Brocken im Wandel der Jahreszeiten“
lautet das Thema eines Lichtbildervortrages von Kurt Glaß, Schierke, am 22. November im Stadtsaal. Der Vortragende wird im ersten Teil seiner Ausführungen auf die Geschichte des Brockens und des Brockenhotels, die Brocken bahn, die Sportstätten im Eckerlcch sowie das Observatorium eingehen und im zweiten Teil die Klimakunde des Brockens behandeln. Zur Vorführung gelangen 130 zum Teil farbige Lichtbilder.

Zum Monat der deutsch-sowjetischen Freundschaft
spricht am 25. November Karl Heinz Friebel, Sondershausen, über das Thema „Die Eremitage zu Leningrad“ im Klubhaus des Kulturbundes. Der Vortragende wird an Hand zahlreicher Lichtbilder die Kunstwerke der Leningrader Eremitage behandeln.

Unter dem Thema „Lektion des Lachens“ gelangt am 21. November in der Kreisbibliothek im Alten Rathaus eine literarische Veranstaltung zur Durchführung, zu der Heiteres und Besinnliches aus der russischen und sowjetischen Literatur vorgetragen wird.

Kritik der Leinwand

Die DEFA brachte uns mit ihrem „Star mit fremden Federn“ ein Filmlustspiel, das viele Wünsche offenläßt. Die Fabel ist einfach: der Friseur Franz Blume sieht dem berühmten Filmschauspieler Günther Kolmin (Doppelrolle: Werner Peters) täuschend ähnlich. Als Blume in einem Winterkurort seinen Urlaub verbringt, wird er für den bekannten Kolmin gehalten, was seiner Eitelkeit gefällig ist. Nachdem der richtige Kolmin auf taucht,' bricht die schöne Illusion zusammen, und dem Friseur werden die fremden Federn gründlich gerupft. Unerfreuliche Längen und Strecken geistloser Dialoge berauben den Film seines Lustspielcharakters. Angesichts eines so schwachen Drehbuches ist es kein Wunder, daß sich die Handlung nur mühsam vorwärtsschleppt Während Werner Peters als einziger dem Film von sich aus etwas dazu geben kann, bleiben die Darsteller der übrigen Rollen wenig profiliert. Es ist ihnen weder von der Regie noch von der Kamera die Möglichkeit eingeräumt, als Träger der Handlung sichtbar in den Vordergrund zu rücken. Unter diesen Umständen hatten es Sonja Sutter als Braut des Friseurs und Christina Huth als, filmbegeisterte junge Dame schwer, sich zu behaupten und eigenständige Leistungen zu zeigen.

Schauplatz des sowjetischen Farbfilms „Gefährliche Pfade“ ist die Taiga mit ihren weiten Wäldern und ihrem unermeßlichen Reichtum an Tieren. Irgendwo in ihrem undurchdringlichen Dickicht arbeiten sowjetische Wissenschaftler auf einer Urwaldstation an der Erforschung bösartiger Seuchen. Eines Tages erscheint ein Mensch bei den Taigabewohnern, der sich in. ihr Vertrauen einzuschleichen versteht, um mit allen Mitteln seinen Auftrag auszuführen, die wissenschaftliche Tätigkeit der Expedition zu stören und die Arbeit an der Seuchenbekämpfung zu sabotieren. Als er sich verdächtig macht, kommt es zu tätlichen Auseinandersetzungen und schließlich zu einer für den Zuschauer überraschenden Festnahme durch eine Streife der Armee. Hier liegt die entscheidende Schwäche dieses Films, der mit seinen großartigen Naturaufnahmen ein farbenprächtiges Bild von der Taiga vermittelt. Die Verhaftung des Verbrechers erklärt sich nicht aus dem Handlungsablauf heraus, sondern wirkt als von außen herangetragene Lösung.

Aus Österreich kam der Film „Hallo Dienstmann!“, der uns ein Wiedersehen mit Paul Hörbiger und Hans Moser brachte. Nach einer feuchtfröhlichen Faschingsnacht wird der als Dienstmann Nr. 106 kostümierte Musikprofessor Godai von einem echten Dienstmann für einen „Kollegen“ gehalten und aufgefordert, bei der Beförderung des Reisegepäcks der scharmanten Gaby Brandstätter, einer wirklichen Kollegin des Professors (wie sich später herausstellt), mitzuhelfen. Hier beginnen die Verwicklungen und das Doppelleben des Professors, der auf diesen Scherz eingeht und seine Rolle als Dienstmann auch später weiterspielt und zu tollen Verwechslungen Anlaß gibt. Die reife Darstellungskunst des Komikerpaares Hörbiger-Moser, ihnen zur Seite die liebenswerte Maria Andergast und andere bewährte Darsteller, verhelfen dem Film zu seinem Erfolg.

„Prozeß in Neapel“ ist der zweite italienische Film, der aus den Akten des Montesi-Skandeis schöpft und auf dessen Hintergründe eingeht. Die um die Jahrhundertwende zurückverlegte Handlung des Films spielt in Neapel. Der Mord an Professor Ruotolo bringt den Polizeiapparat in Bewegung. Untersuchungsrichter Spicacei und die Kriminalpolizei fahnden nach dem Täter lange Zeit vergebens, bis es Spicacci gelingt, eine weitverzweigte einflußreiche Bande, die sich aus notorischem Gesindel rekrutiert, dingfest zu machen. Die eigentlichen Drahtzieher und Hintermänner finden sich in den Kreisen der „vornehmen Gesellschaft“. Die Mitglieder der Bande sind nur ihre Werkzeuge, die sie in Ausübung ihrer Macht- und Geschäftsinteressen benutzen. Als sich die Situation aufhellt und der Skandal unvermeidbar wird, rücken seine Vorgesetzten und auch die Polizei von Spicacci ab, der fest entschlossen ist, den Kampf gegen die Kreise seiner eigenen Gesellschaft allein weiterzuführen. Dieser Film ist ein echter Vertreter des kritischen Realismus.

Der Film „Abenteuer im Roten Meer“ machte uns mit der Expedition von Dr. Hans Hass und seinen Arbeiten in dem heißesten und gefährlichsten Meer der Welt, dem Roten Meer, bekannt. Korallenriffe von märchenhafter Pracht, selten oder nie gesehene Rotfeuer- und Tintenfische, Zackenbarsche, Moränen und Korallenfische, Fische aller Art haben Hans Hass und sein Produktionsstab mit der Kamera eingefangen, und es war ein nützliches Unternehmen, der Mitwelt neben dem wissenschaftlichen Wert dieser Unterwasserarbeit zugleich ein Stück lehrreicher Unterhaltung zu vermitteln. Den Höhepunkt des Films bildet zweifellos die Begegnung der nur mit Tauchbrille. Schwimmflossen und Harpune bewehrten Taucher mit den Haien und Riesenpantherrochen in der Flamingo-Bay. Ein Film, der einmalig in seiner Art ist; nuir, daß der Regisseur die Wirklichkeit und der Drehbuchautor der Zufall gewesen sein soll, glauben wir Hans Hass nicht ganz.

Groß angelegt ist auch der mit Spannung erwartete zweite Teil des Thälmann-Films der DEFA „Ernst Thälmann — Führer seiner Klasse“. Hier ist der Bogen gespannt vom Jahr 1931 mit dein Auswirkungen der Wirtschaftskrise und dem Kampf der Arbeiterklasse um seine Aktionseinheit gegen den aufkommenden Faschismus bis zum Zusammenbruch des Dritten Reiches und der Befreiung durch die Rote Armee. In Günther Simon war ein Thälmann von revolutionärem Elan gefunden, der die führende Kraft der Kommunistischen Partei Deutschlands, mehr noch, den Vertreter der Brüderlichkeit aller Werktätigen der Welt, wie Hans Marchwitza in seinen Erinnerungen an Ernst Thälmann schreibt, glaubhaft verkörperte. Ergreifende Szenen von starker Eindringlichkeit, wie der Kampf der Arbeiter gegen Lohnabbau und Entlassungen, die Rede Thälmanns im Reichstag, sein Ringen um die Einheit der deutschen Arbeiterklasse, die ungebrochene Haltung der Widerstandskämpfer in den Gestaoo-Kellern und der letzte Gang Ernst Thälmanns haben Regisseur Maetzig sowie Willi Bredel Und Michael Tschesno-Hell. die für das literarische Szenarium verantwortlich zeichnen, mit diesem Werk gestaltet, das zugleich eine Dokumentation ist.

Ein Wiedersehen mit Hans Albers brachte der westdeutsche Film „Sturm in der Ostwand“. Der in einem Dorf in den Schweizer Hochaloen ansässige Arzt Dr. Jensen trauert noch heute seiner damals in einer Eisrinne verunglückten jungen Frau nach uind besteigt alljährlich zu ihrem Gedächtnis den Berg. In der Skihütte trifft er mit einem jungen Paar zusammen, das trotz der schlechten Wetterlage in die Berge will und alle Warnungen des bergerfahrenen Jensen in den Wind schlägt. Er erkennt, daß sich hier die gleiche Tragik wie vor zwanzig Jahren anbahnen wird, als er mit seiner jungen Frau in die Ostwand stieg. Jensen schlägt vor, die Tour zu dritt zu machen. Zwischen Eisstürmen und Lawinen kommt es dann zu dem Drama in der Ostwand. Ein Film, der hält, was er verspricht: eine spannende Handlung (nach der Novelle von Fanck), überzeugende Leistungen und gelungene Aufnahmen.

Gerhard Bachmann.

Buchbesprechung – Fachwerkbauten in Nordhausen

von Hermann Weidhaas, Henschelverlag Berlin 1955, 17,— DM

Im September 1955 erschien in einer neuen Schriftenreihe der Deutschen Bauakademie (Henschelverlag Berlin) eine Monographie des Professors an der Hochschule für Architektur in Weimar, Dr. Dr. Hermann Weidhaas, unter dem Titel „Fachwerkbauten in Nordhausen“. Der Verfasser legte darin der Öffentlichkeit die wissenschaftlichen Ergebnisse der baur technischen Untersuchungen vor, die er unter Assistenz derDipl.-Ingenieure Polenz und Herold von November 1952 bis Frühjahr 1953 in Nordhausen ausführte. Der äußere Anlaß zu diesen Untersuchungen war die damalige lebhafte Diskussion über den voraussichtlichen Abbruch des Fächwerk-gebäudes Barlüßerstraße 6 bzw. seines Seitenflügels an der Blasiistraße. In denkmaLspflegerischer und allgemein bauhistorischer Absicht wurden jedoch die Forschungen auf einige weitere Fach werkbauten ausgedehnt, soweit es die verfügbaren Mittel und die Zeit zuließen.

Der vorliegende Band gliedert sich in eine kurze Übersicht über die Stadtgeschichte, in eine allgemeine Einführung in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Fachwerkbaus, speziell des städtischen Fachwerkhauses, und in die Einzeluntersuchungen. Kurze Schlußbemerkungen ergänzen die theoretische Einführung, Das Werk ist mit vorzüglichen Plänen, Zeichnungen und Fotos ausgestattet und dürfte von dieser Seite aus die Anerkennung von Architekten und Baufachleuten, aber auch das lebhafte Interesse des handwerklichen Nachwuchses, insbesondere der Zimmerleute, finden. Eine fachliche Würdigung der rein bautechnischen Ergebnisse einschließlich der Weidhaas’schen Theorie von der „Schrumpfung“ von Fachwerkkonstruktionen wird zweifellos an anderer Stelle erfolgen. Uns geht es darum, die Bedeutung der Arbeit für die allgemeine Ortsgeschichtsforschung zu kennzeichnen.

Es wurde bereits gesagt, daß nur einige wenige Gebäude erfaßt wurden. Es ist tragisch, daß die von Weidhaas angewandten Methoden und durchgeführten Analysen nicht mehr den Bauten in der 1945 dahingegangenen Innenstadt zugute kommen konnten. Bedauerlich ist es freilich auch, daß nicht eine größere Zahl der noch stehenden Fachwerkhäuser untersucht worden ist, beispielsweise der sogenannte „Bärenkopf“ an der oberen Barfüßerstraße. Doch halten wir uns an die Gegebenheiten.

Auf Grund eigener Erhebungen werden dargestellt und analysiert: die Hofwand des Hauses Altendorfer Kirchgasse 3, das Haus Domstraße 12, das Torhjaus am Spendekirchhof und die Gebäudegruippe Barfüßerstraße 6. Beiläufig wird die Struktur und Bedeutung des 1945 zerstörten Quergebäudes im Frauenberger Kloster an Hand der Veröffentlichungen von Rahlves (1915) und A. und F. Stofberg (1927) überprüft, ferner ein kurzer Exkurs über die „Finkenburg“ (Domstraße 23) gegeben.

Ausgehend von der übereinstimmenden Ansicht von Rahlves und den beiden Stolbergs. daß es sich bei* dem Frauenberger Quergebäude um das Dormitorium (Schlafhaus) der Nonnen gehandelt habe, folgert Weidhaas logisch: „Das Kloster kann meines Erachtens niemals besonders wohlhabend gewesen sein und hatte also wohl nicht die Mittel wie die meisten Klöster, ein massives Schlafhaius zu errichten.“ In Wahrheit gehörte jedoch das Frauenberger Kloster zu den bestdotierten und geschäftstüchtigsten in Nordhausen. Das beweist allein der beachtliche Landbesitz in Bielen, Uthleben, Niederspier und Wasserthaleben, der im 16. Jahrhundert durch Säkularisierung an Nordhausen überging, Uthleben allein umfaßte 360, Bielen 120 Morgen (!) (siehe Silberborth, Gescmchte der Freien Reichsstadt, S. 314). Wenn man also nicht annehmen will, daß die Nonnen auf ein massives Schlafhaus verzichtet haben, um ihre Einkünfte anderweitig zu investieren, so könnte man wohl zu der Vermutung kommen, daß der in Rede stehende Fachwerkbau eben kein Dormitorium gewesen ist.

Die Ausführungen zu dem einstigen Pfarrhaus in der Altendorfer Kirch-gaisse 3, das aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts stammt, und zu dem Torhaus am Spendeki rchh|of, dessen Baugeschichte recht interessante Probleme aufwirft, dessen gegenwärtige Konstruktion aber erst im 17. Jahrhundert entstand, geben zu ortsgeschichtlichen Betrachtungen vorerst keinen Anlaß.

Um so interessanter erscheint die Analyse des Hauses Domstraße 12 an der Ecke zur Barfüßerstraße. Es ist bezeichnend, daß sich hier die Aufmerksamkeit des Verfassers zwischen dem Fachwerkobergeschoß, auf das eigentlich das Thema zielt, und dem steinernen Sockelgeschoß teilt. Durchaus nicht zum Nachteil der Gesamterkenntnis. Die vergleichende Untersuchung hat ergeben, daß das (niedersächsische) Fachwerk des Oberstocks der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angehört, daß es mithin nicht der ursprüngliche Aufbau auf dem Steinsockel sein kann. Denn den datiert Weid ha as „in seiner jetzigen Gestalt“- ins 14. Jahrhundert. Was aber hat es mit diesem steinernen Untergeschoß und seinen wuchtigen, spitzbogigen Portalen auf sich? „Diese Bögen“, so heißt es, „sind aus einer aus lagerhaften Steinen gefügten beträchtlichen Mauer herausgeschnitten, die eher einmal Wehrmauer, als Sockel eines Hauses gewesen sein dürfte, und deren einstige Fortsetzung links und rechts der Domstraße als Umfassung eines befestigten Areals wohl das Wahrscheinlichste ist“. Diese bau-fachmännische Feststellung in Verbindung mit der Beobachtung, daß die in diesem Hause beginnende Treppe im Oberstock des Nachbarhauses endet, dürften wohl geeignet sein, die bisherige Hypothese zu stützen, derzufolge der gesamte Raum zwischen diesem Hause und dem Dom ursprünglich Zubehör der Burg Heinrichs war, die südlich anschließend zwischen Dom und Wassertreppe lag, Allerdings ist unter „Zubehör“ nicht nach Otto Riemenschneider eine „Vorburg“ (suiburbium) zu verstehen, sondern, wie ich im „Nordhäuser Roland“, Juni 1954, S. 129/30, nachgewiesen habe, der königliche Wirtschaftshof (curia regis bzw. Cesa-ris). Damit wird auch Weidhaas’ Formulierung (S. 7), daß „der Königshof (am Südende der Ritterstraße) der ,Nachfolger4 der Feudalniederlassung (?) Heinrichs“ gewesen sei, hinfällig,

Wenn man in Betracht zieht, daß dieser königliche Wirtschaftshof noch lange nach Zerstörung der Burg bestanden und dem Domstift gedient hat, wird die Erhaltung einer östlichen Schutzmauer, wird auch eine Erneuerung des Torgebäudes im 14. Jahrhundert durchaus einleuchtend sein. Wenden wir uns jetzt dem letzten Untersuchungsobjekt, dem Hause Bar-' füßerstraße 6, zu. Hier hat das Forscherkollektiv in der Tat Resultate erzielt, von denen es selbst überrascht worden ist. Das, was uns in seiner Wuchtigkeit, mit dem weit auskragendlen Söllergeschoß einst als ein historisches Schmuckstück der Stadt erschien und was heute in seiner Verkommenheit inmitten der sonstigen Aufbautätigkeit erschütternd wirkt, offenbarte sich als ein Bau des 15. Jahrhunderts, der in sich einen Kern von höchstem Alter schließt. Niemand hlatte eine Ahnung davon, niemand hätte es für möglich gehalten, daß die urkundliche Überlieferung von einem 1336 an dieser Stelle liegenden Anwesen des ritterlichen Geschlechts Bart sich sozusagen am lebenden Objekt Würde bestätigen lassen.*)

In der Tat stehen in Zimmerbreite hinter der Fassade an der Barfüßerstraße die zum Teil wohlerhaltenen Reste eines Fachwerkgefuges, das auf sechs mächtigen Eichenständern errichtet ist. Dieses Kernhaus mit zwei-räumigem Erdgeschoß ließ eindeutig seine Herkunft aus dem 13. Jahrhundert erkennen. Spuren einer alten Herdstelle und die Lage eines alten Einganges verstärkten den Eindruck enger Verwandtschaft mit dem Urbild aitgermanischer und altdeutscher Herrenhallen. Dieses Kernhaus ist in vier Jahrhunderten durch sieben unterscheidbare Anbauten erweitert und verdeckt wrorden.

Das hohe Alter dieser Hausanlage wird aber weiter unterstrichen durch die darunter befindlichen Keller. Sie liegen, zum Teil wenigstens, überhaupt nicht in entwicklungsfähigem Zusammenhang zu den erhaltenen Oberbauten, nicht einmal zum „Kernhause“. Vorgefundene Merkmale! der romanischen Bauperiode rücken die Datierung einzelner Kellerpartien bis ins 12. oder 11. Jahrhundert. Diese zeitliche Bestimmung eines feudalen Hofes innerhalb der Stadtmauern wirft aber ein bedeutsames Licht auf die noch ungeklärte Frage, seit wann gerade dieses im Norden der Stadt liegende Blasiiviertel in den Mauerbering einbezogen worden ist.

Weitere Spekulationen an die hier von Bausachverständigen gemachten Feststellungen zu knüpfen, dürfte verfrüht sein, wie es auch verfehlt erscheint, selbst mit gewissen Einschränkungen (S. 103) die Vermutung zu äußern, daß „in Nordhausen der feudale Haus- bzw. Bauherr länger eine das Bauwesen beeinflussende Rolle gespielt habe als in anderen Städten“. Eine derartige Hypothese sollte überhaupt nicht aufgestellt werden, denn die große Mehrzahl der Objekte gerade im Kern der civitas ist in Schutt und Asche zerfallen und entzieht sich jeder Beweisführung und jeder Widerlegung.

Beiläufig sei richtiggestellt, daß die dem Texte angefügten Fotos 53, 57, 59, 60 und 62 Häuser „im Altendorf“ darstellen, nicht in der Altendorfer Kirchgasse.

Es bleibt abzuwarten, ob und wann diese Publikation von Prof. Weidhaas, die in der Vergangenheit forscht, um der Gegenwart zu zeigen, was sie für die Zukunft zu tun schuldig ist, ihren Zweck erreicht, die unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkhäuser Barfüßerstraße 6 und Torhaus am Spendekirchhof vor dem endgültigen Verfall zu bewahren. Daß er der Nordhäuser Stadtgeschichtsforschung schätzbare Aufschlüsse und auf weite Sicht hin mancherlei Anregung gegeben hat, steht außer Zweifel.

R. H. Walther Müller.

*)Inzwischen hat sich herausgestellt, daß Dr. ing. Friedrich Stolberg in einem Aufsatz „Ein Fachwerkbau des 13. Jahrhunderts zu Nordhausen“, der in der Zeitschrift „Mitteldeutsche Volkheit“ 1938, Heft 6/7 erschien, bereits ein gut Teil der Weidhaas-schen Entdeckungen vorweggenommen hat. Allein dem Umstand, daß die genannte Zeitschrift aus der Nazizeit heute so gut wie unbekannt ist, dürfte es zuzuschreiben sein, daß der Verfasser darauf nicht Bezug genommen hat.

Die wiedererstandene Deutsche Staatsoper in Berlin – ein kultureller Sammelpunkt des deutschen Volkes

Bericht von einer Kulturfahrt

Die Ortsgruppe Sülzhayn unternahm anläßlich der Festwochen zur Feier der Wiedereröffnung des Opernhauses Unter den Linden eine Kulturfahrt nach Berlin, für deren selbstlose und sorgfältigste Vorbereitung und Leitung dem Bundesfreund Schramm der herzlichste Dank aller Teilnehmer gebührt. Die vom Kulturbund veranstalteten vorbereitenden Vorträge über die Geschichte und den Wiederaufbau der Lindenoper und über die vorgesehenen Aufführungen trugen wesentlich dazu bei, die starken und nachhaltigen künstlerischen Erlebnisse dieser Reise zu vertiefen.

Über das Haus und seine Neugestaltung ist in Berichten und Bildern soviel bekannt geworden, daß wir uns hier mit wenigen Bemerkungen begnügen können. Es war ein glücklicher Gedanke, die Erneuerung aus dem Geiste der ursprünglichen Gestaltung des großen Baumeisters Knobeilsdorff zu vollziehen. Das ergibt eine beglückende Harmonie zu der in diesem Hause gepflegten Kunstgattung der Oper, die ein Kind des Barocks ist. Im Zusammenklang der Farben Weiß, Rot und Gold erhält der Raum sein festliches Gepräge.

Als erste Aufführung hörten wir Beethovens einzige Oper „Fidelio“, das unvergängliche Zeugnis des großen kämpferischen Humanisten, das Hohelied wahren Menschentums. Der oratorienhafte Schluß kam durch die großartige Leistung des Chors und die mitreißende Gestaltung von GMD Konwitschny zu ergreifender Wirkung. Das Bühnenbild war unter Ausnützung der vorhandenen einmaligen Möglichkeiten weiträumig und eindrucksvoll entworfen. Weniger befriedigte die Regie, die über das Konventionelle nicht hinauskam. Die Solisten, Träger bekannter Namen, waren noch nicht alle mit den akustischen Verhältnissen des Hauses vertraut und erfüllten teilweise nicht die berechtigten höchsten Erwartungen. Richard Wagners „Meistersinger“ gehören selbstverständlich auch in den Eröffnungsspielplan eines deutschen Opernhauses. Mit diesem Bekenntnis zur UnVergänglichkeit aller echten nationalen Kunst hatte man das Haus am 4. September feierlich geweiht. Auch in der Wiederholung hinterließ die Aufführung in ausgezeichneter Besetzung starke Eindrücke. Doch zeigte sich auch hier, daß es noch einiger Zeit bedarf, ehe die Künstler, denen das neue Haus anvertraut ist, völlig mit ihm verbunden sein werden. Heinz Hofmann findet in seiner Besprechung der Premiere vom '4. September in Heft 10 der Zeitschrift „Theater der Zeit“ die gültige Formulierung:

„Die ,Meistersinger‘-Eröffhung ist verklungen, die ,Meistersinger‘-Ver-pflichtung bleibt und wird dem Haus Unter den Linden den Weg zu neuer Weltgeltung weisen.“

Überstrahlt wurden die Opernaufführungen von dem Festkonzert der Dresdner Staatskapelle unter der Leitung des sowjetischen Dirigenten Kyrill Kondraschin, Stalinpreisträger und Direktor am Großen Akademischen Theater in Moskau. Kondraschin erwies sich als ein überragender Meister des Taktstockes, der mit knappen, sparsamen Gesten das Orchester zu vollkommenen Leistungen zu führen vermag. Das Publikum bereitete dem sympathischen, hinter dem Werk zurücktretenden Künstler begeisterte Ovationen. Dem Dirigenten ebenbürtig war die altberühmte Dresdner Staatskapelle, die in makelloser Präzision und köstlicher klanglicher Ausgewogenheit musizierte. Auch das Orchester wurde entsprechend gefeiert.

Der Berichterstatter hatte noch das Glück, in der „Volksbühne“ Goldonis Lustspiel „Der Diener zweier Herren“ in der mit witzigen Einfällen geradezu verschwenderisch ausgestatteten Inszenierung des Wiener Gastregisseurs Otto Tausig zui sehen. Eine in Regie, Bild und Spiel glänzende Auf fühtrung!

Der Gesamteindruck dieser Kulturfahrt läßt sich wohl kurz so zusammenfassen, daß die Teilnehmer den bleibenden Eindruck gewannen, daß die Aufwärtsentwicklung des künstlerischen Lebens in der deutschen Hauptstadt durch die Wiedereröffnung der Staatsoper neue, entscheidende Impulse erhalten hat.

Otto Sehelz.