Heimatsagen – Die Lande zwischen Harz und Hainleite in der Sage
Vorwort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit dem 16. Jahrhundert finden wir, je länger, je mehr, die Volkssagen unserer Heimat aufgezeichnet. Noch während des ganzen 18. Jahrhunderts geschah das eigentlich nur aus Freude an Kuriositäten aller Art. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab die Romantik nicht nur der systematischen Sammlung von Sagen, sondern auch der Sagenforschung mächtigen Antrieb. Dieser Zeit haben wir es zu danken, daß viele Sagen überhaupt auf uns gekommen sind. Dennoch haften der Ueberlieferung und Arbeitsmethode dieser Zeit auch mancherlei Mängel an. Die Freude romantischer Gemüter am Fabelhaften hat manche Sage durch wilde Hinzudichtung entstellt oder hat gar in Anlehnung an echtes Sagengut fröhlich und unbekümmert ganz neue Sagen frei erfunden und für alt ausgegeben. Das Verdienst aber hat die Romantik, daß seitdem der Sinn für das Denken und Dichten des Volkes erschlossen worden ist. Der Strom der Sagenüberlieferung bricht nun eigentlich nie mehr ganz ab. Erhöhtes Interesse regte sich in unserer Heimat seit den siebziger Jahren, wo sich eine ganze Reihe von Freunden alter Volkssitte und alten Volksgutes mit der Sagenkunde beschäftigte. Abgesehen von vielen anderen, richteten in erster Linie Rackwitz und dann K. Meyer ihr Augenmerk auf die Volkssage. Rackwitz' Begeisterung und Fleiß verdanken wir eine erste Sammlung heimatlicher Sagen. Angeregt durch Rackwitz, wurden dann in den achtziger und neunziger Jahren eine große Menge Sagen im Sonntagsblatt des „Nordhäuser Courier“, das unter dem Titel „Aus der Heimat“ erschien, veröffentlicht. Soweit der Sagenschatz hier, bei Rackwitz oder in der älteren bekannten Harz-Sagen-Sammlung von Pröble leicht zugänglich ist, erübrigte sich bei der Bearbeitung ein Hinweis. Ebenso sind die älteren Chronisten wie Spangenberg, Jovius, Behrend, Eckstorm, Schmaling u. a. nur dort angegeben, wo spätere Bearbeiter nicht aus ihnen geschöpft haben. In den letzten Jahrzehnten hat sich die von Kolbe, Bleicherode herausgegebene Zeitschrift „Heimatland“ bemüht, der Nachwelt an Sagen zu erhalten, was noch im Gedächtnis des Volkes lebt. Herr Lehrer Kolbe, Bleicherode, selbst gewährte mir selbstlosen Einblick in seine reichhaltige Sammlung. Ferner sind in Sangerhausen Friedrich Schmidt und in Mühlhausen Otto Busch eifrig und erfolgreich am Werke. Einige wenige bisher nicht ausgezeichnete Sagen gelang mir, durch eigene Nachforschung und durch meine Schüler ausfindig zu machen. In der vorliegenden Bearbeitung der Sagen ist, bewußt, nicht der gesamte Sagenschatz unserer Heimat ausgewertet worden. Die Hausgeister- und Teufelssagen sind fortgelassen, die Schatzsagen nur obenhin berührt. Wenn auch die zahlreichen Kobold- und Steppchensagen gewiß manchen Einblick in Volksleben und Volksphantasie gewähren, so sind sie doch zu beziehungslos, als daß sie für uns heute noch große Anziehungskraft besitzen könnten. Die Teufels- und Scharsagen wiederum werden in ganz Deutschland fast genau so wie in unserer Heimat erzählt und sind für die Erkenntnis heimatlichen Charakters wertlos. Da m. E. unserer Zeit mit einer bloßen Sagensammlung nicht gedient sein kann, wurde das gesamte Material überarbeitet. Zunächst wurden aus dem gewaltigen Blumenhag, der noch heute üppig wuchert, nur die Blumen ausgewählt, die wirklichen Eigenduft haben und dem ganzen Blütenmeer den Charakter verleihen. Der Blumenstrauß bleibt auch so noch bunt genug. Von den Natursagen wurden nur die berücksichtigt, aus denen die Eigenart der heimatlichen Natur besonders gut hervorleuchtet und die besonders gut zeigen, mit welchen Augen unsere Vorfahren die Natur betrachtet haben. Von den historischen Sagen erscheinen ebenfalls nur die, die erkennen lassen, durch welche Ereignisse das Volk in erster Linie beeindruckt worden ist und wie sich die Vorgänge in seiner Phantasie widerspiegeln. Oft genug bot sich Gelegenheit, von vielen charakteristischen Sagen auf minder wichtige zu verweisen. Vor allem wurde nicht versäumt, den ganzen Sagenschatz zur Erhellung bestimmter Vorstellungskreise unserer Vorfahren heranzuziehen. Auf die verschiedenen Varianten mancher Sagen wurde zwar Bezug genommen, es schien aber nicht nötig, dieselben Sagen immer wieder vorzutragen, nur um kleiner Abweichungen willen. Auch bei der Anordnung und Behandlung der Sagen hat sich der Verfasser von dem Bestreben leiten lassen, das für den modernen Menschen Wesentliche aus dem alten Sagengut festzuhalten. Deshalb sind die Natursagen jedesmal zu einzelnen Sagengruppen zusammengefaßt worden, derart, daß aus jeder Gruppe die Einstellung der heimatlichen Bevölkerung zu der Eigenart der sie umgebenden Physis zu ersehen ist. Die historischen Sagen wiederum folgen dem zeitlichen Ablauf der Geschichte. Allein auf diese Weise schien es möglich, die rechten Beziehungen zwischen Sage, Landschaft und Geschichte herzustellen, durch welche die Sage noch heute auf Verstand und Gemüt des Menschen zu wirken imstande ist. Einen vollständigen Vortrag hat nur eine Reihe besonders wichtiger Sagen erfahren, sonst schienen Andeutungen zu genügen. Wo aber die Sagen erzählend wiedergegeben sind, ist der Versuch gemacht worden, in der einfachen Weise des Volkes zu erzählen, die ebenso weit entfernt ist von trockener Registrierung der bloßen Tatsachen wie von breiter, kitschiger Ausschmückung der Sage. Vielleicht dürfen wir hoffen, durch eine derartige Anordnung und konzentrierte Behandlung auch von der Seite der Sagen her einen Einblick in das Wesen unserer Heimat mit all ihrem Sinnen und Singen, Sehnen und Suchen zu gewinnen.
Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Natursagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die historischen Sagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
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