Pocken, Pest und Pillen

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Pocken, Pest und Pillen
Untertitel Gesundheit, Krankheit und Heilende in Nordhausen 1220 bis 1802
Reihe Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung
Band-Nr. 42
Autor Antonia Jäger
Verlag Petersberg: Michael Imhof Verlag
Erscheinungsjahr 2022
Umfang 480 Seiten : Illustrationen
ISBN ISBN 978-3-930558-38-4
Netzpräsenz imhofverlag.de
Stand: 12. November 2022

Pocken, Pest und Pillen ist ein im November 2022 erschienenes Buch von Antonia Jäger über die Medizingeschichte der Reichsstadt Nordhausen 1223-1802. Grundlage war die 2005 von der Autorin vorgelegte Dissertation Das Medizinalwesen der Freien Reichsstadt Nordhausen (1220-1802) (Universität Jena). Das Werk wurde am 11. November 2022 durch die Autorin und die Lesser-Stiftung in der Stadtbibliothek Nordhausen vorgestellt.

Inhalt

In der Einleitung erläutert Jäger ihre Motivation für die Erstellung einer ersten Gesamtdarstellung der Medizingeschichte Nordhausens, um damit eine bestehende Forschungslücke zu schließen. Als zeitlichen Rahmen wählt sie die Epoche der Reichsfreiheit von 1220 bis 1802, da in dieser Zeit die Stadt die Möglichkeit hatte, die Gesundheitsfürsorge selbst zu gestalten.

Im ersten Kapitel werden die spärlichen Quellenfunde zum Mittelalter untersucht. Kapitel 2 gibt einen Überblick über die Stadtentwicklung bis 1802. Die Kapitel 3 bis 5 befassen sich mit den Berufsgruppen der Ärzte, Chirurgen und Hebammen. Für einige Ärzte wie Wilhelm Gesenius oder Franz Ernst Filter wurden anhand der Quellen erstmals Biographien erstellt.

Kapitel 6 enthält nach Auswertung der Quellen erstmals den Versuch einer vollständigen Seuchengeschichte Nordhausens von 1300 bis 1802 mit einem Schwerpunkt auf der Pest. Insbesondere die letzte Pestepidemie von 1681-83, bei der etwa jeder zweite Nordhäuser starb, wird eingehender analysiert. Kapitel 7 beleuchtet anhand der Quellen Krankheiten, Todesursachen und den Umgang mit Krankheiten. Die Kapitel 8 und 9 sind der Geschichte der Nordhäuser Hospitäler und Apotheken gewidmet. Das Waisenhaus scheint überregionale Bedeutung gehabt zu haben. Erwähnt wird auch erstmals das um 1780 gebaute Nordhäuser Anatomiehaus.

Kapitel 10 gibt einen Überblick über das medizinische Schrifttum Nordhäuser Ärzte. Im Anhang finden sich erstmals veröffentlichte Originaltexte. Das umfangreiche Quellen- und Literaturverzeichnis verweist auf die breite Quellengrundlage der Untersuchung.

Ziel, Methode und Quellenlage

Als Ziel der Arbeit wird die Erstellung eines umfassenden Überblicks über die Medizingeschichte der Reichsstadt genannt, wobei auch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte berücksichtigt werden sollen. Damit ist der Anspruch verbunden, über die klassische Ereignisgeschichte hinaus auch Alltags- und Sozialgeschichte einzubeziehen.

Nach Auskunft von Jäger erfolgte eine Auswertung aller verfügbaren Archivquellen und gedruckter Originaltexte zur Nordhäuser Medizingeschichte. Hierzu zählen Hospitalakten, Apothekenakten, Amtsbücher, Ratsprotokolle und andere Dokumente. Wichtige Quellen waren demnach auch die Collectanea des Stadtphysikus Conrad Fromann sowie zeitgenössische Chroniken und Verordnungen. Zur Vervollständigung von Lebensdaten wurden Kirchenbücher herangezogen. Die Quellenlage wird trotz Kriegsverlusten als ausreichend für eine umfassende Bearbeitung des Themas eingeschätzt.

Ergebnisse

Laut der Untersuchung sind die Anfänge des Medizinalwesens mit ersten Hospitälern im 13. Jahrhundert und ersten Belegen für Vertreter medizinischer Berufe im 14. Jahrhundert anzusetzen. Die Frühgeschichte der Hebammen bleibt mangels Quellen lückenhaft.

Insgesamt konnten 314 am Medizinalwesen beteiligte Personen nachgewiesen werden. Die Analyse der Medizinalgesetzgebung durch den Rat zeigt, dass diese relativ spät einsetzte, lückenhaft blieb und vieles der Eigeninitiative engagierter Ärzte wie Conrad Fromann überließ. Die Regelungen für Apotheker werden dagegen als fortschrittlich bewertet.

Anhand der Quellen wird erstmals der Versuch einer vollständigen Seuchengeschichte unternommen, die neben Pestepidemien auch Lepra, Syphilis und Kinderkrankheiten aufzeigt. Die Pestordnung von 1681 erscheint zu spät gekommen zu sein, um die letzte verheerende Pest von 1681-83 mit 8000 Toten noch verhindern zu können. Eine abschließende Analyse der Katastrophe ist den Quellen nicht zu entnehmen. 1801 wurde laut der Arbeit durch den Arzt Filter die Pockenimpfung eingeführt.

Mit vier nachgewiesenen Hospitälern scheint die Stadt über eine gute Kapazität verfügt zu haben. Das Waisenhaus soll überregionale Bedeutung besessen haben. Das um 1780 gebaute Anatomiehaus war bisher unbekannt. Die Entwicklung des Apothekenwesens ist den Quellen zufolge durch das Apothekenmonopol bis 1747 gehemmt worden.

Fazit

Mit Pocken, Pest und Pillen wird der Anspruch erhoben, erstmals eine umfassende Analyse der Nordhäuser Medizingeschichte für die Zeit der Reichsfreiheit von 1220 bis 1802 zu liefern. Dabei werden neben Ereignissen und Personen auch Aspekte der Sozial- und Alltagsgeschichte berücksichtigt, um so eine Forschungslücke zu schließen. Die Quellenlage wird als ausreichend eingeschätzt, um trotz der Kriegsverluste eine weitgehend lückenlose Darstellung zu ermöglichen. Insgesamt zeichnet die Arbeit den Eindruck eines langsamen, oft zögerlichen Entwicklungsprozesses des Medizinalwesens nach, der maßgeblich nur durch das Engagement einzelner Ärzte vorangetrieben wurde. Damit leistet die Untersuchung nach eigener Aussage einen wichtigen Beitrag zur Medizin- und Stadtgeschichte Nordhausens und kann möglicherweise als Grundlage für weitere vergleichende Studien dienen.

Inhaltsübersicht

Einleitung 12
Quellenlage und Forschungsstand 14
1. Das Nordhäuser Medizinalwesen im Mittelalter 19
1.1 Von der Entstehung der Reichsfreiheit bis zu den ersten Spuren des Medizinalwesens 19
1.2 Die ersten Vertreter medizinischer und pharmazeutischer Berufe im mittelalterlichen Nordhausen 21
1.3 „Arztlohn“ und Hygiene - Ansätze einer Medizinalorganisation in den Statuten von 1470 26
1.4 Hospitalgründungen im Mittelalter und erste Regulierungen 27
2. Politische Geschichte der Stadt Nordhausen in der Frühen Neuzeit (1500-1802) 31
3. Die Ärzte der Neuzeit 33
3.1 Regelungen der ärztlichen Tätigkeit ab 1500 33
3.2 Die Physici - leitende Ärzte des städtischen Gesundheitswesens 38
3.3 Die praktisch tätigen Ärzte - Meister der konservativen Heilkunst 73
4. Chirurgen, Wundärzte, Barbiere und Bader 93
4.1 Die Entstehung der Baderinnung 1584 und ihre Entwicklung 94
4.2 Die Bader und ihre Badestuben - Gesundheitspflege und kleine Chirurgie 97
4.3 Die Gründung der Chirurgeninnung 1678 und ihre Innungsordnung 4.4 Rats-Chirurgen und Barbiere - Herrscher über Blut, Eiter und ausgerenkte Glieder 102
4.5 Ein buntes Treiben von Gastchirurgen, Zahnärzten, Optikern und einem Bruchbandschneider am Ende des 18. Jahrhunderts
4.6 Sektionen und das Anatomiehaus auf dem Klosterhof 134
5. Die Hebammen 139
5.1 Der Hebammeneid von 1515 und erste Hebammen 139
5.2 Die Hebammenordnung von 1674 und die Weiterentwicklung der Geburtshilfe 140
5.3 Tabellarische Übersicht aller Hebammen nach 1500 148
6. Lepra, Pest und Pocken - die Bekämpfung der Seuchen 151
6.1 Lepra 152
6.2 Syphilis 155
6.3 Der englische Schweiß 1529 158
6.4 Die Pest - Infektions- und Pestordnungen 1551 und 1681 160
6.5 Die letzte Nordhäuser Pest 1681-1683 168
6.6 Maßnahmen gegen die Unreinigkeit der Straßen 181
6.7 Schwindsucht (Tuberkulose) 183
6.8 Fäulichtes Gallenfieber 1785/86 185
6.9 Pocken 191
6.10 Scharlach 194
6.11 Tollwut 197
6.12 Weitere Erkrankungen 198
7. Krankheiten, Unfälle und Todesursachen der Nordhäuser 203
7.1 Der medizinische Alltag - wie kamen Arzt und Patient zusammen? 203
7.2 Der Umgang mit Krankheit 206
7.3 Alkohol - Gedeih und Verderb 212
7.4 Die kupferne Armprothese von 1632 219
7.5 Läuse - der ewige Kampf gegen heimliche Plagegeister 220
7.6 Krankheiten der Kinder um 1700 222
7.7 Tetanus - ein widersprüchlicher Fallbericht von 1733 226
7.8 Leistenhernien - der Streit über ein peinliches Thema im Jahr 1801 230
7.9 Unfälle, Mord und Totschlag - ein Überblick vom 16. bis zum 18. Jahrhundert 232
7.10 Daten zur Sterblichkeit der Nordhäuser von 1785 bis 1801 236
7.11 Populationslisten 1803-1807 - Todesursachen der Nordhäuser 239
8. Das Hospitalwesen 248
8.1 Nicht-öffentliche Einrichtungen 248
8.2 Hospital St. Georgii - das älteste Leprosenhaus 249
8.3 Hospital St. Cyriaci - der Siechenhof 252
8.4 Hospital St. Martini - die Altersversorgung für Vermögende 264
8.5 Hospital St. Elisabeth - Pilgerherberge und Ausgangspunkt der letzten Pest 282
8.6 Das Waisenhaus - Glanzstück städtischer Fürsorge 290
8.7 Armen- und Bettelordnungen 294
9. Das Apothekenwesen 298
9.1 Der Apothekereid und erste Vorschläge einer Ordnung im 15./16. Jahrhundert 298
9.2 Die Apothekenordnung von 1657 301
9.3 Die Krämer und der Medikamentenhandel 307
9.4 Die Adlerapotheke als Alte Ratsapotheke am Holzmarkt 309
9.5 Die Mohrenapotheke als Neue Ratsapotheke am Pferdemarkt 320
9.6 Tabellarische Übersicht aller Apotheker und Provisoren nach 1500 326
10. Medizinisches Schrifttum 337
10.1 Nordhäuser medizinische Schriften 337
10.2 Medizinische Literatur im Nordhäuser Buchhandel des 18. Jahrhunderts 345
10.3 Medizinische Aufklärung im Nordhäuser Intelligenzblatt ab 1776 349
11. Nordhausen 1802 - der Stand des Medizinalwesens zum Ende der Reichsfreiheit 355
12. Ausblick - Entwicklungen nach 1802 357
Zusammenfassung und Fazit 362
ANHANG 367
Medizinhistorische Zeittafel der Freien Reichsstadt Nordhausen 368
Stadtplan von Nordhausen mit medizinischen Einrichtungen bis zum 18. Jahrhundert 371
Bader, Barbiere, Wundärzte, Chirurgen und Gesellen in Nordhausen seit 1478 372
Ausgewählte Quellen 389
1. Auszug aus der 4. Statutensammlung von 1470 389
2. Des Cunradi Ernst Doctoris und Physici Designatio, des Apothekers
Bestallung belangend, 1571 390
3. Briefe des Chirurgen Jacob Eckhard an den Nordhäuser Rat, 1581 391
4. Hospitalordnung St. Cyriaci, 1631/1725 395
5. Apothekenordnung von 1657 397
6. Hebammenordnung von 1674 406
7. Chirurgeninnung: Gründung und Innungsordnung, 1677/78 409
8. Hospitalordnung St. Martini, 1687/1721 419
9. Dr. Filter: Sollen wir unsern Kindern die Kuhpocken einimpfen lassen?, 1801 421
10. Dr. Filter: Aufruf an Eltern, die ihre Kinder lieben, 1802 425
11. Bericht Dr. Filters zum Stand des Nordhäuser Medizinalwesens, 1802 426
12. Abrechnungen der Ratsapotheke, 1535 bis 1621 434
Quellen- und Literaturverzeichnis 438
Ungedrucktc Quellen 438
Gedruckte Quellen, Urkundenbüchcr, Zeitungen (bis 1900) 442
Literatur 447
Internet 461
Abkürzungsverzeichnis 463
Verzeichnis der Tabellen 464
Verzeichnis der Graphiken 464
Bildnachweis 464
Personenregister 466
Sachregister 474

Externe Verweise