Der Nordhäuser Roland (1/1955): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. November 2015, 17:51 Uhr
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Titel | Autor |
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Zum Jahreswechsel! | Fritz Gießner |
Die geschichtliche Entwicklung der Wasserversorgung der Stadt Nordhausen | Wasserwirtschaftsbetrieb Nordhausen |
Zur Geschichte des Dorfes Auleben | Herbert Lüddecke |
Im Dutzend billiger oder „Kunst nach Mali“ | Gerd Focke |
Die Bühnen der Stadt Nordhausen | |
Goldrausch in Erdnüssen am Südrande der Sahara | Herrmann Freyberg |
Zum Jahreswechsel!Für den Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands war das Jahr 1954 auch im Kreis Nordhausen ein Jahr angestrengter und intensiver Arbeit im Intéressé der Verwirklichung der Programmerklärung des Ministeriums für Kultur der Deutschen Demokratischen Republik zur Verteidigung der Einheit der deutschen Kultur. Große und schöne Erfolge konnten in diesem Jahr verzeichnet werden, aber auch Mängel und Schwächen sind in der kulturellen Arbeit in Erscheinung getreten. Während es uns gelang, breite Schichten unseres werktätigen Volkes an populärwissenschaftliche und wissenschaftliche Vorträge heranzuführen, sie an den großen kulturellen Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik teilhaben zu lassen und sie mit den wahrhaft nationalen und hurhanistischen Gütern der deutschen Kultur und mit den Kulturgütern anderer friedliebender Völker vertraut zu machen, ist in dieser Tätigkeit nicht immer der Charakter unserer Organisation so zum Ausdruck gekommen, wie das im Interesse der demokratischen Entwicklung in Deutschland notwendig ist. Sowohl in der Einhaltung exakter Wissenschaftlichkeit in unserer Vortragstätigkeit als auch in der Erfüllung der großen Aufgabe, unsere Menschen im Geiste des Humanismus zu erziehen und sie mit echtem Patriotismus zu erfüllen, sind einige Mängel aufgetreten, die im Jahre 1955 überwunden werden müssen. Das Jahr 1955 stellt vor uns die große Aufgabe, auf der Grundlage der Programmerklärung des Ministeriums für Kultur „Uber den Aufbau einer Volkskultur in der Deutschen Demokratischen Republik“ die historischen Errungenschaften auf. kulturellem Gebiete in unserer Republik sowohl in unseren Vorträgen als auch in unserer Programmzeitschrift „Der Nordhäuser Roland“ noch mehr herauszustellen, diese Errungenschaften zu festigen und zu mehren, durch verstärkte Arbeit den Aufschwung der deutschen Kultur im nationalen und humanistischen Geist zu gewährleisten und im Sinne der Programmerklärung leidenschaftlich dafür zu kämpfen, daß die Deutsche Demokratische Republik auch kulturell zu einem vorbildlichen Staat des Friedens wird. Von einem solchen Gesichtspunkt aus danken wir allen Mitarbeitern und Freunden des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands im Kreis Nordhausen für ihre im Jahre 1954 geleistete Arbeit und wünschen ihnen für das Jahr 1955 einen vollen Erfolg.
Die geschichtliche Entwicklung der Wasserversorgung der Stadt Nordhausen
Bis zum Anfang der siebziger Jahre geschah die Wasserversorgung der Stadt durch neun öffentliche Brunnen und zwei Wasserkünste, die Oberkunst und die Unterkunst. Die Oberkunst im Altendorf (heute: Altendorfer Kirchgasse 5) wurde 1546 von Hans L a x n e r aus Niedersachswerfen gebaut. Peter Günther aus Halle an der Saale verbesserte das Werk 1598 und pumpte das Wasser durch 84 Messingrohre etwa 50 Meter hoch in das Wasserhäuschen, das sogenannte Schöpfmännchen auf dem Geiersberg. Von dort lief das Wasser mit eigenem Gefälle in hölzernen Rohren zu den einzelnen Wasserkünsten und Gossenspülern. Die normale Leistung dieses Wasserwerkes betrug bei 24stündigem Betrieb 182 Kubikmeter. Gleichzeitig mit der Verbesserung der Oberkunst wurde 1598 von Peter Günther ein zweites Wasserwerk, die Unterkunst, Unter den Weiden an der Johannistreppe, errichtet. Das Wasser des Mühlgrabens wurde hier 44 Meter hoch bis in die Höhe des Neuen-Weg-Tores gehoben und von hier wieder in hölzernen Rohren zu den einzelnen Wasserkünsten geleitet. Die Unterkunst ist aber bereits im Jahre 1886 wieder beseitigt worden. Diese beiden Wasserwerkanlagen kamen nur der Oberstadt zugute. Das als Beitrag zur Unterhaltung der Werke von den Hausbesitzern und Mietern in solchen Häusern erhobene sogenannte „Kunstgeld“ betrug jährlich:
Um nun allen Bewohnern der Stadt das Wasser aus dieser Leitung bequem zugänglich zu machen, wurden hölzerne Bottiche an verschiedenen Stellen der Stadt aufgestellt. Diese wurden aber später durch steinerne Wasserkünste ersetzt. Solche sind vorhanden gewesen:
Das Wasser, das Ober- und Unterkunst lieferten, war in seiner Beschaffenheit durchaus ungenügend, denn es war ja Mühlgrabenwasser. Was die Menge anbelangt, so lieferten im Jahre 1870 beide Künste in 24 Stunden 435 Kubikmeter. Das war bei einer Bevölkerungszahl im Jahre 1870 von rund 21 000 Menschen viel zu wenig Dazu kam die Unzulänglichkeit der Brunnen, von denen einige aus gesundheitlichen Gründen geschlossen werden mußten. Gegenüber der Gebrauchswasseryersorgung geschah die Trinkwasserversorgung der Stadt größtenteils durch natürliche Quellen, von denen jedoch nur wenige vorhanden waren. Eine solche Quelle befand sich im Rumbach (Manufakturwarengeschäft Heilbrun, Vor dem Vogel 26), weiter war der Elisabethbrunnen in der Elisabethstraße als bestes Wasser in der Stadt bekannt. Außerdem war ein beliebter Brunnen das „Tröppelbörnchen“, das sich ehedem im Grimmel, gleich unterhalb der Wassertreppe, befand und um die Jahrhundertwende beseitigt wurde. Als älteste Brunnen werden der „Judenbrunnen“ oder „Wolfsbrunnen“ (bereits um 1240 angelegt) in der ehemaligen Jüdenstraße und der „Frankenborn“ in der Barfüßerstraße erwähnt. Ein sehr alter Brunnen scheint auch auf dem Königshof gestanden zu haben, da schon im Jahre 1434 eine urkundliche Nachricht von der Herstellung eines neuen Brunnens spricht. Als ältere öffentliche Brunnen, die schon im 15. und 16. Jahrhundert erwähnt werden, kommen weiter in Betracht:
Die Wasserversorgung war also in den 90er Jahren sehr schlecht. Die Stadtväter hatten wohl allen Grund, sich Gedanken darüber zu machen, eine Wasserleitung anzulegen, die sowohl gutes Trinkwasser als auch zu gewerblichen Zwecken geeignetes Wasser lieferte. Schon Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts suchte man den Plan, eine neue Wasserleitung anzulegen, zu verwirklichen. Der Ingenieur Clauß wurde im Herbst 1869 mit der Anfertigung von Vorarbeiten betraut, deren Ergebnis er bereits im Dezember 1869 vorlegen konnte. Verschiedene Projekte waren vorgesehen; das günstigste war aber wohl das Projekt an der Netzwiese beim Netzkater. Dort wollte man das Wasser der Bäche auf der Netzwiese stauen und das Wasser in einer 300 mm starken Rohrleitung nach Nordhausen führen. Am 25. September 1871 prüfte der Bauinspektor Pralle aus Gifhorn das Projekt im Aufträge der Königlichen Klosterkammer. Auf Grund seines Gutachtens und einer Auslassung des Königl. Provinzial-Medizinal-Kollegi-ums in Hannover vom 17. März 1872 lehnte die Königliche Klosterkammer unter dem 2. April 1872 das Claußsche Projekt ab. Sie stellte sich auf den Standpunkt, daß infolge der Anlage eines Sammelteiches auf der Netzwiese eine Versumpfung der betreffenden Grundfläche und eine Infizierung der Atmosphäre durch schädliche Miasmen eintreten müsse. Im Januar 1873 wurde auf Beschluß der Stadtverordnetenversammlung ein Vertrag mit der Kontinental-Wasserwerks-Aktiengesellschaft „Neptun“ zu Berlin abgeschlossen. Inzwischen wurde im April 1873 in der Alleestraße mit dem Verlegen der Hauptleitung begonnen und damit ohne Unterbrechung bis zum Oktober 1873 fortgefahren. Die Aktiengesellschaft „Neptun“ empfahl den Stadtvätern, das Wasser der „Tyra“ im Tiefen Tale bei Neustadt am Harz zu entnehmen. Eine Analyse hatte ergeben, daß das Wasser der Tyra mit drei Härtegraden dem der Bähre gleichwertig war. Die durchgeführten Messungen ergaben in 24 Stunden über 8 000 Kubikmeter. Das Wasser war also nach Menge und Beschaffenheit für die Versorgung der Stadt ausreichend. Die Arbeiten wurden von der Aktiengesellschaft „Neptun“ sofort in Angriff genommen und im Dezember 1873 beendet. Die Rohrleitung führte vom Tyratale über Neustadt, Harzungen, Niedersachswerfen, Krimderode nach Nordhausen und hatte eine Länge von 13,6 km. Das gesamte Werk ging im Mai 1874 in den Besitz der Stadt über. Die „Neptun“-Aktiengesellschaft war in Zahlungsschwierigkeiten geraten und mußte den Konkurs anmelden. Die Stadt zahlte der „Neptun“-Gesellschaft für die gesamte Anlage (das sind die Zuflußleitung vom Tiefen Tale bis Nordhausen und das Rohrnetz im Stadtgebiet) einen Preis von 223 914 Talern, 10 Silbergroschen, 9 Pfennige; gleich: 671 743 Mark und 7 Pfennige. Gleich nach Fertigstellung der Tyraleitung erhoben die Einwohner von Hermannsacker Klage wegen Entziehung von Wasser durch die Nordhäuser Wasserleitung. Nachdem eine Eingabe der Vertreter des Ortes Hermannsacker wegen Entschädigung der4 Müller und wegen Anlage eines Wasserbehälters für die genannte Gemeinde abschlägig beschieden war, griffen die Bewohner von Hermannsacker zur Selbsthilfe. Am 8. Juli 1874 wurde der Kanal im Tyratale durchstochen, so daß alles Wasser nach dem Tyratale abfloß und nichts in die Brunnenstube gelangte. Die Folge war gänzlicher Wassermangel in Nordhausen. Dièse Störversuche wurden noch mehrmals unternommen. Es kam sogar soweit, daß die Bewohner von Hermannsacker die Sickerkanäle vollständig verstopften und kein Wasser mehr nach Nordhausen kommen konnte. Es kam zum Prozeß; Hermannsacker verklagte die Stadt wegen Entzugs von Wasser für die Mühlen und die Bewohner. Diese Klage wurde zwar vom Oberlandesgericht in Celle zu Ungunsten der Stadt entschieden, das Urteil aber durch Erhebung des Kompetenzkonfliktes angefochten. Es wurde anerkannt, daß es sich bei der mit polizeilicher Genehmigung angelegten Wasserleitung um eine Einrichtung handele, deren Aufrechterhaltung und Erweiterung durch die Rücksicht auf das öffentliche Wohl geboten sei. Die vielfachen Störungen in der Wasserlieferung und die vielen Unzuträglichkeiten überhaupt, die sich bei der Wasserwerkanlage gezeigt hatten und über deren Ursachen in der Bürgérschaft keine volle Klarheit herrschte, veranlaßten den Landrat a. D. Grimm und zahlreiche andere Einwohner zu einer gemeinsamen Eingabe an die städtische Verwaltung, in der eine genaue Untersuchung der Anlage durch Sachverständige gefordert wurde. Eine Kommission zur Prüfung dieser Mißstände wurde aufgestellt und kam zu dem Ergebnis, daß das Wasser der Tyra niemals eine Stadt wie Nordhausen mit Wasser voll versorgen könne. Der Geheime Baurat H e n s c h schlug eine Talsperren-Anlage vor, um das Wasser der Tyra zu stauen. Während dieser Verhandlungen war die Wassernot in Nordhausen so groß geworden, daß die Stadtväter gezwungen waren, sich nach weiteren Erschließungsmöglichkeiten umzusehen.
Zur Geschichte des Dorfes Auleben
Bei der Darstellung der Geschichte eines Dorfes ist es eine wichtige Aufgabe, möglichst weit in die Vergangenheit einzudringen. Es sind die Anfänge des Dorfes zu ergründen. Die Aufgabe ist bei den Dörfern in der hiesigen Gegend nicht eindeutig und sofort mit den Mitteln der Geschichtswissenschaft zu lösen. Die geschichtlichen Überlieferungen reichen in unserer Gegend bis auf die Ottonen im 10. Jahrhundert zurück, wohingegen „die vorhergehende Periode der fränkischen Beherrschung wie ein dunkles Gebiet“ vor uns liegt.[1] Um in dieses Dunkel einzudringen, hiüssen die Nachbar- und Hilfswissenschaftler der Geschichte mit zu Rate gezogen werden. Dadurch kann die Feststellung, daß „unsere Kenntnis der heimatlichen Verhältnisse, soweit sie sich auf Geschichtsschreiber gründet“, für die Zeit der Frankenherrschaft sehr dürftig ist, eingeschränkt werden.[2] Zur Altersbestimmung einer Ortschaft werden die historisch-diplomatischen, schriftlichen Hinterlassenschaften zuerst herangezogen. Sie beweisen durch die Nennung des jeweiligen Ortes in einer Urkunde das Bestehen desselben zu der betreffenden Zeit. Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Auleben stammt aus dem 8. Jahrhundert. In einer Urkunde des Klosters Fulda wird ein Ort „Awanleba“ erwähnt.[3] Da dieses Kloster in der hiesigen Gegend Besitzungen hatte, die es durch Schenkungen erhielt, ist die Annahme berechtigt, in diesem „Awanleba“ das heutige Dorf Auleben zu sehen. — Die urkundliche Nennung einer Ortschaft bestätigt, daß diese zu der jeweils angegebenen Zeit vorhanden war, sie sagt aber nichts darüber aus, wie lange diese Ortschaft schon vor der urkundlichen Nennung bestanden hat. Da in der damaligen Zeit (zur Zeit der Urkundenausstellung) die Mönche Träger des Schriftverkehrs waren, haben sich besonders in den Klöstern die Urkunden angesammelt und erhalten. Sie wurden aus einem bestimmten Anlaß ausgefertigt, z. B. anläßlich einer Schenkung, eines Austausches usw. Gerade aus dem 8. und 9. Jahrhundert haben sich diese schriftlichen Hinterlassenschaften in den Klösterarchiven angehäuft, was in den damaligen Bedingungen seine Ursache hatte.[4] Mit der Erwähnung eines Dorfes in einer Urkunde ist nur der terminus ä quo festgestellt, d. h. jene Zeit, „in der aus unverdächtigen Urkunden . . . das Vorhandensein der fraglichen Orte zum erstenmal nachgewiesen werden kann.“[5] Neben der Geschichte war es die Sprachwissenschaft, die sich um die Feststellung des Alters der Ortschaften bemühte. Sehr zahlreich sind die Veröffentlichungen geworden‘seit der Arbeit W. Arnolds 1875: „Ansiedlungen und Wanderungen deutscher Stämme“. In der Folgezeit wurden die Ortsnamen nach ihren Endungen, den sogenannten Grundworten (GW), z. B. -leben, -ingen, -hausen, zu Gruppen zusammengestellt. Mit Hilfe von philologischen Mitteln, aber auch in Anlehnung an geographische Faktoren und schriftliche Quellen, wurde versucht, „das Alter eines Grundwortes zu ermitteln, um danach die Entstehung der gesamten Gruppe von Namen mit dem gleichen Grundwort, zumindest in einer Landschaft, einem bestimmten Zeitabschnitt zuzuweisen.“[6] O. Schlüter stellte 6 historische Perioden auf, für die er bestimmte Grundworte in Anspruch nahm. Er teilte der 2. Periode u. a. die Ortsnamen mit dem Grundwort -leben zu. Diese Periode setzte er von 300—531 an.[7] In der Folgezeit verstärkte sich die Tendenz, mit den Grundworten eine „völkische Spekulation“ zu betreiben. Dabei wurden die in Mitteldeutschland häufigen Orte mit dem Grundwort -leben den Angeln zugewiesen. Bei einer solchen Verbindung mußte für alle diese Dörfer ein verhältnismäßig hohes Alter angenommen werden, das bis in die Zeit der Völkerwanderung zurückrdichte. Mit dieser ideal-historischen Darstellung wurde der Boden des objektiven geschichtlichen Entwicklungsprozesses in unserem Raum verlassen. Die schlüssigen Beweise für die Altersbestimmung der Orte blieben dann auch aus. — Das Grundwort -leben bedeutet „das Eigentum an Grund und Boden“, wobei der Gedanke des Erbes bereits zum Ausdruck kommt.[8] Dieses Grundwort ist in den meisten Fällen mit einem Personennamen zusammengesetzt. So dient diese Zusammensetzung als Hinweis dafür, daß der genannten Person dieses Grundeigentum gehörte. Awan-leba ist also demnach das Grundeigentum bzw. die Hinterlassenschaft einer Person mit dem Namen Awan. Diese Zusammenstellung ist in Mitteldeutschland in Verbindung mit der Entwicklung der Grundherrschaft und der Ausbreitung des „Feudalismus fränkischer Prägung“ zu sehen[9], dessen Ausbreitung in unserem Raum erst nach der Zerschlagung des Thüringer Reiches — nach 531 möglich wurde; Mit dieser Ausbreitung erfolgte die individuelle Bezeichnung der Dörfer. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Siedlung, die also nach 531 mit „Awanleba“ benannt wurde, nicht schon vorher ein anonymes Dasein geführt hat. So kann man nicht von einer „Ortsgründung“' durch den „Namensgeber“ sprechen. Die geographische Lage hat zur Anlage einer Siedlung fördernd beigetragen, so daß diese mit berücksichtigt werden muß. Die geographischen .Untersuchungen der Siedlungsräume Mitteleuropas in frühgeschichtlicher Zeit durch O. Schlüter erbrachten den Nachweis, daß sich am Ost- und Südharz eines der größten waldfreien Gebiete während jener Zeit befand. Dieser Raum hat in frühgeschichtlicher und wohl auch vorgeschichtlicher Zeit die Menschen zur Arbeit und Besiedlung angezogen.[10] In diesem Gebiet liegt das Dorf Auleben.
Aus unserer Vortragstätigkeit im Monat Januar 1955
Im Dutzend billiger oder „Kunst nach Mali“
Otto sammelte Filmprogramme, malte Aquarelle und las den Theaterdienst. Ein Anrecht im Theater hatte er auch, das war Ehrensache. Keinen nimmt es wunder, daß Otto im Betriebe „auf Kultur machte“. Irgendwer mußte das ja tun. Und da er vom Film, von Malerei, von Briefmarken und vom Theater etwas verstand, war es allen klar, Otto war der geborene Kulturfunktionär. Otto nahm seine Sache ernst. Doch sein Streben lief höher hinaus. Reformieren müßte man. Irgend etwas erneuern. Der Gedanke ließ ihn nicht mehr ruhen. Vielleicht in der Buchhaltung — an seinem Arbeitsplatz — eine neue, epochale Buchführungsmethode in der Portokasse einführen? Nein, das wäre zu vulgär und würde seinen Fähigkeiten keineswegs entsprechen. Kultur! — Wie ein Groschen in einem Automat, so fiel dieser Gedanke in sein müdes, ausgelaugtes Hirn. Da lag die Basis großer Taten wie ein bracher Acker vor ihm. Das Theater — das war der Ausgangspunkt seiner Reform. Wozu hat man sonst ein Stadttheater? Da war zuerst einmal der Spielplan. Das war kein Spielplan, das war ein Ärgernis. Nichts war darin enthalten, was Otto sich gewünscht hatte. Sollte das vielleicht ein Volkstheater sein, das seine Wünsche unberücksichtigt ließ? Die Beule galt es aufzustechen. Und Otto stach. Stach sich selbst in den Finger. Man lachte, als er zur Spielplandiskussion ganz öffentlich Protest erhob. Otto überlegte. Sollten die Menschen für seine Kritik noch nicht genügend Reife haben? Sollte er zu früh geboren sein, oder — und dieser Gedanke durchfuhr ihn wie ein Blitz — fehlte es vielleicht an guten Stücken? Das war es. Natürlich, anders konnte es gar nicht sein. Otto machte sich ans Werk und half: Er schrieb ein Stück — und wurde abgelehnt. Jetzt war es ihm klar. Er war tatsächlich zu früh geboren. Also auch das war wohl im Augenblick nicht der rechte Weg. Guter Rat war teuer. Richtig, guten Rat mußte man geben. In ganz loyaler Form auf Fehler hinweisen. Den Telefonhörer abnehmen, den Intendanten anrufen, ein paar unverbindliche Worte übers Wetter und über die schlechte Warenstreuung in der HO sprechen und so ganz sachte auf die letzte Premiere zu sprechen kommen. Dann aber galt es, loszulegen. Etwa so: „ Lieber Herr Intendant, Sie haben da ja ein ganz nettes Stück gewählt, aber sich wohl im Eintrittspreis vergriffen.“ — Und in diesem Augenblick war Otto in seinem Element. Zahlen tauchten vor seinem Auge auf. Der Buchhalter in ihm triumphierte. Und erregt fuhr er fort: „Drei Personen spielen in Ihrem Stück. Einen ganzen Abend lang nur ganze drei Personen. Für den gleichen Eintrittspreis sehe ich an einem anderen Theater vierzig Personen. Sie müßten also den Eintrittspreis senken um . . .“, wollte er gerade sagen, schon war wieder ein neuer Gedanke da. — „Und Ihre ,Ehrbare Dirne‘, was ist denn das? Ein Stück von einer Stunde zehn Minuten Länge, das ist kein Theaterstück, das ist ein Sketsch. Für ein so kurzes Stück dürften sie nur 30%> berechnen und müßten die Eintrittspreise senken um . . . DM!“ Erneut begann er zu rechnen, aber seine Gedanken waren schneller. Dazu kam ja noch, daß die Darsteller in moderner Garderobe spielten, die er täglich auf der Straße sehen konnte, und daß die Dirne im Stück einmal sogar nur mit Schlüpfer und Büstenhalter bekleidet auftritt, was für das Theater eine Kostümers arnia ergibt von . . . DM, wollte er gerade sagen, ais ihm einfiel, daß man dabei allerdings noch eine gewisse Strafe für die Gefährdung der öffentlichen Moral in Abzug bringen müsse, was, auf die einzelne Eintrittskarte umgerechnet, eine Verbilligung von . . • Dpf bedeuten würde, die dann . . . An dieser Stelle wurde es Otto heiß im Kopf, vor seine Augen schob sich ein dunkler Schatten — und was weiter geschah, erlebte der Buchhalter Otto nicht mehr. Zur Beerdigung schickte das Stadttheater eine Kranzdelegation. Der Anlaß dazu war die tiefe Trauer aller Kollegen des Theaters über die Tatsache, daß mit Otto der letzte Vertreter des wirklich aktiven Typs eines Kulturfunktionärs das Zeit-liche gesegnet hatte. In der Buchhaltung seines Betriebes merkte man Ottos Fehlen allerdings erst, als ein Zirkus in die Stadt kam und keine Karten dafür angeboten wurden. Daß Otto nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen war, hatten alle ganz in Ordnung gefunden, denn Ötto hatte ja noch mehr zu tun gehabt als das bißchen Buchhaltung. Otto hatte schließlich „auf Kultur gemacht“!
Die Bühnen der Stadt Nordhausenbrachten das satirische Lustspiel „Krach um J. S. Bach“ von Helmut Baierl am 1. Weihnachtsfeiertag heraus. Im Hinblick auf die „Mangelware“ Satire erscheint dieses humoristische Zeitstück von Baierl besonders bemerkenswert. Es geht um keinen Geringeren als Johann Sebastian Bach, oder, genauer gesagt, um die Einrichtung eines Memorialmuseums zu Ehren des großen Meisters an seinem 200. Todestage im Jahre 1950 in einer kleinen Stadt irgendwo in unserer Republik. Bevor es'jedoch soweit kommen kann, ist zunächst das Haus zu ermitteln, in dem Bach W'ährend seines mehrjährigen Aufenthalts innerhalb der Mauern dieser Stadt gewohnt haben könnte. Das ist nicht leicht, aber man weiß, was man dem NKE (sprich: Nationalen Kulturerbe) schuldet und scheut nicht davor zurück, die zum Glück noch recht zahlreich vorhandenen alten Akten zu wälzen, sehr zum Leidwesen des Sachbearbeiters Heilig allerdings, der dann auch, aus etwas anderen Motiven zwar, zu einer Notlösung greift, die für einige der Beteiligten recht unliebsame Folgen zeitigt. So kommt es zu jenem handfesten Krach um Johann Sebastian Bach, einer Kette von Auseinandersetzungen dienstlicher und familiärer Natur und zu einer Zwangsausweisung, an der auch die Leiterin des Wohnungsamtes beteiligt ist, die „die Diskussion kennt“ und sich recht vage Vorstellungen über die Arbeitsmethoden ihres Amtes im allgemeinen und über den Begriff der Intelligenz im besonderen zu eigen gemacht hat. Helmut Kampf hat das Ganze inszeniert und alle Mittel der Satire verwandt, um rückständigen und bürokratischen Auffassungen zu Leibe zu rücken, aber auch den gesunden Ansichten in diesem bereinigenden „Krach um Bach“ zum Durchbruch zu verhelfen. Leo Falls Operette „Madame Pompadour“ wird zur Premiere am 22. Januar 1955 vorbereitet. Für die Regie zeichnet Kurt Zwarg verantwortlich, die musikalische Leitung liegt in den Händen ^ von Georg Rönisch. Die Bühnenbilder entwirft Horst Kohlhase.
Wie wir bereits im Oktoberheft 1954 mitteilten, wird Hermann Freyberg, der Verfasser dieser Zeilen, in seiner Heimatstadt Nordhausen über seine Erlebnisse im „dunklen Erdteil“ berichten. Der ursprünglich im November 1954 vorgesehene Termin konnte leider nicht eingehalten werden, da Herr Freyberg inzwischen erkrankte. Der Vortragende wird nunmehr am 16., 17. und 18. Februar 1955 im großen Stadtsaal über „Kano — die tausendjährige Messe- und Märchenstadt am Südrande der Sahara“ sprechen. Es gelangen 200 Lichtbilder aus seiner letzten Forschungsreise zur Vorführung. Goldrausch in Erdnüssen am Südrande der Sahara
Nur weil es im letzten Herbst vier Wochen länger regnete als gewöhnlich, breitete sich ein unerwarteter Erntesegen an Erdnüssen über das Land in Nord-Nigeria, am Südrande der Sahara. Mit der Freude über die gute Ernte beginnen auch die Sorgen. Woher die Säcke nehmen? Un<ä wie den Abtransport bewältigen? Der Eingeborene verstaut die-Erdnüsse in Ziegenbälgen und belädt seine Kamele und Esel zu beiden Seiten damit. Sobald die Karawane an der Bahnstation von Kano, der tausendjährigen Haussastadt, ankommt, werden den Tieren die Lasteii abgenommen und nun werden die Erdnüsse aus den Ziegenledersäcken Sack für Sack in einen gewöhnlichen Sack der europäischen. Händler umgefüllt und abgewogen. Die Eisenbahn, die den Transport an die Küste zu den Europadampfern bewältigt, konnte diesmal mit dem Abtransport nicht Schritt halten. Was nicht fortgeschafft werden kann, wird in Pyramidenform in Höhe zwei- und dreistöckiger Häuser sauber aufgestapelt. Jeder gestohlene Sack würde sofort bemerkt werden. Eine Pyramide faßt etwa 1000 Tonnen (1 Tonne = 20 Zentner). Ich zählte etwa 150 Pyramiden, das sind 150 000 Tonnen oder 3 000 000 Zentner. Also mußten 3 000 000 Säcke zu Pyramiden gestapelt werden, bei deren Bau sich die Eingeborenen köstlich amüsierten. Ein Goldrausch in Erdnüssen war über das Land gekommen. Die Söhne der Wüste, die die Erdnüsse aus dem Innern zum Verkauf brachten, haben nun viel, viel Geld in den weiten Taschen ihres Burnus und gehen einkaufen. Nicht nur für sich selbst und seine ganze Sippschaft kauft er ein, nein, für sein ganzes Dorf, aus dem er kommt. Jeder, auch der ärmste, will einen Burnus tragen, wie er vom Propheten Mohammed vorgeschrieben ist: Weiß muß er sein und 10 Meter Stoff verschlingen. Je mehr Stoffülle — eine Frage des Geldbeutels — desto mehr Luft wird dem Körper bei der Gluthitze zugefächelt, sagen sie. Auf den Tuchmarktstraßen von Kano tragen Dutzende von Eingeborenen die eingekauften Stoffballen auf dem Kopfe davon. Ihre Kamele behängen sie auf dem Rückwege mit unvorstellbaren Mengen von Emaille-Kochgeschirr, am meisten mit Nachttöpfen, die als Kochtöpfe benutzt werden, und sich selbst behängen sie mit Armbanduhren — dem größten Wunsche eines jeden Negers —, oft mit zwei und drei Stück an den Gelenken.
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1953: 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1954: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1955: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1956: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1957: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1958: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12
1959: 1 | 2 | 3