Der Nordhäuser Roland (3/1955)
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Hier spricht der Naturschutz
Die Pflanzen, die nach den Nöten und Stürmen des Winters zuerst im Frühling ihre Blüten entfalten, haben naturgemäß seit alten Zeiten die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich lenken müssen. Es drängt sie, sie zu pflücken und mit ihnen die von ihnen bewohnten Räume zu schmücken. Daher wird allen den Gewächsen, die im zeitigen Lenz mit ihrem Blühen beginnen, gern und oft nachgestellt. Sie bedürfen infolgedessen, um nicht der Ausrottung anheimzufallen, eines besonderen Schutzes, der auch gesetzlich festgelegt wurde. Eines solchen Schutzes erfreut sich auch der in unseren lichteren Laubwäldern als Unterholz heimische Strauch, der den seltsamen Namen Kellerhals oder Seidelbast führt. Sein Name Kellerhals soll nichts anderes bedeuten als Quälerhals, weil der Genuß seiner roten Beeren ein anhaltendes Brennen im Halse verursacht. Der Name Seidelbast hingegen stellt eine Umformung des Wortes Seidelbast dar, die mit der frühen Blütezeit und dem reichlichen Honigen d.es Strauches zusammenhängt, hatte aber selbst von J. Grimm nicht mit Sicherheit gedeutet werden können. Aus seinen schlanken, grünberindeten Stämmchen, die an der Spitze in einem zur Blütezeit noch unentwickelten Blattschopf endigen, entspringen unmittelbar am kahlen Holze, ohne Stiele, eine größere Anzahl von pfirsichblutfarbigen Blüten. Äußerlich erinnern sie lebhaft an diejenigen des Flieders, sondern aber einen starken balsamischen Duft aus, der Falter, Bienön und Fliegen anlockt, den am Grunde der Blumenrohre verborgenen Nektar zu erbeuten Den Besitz von Blüten, die unmittelbar aus dem Stamme hervorgehen, teilt der Kellerhais mit vielen tropischen Holzgewächsen, z. B. mit dem Kakaobaum. Aus dem Blühen am alten Holz hatte sich das Erscheinen der Blüten vor den Blättern von selbst ergeben. Es stellt daher ein altes Erbgut dar, das einer Zeit entstammt, in der die Ahnen des Strauches noch in einem Gebiete mit einem tropisch-subtropischen Klima gelebt hatten, aus dem sie infolge der Eiszeiten vollkommen verschwunden sind. Als ein solches Erbgut erweist sich auch das Verhalten der Blätter, die später als die Blüten erscheinen, also nicht wie bei den übrigen Sträu- chern unserer Laubwaldungen in umgekehrter Reihenfolge. Auf eine solche Weise ist es dem Kellerhals möglich geworden, die Lichtzeit des Waldes auszunutzen. Einer tropischen Wachstumsweise entspricht es auch, daß der Strauch seine Blätter ohne die übliche Laubverfärbung in grünem Zustande abwirft. Der zu einem Abändern nicht geneigte, völlig stabile Kellerhals bewohnt ein Gebiet, das sich über ganz Europa bis zum Kaukasus und Altai erstreckt, das, wenn es auch erst auf dem Rückzug der großen Vergletscherung entstanden war. auf sein hohes Alter hinweist. Im östlichen Asien wird er durch andere, im Laufe der Zeiten in eisfrei gebliebenen Gebieten unabhängig von einander entstandenen, gebirgsbewohnenden Arten ersetzt, die in der gleichen Weise wie dort wohnende Fliederarten gelbe Blüten besitzen, die sich teils durch Duft, teils durch Duft- losigkeit auszeichnen. Sie alle stammen von Vorfahren ab, die immergrüne Blätter besessen und in der älteren Tertiärzeit in zirkum-polaren Gegenden einen ausgesprochenen arktotiären Laubmischwald bewohnt hatten. Ihre Abkömmlinge waren nach dessen Entmischung im Zusammenhang mit der allmählichen Klimaverschlechterung in die Lage versetzt worden, in solche Räume einzudringen, in denen nur solche Arten leben konnten, die laubabwerfend gewesen waren. Sie waren unter dem Drucke der anderen klimatischen Bedingungen gezwungen, einen neuen Lebensrhythmus anzunehmen, der mit der infolge der durch die Klimawende am Ende der Tertiärzeit geschaffenen klimatischen Zustände im Einklang gestanden hatte. Er ist aber bis auf den heutigen Tag noch nicht vollkommen gefestigt, da an dem Kellerhals auch Formen hervorgebracht worden sind, die früher, teilweise vor der erzwungenen Winterruhe, bereits im Herbste blühen oder ihre rotgefärbten Blätter gleichzeitig mit den zu drei- bis fünfblütigen Trauben vereinigten Blüten enthalten. Spuren der tropischen Abkunft aus der Tertiärzeit beweisen auch die Früchte des Kellerhalses, die von ihm noch bis in den Herbst getragen werden und die dementsprechend noch keine vollständig abgeschlossene Einpassung in die Verhältnisse des Winters der gemäßigten Zone gefunden haben. Sie stehen damit in einem Gegensatz zu den Knospen, bei denen in jeder drei oder vier Blüten eingeschlossen sind, die von Knospenschuppen eingehüllt sind. Die ursprünglich in subtropischtropischen Erdräumen beheimatet gewesenen Ahnen unseres Kellerhalses hatten hingegen eines Knospenschutzes entbehren können. Eine stattliche Reihe verschiedener Probleme bietet eine solche eigen- und fremdartige Pflanze wie der Kellerhals dar, die unseren Vorfahren ohne Zweifel längst bekannt gewesen war. An ihnen sind aber schon manche Geschlechter achtlos vorübergegangen, weil sie es nicht verstanden hatten, sich in die Natur einzufühlen. Daher hatte der Gesetzgeber aus vollkommen berechtigten Gründen heraus es für notwendig gehalten, den in manchen Teilen unseres Vaterlandes leider selten gewordenen Strauch unter seinen Schutz zu stellen. Ihn dabei nach Kräften zu unterstützen, muß jeder als seine Pflicht betrachten, dem seine Heimatnatur ans Herz gewachsen ist. Mehr und mehr muß auch in unserer schönen Heimat jeder Naturfreund zum Naturschützer werden und eine solche Zierde unserer heimatlichen Wälder wie der Kellerhals als ein Stück Volksgut betrachten, das eines liebevollen Schutzes würdig ist. Der Brockengarten
Steigt ein Wanderer die Brockenstraße empor, so merkt er, wie die pichten immer kleiner werden, bald keine Wipfel mehr haben, schließlich nur noch als Krüppel Vorkommen und dann ganz aufhören. Obwohl sich der Brocken nur 1142 Meter über dem Meeresspiegel erhebt, überragt er, im Gegensatz zu anderen Gebirgen, z. b. dem Fi&itelberg mit seiner Höhe von 1213 Metern, schon bei UQO Meter die natürliche Baumgrenze, per Grund hierfür ist wohl folgender: Unser Blocksberg, die höchste Erhebung in Nord- und nördlichem Mitteldeutschland, schaut als isolierter Berg auf seine Brüder hernieder und ist so den Unbilden der Witterung am stärksten ausgesetzt. So kommt es, daß die Brockenkuppe ein rauheres Klima aufweist im Vergleich zu anderen Bergen dieser Höhe. Obwohl der Brocken, der aus Biotitgranit besteht, alle Voraussetzungen für eine Hochgebirgsflora hat, fehlt ihm diese schöne Blütenpracht. Es taucht nun die Frage auf, warum ist nicht auch hier oben die herrliche Flora der Alpen zu finden. Das erscheint um so erstaunlicher, wenn man erfährt, daß bei Mühlhausen der nördlichste Standort vom gelben Enzian (Gentiana lutea) gefunden wurde. Ist das Fehlen dieser Pflanzen auf die Isoliertheit des Harzes zurückzuführen? Konnten die Pflanzen der Alpen und Karpaten zum Ende der Eiszeit nicht so schnell dem rückschreitenden Eise durch die weiten Ebenen folgen, oder hat dieses Fehlen der schön blühenden Hochgebirgs^ stauden nur klimatische Ursachen? Andererseits birgt auch der Harz und vor allem das Brockengebiet einige Eiszeitrelikte. Das sind aber alles Pflanzen des Nordens. Ich denke da z. B. an die Zwergbirke (Betula nana) oder an die Brockenanemone (Anemone micrantha), die nach Prof. Pr. Schwarz ein Überbleibsel der Tundra ist, die- am Ende der Eiszeit in unserem Vaterland weite Gebiete bedeckt hat, dann aber dem weichenden Eise gefolgt ist und nur an einzelnen Stellen Reste zurückgelassen bat, die bis zum heutigen Tage ihre Standorte behauptet haben. Diese ganzen Fragen mögen auch Prof. Peter aus Göttingen veranlaßt haben, auf dem Brocken, am Südost-Hang in der Höhe von 1125 m, ein Versuchsfeld anzulegen. So gründete er, nachdem die Verhandlungen mit dem Fürsten zu Stolberg-Wernigerode abgeschlossen waren, 1890 den Versuchsgarten. Zuerst wurden die Pflanzen in den Rasen gesetzt. Dieses erwies sich aber als unvorteilhaft, weil die schnell um sich greifende natürliche Flora alles unterdrückte. Deshalb wurden einige Jahre später Beete angelegt. Sie mußten auf Grund der Erfahrungen der vergangenen Jahre etwas höher gelegt werden, da das Schmelzwasser viele Pflanzen herausschwemmte. Ferner wurde es erforderlich, einige Beete zu kalken, um die Pflanzen der Kalkgebirge ansiedeln zu können. Im Jahre 1907 wurde cler Garten zum ersten Male für die Besucher eröffnet. Es war in diesen 17 Jahren ein kleines Alpengebiet für sich auf dem Brocken entstanden. Aber lange währte diese Pracht nicht, denn im ersten Weltkrieg verfiel der Garten fast völlig. Er wurde dann aber wieder aufgebaut und konnte 1938 dem Besucher zur Ansicht freigegeben werden. Es befanden sich damals 5000 Pflanzenarten im Garten- , Aber auch diesmal sollte die Herrlichkeit nicht langé „ anhalten. Auch der Brockengarten wurde vom 2. Weltkrieg nicht verschont. So fanden wir 1952 erneut nur einen kläglichen Rest der Pflanzenwelt wieder. Vieles war von den Pflanzenliebhabem mitgenommen worden, vieles von der natürlichen Flora unterdrückt. Aber trotzdem waren noch 200 Pflanzenarten vorhanden. ' Durch die Spaltung unserer Heimat hat sich nun die Martin-Luther-Universitätj Halle (Saale) des Gartens angenommen und unter der Leitung von Prof. Dr. Meüsei in einigen Teilen wieder aufgebaut. Trotz aller Krisen, die der Garten in den letzten fünfzig Jahren durchzustehen hatte, haben sich doch drei Pflanzengruppen herausgebildet. Von der ersten Gruppe kann man sagen, daß diese Pflänzenart eine neue Bergheimat auf dem Brocken gefunden haben. Hier sind in erster Linie die Enziane zu nennen, die trçtz des starken Graswuchses standgehalten haben. Es ist ein herrliches Bild, wenn von Mai bis Juni diese stolzen Pflanzen ihre Blüten gegen den blauen Himmel erheben. Ganz besonders sind es der punktierte (Gentiana punktata), der gelbe (Gentiana lutea), der purpurblaue (Gentiana purpurea), der Pannonische (Gentiana pannonica), sowie der Schwalbenwurz-Enzian (Gentiana asclepiadea), die sich ihres Daseins auf dem Brocken erfreuen. Ferner eine Anzahl von anderen Pflanzenarten, z. B. der Alpenfrauenmantel (Alehemilla alpina), der Alpenmohn (Papaver alpina), und vor allem die Habichtskräuter mit ihren Bastarden. Eine große Menge der vorhandenen Pflanzen sind Kalkbewohner. Sie gehören zur zweiten Gruppe. Sie blühen und fruchten reichlich, können sich aber durch den t sauren Boden nicht außerhalb ihrer Beete weiterverbreiten. Hier sind es vor allem die Edelweißarten, die bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) und die Zwergprimel (Primula minima). Während in den ersten beiden Pflanzengruppen die Voraussetzung zur Blüte und Befruchtung gegeben ist, erscheinen bei der dritten Gruppe wohl die Blüten, aber eine Befruchtung bzw. ein Samenansatz findet nicht statt. Es sind dies vorwiegend Dickblattgewächse (Crassulacesae). Nach Angaben von Prof. Schröter (Pflanzenleben der Alpen, 1908) sind die Hauswurz (Semper-vivum) und der Mauerpfeffer (Sedum) Hummelblüten. Ich konnte jedoch noch keine Hummel auf diesen Blüten beobachten, obwohl die Bestäubung auf dem Brocken doch vorwiegend nur von Hummeln und Bergwespen vorgenommen wird. Entweder ist die Nichtbestäubung in einer späteren Blühperiode zu suchen, oder es ist ein klimatischer Grund vorhanden, der den Fruchtansatz . verhindert, wenn — wie , es in der Heimat der Pflanze der Fall ist — bei Ausbleiben der Fremdbestäubung Selbstbestäubung eintritt. Der Wiederaufbau des Gartens erfolgte nach pflanzengeographischen Gesichtspunkten, das heißt, daß die Pflanzen nach ihren Verbreitungsgebieten geordnet sind. Gleich am Eingang des Gartens befinden sich die polsterbildenden Pflanzen und rrwergstauden der Alpen. Auf diesen Beeten haben die kleine blaue Glockenblume (Campanula pusilla) oder die rote Alpennelke (Dianthus alpinus) schon manchen Besucher erfreut. Beide Pflanzen bringen ihre Blüten im Juni bis August hervor, beide gedeihen hier oben prächtig. Gehen wir nun ein Stückchen weiter, so finden wir die Familie der Steinbrech (Saxifragaceae) und Dickblattgewächse (Crassulaceae) gemeinsam auf einem Beet, obwohl sie geographisch nicht zusammengehören. Aber erst ihre Gesamtheit bringt ein geschlossenes Bild und zeigt am deutlichsten ihre habituelle Verschiedenheit. Hier wächst ein langblättriger Steinbrech (Saxifraga longifolia). oder dort die Brautblume der Nordländer (Saxifraga cotyledon). Daran schließt sich das Beet der wärmeliebenden Pflanzen an. Hier finden wir den Huf-eisenkleee (Hipocrepis comosa) oder den Zwillingsgoldregen (Cytisus ratis bonensis), den Wundkleee (Anthyllis vulneraria) oder den Hornklee (Lotus corniculatus), der auch hier oben eine intensivere Färbung zeigt als im Flachland. Sie alle fühlen sich hier oben wohl und breiten sich gelegentlich selbst aus. Weiter sind es die Beete der Pyrenäen, der Karpaten, des Balkans, des Kaukasus, desHymalayas mit seinen Enzianen, des Tibets und der übrigen Gebirge Zentralasiens. Aus diesen Gebieten besitzen wir wiederum Glocken-, Enzian- und Edelweißarten. Das nächste Beet führt uns in die Arktis. Hier finden wir das Moosglöckchen (Linnea borealis) und die Schuppenheide (Cassiope tetragona), letztere ist ein Bewohner Grönlands. Auch einige Pflanzen der amerikanischen Gebirge sind vorhanden, es seien nur die Zwergastem (Towsendia wilcoxiana) genannt, die im Juni den Besucher mit ihren blauvioletten Blüten erfreuen. Auf einem besonderen Beet haben wir sehr pflegebedürftige Pflanzen: darunter zwei Winterhärte Kakteenarten: Opuntia engelmannii aus Patgonien und Opuntia ciliaris aus Texas. Im unteren Teil des Gartens befinden sich die Versuchsbeete, wo zur Zeit nur die Pflanzenanzucht vorgenommen wird. Zum Schluß unserer Führung beschauen wir noch die Pflanzenwelt der Hochmoore und die der Brockenkuppe. Auch ihre Vegetation bietet ein schönes Bild. Wenn im Juni der Schnee geschmolzen ist und im Moor die kleinen rosa Blüten der Rosmarinheide (Andromeda polyfolia) durch das Torfmoos schimmern, oder im Herbst die blauschwarzen Früchte der Brockenmyrte (Empetrum nigrum) uns entgegenleuchten, dann hat auch der sonst so rauhe Vater Brocken ein friedliches Stündchen und zeigt sich von der besten Seite. Im mittleren Teil des Gartens sind auch einige Holzgewächse zu finden. Da begrüßen uns zuerst einige Bäume der Alpen: Die Grünerle (Ainus viridis), ein Strauch, der bis zu 3 Meter hoch wird, gute Jahrestriebe hervorbringt, blüht und fruchtet, sich aber nicht selbst ausbreitet, und die Schweizer Weide (Salix helvetia), die sich so wohl fühlt, daß sie als Mitglied der Brockenflora angesehen werden kann. Man könnte sie als eine geeignete Windschutzpflanze verwenden. Ferner finden wir die kleine Stutzweide (Salix retusa). Eine unscheinbare Pflanze, die über die Steine kriecht. Von den Nadelhölzern wäre der Zwergwacholder zu nennen (Juniperus nana), der „höchstgehende“ Nadelbaum der Alpen (3570 m), er blüht und fruchtet im Garten aber leider nicht. Anders ist es mit unserer Latschenkiefer (Pinus montana), die seit etwa 15 Jahren im Garten fruchtet. Wenn auch noch keine größere spontane Verbreitung auf dem Brocken festgestellt wurde, so sind doch im Goethemoor in diesem Jahr sieben etwa 6—8 Jahre alte Latschenkiefern gefunden worden. Um Anpflanzung kann es sich nicht handeln, da sie sehr verteilt in der Hochmoorfläche stehen. Es ist anzunehmen, daß Vögel den Samen dorthin verschleppt haben. Eine andere Verbreitung, z. B. durch Wind, ist kaum möglich, da diese vorwiegend aus SW-W wehen und die Moore sich in dieser Richtung befinden. Die jungen Bäume zeigen einen gesunden Wuchs, obwohl sie nicht nur im Moor stehen, sondern auch auf dessen Erosionsflächen. Nicht nur aus den Alpen, sondern auch aus dem westlichen Nordamerika haben wir einige Bäume, wovon die Lebensbaumzypresse (Chamaecyparis lawsoniana) fruchtet, sich aber nicht selbst ausbreitet. Ferner sei hier die westamerikanische Balsamtanne erwähnt (Abies lasio carpa) und die Hem-locktanne (Tsuga pattoniana). Sie alle gedeihen prächtig, während die sibirische Tanne (Abies sibirica) ein sehr kümmerliches Dasein führt. Es ist bekannt, daß der Brocken unter atlantischem Klimaeinfluß steht, was wohl den Bäumen der pazifischen Küstenregion, nicht aber der sibirischen Tanne zusagt, die die hohe Luftfeuchtigkeit nicht verträgt. Der Leser hat nun einen kleinen Einblick in die Ergebnisse unserer Arbeit bekommen. Bedenkt er das Schicksal des Brockengartens, so wird er erkennen, daß diese Arbeit nur im Frieden gedeihen kann. Wir wollen hoffen und uns dafür einsetzen, daß nicht ein drittes Mal ein unseliger Krieg diese mühevolle Arbeit erneut zerstört. Ernst Kaiser und sein neustes Werk: „Das Thüringer Becken zwischen Harz und Thüringer Wald“
Ernst Kaiser hatte durch seine im Jahre 1933 erschienene, heute leider längst vergriffene prächtige „Landeskunde von Thüringen“ einen schlüssigen Beweis dafür erbracht, daß es wohl der beste jetzt lebende Kenner der geographischen Verhältnisse des Thüringer Landes gelten kann. In jüngster Zeit ist er mit einem geographischen Führer durch „Das Thüringer Becken“ hervorgetreten, mit dem er sich wiederum als ein wissenschaftlicher Geograph von echtem Schrot und Korn erwiesen hat. Der gesamte Stoff ist in einer sehr geschickten Weise auf 15 verschiedene Wanderungen verteilt. Jeder von ihnen ist zunächst ein Verzeichnis des einschlägigen Schrifttums vorausgeschickt. Dann wird jeder einzelnen Wanderung eine Aufgabe gestellt, deren Lösung herbeizuführen das auf ihr mit einem geschärften geographischen Auge Gesehene helfen soll. Die 8. Wanderung ist der Gegend „Um Nordhausen“ gewidmet. Ihre Aufgabe bildet es, „Klassische Karsterscheinungen am Südrand des Harzes; pflanzliche Glazialrelikte; Gipsindustrie, das schwer bomben-geschädigte alte und gewerbetätige Nordhausen im Zeichen des Aufbaus kennen und verstehen zu lernen“. Schon diese knappe Inhaltsangabe verrät mit aller Deutlichkeit, daß E. Kaiser von einem echt geographischen Standpunkte aus an die Dinge herangetreten ist. Er hat sich nicht nur als ein ausgezeichneter Kenner des geologischen, geomorphologischen, sondern auch als ein solcher der pflanzengeographischen Verhältnisse der einzelnen Kleinlandschaften Thüringens bewiesen, die er als ein König im Reiche der Gesamtgeographie gemeistert hat. Als ein solcher hat er sich als ein Forscher bewährt, der nicht nur auf dem Felde der Naturlandschaftsgeographie, sondern auch auf dem Felde der Kulturlandschaftsgeographie in gleicher Weise zu Hause ist. Eine weitere, für zwei Tage berechnete Wanderung geht unter der Überschrift „Nordhausen, Alter Stolberg, Wallhausen, Sangerhau-sen“. Dabei wird der Alte Stolberg als „locus classicus der Flora Thüringens“ gefeiert, der Bauerngraben „als große Polje“ geschildert, Questenberg als „Stätte vorgeschichtlicher Besiedlung und uralten Volksbrauches“ gewürdigt. Eine Wanderung von zwei Tagen hat auch „Der Kyffhäuser“ zugebilligt erhalten, der von den verschiedensten Seiten her gesamtgeographisch beleuchtet wird. In der gleichen umfassenden Weise wird auch eine Wanderung von „Frankenhausen, Hachelbich, Seega, Günserode, Sachsenburg nach Memleben“ behandelt. Schon diese wenigen Angaben genügen vollkommen, um zu zeigen, welchen reichen Inhalt das neuste Werk von E. Kaiser auch für alle Freunde unserer engeren Heimat birgt. Die von seinem Verfasser dargebotenen Ausführungen werden durch eine Reihe von Profilen und Karten unterstützt, deren Ausführung nichts zu wünschen übrig läßt und dem Verlage (VEB Geographische Kartographische Anstalt Gotha) zur Ehre gereicht. Den gleichen Zweck erfüllen auch die Tabellen über „Siedlungsperioden“, „Die wichtigsten Gesteine und ihre Entstehung“, „Gebirgsbildende Kräfte“ und „Das Baumaterial des Thüringer Beckens“, die den Beschluß des Buches bilden. Seine Ausführungen sind in einer einfachen Sprache gehalten, die es jedem Freunde unseres schönen Thüringer Landes gestattet, sich ein Bild von seiner geographischen Ausstattung zu verschaffen. Das von einem solchen ausgezeichneten Pädagogen wie E. Kaiser verfaßte Werk gehört in die Hände jedes Lehrers der Geographie, der es klar erkennt, daß eine Geographie der- Ferne mit Erfolg nur auf einer Geographie der Heimat aufgebaut werden kann. Es vermittelt eine Fülle geographischen Wissens, das auf einem kleinen Raum zusammengedrängt und nunmehr leicht zugänglich geworden ist. Das Werk von E. Kaiser kann auch wertvolle Dienste jedem Freunde des Landschaftsraumes des Thüringer Beckens leisten, der gewillt ist, tiefer in den Wesenskern seiner einzelnen Kleinlandschaften einzudringen und ihnen das Verständnis abzugewinnen, das zu erlangen allein Schriften von dem wissenschaftlichen Niveau ermöglichen, auf dem die Arbeit unseres großen Thüringer Geographen steht. Alles in allem stellt das Buch von E. Kaiser, das eine Frucht eines langen deutschen Gelehrtenlebens bildet, eine wertvolle Bereicherung des geographischen Schrifttums dar, die für viele eine Quelle echter und tiefer Freude werden kann. Kulturschaffende unserer Stadt: Martha MeeüwesenEine Unterhaltung mit Martha Meeüwesen, der in Nordhausen ansässigen Meisterpianistin, ist stets von besonderem Reiz. Ihr sprühendes Temperament und ihr herzhafter Humor sprengen sofort die Bande formaler Konversation. In wenigen Augenblicken schon sieht sich der Besucher einer Fülle musikalischer Probleme und Projekte gegenüber, die er erst allmählich zu ordnen und zu überschauen vermag. Nur eines will schwer gelingen: etwas von der Künstlerin über sie selbst zu erfahren. Martha Meeüwesen stammt aus Antwerpen, wo ihre Eltern noch leben. Der dortigen Flämischen Musikhochschule verdankt sie ihre pianistische Grundausbildung. Später studierte sie in Deutschland (Frankfurt a. M.) und wurde schließlich Meisterschülerin des großen polnischen Pianisten Raoul von Koczalski. Zuletzt war sie Meisterschülerin Walter Giesekings. Nach einer Reihe erfolgreicher Konzerte gewann sie den Belgischen Staatspreis für Klavier. Im Laufe der Jahre hat sie sich ein umfangreiches Konzertrepertoire erarbeitet, das von der Klassik bis zur Gegenwart reicht! Ihre Interpretation der französischen Impressionisten sowie zeitgenössischer Komponisten hat ihrem Namen im Musikleben des In- und Auslandes einen guten Klang verliehen. Im April dieses Jahres wird sie im Radio Brüssel dort gern gehörte Werke deutscher Romantiker spielen. Am 28. März hören wir sie in Nordhausen im 7. Sinfonie-Konzert des Loh-Orchesters, in dem sie die „Sinfonischen Variationen von César Franck spielt. Besonderen Erfolg brachte ihr in letzter Zeit ihr Eintreten für zeitgenössische Musik. Das mit GMD Grünes (Gera) als Partner gespielte „Konzert für zwei Klaviere und Schlagzeug“ von Bartok, das auch in Nordhausen großen Erfolg hatte, wurde in einem Konzert des Weimarer Konservatoriums bei zweimaligem Vortrag mit unbeschreiblichem Beifall aufgenommen. Die Künstlerin ist seit geraumer Zeit am Weimarer Konservatorium als Dozentin für Klavier tätig. Martha Meeüwesen ist neben ihrer Lehrtätigkeit stets bemüht, bei jeder Gelegenheit unseren Werktätigen das Verständnis der Konzertmusik zu erschließen. So spielte sie im Simsonwerk Suhl und im VEB Schachtbau Nordhausen und führte anschließend mit den Werktätigen lebhafte Diskussionen. Wenn wir ihren Spiel zuhören und Zusehen, dann bewundern wir immer wieder ihre enorme Technik, ihren feinen Klangsinn und ihr temperamentvolles Künstlertum. Wünschen wir ihr auch weiterhin viele Erfolge bei uns und auf ihren Gastspielreisen! Auf Wiedersehen und auf Wiederhören, Martha Meeüwesen, am 20. März im Sinfoniekonzert! Konzerteinführung zum Sinfoniekonzert am 28. März 1955 Die geschichtliche Entwicklung der Wasserversorgung der Stadt Nordhausen
Der strenge Winter 1929 brachte dem Wasserwerk sehr viel Arbeit. Ein großer Teil der Hauptleitungen war zugefroren. Die Hauptleitung am Stresemannring war bis zum Friedhof zugefroren und mußte erneuert werden, ebenfalls die der Helmestraße, Rudolf-Breitscheid-Straße, Köllingstraße, Meyenburgstraße, Albert-Traeger-Straße, der Paul-Urban-Siedlung und noch vieler anderer Straßen. Dazu kamen täglich die vielen Rohrbrüche an den Haupt- und Anschlußleitungen. Vierzig Erdarbeiter waren ständig bis zum Juli 1929 am Wasserwerk beschäftigt. Die Wasserversorgung der Bevölkerung wurde durch vier Wasserwagen aufrecht erhalten. Es gab nur noch wenige Zweigleitungen, wo das Wasser noch lief. Hydranten, die wirklich betriebsfähig waren, gab es nur noch ganz wenig; es war ein wahres Glück, daß kein Großfeuer ausbrach. Die Katastrophe kam erst, als das Tauwetter eintrat. Immer mehr Straßenzüge mußten abgesperrt werden, denn es war unmöglich, so schnell mit den Reparaturen nachzukommen. Es gab Tage, an denen acht Hauptrohrbrüche zu verzeichnen waren. Pfingsten 1929 war der letzte Stadtteil, die Paul-Urban-Siedlung, wieder mit Wasser versorgt. An diesem Tage konnten die Wasserwagen wieder außer Betrieb gesetzt werden. Bis zum Jahre 1930 zeigten sich immer wieder Rohrbrüche an Haupt- und Anschlußleitungen, die auf den kalten Winter 1929 zurückzuführen waren. Im Jahre 1927 wurde die Gemeinde Salza mit Trinkwasser vom Wasserwerk Nordhausen versorgt. Der Anschluß wurde an die alte Zuflußleitung in der Walter-Rathenau-Allee beim Pferdebrunnen hergestellt; der Rohrstrang verlief dann durch die Zorge zum „Eldorado“. Das Rohrnetz hat eine Länge von 8700 Meter. Daselbst sind eingebaut 46 Oberflurhydranten, 50 Schieber und 500 Wasserzähler. Bau der Filteranlage Auf Regierungsbeschluß mußte Nordhausen eine Wasseraufbereitungsanlage bauen. Dieses Projekt sollte schon 1914 zur Ausführung gelangen, mußte aber durch den ersten Weltkrieg verschoben werden. Im Mai 1930 wurde mit dem Bau der Filteranlage begonnen. Ausführende war die Firma Leon Gartzweiler, Berlin. Die Kosten betrugen 264 000 Mark.* Am 1. April 1931 konnte die Anlage in Betrieb genommen werden. Landespolizeiliche Abnahme war am 24. April 1931. Die drei Schnellfilter, durch die das Rohwasser fließt, haben eine Stundenleistung von 590 cbm und beseitigen die in allen Oberflächenwassern enthaltenen organischen Substanzen. Durch die Entsäuerungsanlage sind mit der Beseitigung der aggressiven Kohlensäure in technischer Beziehung die Leitungen vor Zerstörungen geschützt. Nach Passieren der Schnellfilter wird das Wasser gechlort; 0,3 g Chlor auf 1 cbm Wasser werden zugesetzt. Die regelmäßigen bakteriologischen Untersuchungen, die wöchentlich zweimal durchgeführt werden, haben den Zweck, das Wasser auf den Gehalt von krankheitserregenden Bakterien zu prüfen. Die Wasserversorgung der Hochstadt, die bisher mit Rohwasser direkt von der Talsperrenleitung gespeist wurde, wird jetzt mit Reinwasser mittels Hydroforanlage durch zwei Zentrifugalpumpen von 120 und 75 cbm Stundenleistung versorgt. Die Messungen der einzelnen Zuflüsse sowie Abflüsse in das Stadtgebiet werden durch Venturimesser und Woltmanmesser registriert. Wieder machte sich Wassermangel bemerkbar, und zwar in dem heißen Sommer 1934. ’Der Wasserstand in der Talsperre sank rapide herab. Schon im Anfang des Jahres war man sich klar darüber, schnellstens Abhilfe zu schaffen. Die derzeitige Pumpe mit einer Stundenleistung von 65 cbm hätte den Wasserverbrauch niemals decken können. Im März begann man mit der Bohrung von zwei weiteren Brunnen, so daß jetzt vier Brunnen zur Verfügung standen. Die neue Kreiselpumpe hat eine Stundenleistung von 250 cbm, so daß man also mit dem Wasser aus dem Ottostollen (800 cbm täglich) über 7000 cbm zur Verfügung hatte. Damit war die Trinkwasserversorgung der Stadt gesichert und die Talsperrenleitung konnte somit ausgeschaltet werden. Inzwischen war auch der Wasserstand in der Talsperre auf 7,60 m gesunken. Am 1. August 1934 konnte die Pumpenanlage erstmalig in Betrieb genommen werden. Es konnten im Jahre 1934 noch 628 000 cbm gefördert werden. Die Kosten für diese Erweiterungen betrugen insgesamt 46 396,04 ℛℳ Inzwischen wurde die Stadt immer größer; neue Straßenzüge wurden erschlossen, die Hauptleitung mußte verlängert werden, um die Neubauten mit Wasser zu versorgen. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges betrug das gesamte Stadtrohrnetz einschließlich Salza 72 667 km. Dazu kommen die Zuflußleitungen: Talsperrenleitung 10746 km Durch den unseligen Hitlerkrieg wurde kurz vor Schluß desselben auch unsere Stadt von amerikanischen Bombern heimgesucht. Der erste schwere Angriff erfolgte am 3. April gegen 16 Uhr. Schon danach mußten verschiedene Straßenzüge abgestellt werden. Der zweite und schwerste Angriff geschah einen Tag später gegen 9 Uhr. Die Zertrümmerung des Rohrnetzes und die Wasserschäden waren so. groß, daß nichts anderes übrig blieb, als die gesamte Wasserzufuhr abzusperren. Die Stromzufuhr war unterbrochen. Ein Glück war es, daß die Wasserwerkanlagen in der Alexander-Puschkin-Straße, bis auf gewisse Kleinigkeiten, von diesem Angriff verschont geblieben sind. Ebenfalls die Talsperrenleitung war voll intakt geblieben. Ein gewaltiges Stück Arbeit stand den Kollegen vom Wasserwerk bevor. Viele Männer kamen, um an diesem Aufbau mitzuhelfen; einige sind bis zum heutigen Tage am Werk verblieben. Schritt für Schritt mußte die Ausbesserung des Rohrnetzes vorgenommen werden; ganze Straßenzüge, wurden erneuert, und so konnte nach und nach eine Straße nach der anderen wieder mit Wasser versorgt werden. Die Wasserverluste stiegen bis zu 45 Prozent. Auch dieses war eine Aufgabe, die nicht so schnell bewältigt werden konnte. Viele Nächte mußten darangesetzt werden, um auch hier auf einen Normalstand zu gelangen. Im Jahre 1951 wurden die Gemeinden Salza und Krimderode zu Nordhausen eingemeindet. Mit Salza selbst traten wohl weniger Schwierigkeiten auf; dagegen waren in Krimderode viele Schwierigkeiten, die in bezug auf die Güte und Menge des Wassers zu überwinden waren. Das Quellgebiet in der Nähe von Antiquars Eiche war verseucht. Pferde, Rinder, sogar Wild hatten Zutritt in dieses Gebiet. Vom Gesundheitsamt war das Wasser als Trinkwasser verboten. Die Untersuchungen ergaben unzählige Mengen von Koli-Keimen. Auch mengenmäßig reichte das Wasser keinesfalls aus. Das Quellgebiet wurde dann vollständig ausgeschaltet und ganz Krimderode vom Ottostollen gespeist. Später wurde eine 150 mm starke Stahlrohrleitung von der Ellermühle bis zur Rüdigsdorfer Straße verlegt. Somit konnte Krimderode mit aufbereitetem Wasser versorgt werden. Weiter wurden sämtliche Häuser mit Wasserzählern versehen. Am 1. Januar 1953 wurde das Wasserwerk sowie die Kanalisation und die Abwasserverwertung in einen „Wasserwirtschaftsbetrieb der Stadt Nordhausen“ zusammengeschlossen. Die Belegschaftsstärke beträgt jetzt 64 Personen. So ist aus den kleinen Anfängen im Jahre 1546, wo ein Wasserrad die Wassermengen aus dem Mühlgraben zum Geiersberg emportrieb, ein gewaltiger und lebenswichtiger Betrieb der Stadt Nordhausen entstanden; bebaute und unbebaute Grundstücke, eine Talsperre mit einem Fassungsvermögen von 1V< Million cbm, eine Wasserkraftanlage, ein gewaltiges Rohrnetz samt den Anschlußleitungen und Wasserzählern. Werkstätten samt Betriebs- und Geschäftsinventar gehören ihm zu eigen und sind nötig, um das gesamte Unternehmen in Gang zu halten und die Wasserversorgung der Stadt sicherzustellen. Eine alte Ländergrenze in unserer Heimat
Der Wanderer, der das Waldgebiet des „Alten Stolberg“ durchstreift, wird des öfteren auf alte Grenzsteine stoßen, die die Jahreszahl 1735 und laufende Nummern tragen. Sie zeigen außerdem auf der einen Seite einen schreitenden Löwen und auf der Kehrseite ein springendes Pferd. Hierzu gehört z. B. auch der bekannte Stein Nr. 100. Mancher Heimatfreund wird sich über die Bedeutung dieser Grenzsteine Gedanken gemacht haben, ohne eine Erklärung dafür zu finden. Der Kenner der Heimatgeschichte weiß, daß es sich hier um die Grenzmarkierung zwischen den ehemaligen Kurfürstentümern Sachsen und Hannover handelt. Sie stellte ja noch bis vor wenigen Jahren die Grenze zwischen dem provinzialsächsischen Kreis Sangerhausen und dem thüringischen Kreis Nordhausen dar. In einem Lehnsbrief des Herzogs von Braunschweig an die Grafen von Stolberg vom 6. Oktober 1590 wird diese Grenze beschrieben. Sie beginnt südlich der „Großen Harzhöhe“, dort, wo früher die Länder Braunschweig, Hannover und Sachsen zusammenstießen (Drei-Herren-Steine an der alten Heerstraße) und geht von dort mit dem damals als „Tyra“ bezeichneten Krebsbach durch die Nordhäuser Talsperre bis zum Austritt des Krebsbaches aus dem Südharz. Hier verläßt die Grenze den Flußlauf und geht weiter nach Süden „. . . bis auff die Straße, die gehet von der Neuenstad (Neustadt) nach Hermanns-Acker, von der Straß die Scheidung zwischen Hermans-Acker und Hertzfeld (Wüstung Harzfeld) uff der Fluhr-Marckt hin, bis an die Scheidung, da Hermans-Acker und das Buchholtz zu Hauffe gehen . . .“ Bei dem Dorf Buchholz schlägt die Grenzlinie nach Osten ein bis zur neuen Talsperre am Iberg, dann verläuft sie wieder in südlicher Richtung nach dem Stein Nr. 100 . . einen Weg uff, bis in den Weg, der da scheidet der Herren Holtz (Forst Alter Stolberg) und gemein Holtz . . .“ (sogen. Windehäuser Holz). An der Kalkhütte vorüber geht nun die Grenze . . den Weg hin bis an das MünniChholtz vom Rode (Rodeberg), von dem Felde Ammeisehe . . . den Richtweg nieder bis an die Heinckele (Heimkehle), von der Gruben die Heinckele bis in die Tyra nieder bis unter Besenroda (Bösenrode), da das Kelbrisch Gericht, und denn alsofort biß uff die Straße zwischen Berga und Gerspich (Görsbach), und die Strasse alle uff, biß wieder da die Haibach (Roßmannsbak) beneden (bei) Northaußen, in die Strasse fället“. Noch heute kann man die Grenzlinie an Hand der im Jahre 1735 gesetzten Wappensteine, von denen noch über 200 Stück vorhanden sind, verfolgen. Der unmittelbare Anlaß zur Versteinung der an sich viel älteren Grenze war folgender: Hannover, als jüngere Linie aus dem Stammhause Braunschweig hervorgegangen, erwarb von Kursachsen bei einer Grenzregulierung im Jahre 1702 das vorher zum Amt Ebersburg gehörige Dorf Buchholz. Etwa zwei Jahrzehnte später entstand um die Steuerpflicht der Wüstungen Crimrode und Timrode — Dörfer bei Urbach und Bösenrode, die im hohnsteinschen Fleglerkriege 1412 zerstört wurden — ein mehrjähriger Streit zwischen Kursachsen und Hannover, der durch einen am 30. August 1735 zu Nordhausen abgeschlossenen Rezeß der beiden Parteien beendet wurde. Dieser Vertrag regelte alle noch schwebenden Grenz- und Hoheitsdifferenzen wegen des hannoverschen Teiles der Grafschaft Hohnstein (Amt Neustadt) und bestimmte, daß anstelle der bisher eingerammten Grenzpfähle 252 Grenzsteine gesetzt werden sollten, die auf hannoverscher Seite das Roß, auf sächsischer Seite das Löwenwappen tragen sollten. Man mag sich wundem, daß für Kursachsen nicht das sächsische Rautenwappen gewählt wurde, zweifellos handelt es sich aber bei dem schreitenden Löwen um das Wappen der Grafschaft Schwarzburg, die, unter kursächsischer Hoheit stehend, mit ihren Ämtern Heringen und Kelbra an den hannoverschen Teil der Grafschaft Hohnstein grenzte. Unsere Grenzsteine sind also Zeugen von der Beendigung mehrjähriger Differenzen zwischen den Kurfürstentümern Sachsen und Hannover und Überbleibsel aus der Zeit des fürstlichen Absolutismus und der deutschen Kleinstaaterei.
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1953: 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1954: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1955: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1956: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1957: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1958: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1959: 1 | 2 | 3