Die Besetzung der Stadt Nordhausen und die Uebernahme ihrer Reichsämter durch Preußen

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Autor: Hans Silberborth
Titel: Die Besetzung der Stadt Nordhausen und die Uebernahme ihrer Reichsämter durch Preußen
Untertitel:
aus: Preußen und Hannover im Kampfe um die Freie Reichsstadt Nordhausen
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1936
Verlag: Verlag Theodor Müller
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Erscheinungsort: Nordhausen am Harz
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II.
Die Besetzung der Stadt Nordhausen
und die Uebernahme ihrer Reichsämter durch Preußen


Die Überrumpelung Nordhausens durch preußische Truppen in der ersten Frühe des 7. Februar 1703, die Besetzung der Stadt und die ersten Unbequemlichkeiten, die der Einwohnerschaft daraus erwuchsen, sind oft genug geschildert worden, so daß sie Übergängen werden können.[1] Dagegen interessieren noch nicht benutzte gleichzeitige Berichte und unter diesen besonders wieder kursächsische, welche die Beweggründe für das Vorgehen Preußens und ihre Beurteilung in jener Zeit recht deutlich werden lassen.

Der sächsische Legationsrat Wolter berichtete seiner Regierung, der preußische König habe sich selbst nach Magdeburg be-geben, das von Nordhausen und Hildesheim etwa gleich weit entfernt ist. Von Magdeburg aus wurden zwei Bataillone gegen Hildesheim angesetzt, und zugleich wurde die Nachricht ausgesprengt, man wolle in Hildesheimisches Land einfallen und solange darin verweilen, bis die Celleschen Truppen Hildesheim geräumt hätten. Unterwegs — also offenbar in der Nähe Halberstadts — änderten diese Truppen aber die Marschrichtung, gelangten über den Harz und besetzten überraschend Nordhausen. Ferner wurde von den Preußen noch ein Herr von Marschall nach Gotha entsandt, um den Herzog zu vermögen, im Notfalle, d. h. gegen Hannover, den Preußen noch 2000 Mann zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurden zwei Regimenter Pommersche Dragoner gegen Halberstadt in Marsch gesetzt.

Tatsächlich datiert der erste Marschbefehl des Königs an den Obersten von Tettau aus Magdeburg vom 3. Februar; Tettaus Instruktion ist vom 4. Februar datiert.

Allgemein nahm man zunächst in Sachsen, das die Schutzhoheit über Mühlhausen hatte, an, Preußen werde auch diese Reichsstadt besetzen. Doch wußte Geheimrat von Flemming, sächsischer Gesandter in Berlin, schon am 24. Februar zu melden, Mühlhausen sei nicht bedroht; Nordhausens Einnahme sei nur als Gegenmaßnahme zur Besetzung Hildesheims zu bewerten. Es heiße auch, Preußen verlasse die Stadt wieder, wenn Celle Hildesheim freigebe. Doch diesem Versprechen sei wenig zu trauen.

Eindringlicher noch enthüllen die Berichte des sächsischen Residenten beim Reichstage in Regensburg, des Grafen von Werthern, und des Generalmajors von Wackerbarth aus Wien die Beweggründe für das hannöversche und preußische Vorgehen.

Hannover-Celle suchte zunächst der Stadt Hildesheim nur seine Macht zu Gemüte zu führen und es wegen der dauernden städtischen Unruhen zu verwarnen; an eine Einverleibung der Stadt in welfisches Territorium war wohl nicht gedacht. Ebenso lag Hannover nichts am Besitze Nordhausens, wohl aber daran, daß Preußen nicht die Schuhhoheit über die Stadt erlange und daß die Aemter in der Hand Sachsens blieben. Wenn Preußen den Fuß nach Nordhausen setzte, fühlte sich Hannover nicht nur wirtschaftlich am Südharze beeinträchtigt, sondern auch militärischpolitisch bedroht, da der Besitz Nordhausens ein weiterer Schritt zur „Communication" der verstreuten preußischen Gebietsteile war.

Preußen, das in den vorhergehenden Jahrzehnten schon so oft geprellt, wollte seine mit Opfern errungene Beute nicht wieder fahren lassen und Nordhausen ganz in Besitz nehmen, wenn Hannover in Hildesheim blieb, zumal dadurch sein Verkehr mit den westfälischen Besitzungen auf der Linie nördlich des Harzes noch mehr als bisher erschwert wurde. Es drohte beim Reiche, es werde alle seine Truppen aus dem Spanischen Erbfolgekriege zurückziehen, wenn ihm nicht „Satisfaction" gegeben werde.

Der Kaiserliche Hof, an den Nordhausen am 19. Februar eine entrüstete Darstellung über die Besetzung sandte, war bei diesen Auseinandersetzung wie immer geneigt, für Hannover Partei zu ergreifen, wagte es aber nicht wegen seines Hauptkriegsschauplatzes und wurde vor allem von England und Holland besorgt angegangen, ja zu vermitteln, damit die gemeinsame Sache nicht leide. Auch der hohen Geistlichkeit wollte der Kaiser nicht zunahe treten. Die großen Bistümer Münster und Würzburg unterstützten Preußen gegen den hannoverschen Frevel am Bistum Hildesheim, so daß der kluge preußische Gesandte von Bartholdi am 24. Februar aus Wien melden konnte, daß „dem Hause Hannover das Konzept verrückt worden, dem die Katholischen wegen der Besetzung der Stadt Hildesheim nicht viel Gutes gönnten". Schweden wiederum interpellierte beim Kaiser gegen Preußen, weil es Bremen gefährdet glaubte, und schließlich der König von Dänemark als Herzog von Holstein nahm wieder Partei für Preußen, weil er mit der Lelleschen Verwaltung des Niedersächsischen Kreises unzufrieden war. Bei diesem Durcheinander, das die Besetzung zweier kleinerer deutscher Städte verursachte, konnte der Kaiser nicht anders, als beiden Friedensbrechern, Preußen und Hannover, anzuraten, die Besatzungen aus den Städten wieder zu-rückzuziehen und im übrigen den Spruch seines Reichshofrates über die Gerechtsame in Nordhausen abzuwarten.[2]

Da konnten sie freilich lange warten, und deshalb sah es gegen Ende Februar 1703 fast so aus, als ob es doch zu blutigen Händeln zwischen den beiden norddeutschen Staaten kommen werde. Dabei hätte sich Hannover ganz auf den Niedersächfischen Kreis verlassen können. Von dort aus wurde zunächst Mühl-hausen gewarnt sich vorzusehen. Dann aber, als es hieß, Schweden „werde Völker hergeben, die Stadt Nordhausen zu befreien", kamen gar Nachrichten, der ganze Niedersächsische Kreis mache mobil, um „Gewalt mit Gewalt zu vertreiben". Dadurch war gerechtfertigt, daß die preußischen Truppen in Nordhausen äußerst wachsam waren, Schultheiß Röpenack mit Hilfe der preußischen Regierung in Ellrich einen regen Späherdienst bis auf die Eichs-felder Berge organisierte und Tettau am 9. Februar in Magdeburg um eine Kompagnie Dragoner für die Aufklärung ansuchte. Doch wußte der tüchtige Forstmeister von Mitzschefal zu Maude-rode und Liebenrode bald zu berichten, daß sich bis zur Linie Osterode—Heiligenstadt keine Truppenbewegung feststellen lasse. Tatsächlich dachte Hannover auch nicht daran, um Nordhausens willen einen Waffengang mit Preußen zu wagen, sondern bediente sich anderer Mittel, um seinem Gegner das Leben schwer zu machen.

Was hatte sich nun im Laufe des Februar in Nordhausen selbst abgespielt? Den an anderen Stellen mehrfach wiedergegebenen dramatischen Nordhäuser Berichten gegenüber sticht der des Obersten von Tettau, den er durch den Kammerjunker von Wilck-nitz dem Könige überbringen ließ, durch seine schlichte Sachlichkeit ab: „Ew. Kgl. Majestät allergnädigstem Befehl gemäß bin ich heute morgen umb 3 Uhr mit den mir anvertrauten Truppen in diese Stadt gekommen, nachdem ich mich eine Stunde zuvor zweier Pforten mit wenig Leuten sonder Verlust noch Beschädigung eines Menschen bemächtigt. Ich habe die … Instruktion im allgemeinen befolgt, so daß nicht die geringste Konfusion bei dieser kleinen entreprise vorgefallen. Dem Syndikus und Bürgermeistern habe ich die Ursache, so Ew. Kgl. Majestät bewogen, sich dieses Ortes zu versichern, gesagt. Ich ersuche demnächst Ew. Kgl. Majestät, mir allergnädigst zu befehlen, wie ich mich weiterhin mit den Leuten zu verhalten habe."[3]

  1. Gleichzeitiger Bericht: Bohne, Diarium oder Tagebüchlein wegen des Kgl. Pr. Einfalls in Nordhausen … ed. Heineck, Ebert, Nordh., 1901. — Heineck, a. a. O., 31 ff. — Silberborth, a. a. O., 445 ff.
  2. Die Stellungnahme der Mächte zu dem preußischen Schritte klären vortrefflich die Dresdener Akten. Dresden, 2968.
  3. Pr. St. R. 33 u. 147.2