Zur Nordhäuser Schützengeschichte
Zur Nordhäuser Schützengeschichte
Von Heinz Sting
Seit einigen Jahren trifft sich anläßlich der Nordhäuser Heimattage in Bad Sachsa auf den Schießständen der Schützengesellschaft eine Anzahl von Heimatfreunden, Männer und Frauen, zum fröhlichen Schießen im grünen Südharzwald. Damit wird eine Tradition gepflegt, die weit in die Geschichte der tausendjährigen Stadt zurückreicht und in den Jahren vor dem zweiten Weltkriege noch recht lebendig war, wenn wir an das Wirken der Schützenkompagnie mit ihren Schießständen hinter Hüpedens Garten, an den Schützenbund, der sich regelmäßig in der Kuckucksmühle nahe dem Kloster Himmelgarten traf, oder an den Freihand-Schützenklub denken. Zu den letzten Vorsitzenden dieser Vereinigungen gehörten die Schützenmajore Adolph Jüngling und Karl Becker, der Schützenhauptmann Grosse und der Juwelier Genzel. In diesem Zusammenhang ist auch des RMC (Rüdigsdorfer Montagslub) Erwähnung zu tun, kurz „Pusteclub“ genannt, der am „Blauen Montag“ im bekannten Lokal Schönemann in Rüdigsdorf mit Hilfe von Pusterohren kleine Scheiben beschoß (Vorsitzender Geschäftsinhaber Ewald). Wenn wir in die Geschichte des Nordhäuser Schützenwesens zurückschauen wollen, werden wir uns zunächst des zur Jahrtausendfeier vom Magistrat der Stadt im Jahre 1927 herausgebrachten Werkes „Das Tausendjährige Nordhausen“ bedienen. In seinem Sachverzeichnis stoßen wir auf die Worte Schützenfest und Schützenkompagnie unter Hinweis auf die Seiten 182 und 265. Viel finden wir dort allerdings nicht. Wir lesen folgendes: „Die Nordhäuser Schützenkompagnie, wie sie jetzt existiert, ist 1694/95 entstanden und ursprünglich ein Teil der Stadtbewaffnung. Im 19. Jahrhundert ist sie verpflichtet, bei ausbrechenden ist nicht mehr das Volksfest, wie es die ältere Literatur schildert; es ist zu einem Vereinsvergnügen geworden, da auch der alte Schießstand 1884 seiner Gefährlichkeit wegen weit ab von der Stadt gelegt werden mußte. Nur das Feuerwerk zum Schluß des Schützenfestes pflegte noch eine Menge Gäste aus der Stadt heranzuziehen.“ Zur Verlagerung der Schießstände finden wir auf Seite 265 folgende Angaben: 2. Mai 1879. Die Schießstände der Schützenkompagnie werden polizeilich geschlossen. Ein neuer Platz wird hinter Hüpedens Garten im Januar 1883 angekauft. Am 25. April 1884 wird der Grundstein zum Schützenhause gelegt. Danach ist die Schützenkompagnie, früher Bürgerschutzkompagnie geheißen, jetzt vor etwa 300 Jahren entstanden. Eine sichere Jahreszahl dafür gibt es offenbar nicht, da in der Nordhäuser Chronik des Jahres 1876, die von dem damaligen Postdirektor Reinhard Hormuth verfaßt wurde, gesagt wird, die Schützenkompagnie habe am 2. Mai 1876 ihr 200jähriges Stiftungsfest gefeiert. Das Schützenwesen in Nordhausen besteht jedoch länger als 300 Jahre. Es geht in seinen Anfängen auf den Beginn des 15. Jahrhunderts zurück. Darüber gibt es eine Urkunde aus dem Jahre 1420, von deren Vorhandensein ich dadurch Kenntnis erhielt, daß mir vor einiger Zeit Ablichtungen zweier Beiträge aus der Westfälischen Zeitung vom 19. Oktober 1965 und 13. Juni 1970 zugingen. In ihnen beschäftigt sich der Oberstudienrat a. D. Hans von Geisau mit dem Schützenwesen der Stadt Warburg. Dazu hatte ein Franz Wiemer im Jahre 1957 behauptet, nach einer Urkunde aus dem Jahre 1420 stehe fest, daß es damals in Warburg eine Pfeilschützenbruderschaft gegeben habe. Diese Urkunde stelle einen Beschluß des Provinzialkapitels der Provinz Saxonia des Dominikanerordens dar, der eine Gebetsverbrüderung der Saxonia mit einer Pfeilbruderschaft zum Inhalt habe. Dr. von Geisau hat sich nun mit dieser Urkunde befaßt und ist dabei zu einem für Nordhausen interessanten Ergebnis gekommen. Danach hat das Provinzialkapitel der Dominikaner zwar 1412 in Warburg, 1420 dagegen in Marburg getagt. Die in Marburg beschlossene Gebetsverbrüderung betrifft nun auch nicht etwa Warburg, sondern Nordhausen. Wörtlich führt Dr. von Geisau aus: „Diese Zuwendung aller Messen, Gebete, Lobgesänge, der Fastenopfer, Nachtgottesdienste, Enthaltsamkeitsübungen und aller sonstigen Mühen und Verdienste der Ordensprovinz Saxonia galt weder einer Schützenbruderschaft in Warburg noch in Marburg, sondern derjenigen in Nordhausen am Harz, der ehemaligen Freien Reichsstadt, der Heimat des früher so beliebten Nordhäuser Korns. Hier war 1286 eine Niederlassung des Dominikanerordens errichtet worden, hier hatte 1413 ein Provinzialkapitel stattgefunden“. Somit steht fest, daß es in Nordhausen bereits 1420 eine Pfeilschützenbruderschaft gegeben hat, die möglicherweise schon einige Zeit zuvor gegründet wurde. Jedenfalls gehen die Anfänge des Schützenwesens in Nordhausen auf eine Zeit von mehr als 550 Jahren zurück. Dieser Tatsache sei auch gedacht, wenn wir jetzt auf das 300jährige Bestehen der Bürgerschützenkompagnie hinweisen. Die Nordhäuser Schützenkompagnie ist nicht erst aus den Bürgerwehren entstanden, die sich in dem unruhigen Jahre 1848 bildeten, so auch in Nordhausen. Sie trug Gewehr und Bajonett, war aber keineswegs besonders martialisch, zumal sie anfänglich zum Dienst ganz und gar auch noch mit ihren Tabakpfeifen erschien. Der Schützenmajor, „Major en Chef“, hieß Eckart und hatte einige Offiziere neben sich, einen Arzt, einen Richter, einen Landwirt und einen Brennereibesitzer mit Namen Frister. Man exerzierte auf dem Schinderrasen, wo später der Schlachthof errichtet wurde, und brachte abends seine Musketen in das Waisenhaus. Einheitlich trug man nur eine Tuchmütze mit dem Stadtwappen und einen dunklen Rock (schwarz oder braun). Königsschießen gab es in Nordhausen offenbar unmittelbar nach dem Anschluß der Stadt 1802 an Preußen. Da hatte bei den Schützenfesten ein würdiger Schütze den ersten Schuß „im Namen des Königs“ abzugeben. Im Jahre 1804 erzielte dabei ein Senator Brähme den besten Schuß, worauf man dem König einen silbernen Becher übersandte. Friedrich Wilhelm III. antwortete mit einem am 21. 11. eingegangenen Handschreiben vom 13. 11. 1804: „Rath, Lieber Getreuer!“ Ich habe Eurer Eingabe vom 1. ds. Mts. ersehen, daß bei dem diesjährigen zu Nordhausen abgehaltenen Königsschießen der dortige Senator Brähme den besten Schuß für Mich gethan. Der Beweis der Anhänglichkeit der guten Nordhäuser ist Mir sehr angenehm, und ich nehme daher auch den (zum Königs-Gewinn bestimmten) Mir zugefallenen Becher gern an, und verehre dem Senator Brähme dafür beigehende große Huldigungs-Medaille, die Ihr demselben einzuhändigen habt. Ich bin Euer gnädiger König. Potsdam, den 13. November 1804, Friedrich Wilhelm.“ Einen Höhepunkt erreichte das Nordhäuser Schützenwesen im Jahre 1933. Damals fand in den Mauern der Stadt das 30. Thüringer Bundesschießen statt, zu dem Tausende von Schützen aus dem Regierungsbezirk Erfurt und dem Lande Thüringen erschienen. Zusammen mit Fürst Wolf-Heinrich zu Stolberg-Stolberg widerfuhr mir die Ehre, die Ehrenmitgliedschaft des Thüringer Schützenbundes zu erhalten. Noch heute befinde ich mich im Besitz der Ehrenplakette am schwarzgelben Bande. Sie trägt auf der einen Seite, über einer Büchse mit Scheibe, die Abbildung des Kyffhäuser-Denkmals, auf der anderen Seite die Abbildung des Alten Rathauses zu Nordhausen mit dem Roland und der Inschrift: 30. Thüringisches Bundestreffen 1933 Nordhausen-Harz. |