Die Bewohner Thüringens und insbesondere des Helmegaus bis zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert: Unterschied zwischen den Versionen

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Seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert machten sich neue, verstärkte Bewegungen unter den germanischen Völkern bemerkbar. Die Kimbern wanderten aus ihrer jütischen Heimat, ostgermanische, wandalische Völker drängten nach Süden und erschienen an der mittleren und oberen Oder und Weichsel. Diese Völkerbewegungen hatten auch Einfluß auf das nördliche Mitteldeutschland, das von swebischen Völkern besiedelt war. Von Norden her drückten den späteren Langobarden nahestehende Völker nach Süden und siedelten zwischen Elbe und Weser, andere swebische Völker rückten in südwestlicher Richtung vor, überschritten den Oberrhein nördlich Basel und kamen mit den Römern in heftige Tuchfühlung.
Seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert machten sich neue, verstärkte Bewegungen unter den germanischen Völkern bemerkbar. Die Kimbern wanderten aus ihrer jütischen Heimat, ostgermanische, wandalische Völker drängten nach Süden und erschienen an der mittleren und oberen Oder und Weichsel. Diese Völkerbewegungen hatten auch Einfluß auf das nördliche Mitteldeutschland, das von swebischen Völkern besiedelt war. Von Norden her drückten den späteren Langobarden nahestehende Völker nach Süden und siedelten zwischen Elbe und Weser, andere swebische Völker rückten in südwestlicher Richtung vor, überschritten den Oberrhein nördlich Basel und kamen mit den Römern in heftige Tuchfühlung.
Auf welcher Straße dieser Weg der Sweben nach Südwest durch Mitteldeutschland gegangen ist, bleibt unbekannt; möglich ist es, daß starke Scharen durch das Helmetal gezogen sind und dort wohnende Stämme mitgerissen haben. Eine Abwanderung aus unserer Landschaft im ersten Jahrhundert v. Chr. ist unverkennbar.<ref>W. Schulz, Die Bevölkerung Thüringens im letzten Jahrhundert v. Thr. auf Grund der Bodenfunde, Jahresschrift 1928, 16, und W. Schulz, Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, 152 fs. Auf dieses zusammenfassende Werk seien Nicht- sachleute nachdrücklich verwiesen.</ref> Das bevölkerungsarme Land lockte neue, vom Nordharzrande kommende Scharen an.
Wahrscheinlich war es die junge Mannschaft, die aus Raummangel oder Abenteuerlust diese alte „Kultursteppe" der Magdeburger Börde verließ und, nach Süden vorstoßend, neue Siedlungsmöglich- keiten suchte. Ihr Zug ist durch die Orte Meisdorf, Helfta, Allstedt, Voigtstedt, Brücken, Bennungen, Roßla, Stockhausen, Bebra bei Sondershausen gekennzeichnet. Wahrscheinlich wollte dieses Volk durch den Paß von Sondershausen nach Süden; dabei wurde ihm hier am Geschling der Durchgang verlegt. So kam es zu heftigen Kämpfen um die dort angelegte gewaltige Wallanlage im Tal von Bebra und auf den das Tal umgebenden Höhen. Ein reiches Gräberfeld, das die Ankömmlinge bei Bebra angelegt haben, beweist ihre Verwandtschaft mit den Nordharzern. Es sind den Langobarden und anderen Hermionischen Völkern nahestehende Germanen, die erstmals um 50 v. Chr. in unsere Landschaft eintraten.
Noch heute ist erkennbar, wie der Sondershäuser Paß befestigt war. Am südlichen Ausgang des Bebraer Tales war zunächst eine kleine Talsperre angelegt, dann war weiter nördlich beim Chausseehaus im Westen die Hohe Buche, im Osten der Ölmüllerberg, die „Ole Burg", mit besonders eindrucksvollen Wällen befestigt, die über das Tal hinfort miteinander zusammenhingen. Schließlich, in der Nähe des Ortes Bebra, war das an sich schon schwer passierbare, versumpfte, noch heute mit Teichen versehene Tal durch neue Sperrwälle geschlossen, die sich von dem im Westen gelegenen Eichenberge ins Tal hinabzogen, während im Osten der große und kleine Totenberg steil anstiegen.<ref>P. Zschiesche, Die vorgeschichtlichen Burgen und Wälle in Thüringen, Halle, Hendel, 1892. III. .14 ff. Ein Urnenfriedhof mit Leichenbrand ist im Jahre 1868 bei Bebra aufgedeckt; die Funde liegen im Sondershäuser Museum.</ref>

Version vom 16. Februar 2024, 21:47 Uhr

Textdaten
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Autor: Hans Silberborth
Titel: Die Bewohner Thüringens und insbesondere des Helmegaus bis zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert
Untertitel:
aus: Geschichte des Helmegaus
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1940
Verlag:
Drucker:
Erscheinungsort: Nordhausen
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Abschnitt 1,
Kapitel 2
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Kapitel 2
Die Bewohner Thüringens und insbesondere des Helmegaus bis zum 2. nachchristlichen Jahrhundert


Der Helmegau war seit spätestens dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert in der Hand germanischer Völker.[1] Doch ihr Name ist uns unbekannt; von ihren friedlichen und kriegerischen Taten ist wenig auszumachen. Auf dem Questenberge hatten sie eine Kultstätte, die Wallburgen des Kohnsteins bei Niedersachswerfen und der Webelsburg bei Hainrode gewannen sie einem fremden Volke ab, dessen Kultur wir einigermaßen beschreiben, das wir aber mit noch nicht genügender Sicherheit einordnen können. Um 500 v. Chr. war der ganze Steilrand der Hainleite in germanischer Hand. In die folgenden Jahrhunderte fällt die Blütezeit der Kelten. Von ihrer Kultur blieben auch die Lande zwischen Harz und Hainleite nicht unberührt; die Hasenburg scheinen sie um 300 v. Chr. im Besitz gehabt zu haben. Die Herren im offenen Lande aber waren nach wie vor Germanen.[2]

Seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert machten sich neue, verstärkte Bewegungen unter den germanischen Völkern bemerkbar. Die Kimbern wanderten aus ihrer jütischen Heimat, ostgermanische, wandalische Völker drängten nach Süden und erschienen an der mittleren und oberen Oder und Weichsel. Diese Völkerbewegungen hatten auch Einfluß auf das nördliche Mitteldeutschland, das von swebischen Völkern besiedelt war. Von Norden her drückten den späteren Langobarden nahestehende Völker nach Süden und siedelten zwischen Elbe und Weser, andere swebische Völker rückten in südwestlicher Richtung vor, überschritten den Oberrhein nördlich Basel und kamen mit den Römern in heftige Tuchfühlung.

Auf welcher Straße dieser Weg der Sweben nach Südwest durch Mitteldeutschland gegangen ist, bleibt unbekannt; möglich ist es, daß starke Scharen durch das Helmetal gezogen sind und dort wohnende Stämme mitgerissen haben. Eine Abwanderung aus unserer Landschaft im ersten Jahrhundert v. Chr. ist unverkennbar.[3] Das bevölkerungsarme Land lockte neue, vom Nordharzrande kommende Scharen an. Wahrscheinlich war es die junge Mannschaft, die aus Raummangel oder Abenteuerlust diese alte „Kultursteppe" der Magdeburger Börde verließ und, nach Süden vorstoßend, neue Siedlungsmöglich- keiten suchte. Ihr Zug ist durch die Orte Meisdorf, Helfta, Allstedt, Voigtstedt, Brücken, Bennungen, Roßla, Stockhausen, Bebra bei Sondershausen gekennzeichnet. Wahrscheinlich wollte dieses Volk durch den Paß von Sondershausen nach Süden; dabei wurde ihm hier am Geschling der Durchgang verlegt. So kam es zu heftigen Kämpfen um die dort angelegte gewaltige Wallanlage im Tal von Bebra und auf den das Tal umgebenden Höhen. Ein reiches Gräberfeld, das die Ankömmlinge bei Bebra angelegt haben, beweist ihre Verwandtschaft mit den Nordharzern. Es sind den Langobarden und anderen Hermionischen Völkern nahestehende Germanen, die erstmals um 50 v. Chr. in unsere Landschaft eintraten.

Noch heute ist erkennbar, wie der Sondershäuser Paß befestigt war. Am südlichen Ausgang des Bebraer Tales war zunächst eine kleine Talsperre angelegt, dann war weiter nördlich beim Chausseehaus im Westen die Hohe Buche, im Osten der Ölmüllerberg, die „Ole Burg", mit besonders eindrucksvollen Wällen befestigt, die über das Tal hinfort miteinander zusammenhingen. Schließlich, in der Nähe des Ortes Bebra, war das an sich schon schwer passierbare, versumpfte, noch heute mit Teichen versehene Tal durch neue Sperrwälle geschlossen, die sich von dem im Westen gelegenen Eichenberge ins Tal hinabzogen, während im Osten der große und kleine Totenberg steil anstiegen.[4]

  1. Vergl. unten Kapitel 5: Die Befestigungsanlagen. — Leider lag das angekündigte Standardwerk: Hans Neinerth, Vorgeschichte der deutschen Stämme, Verlag Bibliographisches Institut zu Leipzig, bei der Drucklegung noch nicht vor und konnte deshalb nicht benutzt werden.
  2. Für die Vorgeschichte unserer Gegend sei in erster Linie hingewiesen auf die treffliche Arbeit von P. Grimm, Die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung des Unterharzes und seines Vorlandes auf Grund der Bodenfunde; Jahresschrift für die Vorgeschichte der Sächsisch-Thüringischen Länder, Halle, 1930, Bd. 18. Für unsere Zeit kommt in Betracht Jahresschrift 18. 91 ff. Das von den Germanen im 6. Jahrhundert verdrängte Volk ist von Kossinna als keltisch angesprochen worden. Dagegen liegen Bedenken vor; namhafte Praehistoriker nennen das unbekannte Volk „vorkeltisch", ein Ausdruck, der wenig gut gewählt erscheint. Mir scheint das Volk den Illyrern anzugchören und bald — schon seit 800 v. Chr. — stark von germanischer Kultur beeinslußt zu sein. — Die Webelsburg nimmt Grimm 1930 noch als germanische Wallburg an; Grimm, a. a. O. 94. Dagegen: Grimm, Die Wallburg auf dem Kohnstein zwischen Salza und Niedersachswerfen, Jahresschrift 1938, Bd. 29, 196, mutmaßt er, wohl richtiger, eine ursprünglich „vorkeltische", d. h. also nach unserer Auffassung „illyrische" Burg, die von den Germanen gestürmt wird. — Vergl. unten Kap. 5.
  3. W. Schulz, Die Bevölkerung Thüringens im letzten Jahrhundert v. Thr. auf Grund der Bodenfunde, Jahresschrift 1928, 16, und W. Schulz, Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands, 152 fs. Auf dieses zusammenfassende Werk seien Nicht- sachleute nachdrücklich verwiesen.
  4. P. Zschiesche, Die vorgeschichtlichen Burgen und Wälle in Thüringen, Halle, Hendel, 1892. III. .14 ff. Ein Urnenfriedhof mit Leichenbrand ist im Jahre 1868 bei Bebra aufgedeckt; die Funde liegen im Sondershäuser Museum.