Heimatbüchlein der Grafschaft Hohnstein im Kreise Ilfeld (Südharz)

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Textdaten
Autor: Wilhelm Vahlbruch
Titel: Heimatbüchlein der Grafschaft Hohnstein im Kreise Ilfeld (Südharz)
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Crimderode : Selbstverlag
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Rezension (1928)
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Eintrag in der GND: 361798105
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Editionsrichtlinien:
  • Noch nicht Korrektur gelesen.
  • Sperrschrift wird nicht wiedergegeben.
in Vorbereitung
Heimatbüchlein
der Grafschaft Hohnstein
im Kreise Ilfeld (Südharz)


Von
Wilhelm Vahlbruch


Crimderode 1927



Selbstverlag des Verfassers.
Druck von Theodor Müller, Nordhausen.


Zum Geleit

Trotz mancher Schwierigkeiten habe ich die Hohnsteiner Heimatkunde herausgegeben; denn auch dem Hohnsteiner tut es not, sein Interesse für seine schöne Heimat zu stärken und den Heimatsinn zu pflegen. Noch etwas anderes trieb mich zur Veröffentlichung. Ich kam vor fast 40 Jahren als Lehrer in die Grafschaft, und da fehlte mir im heimatkundlichen Unterrichte hinreichender Stoff. So geht es auch noch heute den nach hier versetzten Lehrern. Seit Jahren habe ich nun die Aufgabe, unsere Junglehrer in der pädagogischen Arbeitsgemeinschaft mit ihrer neuen Heimat bekannt zu machen. Im Aufträge dieser Arbeitsgemeinschaft habe ich nun den geschichtlichen Stoff in möglichster Kürze zusammengestellt. Als Quellen dienten mir Veröffentlichungen von Karl Meyer, Heineck, Heine, Kolbe und die Chroniken von Leopold, Bocke, Schmaling, Hoche u. a.

Beiträge lieferten mir Studienrat Kleinschmidt, Ilfeld, Rektor Brandes und Pastor Rasch in Niedersachswerfen, Hauptlehrer Böttcher, Urbach. Das Bild des Titelblattes schuf Fritz Teichmüller, Nordhausen. Allen Herren sei auch an dieser Stelle mein Dank zum Ausdruck gebracht. Ferner habe ich unserer Kreisverwaltung und dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für das freundliche Entgegenkommen, das mir erst die Drucklegung ermöglichte, zu danken.

Möchte das Büchlein seinen Zweck erfüllen.

Der Herausgeber.




„Was alles uns geschenkt vor Jahren,
Laßt uns der Nachwelt treu bewahren,
Und kann's nicht sein in Wirklichkeit,
Sei Schrift und Bild dazu bereit.“

„Dich Heimat, recht kennen und verstehn.
Dich schätzen, mit liebendem Auge sehn,
Drin wurzeln und wachsen zu festem Stand
Zum Wohle der Grafschaft am Südharzrand.“

Vom Gau zur Grafschaft

Schon in vorgeschichtlicher Zeit war unsere Gegend hier am Harzrand bevölkert. Die Bewohner, auf der untersten Stufe menschlicher Bildung stehend, sollen dem Keltenstamme angehört haben. In den langen Wintermonaten suchten sie Schutz in Höhlen. Funde in den Schuttanhäufungen der Einhornhöhle bei Scharzfeld geben uns von jenen Urbewohnern Kunde.

Bei Ausgrabungen fand man in der untersten Schicht zerschlagene Knochen von Höhlenbären und Menschen, doch nicht von Haustieren. Die damaligen Bewohner waren also ein Jägervolk, das noch keine Haustiere kannte. Außerdem wurden Holzkohlen, ungebrannte Topfscherben und zersprungene Steinwaffen gefunden. Daraus ergibt sich, daß schon zur sogenannten Steinzeit unsere Heimat bevölkert war. Das wird vor 4000 Jahren gewesen sein.

Später sahen sich diese Ureinwohner infolge geringerer Jagdergebnisse gezwungen, Tiere zu fangen und für sie zu sorgen, damit sie jederzeit Schlachtvieh hatten; dadurch ward das Jagdvolk zum Hirtenvolk. Aus steilabfallenden Höhen legte man feste Wohnsitze an; die leicht zugänglichen Seiten zur Höhe befestigte man durch Graben, Wall und Hecke. Aus dieser Wallanlage konnte das Vieh nicht ausbrechen, auch war man gegen Feinde und wilde Tiere geschützt. In einer Erdhütte oder Wohngrube hausten die Mitglieder der Familie. Solche umwallten Wohnstätten befanden sich z. B. auf der Harzburg (Braunsteinhaus), dem Schildberge bei Steigerthal, dem Spiegelberg bei Neustadt, dem Kohnstein (Kuxloch), dem Mühlberge (Faziusgraben).

In diese Gegend am herzynischen Urwalde drang vor ungefähr 2500 Jahren vom Norden her eine starke Schar von Neusiedlern. Es war ein Teil vom Stamme der Döringer oder Thüringer (Westgoten). Diese Neuankömmlinge ließen sich an Quellen und Bächen häuslich nieder und hatten bald die Ureinwohner unterjocht oder verdrängt. Nun bildete sich das Thüringerreich, von dem unsere Gegend die nördlichste Provinz war.

Als nach über lOOOjährigem Bestehen das Königreich Thüringen eine fränkische Provinz wurde, weil das Frankenheer die Thüringer besiegt hatte, wurde auch auf dieses unterworfene Gebiet die fränkische Gaueinteilung übertragen. Und da erhielt unsere Gegend nach der mitten hindurchfließenden Helme den Namen Helmegau. Dieser war wohl 20 Kilometer breit und 50 Kilometer lang und reichte im Norden bis zum Ravensberge, im Süden bis Wallhausen, im Osten bis vor Benneckenstein und im Westen bis hinter Heringen. Der Helmegau grenzte im Norden an das Sachsenland. Ein breiter Waldstreifen, in dem kein Baum gefällt werden durfte schied hier Sachsen- und Frankenland. Ost werden wohl die kampflustigen Nachbarn durch den Grenzwald gedrungen sein und manch blutiger Streit wird hier stattgefunden haben.

An der Spitze unseres Gaues stand auch ein Gaugraf, der an den Malstätten der Leuten oder Hundertschaften Recht zu sprechen hatte und die Männer im Kampfe führte. Unser Gaugraf wird ein Hohnsteiner der älteren Linie gewesen sein. Der nach drei Seiten steil abfallende Porphyritfelsen „honstein“ schien schon in den ältesten Zeiten wie geschaffen zur Anlage eines festen Wohnsitzes, und dort wird sich der Edelste der Männer, ihre Führer, angebaut haben. Diese ersten Grafen von Hohnstein waren sicher schon Lehnsherrn der Thüringer Könige. Erst der Begründer der jüngeren Hohnsteiner Linie, Graf Konrad von Sangerhausen, baute den Hohnstein 1061 zum Schlosse aus und befestigte die Burg. Doch erst seinem Urgroßsohne, Graf Eilger II. von Ilgersburg, ward auf dem Fürstentage in Erfurt 1184 vom Kaiser Friedrich I. die Erlaubnis erteilt, den Grafentitel „von Hohnstein“ wieder zu führen.

Als Bonifazius die fränkische Provinz Thüringen bekehrte, ward auch in unserem Gau durch bischöfliche Sendboten vom Kloster Fulda, die von einer fränkischen Schutzschar begleitet wurden, das Christentum eingeführt. (Bischofferode — Rodung der Bischöflichen.) Für kurze Zeit unterstand in kirchlicher Beziehung unsere Gegend dem Bistum Erfurt, bis Bonifazius dieses Bistum auflöste und Thüringen zum Erzbistum Mainz legte.

Karl der Große sandte auch in den Helmegau seine Landmesser, die die Dorffluren zu vermessen und einzuteilen hatten. Dabei wurde Land für Kirche und Pfarre (Heiligenland) ausgeworfen, gemeinschaftlicher Besitz '(Realgemeindeland, Markgenossenschaftswald) wurde festgestellt. Zehnt- Mnd, Oedland und Grenzwald wurden als Königsgut erlärt. Dort wurden Königshöfe gegründet, die jetzt z. T. noch als Domänen und Rittergüter bestehen. Wege von einem Königshof zum andern wurden angelegt ober ausgebessert. So entstanden Königswege, Heerstraßen und Handelswege. Vom Königshof Nordhausen führte eine Straße nach Norden über Ellrich und Walkenried, eine andere nach Süden über Urbach nach dem Königshofe Wallhausen, eine dritte durch den Harz, der als Bannwald königliches Jagdgebiet war, nach dem Jagdschlösse Bodfeld, eine vierte über Steigerthal, Birkenmoor durch den Harz. Und gerade dadurch, daß sich diese Straßen beim Königshofe Nordhausen kreuzten, erschien die Lage dieses Hofes Heinrich I. sehr geeignet zur Anlage einer befestigten Stadt. Es wuchs im Laufe von 1000 Jahren das Reichsdörfchen bei dem Königs- Hofe Nordhausen zu der Stadt, die der Mittelpunkt unserer Gegend ist. i Schon 908, als der letzte Thüringer Herzog im Kriege gegen die Ungarn gefallen war, hatte der deutsche Kaiser Thüringen als erledigtes Reichslehen eingezagen. Den Helmegau sahen von einer Generation zur anderen die Hohnsteiner Grafen mehr und mehr als ihr Eigentum an; daher schob sich nach und nach an die Stelle des Namens „Helmegau" die Bezeichnung „Grafschaft Hohnstein". Seit Mitte des 12. Jahrhunderts ist von Gauen nur selten noch die Rede.

Die Grafen mehrten ihre Grafschaft und rundeten sie ab durch Erbschaft und Heirat, durch Kauf und Tausch, daß ihre Herrschaft zuletzt Sondershausen, Clettenberg, Lauterberg, Wallhausen, Bleicherode, Ar- lern, Ilmenau u. a. umfaßte. Aber durch Teilung 1373 kn die Hohnsteiner

Anken Clettenberg, Kelbra und Heringen und durch Verkäufe wurde der Besitz wieder kleiner. 1417 kaufte de? Graf v. Stolberg den Hohnstekn. 1593 starb der letzte Hohnsteiner Graf Ernst VII. in Clettenberg und wurde im Kloster Walkenried begraben. Nur an 20 Jahre war der Sachsenherzog Heinrich der Löwe Lehnsherr auch der Grafschaft Hohnstein gewesen. Infolge seiner Untreue gegen Friedrich I. nahm ihm dieser auch dieses Hoheitsrecht. So besaßen von 1180 bis 1420 die Hohnsteiner ihre Grafschaft als Reichslehen und unterstanden unmittelbar dem Reiche. 1420 hatte die Bitte des Herzogs von Braunschweig an den Kaiser Sigismund um Belehnung der Grafschaft Hohnstein Erfolg, da sein Vorfahr Heinrich der Löwe schon Lehnsherr gewesen war. Von 1428 ab besaß der Graf von Stolberg die Hohnsteiner Grafschaft nicht mehr als Reichslehn, sondern als Landeslehen von Braunschweig. Von 1598 bis 1635 war Stolberg das Lehen genommen. Der Herzog von Braunschwelg zahlte an den Herrn von Schweinitz die an Stolberg geliehene Summe, für die die Grafschaft Hohnstein als Pfand galt. Zur Zeit des 30jährigen Krieges verwalteten das Amt Hohnstein Amtleute des Braunschweiger Herzogs, die auf der Burg Hohnstein wohnten, bis diese 1627 zerstört ward. (Vitz- tum von Eckstädt.) Erst 1635 erhielt Stolberg Amt Hohnstein zurück. (Ohne Ilfeld.) 1639 kam durch Erbschaft auch die Lehnshoheit über Hohnstein an Hannover. 1778 erhielt Hannover gegen Zahlung einer Abfindungssumme an den Grafen von Stolberg das Amt Hohnstein mit allen Rechten und Besitzungen (Güter). Erst 1822 bekam Stolberg bas Amt wieder zurück bis auf Ilfeld. Das Amt Hohnstein wurde auch Amt Neustadt genannt, denn Neustadt war seit 1733 der Sitz einer Kanzlei, des Gerichts und des Hohnsteiner Konsistoriums. Es gehörte zur Landdrostekn Hildesheim. Seit 1850 hörten die Patrimonialgerichte in SülzhaA, Werna, Crimderode und Bösenrvde auf und wurden die Rechte dem Amtsgericht in Neustadt übertragen. 1866 wurde Hannover eine preußische , Provinz, und unsere Heimt als Kreis Ilfeld dem Regierungsbezirk Hildes heim unterstellt. Kanzlein und Gericht verlegte man nach Ilfeld. Unser Kreis Ilfeld besteht nun aus der alten Grafschaft Hohnstein und dem vormaligen Amte Elbingerode und umfaßt 273 Quadratkilometer (189 und 84).

1925 wurden in 2880 Häusern (2307 und 573) 4170 Familien (3000 . und 1170) mit 18 356 Einwohnern (13 562 und 4794) gezählt. Nach der * Zahl der Einwohner ist Ilfeld der kleinste der 17 Kreise des Regierungsbezirks Hildesheim. Unsere Grafschaft Hohnstein, die einen Teil des hannoverschen Kreises Ilfeld bildet, ist aber nur ein Teil der alten Grafschaft. Der größere bildet jetzt den sächsischen Kreis Grafschaft Hohenstein, der rund 500 Quadratkilometer umfaßt und 65 Orte enthält mit 50 000 Einwohern. Auch Nordhausen gehörte zur alten Grafschaft. Als die Stadt aber 1882 über 25 000 Einwohner hatte, bildete sie einen Stadtkreis.

Die Hohnsteiner Grafen übten in der Stadt Nordhausen die Reichsvogtei und das Schulzenamt erblich aus. Als Reichsvogt gehörte mit zu ihren Aufgaben, die Stadt zu verteidigen und Gericht zu halten (die pekn- liche Halsgerichtsbarkeit). Die Hohnstekner Relchsvöate hatten aber als ihre Vertreter Äeichsschulzen zu ernennen, die auch die bürgerliche Gerichtsbarkelt mit ausübten. Als die Schwarzburger Linie bei der Teilung der Hohnsteiner Besitzungen 1356 die Stadtrechte mit erhielten, überließen die Grafen die Ausübung dieser Rechte dem Rate der Stadt gegen eine jährliche Abfindungssumme. 1595 sielen diese Rechte an den Kurfürsten von Sachsen, weil der letzte Schwarzburger gestorben war. Nun wurde der Stadt die Gerichtsbarkeit bis auf das Halsgericht überlassen, bei diesem sei der Graf von Hohnstein-Clettenberg zuständig. 1697 erhielt der Kurfürst von Brandenburg diese Rechte, die aber 1715 an Nordhausen gegen Zahlung von 50 000 Taler übertragen wurden. Wenn nun auch die Hohn- steiner Grafen die Stadt in ihrer Eigenschaft als Reichsvögte zu verteidigen hatten, so sind sie doch oft mit ihr in Fehde geraten. Um 1480 herum konnte sich die Stadt nur Ruhe und Frieden verschaffen, daß sie dem Grafen ein Iahresgeschenk von 60 Gulden zahlte.

Nordhausen hat sich in 1000 Jahren zum größten und bedeutsamsten Ort unserer Heimat entwickelt. Unser Kreis ist durch 3 Landstraßen, 3 Eisenbahnen und neuerdings durch Kraftverkehrslinien der Nordhäuser-Wer- nigeröder Eisenbahn mit der Stadt verbunden. Von 3 Seiten grenzt unser Kreis Ilfeld nachbarlich an die Stadtflur. Nvrdhausen ist für uns von größter Bedeutung. Unsere Jugend besucht vielfach die höheren Schulen der Stadt. Durch Vorträge, Theater und Konzerte bietet uns Nordhausen geistige Förderung und Genüsse. Die Stadt ist auch unser wirtschaftlicher Mittelpunkt; dort kaufen und verkaufen wir. Der Nordhäuser Handelskammer gehören unsere Kaufleute und Fabrikanten an. Unser Landgericht und unser Katasteramt befinden sich dort.

Anderseits bietet unser schöne Harz den Städtern Freude, Genuß und Erholung.