Brandenburg-Preußens Erwerbung der Reichsvogtei und des Reichsschultheißenamtes in Nordhausen; die Schutzhoheit der Stadt
I.
Brandenburg-Preußens Erwerbung der Reichsvogtei und des Reichsschultheißenamtes in Nordhausen; die Schutzhoheit der Stadt.
Erst im 16. Jahrhundert begann die westeuropäische Welt eine Höhe ihrer Kultur zu erreichen, wie sie das Altertum der Mittelmeerländer anderthalb Jahrtausende vorher schon gekannt hatte. Damit war auch zum ersten Male wieder die Möglichkeit großräumiger Staaten von festem Gefüge und von längerer Dauer gegeben. Das mittelalterliche Imperium war alles andere eher als ein Staat mit allseitig anerkannter Zentralgewalt und mit einer für alle Teile auf lange Sicht gleichartig geschaffenen und verbindlichen Organisation. Erst das Britannien der Königin Elisabeth, das Frankreich Richelieus und Colberts und einige Staaten Deutschlands seit 1648 vermochten sich auf Grund der allgemeinen kulturellen Strebungen, nicht zuletzt des Geld-, Verkehrs- und Nachrichtenwesens, zu größeren einheitlichen Gebilden zu entwickeln und diese ehrgeizig auszubauen und zu erweitern. Ein solcher Expansionsdrang konnte nur an zwei Gegebenheiten seine natürlichen Grenzen finden und mußte scheitern, wenn er die durch die Natur gezogenen Schranken mißachtete: Die eine gottgewollte Grundlage für dauerhafte staatliche Gebilde ist gegeben durch die physische Gestaltung des Lebensraums; jeder Staat wird solange unbefriedigt streben, bis er seine natürlichen Grenzen gefunden hat, und jeder Staat wird einen Rückschlag erleiden, der widernatürlich den ihm nun einmal zugewiescnen Lebensraum überschreitet. Die andere natürliche Grundlage und Grenze eines Staates ist ihm gegeben durch die einheitliche Abstammung der Menschen, die ihn bevölkern. In den Zeiten des 16. und 17. Jahrhunderts, wo sich die Staaten eben erst zu konsolidieren begannen, hatten sie eine gewissermaßen primitive Freude, ohne Beachtung der Naturgesetze ihren Bestand auf Kosten schwächerer Gebilde zu vergrößern; nur unbewußt ließen sich die Staatsmänner jener Zeit hin und wieder leiten von den inneren Lebensgesetzen ihres Staates. Daß dabei die großen Ströme, Gebirge und Küsten eine wesentliche Rolle spielen, dämmerte manchem Staatsmann schon verhältnismäßig früh; daß die Volkheit für die Ausdehnungsmöglichkeit eines Staates wesentlich sei, ist erst eine ganz junge Erkenntnis, die aus den Lehren des 19. und 20. Jahrhunderts gewonnen ist. In Deutschland begannen sich Oesterreich, Kursachsen, Brandenburg, Kurhannover und Bayern seit dem Ausgang des 17. Jahrhunderts zu großräumigen und dennoch festgefügten Staatsgebilden zu entwickeln. Bayern war dabei geopolitisch am meisten gehemmt, ähnlich, wenigstens nach Westen und Süden hin, Sachsen, Oesterreich wuchs unter Ausnutzung des Römischen Kaisertums aus den naturgesehten Grenzen maßlos hinaus. Brandenburg und Hannover waren geopolitisch weniger eingeschränkt und konnten sich auf dem weiten norddeutschen Lebensraume und den angrenzenden mitteldeutschen Buchten, beide unter gleichgünstigen Verhältnissen ausdehnen. Doch die rein deutsch-germanischen welfischen Lande waren dynastisch stark zersplittert, und Hannover wuchs leider allmählich durch das englische Erbe über Deutschland hinaus; das kolonialdeutsche Brandenburg dagegen blieb auf den norddeutschen Boden angewiesen, und dadurch daß es schon unter Johann Sigmund (1608—1619) seine Flügel weit spannte von der Memel bis über den Rhein, mußte sein Verlangen vor allem dahin gehen, die großen Lücken zwischen Ost und Mitte und West zu beseitigen. Hannover mußte dabei in erster Linie sein Gegner sein, weniger Sachsen, gar nicht Bayern; der Kaiser und Oesterreich aber mußten ein Interesse daran haben, keinen ebenbürtigen Rivalen in Norddeutschland auskommen zu lassen, dem es womöglich gelang, ganz und gar die schwachen Bande des Römischen Reiches zu sprengen. Die Betrachtung zeigt, in welcher Richtung die Hauptwiderstände für Brandenburg-Preußen liegen mußten. Große Gefahren mußte aber auch allein schon die unnatürliche Ausdehnung des werdenden Staates mit sich bringen, und die ungeheuerlich langen Grenzen mußten vielfach Reibungen mit den Nachbarn verursachen. Diese verloren keineswegs an Schärfe durch den Ehrgeiz des Emporkömmlings, nicht nur an einem Ansatzpunkte ein Ziel zu verfolgen; sie vermehrten im Gegenteil die Gegner und ließen den Eindruck auskommen, als ob Brandenburg eine besonders ländergierige Macht sei. Die preußische Politik, die jeder Folgerichtigkeit zu entbehren schien, die Großmannssucht eines Staates von knapp mittlerer Größe, die offenbar in keinem Verhältnis zu seinen wahren Kräften stand, empörte in jenen Zeiten die westeuropäische Welt ebenso, wie die anscheinend parvenuhafte lind anspruchsvolle Diplomatie des deutschen Reiches nach dem Sturze Bismarcks die ganze Welt gegen uns aufbrachte. Doch war es bis zu einem gewissen Grade aus der Lage des Heranwachsenden Staates verständlich, wenn er dort nach Elbing, hier nach Stralsund und Stettin, dort nach Brieg und Wohlau, da wieder nach Geldern und Ostfriesland und im Süden schließlich nach Nürnberg und Bayreuth ausschaute. Selbst was, oberflächlich betrachtet, nur zufällige dynastische Ansprüche eines dynastischen Zeitalters zu sein schienen, läßt sich z. T. doch als zwangsläufige Staatsaktion erklären. Ansprüche auf große Teile des oranischen Erbes in Südfrankreich, in Burgund oder in den Niederlanden wurden alsbald von selbst wieder fallen gelassen. Kurhannover mit auch zwar durchaus nicht glücklichen Grenzen, aber mit einem doch im ganzen kompakten Staatsgebiete war jedenfalls glücklicher daran als Preußen und konnte eine bedächtigere, folgerichtigere und weniger angefeindete Politik betreiben. Nimmt man dann noch hinzu, daß Schweden und Polen, ja selbst Frankreich und die Generalstaaten keinerlei Interesse an dem Zu-sammenschlusse Norddeutschlands unter einem Herrscherwillen hatten, so erkennt man alle die Schwierigkeiten, die dem preußischen Staatswesen erwuchsen und die nur überragende Männer wie der große Kurfürst Friedrich Wilhelm und Friedrich II., der Große, und zwischen beiden bedeutende Minister wie etwa Ilgen unter Friedrich III. und Friedrich Wilhelm I. einigermaßen überwinden konnten. Neben den größeren deutschen staatlichen Gebilden gab es auch noch im 17. und 18. Jahrhundert mittelalterliche Klein- und Kleinststaaten, die mindestens seit 1648 überaltert und ohne Lebensberechtigung waren und die über kurz oder lang, der gesamten Kulturentwicklung folgend, den größeren Staaten zum Opfer fallen, ihnen zur Abrundung oder zur Verknüpfung der einzelnen Landschaften dienen mußten. Die meisten von ihnen konnten nicht nur nach außen hin keine Kraft zum Widerstand aufbringen, sondern waren auch innerlich verderbt und morsch. Alle ihre Ver-hältnisse paßten für eine enge, landschaftgebundene Kultur und für eine gering entwickelte Geldwirtschaft. Schlimme Mißstände mußten sich herausbilden in dem Augenblick, wo die geistigen und materiellen Kräfte einfach nicht mehr hinreichten, den Anforderungen der neuen Zeit gerecht zu werden. Sind schon engen bäuerlichen Verhältnissen Eifersucht und Neid nicht fremd, so müssen enge städtische und staatliche Verhältnisse, welche Vergleichsmöglichkeiten mit den Lebensbedingungen in großräumigen Staaten zulassen und damit den Wunsch, es ihnen gleichzutun, zu Kleinlichkeit und Schelsucht, zu Vetternwirtschaft und parteiischer Justiz führen. Ein sprechendes Beispiel dafür ist die Freie Reichsstadt Nordhausen im 17. Jahrhundert, einer der Kleinststaaten Deutschlands der Ausdehnung ihres Territoriums nach. Und daß diese Zustände von einer bestimmten Entwicklungsstufe ab natur-bedingt solchen Kleinstaaten anhaften und anhaften bleiben trotz des Versuches menschlicher Einwirkung, beweist Nordhausen auch, wo man wohl in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts einen energischen Anlauf nahm, mit der alten Verrottung auf-zuräumen, bald aber doch wieder in den alten Klüngel zurückfiel. Auch derart zurückgebliebene innere Verhältniße der kleinen Territorien mußten die größeren nicht bloß zum Zugriff reizen, sondern schließlich sogar bei einem Teil der eigenen Bevölkerung den Wunsch nach Anschluß an ein größeres Gebilde rege werden lassen. Daß dergleichen Zwergstaaten, wie es die Freie Reichsstadt Nordhausen war, noch das ganze 17. und 18. Jahrhundert im Greisenzustande durchlebten, war gar nicht der eigenen Vitalität zuzuschreiben, sondern verdankten sie der Rivalität der Großmächte oder dem Eintreten von Kaiser und Reich, die freilich kaum noch reale Mächte, sondern beinahe nur noch Begriffe waren; aber eben diese Begriffe waren noch wirksam in solchen Gebilden wie Nordhausen. Endlich verlängerten auch die Anstrengungen der herrschenden Kreise in diesen Kleinststaaten, deren soziale Stellung und Wohlhabenheit allein durch sie bedingt waren, das Leben derselben. Auf die Dauer konnte aber weder der Kaiser noch die Rivalität der Großen noch die Selbstsucht der städtischen Patrizier die Freien Städte vom Tode erretten. Kein menschlicher Eingriff kann den naturbedingten Gang des Schicksals aufhalten. Diese allgemeinen Erörterungen lasten die Haltung Preußens und Hannovers zu der Freien Reichsstadt Nordhausen seit 1648 verständlich erscheinen, erklären die siegreiche Abwehr des ersten Versuches um das Jahr 1700, aus der Reichsstadt eine Landstadt zu machen, erklären aber auch die notwendige Einverleibung 100 Jahre später. Viele andere Städte hatten sich gerade bald nach 1648 der Fürstenmacht in den großräumigen Staaten fügen müssen: Im Juni 1666 hatte der Brandenburgische Feldmarschall Sparr das trotzige Magdeburg, das dem Kurfürsten die Huldigung verweigert hatte, überrumpelt; im Juni 1671 mußte sich die alte Hansestadt Braunschweig ihrem Herzoge Rudolf August ergeben, 1686 wollte sich Dänemark Hamburgs bemächtigen, und nicht der Freien Reichsstadt allein, sondern vor allem dem geschickten Eingreifen des Brandenburgischen Geheimrat Paul von Fuchs gelang es, die Stadt zu retten; am 30. Januar 1698 nahm der junge Fürst Leopold von Anhalt-Dessau im Solde Brandenburgs Quedlinburg, und Brandenburg ließ die gute Beute nicht wieder los, wenn auch die Aebtissin von Quedlinburg darum einen langen Streit entfachte; im November desselben Jahres nahm Brandenburg Elbing, und nach dem Tode Wilhelms III. von Oranien im Jahre 1702 wurden Mörs und Lingen besetzt. Daß die Einnahme einer anderen Stadt, Hildesheims, durch die jüngere Braun-schweigische Linie, durch Hannover, Brandenburg-Preußen wieder auf den Plan rief und zur Besetzung Nordhausens führte, wird uns noch unten beschäftigen. Kurzum, überall mußten sich in jenen Zeiten die selbständigen oder so gut wie selbständigen Städte der Fürstenmacht beugen. Warum nicht auch die Reichsstadt Nordhausen? Warum sollte es einer Macht, Sachsen oder Brandenburg oder Hannover, nicht auch gelingen, diese Freie Reichsstadt zu einer Landstadt zu machen! Die ältesten Rechte an der Stadt besaß Kursachsen; es war Inhaber der wichtigen Aemter der Vogtei und des Schultheißenamtes und hatte vom Kaiser das Schutzrecht über die Stadt erhalten. Der Vogt war ursprünglich der Stellvertreter des Kaisers in der Stadt und in dieser Eigenschaft oberster Thing-, Gerichtsund Kriegsherr der Stadt. Da aber mit dem Aufkommen größerer Gemeinden dem Reichsvogt alle Organe fehlten, den erweiterten Pflichtenkreis wahrhaft zu betreuen, stellten diese die Bürgerschaft. So ging die gesamte städtische Verwaltung, das gesamte Kriegswesen und schließlich auch die Kriminaljustiz auf den Rat über, und der kaiserliche Vogt trat als oberster Gerichtsherr nur noch beim Halsgericht in Erscheinung, um die Zeremonie des Stab-brechens zu vollziehen und dafür ein geringes Entgelt von der Stadt in Emvfang zu nehmen. Diese Vogtei mit ihren schon seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts höchst dürftigen Gerechtsamen war vom Kaiser den Grafen von Honstein verliehen, doch hatten diese sie 1546 für 1500 Gulden der Stadt verpfändet. Wenn die Honsteiner die Vvgtei zurücknehmen wollten, mußten sie also Nordhausen auch diese Pfandsumme zurückzahlen. Nur die Lehnshoheit über die sogenannte Werther-Mühle an der Helme behielt sich Honstein vor. Deshalb besaß später auch Preußen diese Mühle unangefochten als Lehen.[1] ls die Honsteiner Grafen dann 1593 ausstarben, verlieh Kaiser Rudolf II. die Vogteirechte an Sachsen, mit dem die Stadt nach langen Verhandlungeen am 13. Dezember 1595 einen Vergleich schloß: Die Vogtei kam an Sachsen, doch blieb sie weiterhin der Stadt verpfändet; wollte Sachsen das Amt zurücknehmen, so mußte es die einstmals an die Honsteiner bezahlte Pfandsumme auszahlen. Zum Zeichen der sächsischen Hoheit mußte das Halsgericht gehegt werden im Namen des Kaisers, des Kurfürsten und des Rates. Der Exekution selbst sollte ein Abgesandter Sachsens beiwohnen.[2] Bei den Bestimmungen dieses Vergleichs ist es dann geblieben; Sachsen hat die Vogtei nie selber ausgeübt. Wichtiger als die Vogtei war das Schultheißenamt, das die Civilgerichtsbarkeit, die Münze, den Zoll und das Geleit umfaßte und dadurch auf das gesamte wirtschaftliche Leben der Stadt von maßgebendem Einfluß war. Dieses Schulzenamt war seit 1352 in der Hand Thüringens und später Sachsens als des Rechtsnachfolgers der alten Thüringer Landgrafen. Da die Stadt an dem Amte ein außerordentliches Interesse hatte und auch nur sie imstande war, es mit ihren Organen zu verwalten, versuchte sie schon früh, nicht bloß Einfluß aus das Amt zu bekommen, sondern es womöglich ganz zu übernehmen. So war das Amt bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts umkämpft, wurde aber doch im wesentlichen von Sachsen verwaltet und brachte ihm wichtige und sichere Einnahmen. Dieses Amt in fremden Händen war eine starke Einschränkung der Reichsfreiheit. Da verpfändete 1538 Sachsen erstmalig das Amt an die Stadt, und obgleich Herzog Georg von Sachsen damals im sogenannten Schulzenbuche Rechte und Aufgaben des Schultheißen genau festlegen ließ, gelang es dem Rate der Stadt Nordhausen doch bald, den ursprünglichen Aufgaben-kreis des Schultheißen zu verdunkeln. Schon im Jahre 1541 erwirkte der geschickte Bürgermeister Meyenburg von Karl V. einen Erlaß, der das Geleitrecht von dem Amte abtrennte und der Stadt übergab. Dieses Hoheitsrecht ging Sachsen also überhaupt verloren. Alle anderen Gerechtsame behielt es jedoch, beließ aber ihre Verwaltung in Händen der Stadt. Die Verpfändungsfrist lief für gewöhnlich auf 15 Jahre, dann mußte die Stadt das Amt neu erwerben, und da Sachsen sehr wohl wußte, welchen Wert das Amt für die Stadt besaß, drohte es des öfteren mit der Zurücknahme und der Auszahlung der Pfandsumme, um von der Stadt einen höheren „Pfandschilling“ herauszupressen. Im 17. Jahrhundert mußte Nordhausen für das Amt von 15 zu 15 Jahren 10 000 Taler bezahlen. Die letzte Uebertragung geschah am 12. September 1687 auf 15 Jahre bis zum Jahre 1703. In diesen Zeiten des fürstlichen Absolutismus aber gedachte auch Sachsen seine Rechte auszubauen, erkundigte sich genau nach dem Umfange und der Bedeutung des Schultheißenamtes und zeigte schon 1687 Lust, nach Ablauf der 15 Jahre der Stadt die Pfandsumme auszuzahlen und das Amt in eigene Verwaltung zu nehmen.[3] Ein drittes Recht, das Sachsen über Nordhausen besaß, war das Schutzrecht. Von jeher stellte nämlich der Kaiser seine kleinen unmittelbaren Lehen in den Schutz benachbarter größerer Herren. Die Reichsstädte erwarben den Schutz jedesmal auf einige Jahre durch eine bestimmte Abgabe. Nicht selten gehörte das Schutzrecht dem Fürsten, der zugleich die Vogteigerechtsame besaß, da ja der Vogt ursprünglich der oberste Kriegsherr der Stadt war. Dann konnte die Stadt den Schutzherrn nicht frei wählen, sondern war dauernd einem bestimmten Schutzherrn verpflichtet, sie besaß keinen Wahlschutz, sondern einen Erbschutz. Nordhausen nun hatte von jeher Wahlschutz, eine Tatsache, die bei den kurz nach 1700 sich entwickelnden Auseinandersetzungen eine bedeutsame Rolle spielen sollte. In früheren Zeiten hatte die Stadt sehr häufig den Schutzherrn gewechselt, sich in unruhigen Zeiten nicht selten sogar in den Schutz mehrerer Herrn begeben. So treten neben den Thüringern die Honsteiner, die Hessen, die Braunschweiger auf. Schon vor der Reformationszeit aber hatte auch den Schutz über die Stadt Sachsen übernommen, und zwar das Gesamthaus als Rechtsnachfolger der Landgrafen von Thüringen.[4] Seitdem nun aber der Schutz nicht mehr wechselte, konnte der Gedanke aufkommen, Nvrdhausen besitze keinen Wahlschutz, sondern einen Erbschutz. Der Schutz lief meist über 10 Jahre, und die Stadt zahlte dafür im 17. Jahrhundert 150 gute Rheinische Gulden. Der letzte Schutzbrief Sachsens stammt vom 28. Oktober 1687; er sollte 1698 auf 20 Jahre bis zum Jahr 1718 erneuert werden. Wie auch hier die Verhältnisse dann stärker waren als der Wunsch der kleinen Freien Reichsstadt, werden wir noch unten sehen.[5] der kleinen Freien Reichsstadt, werden wir noch unten sehen?) Jedenfalls fiel in jenen Zeiten des Absolutismus auch das Schutzrecht über eine Stadt schwer ins Gewicht und konnte dem Besitzer einen Anreiz geben zu dauernder Besetzung oder gar zur Einverleibung der Stadt. Wir sehen, welche bedeutsamsten Anrechte Sachsen an der Freien Reichsstadt Nordhausen hatte. Und wenn man hinzu-nimmt, daß kursächsisches Territorium bis zum Jahre 1815 mit dem Kreise Sangerhausen bis dicht vor die Tore Nordhausens reichte, dann wird man ermessen, wie stark die politischen Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen der Reichsstadt und Sachsen waren, ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen und kulturellen, nachdem Leipzig Haupteinkaufsmarkt für die Nordhäuser Krämer und Wittenberg neben Jena die wichtigste Universitätsstadt für die Nordhäuser „homines litterati“ geworden war. ei weitem geringer waren die Bindungen der Reichsstadt an die welfischen Lande. Die waren Jahrhunderte lang, durch Erdleitungen geschwächt, zur Ohnmacht verdammt gewesen. Die ältere Braunschweigische Linie, im wesentlichen Braunschweig-Wolfenbüttel, blieb auch weiterhin hinter anderen seit 1648 tüchtig Raum gewinnenden Staaten zurück. Dagegen strebte die jüngere Linie mächtig empor, seitdem es dem ehrgeizigen Ernst August von Braunschweig-Lüneburg gelungen war, 1692 die neunte Kur zu erringen. Sein Land wollen wir hier, um Verwechslungen unmöglich zu machen, immer nur mit Kurhannover bezeichnen. Sein Bruder war der Herzog Georg Wilhelm von Celle, der mit ihm Hand in Hand ging und nach dessen Tode im Jahre 1705 der Sohn Ernst Augusts Kurfürst Georg Ludwig auch als Gemahl der Tochter seines Oheims das Herzogtum Celte erbte. Er sollte später als Georg I. von Groß-Britannien zu höchsten königlichen Ehren aufsteigen. Mit diesem Georg Ludwig haben wir es hier vor allem zu tun. Diese welfischen Lande hatten nun seit dem frühen Mittelalter größtes Interesse an allen Landen im Harze und um den Harz herum. Hier genüge der Hinweis, daß welfisches Gebiet im Norden bei Crimderode und Petersdorf bis an die Stadtgrenze Nordhausens reichte. Als im Jahre 1593 die Honsteiner Grafen ausstarben, wurde ihre Grafschaft unter die verschiedensten Territorien aufgeteilt; wichtigste Gebiete erhielten die Welsen. So bekam das Fürstentum Grubenhagen, später also Kurhannover, Lauterberg, Andreasberg und Scharzfeld; Kloster Walkenried samt allen Stiftsgütern kam 1648 an Celle, wurde aber 1671 von diesem an die ältere welfische Linie, die Linie Braunschweig-Wolfenbüttel, verkauft. Von dieser wanderte es 1675 in die Hände von Sachsen-Gotha und von da 1694 zurück an Braun-fchweig-Wvlfenbüttel. Daher ist Walkenried noch heute braunschweigisch. Dieses Stift Walkenried aber interessierte die Stadt Nordhausen deshalb besonders, weil es in Nordhausen den großen und wichtigen Walkenrieder Hof besaß, der auch Kollekturhof genannt wurde, weil das Stift nach ihm hin alle Früchte von seinen vielen Gütern zum Verkauf zusammenbringen ließ. Dieser Walkenrieder Hof und sein Schicksal wird uns noch vielfach beschäftigen. Weite Landschaften vom Leinegebiet im Westen bis hinein in die Goldene Aue im Osten also besaßen Kurhannover und die verwandten Linien. In Nordhausen selbst gehörte der Ilfelder Hof vor dem Hagen dem Stifte Ilfeld und stand damit unter hannö-verscher Kontrolle; ein hannöverscher Stiftskollektor wohnte dauernd im Ilfelder Hofe Dazu kommt, daß die welfischen Lande auf die Gebiete am Südharze einschließlich die Reichsstadt Nordhausen Einfluß hatten, weil sie sämtlich Angehörige des Niedersächsischen Kreises waren, in welchem die Welsen im Kreisdirektorium saßen, in unserer Zeit Georg Wilhelm von Celle auch Kreisoberster war. Daß schließlich besonders Kurhannover eifersüchtig darüber wachte, daß möglichst der bis 1648 vorhandene Besitzstand bewahrt blieb, ist verständlich. Bis dahin waren die Interessensphären neben den Besitzungen von Stolberg und Schwarzburg-Sondershausen recht klar abgegrenzt zwischen den Sachsen im Osten der Reichsstadt Nordhausen und den Welsen im Westen. Höchst peinlich war es, daß eine so aufstrebende Macht wie Brandenburg 1648 Clettenberg und Lohra erwarb, d. h. die Gebiete, die heute allein unter dem Namen „Grafschaft Hohenstein“ gehen, und daß damit Brandenburg einen mächtigen Keil zwischen die einst alleinigen großen Anlieger Sachsen und Braunschweig trieb. Durch seine Besitzungen hatte Hannover nicht bloß ein politisches Interesse am ganzen Südharzgebiete, sondern vor allem auch ein wirtschaftliches. Ihm gehörten weite Flächen des Holzreichen Harzes, ihm gehörten vor allem die ergiebigsten Bergwerkorte mit einer zahlreichen Bevölkerung, die aus den frucht-baren Gefilden am Südharzrande ernährt werden mußten. Kein Wunder, daß es erheblichen Wert, wenn nicht auf völligen Besitz, so doch mindestens auf Einfluß in diesen Landschaften legte, aus denen seine Bevölkerung gespeist wurde. Der größte Umschlagplatz aber, der Mittelpunkt für den ganzen Südharzer Handel war die Freie Reichsstadt Nordhausen, die Hannover deshalb gern unter seinen Einfluß bekommen hätte. Wieder und wieder ging deshalb auch Hannover mit den wichtigsten Harzanliegern Verträge über den Warenaustausch ein; so für unsere Zeit am 26. März 1708 und am 20. Oktober 1713 mit Preußen, Verräge, in denen beide Staaten versprachen, sich im “Harzcom-mercium“ gegenseitig nicht zu behindern.[6] Trotz aller Versuche aber, freundschaftlich mit dem vielfach verschwägerten Brandenburg-Preußen auszukommen, war doch das Mißtrauen der Welsen, besonders Kurhannovers, gegen den Rivalen, auch soweit der Südharz in Betracht kam, geweckt seit dem Fahre 1648, wo Brandenburg Clettenberg und Lohra zugesprochen erhalten hatte. Seitdem betonte Hannover immer wieder sein Interesse am Südharz und besonders an seinem Mittelpunkte Nordhausen. Schon im zweiten Raubkriege, während der Große Kurfürst in Pommern und Preußen gegen die Schweden beschäftigt war, legte es in den Jahren 1675—1678 Truppen in die Freie Reichsstadt, die der Stadt 130 000 Taler an Kosten verursachten, und im zweiten Türkenkriege ließ es am 2. Dezember 1685 die Stadt abermals von 2 Kompagnien besetzen. Diese blieben zwar nur bis zum 27. Dezember; doch eine kleine hannöversche Garnison blieb dauernd weiter in der Stadt wegen der Ansprüche, die gerade damals wieder der Große Kurfürst auf Nordhausen erhob. Die dritte Macht, die zwar immer noch die geringsten Rechte an den Landen zwischen Harz und Hainleite zu haben schien, die sich aber als ehrgeizigste und aktivste von allen erwies, war Brandenburg-Preußen. Obwohl Sayn-Wittgenstein als Brandenburgs Vertreter auf dem Friedenskongreß zu Osnabrück für seinen Souverain bedeutende Landmassen herauszuschlagen verstanden hatte, war Kurfürst Friedrich Wilhelm doch nicht befriedigt, da Vorpommern den Schweden zugesprochen worden war. Bald nach 1648 forderte er deshalb erneut Entschädigungen für das ihm entgangene Stettin und Stralsund. Dabei richtete sich sein Augenmerk besonders aus die Gebiete, die an die Grafschaft Clettenberg-Lohra, wir nennen diese Grafschaft fortan immer nur Grafschaft Hohnstein, angrenzten. Diese Grafschaft war ihm im Frieden von Osnabrück als Halberstädtisches Lehen zugefallen. Obwohl er sie einstweilen dem Grafen Sayn-Wittgenstein ausgeliehen hatte und obwohl sie ein kleines brandenburgisches Gebiet inmitten anderer Gebiete bildete, schien dem Großen Kurfürsten dieser versprengte Splitter seiner Lande doch wertvoll genug. Zunächst militärisch-politisch. Denn bei der unglückseligen Lage seiner Länder konnte er kaum eine Verbindung zwischen den Zentralgebieten und den wichtigen rheinischen Besitzungen herstellen. Am nächsten reichten sich seine Länder noch nördlich des Harzes über Ravensberg hinweg die Hand; doch gerade da versperrten die wölfischen Rivalen den ungehinderten Durchzug. Da konnte nun vielleicht die Grafschaft Hohnstein unter Umgehung des mächtigen Hannover einen Weg von Halle über Nordhausen und das obere Leinetal gegen den Rhein hin eröffnen. Dann mußte man aber befestigte Etappen-stationen, etwa die Reichsstädte Nordhausen am Südharze und Mühlhausen aus dem Eichsfelde besitzen. Dazu kamen für Brandenburg ebenso wie für Hannover wirtschaftliche Gründe. Für das ganze Ellrich-Bleicheröder Land war natürlich Nordhausen der wirtschaftliche Mittelpunkt. Bald nach dem für Brandenburg erfolgreichen Schwedischpolnischen Kriege betrieb nun der Große Kurfürst die Sache um Nordhausen eifriger. Er ließ juristisch untersuchen, was alles zum alten Bistum Halberstadt, das ihm 1648 zugesallen war, gehört habe oder was bei Halberstadt zu Lehen gegangen sei. Vasallen von Halberstadt waren aber auch die alten Honsteiner gewesen, und da diese vor Sachsen im Besitz der Reichsvogtei in Nordhausen gewesen waren, forderte er als Rechtsnachfolger von Halberstadt nunmehr von Nordhausen die Anerkennung als Reichsvogt. Das geschah am 13. April 1668 in einem Schreiben an den Rat.[7] Damals ließ er seine Anrechte auch durch die Iuristen-fakultät der Universität Frankfurt a. O. untersuchen. Doch verfolgte er rechtlich die Sache nicht weiter, weil er offenbar Sachsen, das ja die Vogtei seit 1593 innehatte, seine Rechte unter keinem Vorwande schmälern konnte. Er sah ein, daß es nicht so leicht war, auf Grund von Rechtsansprüchen in der Freien Reichsstadt Fuß zu fassen. Unruhiger und dringender wurde seine Politik, seitdem er 1679 in St. Germain um alle seine teuer erkauften Erfolge gebracht worden war. Damals im Bunde mit Frankreich forderte er zweimal, 1680 und 1683 vom Reiche als Entschädigung für seine Dienste und für erlittenes Unrecht die Reichsstädte Dortmund und Nordhausen und den Rest der Grafschaft Mansfeld. Am 30. Oktober 1684 unterbreitete er dem Reichstage in Regensburg seine Ansprüche. Gerade der Wunsch nach diesen Gebieten läßt das Bestreben Brandenburgs erkennen, den Westen an die Mitte unter Umgehung Hannovers heranzuziehen. Mans-fcld sollte von Halle her den ersten Stützpunkt bieten, Nordhausen den zweiten. Dortmund aber fehlte noch in der Reihe seiner im Westen Deutschlands ausgebauten Stützpunkte, die sich von Minden über Sparenberg, Lippstadt, Hamm, Wesel und Calcar gegen die holländische Grenze zogen.[8] Noch ernstlicher und mit erhöhten Forderungen trat der Große Kurfürst 1687 hervor, als ein neuer Krieg mit Frankreich drohte, bei dem das Reich Brandenburgs Hilse dringend gebrauchte. In Nordhausen hatte er schon einen Agenten namens Gander, der im März 1687 vorsichtig mit dem Rate Verhandlungen anzu-knüpfen suchte, aber gar keine Gegenliebe für die brandenburgischen Ambitionen fand.[9] Klagend wandle sich die Reichsstadt im Juni 1687 an Kaiser Leopold, und als herauskam, daß es auch noch anderen Reichsstädten ans Leben gehen sollte, richtete das Reichs-städtische Kollegium des Reichstages zu Regensburg am 16. Juni 1687 an den Kaiser die Bitte, er möge darauf Hinweisen, daß alle Reichsstädte von fremden Besetzungen befreit würden. Für Nordhausen kam dabei die kleine, oben erwähnte hannoversche Garnison in Betracht, die der Kaiser aber gern in der Stadt beließ, weil sie so ungefähr die einzige Garantie bot, daß Brandenburg nicht ohne weiteres zugriff und die Stadt überrumpelte. Als nun der Große Kurfürst sah, daß ihn weder direkte Verhandlungen mit den Gebieten, die er gern gewinnen wollte, noch seine maßvoll bei Kaiser und Reich vorgebrachten Forderungen zum Ziele führten, verlangte er, die Notlage des Reiches vor dem dritten Raubkriege ausnutzend, unter dem 3. Dezember 1687 in einem recht energischen Schreiben an den Reichstag in Regensburg nicht bloß Dortmund und Nordhausen, sondern auch Mühl-hausen, machte ferner Ansprüche auf Ostfriesland geltend und forderte die Auszahlung von 1 Million Reichstalern als Ersatz für den im zweiten Raubkrieg erlittenen Schaden. Empört wiesen die drei Reichsstädte das Verlangen des Großen Kurfürsten zurück, und es entspann sich in Schrift und Gegenschrift um die Forderungen ein heftiger Federkrieg. Da starb am 9. Mai 1688 der Große Kurfürst. Auf einer Städte-Konferenz im Juli 1688 in Duderstadt konnten Mühl-hausen und Nordhausen einigermaßen aufatmen; die Gefahr schien wenigstens fürs erste gebannt. Nur fürs erste; denn fo verschieden der Charakter seines Nachfolgers, Friedrichs III., von dem des Vaters war, so mußten doch die Herrschereigenschasten sich einfach den Staatsnotwendigkeiten beugen: Die eigenartigen natürlichen Bedingungen des brandenburgisch-preußischen Staatsgefüges, das sich noch nicht zusammengefügt hatte, verlangten die weitere Verfolgung der früheren Ansprüche. Unterdes fielen im dritten Raubkriege und im zweiten Türkenkriege weltwichtige Entscheidungen, und auf allen Kriegsschauplätzen kämpften Brandenburgs Truppen nicht bloß für Kaiser und Reich, sondern sogar für Oesterreichs Hausmachtbestrebungen. Den Lohn dafür wollte Brandenburg bei den Friedensschlüssen unbedingt einheimsen. Bei den Entschädigungen war natürlich in erster Linie wieder an die Mediatisierung innerdeutscher Territorien gedacht. Diese Pläne Brandenburgs bei künftigen Friedensschlüssen teilte Iobst Heinrich Koch, welcher der Geschäftsträger der drei Freien Reichsstädte Goslar, Mühlhausen und Nordhausen in Wien war, schon Mitte April 1694, wo er selbst in Nordhausen weilte, den Städten mit. Das gab den Anlaß daß die drei Reichsstädte im Juni 1694 in Nordhausen auf der „grünen Stube des Rathauses zusammentraten und über eine gemeinsame Abwehr der Gefahr berieten. Doch verlief diese erste Besprechung ziemlich ergebnislos, und Koch mußte im September 1694 erst wieder warnen, ehe sich die drei Städte zu neuen Entschlüssen aufraffen konnten. Als der Agent dann im Oktober darauf hinwies, daß Brandenburg um die Bemühungen der Reichsstädte wisse und höchstens durch anderweitige Abtretungen, etwa Limburgs in Franken, befriedigt werden könne, fand endlich Ende Dezember in Nordhausen im Beisein Kochs eine zweite Besprechung statt, und diese hatte im Gefolge, daß man dem Kaiser eine stattliche Summe als Hilfeleistung anbot und dafür am 12. Mai 1695 ein Diplom erhielt, welches die Stadt Nordhausen „für ewige Zeit“ zur Reichsstadt erklärte und ihr alle ihre Freiheiten und Gerechtigkeiten zusicherte. In dem feierlichen Diploma manutenentiae de non alienanda immedietate hieß es, daß Nordhausen wie bisher „forthin zu ewigen Zeiten bei seinem Reichsstand und städtischen Herkommen und Würden, Indemnität .... Freiheiten, Rechten und Gerechtigkeit .... ungekränkt und ruhig verbleiben soll .... „insonderheit bei nächst vorkommenden oder hinkünftigen universal oder particulär Friedenshandlungen und Alliancen keineswegs beeinträchtigt .... werden soll .... Ob auch daran oder davon etwa durch jemanden de facto etwas derogiert würde, daß solches unkräftig, null, nichtig, kraftlos und als unbeschehen sein soll.“ Ferner betonte das Diplom: „So wollen wir dem Niedersächsischen Kreise und besten sämtlichen Ständen und zwar samt und sonders, als dessen Kreis-Mltstande sie, die Stadt, ist, hiermit zum Executorem dieser unserer Begnadigung und Manutenenz-Briefes verordnet haben“. Am 6. Oktober 1695 erfolgte noch die Bestätigung aller alten Privilegien.[10] Der Agent Koch in Wien hatte also auf die drohende Ge-lahr aufmerksam gemacht, die drei Reichsstädte hatten eingesehen, daß sie durch Zuwendung beträchtlicher Mittel an das Reich ihre Baiemsberechtlgung einmal wieder nachweisen mußten, und der Erfolg war das Kaiserliche Diplom vom Jahre 1695. Diese Urkunde diente der Stadt Nordhausen später wieder und wieder in ihrem Kampfe um die Reichssreiheit.[11] So schien die Gefahr im Jahre 1695 gebannt und Brandenburgs Blick mehr auf die Erwerbung fränkischen Landes gerichtet als auf die von mitteldeutschen Reichsstädten. Da kam das ereignisreiche und verhängnisvolle Jahr 1697 und mit ihm und dem Ryswycker Frieden ein abermaliger völliger Mißerfolg Brandenburgs. Die großen Mächte England, die Generalstaaten, aber auch das Römische Reich beachteten seine Entschädigungsansprüche gar nicht, ja nicht einmal seine Subsidienforderungen wurden anerkannt. Dieses geradezu niederschmetternde Ergebnis für einen Staat, der sich in halb Europa aus allen Kriegsschauplätzen für Deutschland eingesetzt hatte, trug mit dazu bei, daß die Gegner Danckelmanns, der bisher die brandcnburgische Politik bestimmt hatte, den Sturz dieses gewiß nicht überragenden, aber gewissenhaften und, nach dem Maßstabe jener Zeit, selbstlosen Staatsmannes herbeiführen konnten. Es begann das Regiment und die Günstlingswirtschaft des Parasiten Kolbe von Wartenberg. Brandenburg, wieder wie 1679 von aller Welt im Stich gelassen, suchte nunmehr auf andere Weise seine Politik vorwärtszutreiben. Das war schon vor dem 30. Oktober 1697, wo zu Ryswyck nach langen Verhandlungen der Friede geschloffen wurde, der feste Wille Friedrichs III. Schon in den ersten Monaten des Jahres 1697 wurde Nordhausen von neuem beunruhigt durch Nachrichten aus dem Haag, daß Brandenburg, aber auch andere Staaten „Satisfaktions-ansprüche“ gestellt hätten. Brandenburg entgegengetreten wären die gesamten welfischen Lande, auch die ältere Linie Braunschweig. Da diese Kunde von Geheimverhandlungen keinerlei feste Anhaltspunkte bot, blieb Nordhausen nichts übrig, als sich zunächst ganz allgemein nach Möglichkeit zu sichern. Das war 1695 von Seiten des Kaisers durch die Manutenenz geschehen und konnte weiter geschehen durch den Staat, dem der Schutz Nordhausens anvertraut war, durch Sachsen. Der Schutz Sachsens war im Oktober 1687 zum letzten Male erneuert worden, doch Nordhausen war reichlich saumselig in der Abführung seiner Schutzgelder gewesen, die jährlich 150 Gulden betragen sollten. Obwohl Dresden wieder und wieder gemahnt hatte, war von Nordhausen nicht das geringste erfolgt. Da geriet Nordhausen im Frühjahr 1697 einmal wieder mit den Hesserödern, d. h. also brandenburgischen Untertanen wegen der Helmeregulierung in Streit. Die Hesseröder, in Sonderheit Herr Christoph Werner von Werther, wohnhaft auf Brücken, hatten sich deshalb an Brandenburg gewandt, die Nordhäuser wiederum mußten gegen so hohe Herren ihren Schutzherrn Sachsen zur Hilfe rufen, wenn ihnen nicht die Kosten für die gesamte Flußregulierung oder für Wasserschäden aufgebürdet werden sollten. Das nahm aber Sachsen zum Anlaß, darauf hinzuweisen, es habe gar keine Veranlassung, für einen so säumigen Zahler wie Nordhausen einzutreten. So mußte denn die Stadt Ende Mai 1697 ihren Syndikus Harprecht zu neuen Verhandlungen über den Schutz nach Dresden schicken.[12] Hier in Dresden stellte sich nun heraus, daß Nordhausen tatsächlich seit dem Jahre 1681 kein Schutzgeld bezahlt hatte, also für 16 Jahre im Rückstände war. Natürlich merkte man sächsischerseits auch, warum es Nordhausen mit einem Male so eilig hatte, den solange vernachlässigten Schutz zu erhalten, und man setzte dem Abgesandten Nordhausens erheblich zu. Zugleich waren die Unterhändler Sachsens deshalb wenig geneigt, sich im Augenblick durch eine Schutzhoheit zu Gunsten der Stadt gegen Brandenburg festzulegen, weil schon Verhandlungen zwischen Sachsen und Brandenburg schwebten und Sachsen für seine ehrgeizigen Pläne in Polen die Hilfe Brandenburgs unbedingt benötigte. Schließlich gelang es Harprecht aber doch, zu einem Abschluß zu kommen. Der Schutz Sachsens lief laut Vertrag von 1687 sowieso noch bis 1698; davon kam Sachsen nicht los, und in der geringen Angelegenheit der Flußregulierung konnte man für Nordhausen schon ein weniges tun. Auf der Grundlage, daß Herr von Werther, die Stadt Nordhausen und die Gemeinde Hesserode gemeinsam die nötigen Wasserbauten aufführten, gelang eine Einigung nicht bloß über den Schutz zwischen Sachsen und Nordhausen, sondern auch über die Flußregulierung zwischen Nordhausen und Hesserode. Schließlich handelte es sich für Sachsen ja auch darum, wenigstens einen Teil der ausstehenden Schutzgelder hereinzubekommen. So einigte man sich auf eine Nachzahlung von 900 Gulden durch Nordhausen. Der eigentliche Schutz Sachsens aber lief am 31. März 1698 ab, und in seiner Bedrängnis mußte Nordhausen alles tun, um von dem für die Stadt recht bequemen und doch verhältnismäßig starken Sachsen den Schutz erneut zu bekommen.[13] Soeben hatte Nordhausen die Vermittlung Sachsens für die Helmeregulierung erreicht und sich mit ihm durch die Nachzahlung auf einen günstigen Fuß gesetzt, als ein weiteres Zeichen drohenden Wetters die Stadt beunruhigte. In der Stadt Nordhausen besaß das Stift Walkenried den großen Walkenrieder Hof, der auch Kollekturhof genannt wurde. Dieser war mit dem Stift im Jahre 1671 an Braunschweig-Wolfenbüttel gekommen und von diesem 1675 an Sachsen-Gotha. Als dann 1694 Wolfenbüttel das Stift Walkenried zurückkaufte, wurde der Hof zu Nordhausen davon ausgeschlossen; er und alle nach dem Hofe hin zinspflichtigen Güter blieben im Besitze Gothas. Da kaufte Brandenburg diesen wichtigen Hof samt alen Censiten dem Hause Sachsen-Gotha für 85 000 Taler ab.[14] Am 23. Oktober 1697 fand die Uebergabe zu Nordhausen statt, die für Gotha der Kammerrat Kühnold und der Hofrat Mühlpforten, für Brandenburg Herr von Chwalkowsky vollzogen. Nordhausen protestierte vor dem Notar sogleich gegen diese Ilebergabe und unternahm noch weitere Schritte, als an dem Hofe das branden-burgische Hoheitszeichen angeschlagen und er dadurch zu einem Amtshause erklärt wurde. Auch die Tatsache, daß allen hohen-steinschen und schwarzburgischen Censiten die Erhöhung ihrer Abgaben angekündigt wurde, ließ vermuten, daß Brandenburg Wert auf den neuen Erwerb legte und ihn auszubauen trachtete. Deshalb wurde Syndikus Harprecht nach Gotha gesandt, um dort gegen den Verkauf zu protestieren und vielleicht eine Rückgängigmachung zu erlangen. Davon konnte natürlich keine Rede sein. Mehr verfingen schon die Gründe gegen den Uebergang des Walkenrieder Hofes an Brandenburg, mit denen Nordhausen in Braunschweig bei den Herzögen Rudolf August und Anton Ulrich Eindruck zu machen suchte. Mit dem Danke für bewährte Freundschaft, welche sie gezeigt hätten, bei dem „Satisfaktionswerke, worinnen Unserer Stadt die unschätzbare Reichsfreiheit und Im-medietät von einem hohen und mächtigen Potentaten entzogen werden wollen“, verbanden sie die Bitte, ihren Gesandten beim Regensburger Reichstage anzuweisen, weiterhin ihrer “Dismen bration ex imperio“ aus wohlverstandenem Interesse entgegen-zutreten. Denn der zum großen Teil braunschweigische Harz beziehe aus Nordhausen und Mühlhausen seine Früchte. Wie werde es sich auswirken, wenn Brandenburg erst willkürlich Zölle erheben und die Preise bestimmen könne! Ferner: Zu was für Reibungen müsse es zwischen Brandenburg und Kurhannover innerhalb Nordhausens führen, wenn Brandenburg im Besitze des Walkenrieder Hofes, Hannover im Besitze des Ilfelder Hofes wäre! Und schließlich: Auf den Niedersächsischen Kreistagen habe sich Braunschweig ständig die Majorität durch die ihm zufallenden Stimmen der Freien Reichsstädte gesichert; wie würden dort die Beschlüsse ausfallen, wenn sich Brandenburg erst in den Besitz dieser Städte gesetzt habe![15] Wenn nun auch diese Vorstellungen nicht fruchteten und es dabei blieb, daß Brandenburg seit dem Oktober 1697 den ersten Fuß nach Nordhausen hineingesetzt hatte, so wurde Braunschweig dadurch doch der Wert Nordhausens eingeschärft und seine Aufmerksamkeit von neuem auf die Wichtigkeit des Südharzrandes gelenkt. Unterdessen waren aber schon die Verhandlungen zu einem gewissen Abschluß gelangt, die Kurbrandenburg noch viel bedeutendere Rechte über Nordhausen einräumen sollten. Friedrich August II., der Starke von Sachsen, einer der unwürdigsten Fürsten einer unwürdigen Zeit, hatte sich um die polnische Königskrone beworben. Um seine Wahl gegenüber dem einzigen gefährlichen, von Frankreich unterstützten Mitbewerber, dem Grafen Conti, durchzusetzen, waren gewaltige Summen erforderlich. Wieder und wieder mußte Augusts Agent, der Herr von Flemming, Gelder über Gelder in die offenen Hände der polnischen Adligen rollen lassen. Die Juden als Geldmänner, die Jesuiten aus Freude über den Uebertritt des Mannes zum katholischen Glauben, der im Reiche den Vorsitz über das corpus evangelircorum führte, streckten gewaltige Summen vor. Zur Deckung dieser Vorschüsse und zum Aufbringen der Zinsen reichten die Mittel Sachsens allein nicht aus; wertvoller Besitz mußte veräußert werden. So gab Sachsen seine Ansprüche auf Sachsen-Lauenburg für 1 100 000 Gulden auf, und als das noch nicht reichte, kamen schon im Sommer 1697 die Verhandlungen über den Verkauf mehrerer wichtiger sächsischer Aemter in Gang. Als Liebhaber fand sich Brandenburg. Das Amt Petersberg bei Halle sollte 40 000 Taler, die Erbvogtei des Stifts Quedlinburg über die Stadt Quedlinburg und die Reichsvogtei sowie das Reichsschultheißenamt über Nordhausen sollten für 300 000 Taler von Kursachsen an Kurbrandenburg übergehen. Im Juni 1697, als der Nordhäuser Syndikus Harprecht in Dresden weilte, um zu dokumentieren, daß der Reichsstadt der Schutz Sachsens einige hundert Gulden wert sei, war von dem Verkauf noch nicht die Rede. Auch bis in den Herbst hinein scheinen noch keinerlei Verhandlungen mit Sachsen im Gange gewesen zu sein, und erst die Aussicht, daß der Friede von Ryswyck wieder alle Erwartungen Brandenburgs enttäuschen werde, ließ den Gedanken ernsthaft aufkommen, von Sachsen wenigstens einen Teil dessen zu erhandeln, was durch die Waffen auf den Schlachtfeldern außerhalb des Reiches nicht zu erringen gewesen war. Daß Brandenburg dabei von vornherein trotz aller späteren gegenteiligen Versicherungen die völlige Annektierung ins Auge gefaßt hatte, geht aus dem Schicksal Quedlinburgs hervor, das der Kurfürst durch den jungen Leopold von Anhalt am 30. Januar 1698 überrumpeln ließ und das seitdem trotz energischen und langjährigen Protestes der Aebtissin in den Händen Brandenburgs blieb. Anfang Oktober 1697 tauchten in den drei befreundeten Reichsstädten die ersten Gerüchte auf, daß von Brandenburg her wieder einmal Gefahr drohe. Doch dachten sie dabei noch gar nicht daran, daß ihnen etwa Verhandlungen Sachsens mit Brandenburg gefährlich werden könnten, sondern sie wurden von den Friedensverhandlungen im Haag beunruhigt, wo Brandenburg wieder einmal aus sie verwiesen hatte. Da sie sich gemeinsam gefährdet glaubten, schrieben sie am 11. Oktober an den Herzog Georg Wilhelm von Celle als Obersten des Niedersächsischen Kreises, machten ihn auf die brandenburgischen Forderungen aufmerksam und wiesen auf ihr Kaiserliches Diplom vom Jahre 1695 hin, das ihre Reichsunmittelbarkeit „ewig“ festlegte und dem Kreise aufgab, sie zu schützen. Mit Recht glaubte sich Nordhausen wegen seiner strategisch wichtigen Lage am meisten gefährdet und war deshalb auch in der Abwehr am regsten. Schon am 13. Oktober verlangte es eine Konferenz der drei Städte, fand aber wenig Gegenliebe besonders bei Goslar, dessen Selbständigkeit von Seiten Brandenburgs nicht bedroht war. Erst Ende November kamen Mühlhausen und Nordhausen im Kloster Dietenborn zusammen und beschlossen dort nochmals wie schon im Juni 1694, für Goslar, Mühlhausen und Nordhausen gemeinsam beim Reichstag in Regensburg zur Vertretung ihrer Interessen einem Abgesandten zu unterhalten. Ihre Wahl für diesen Posten siel auf den Mühlhäuser Syndikus Dr. Heidenreich. Doch zerschlug sich schließlich abermals die Sache, weil diesem die angebotenen 1000 Taler Gehalt nicht genügten. eberhaupt mußten damals die kleinen hilflosen Reichsstädte immer häufiger erfahren, daß sie für die Bewahrung ihrer Freiheit wieder und wieder Opfer bringen mußten und daß sie am Ende für ihr gutes Geld doch nur schlechte Garantien erhielten. Der Agent Koch hatte auf eine besorgte Anfrage Mühlhausens aus Wien zu berichten gewußt, der Kaiser gehe von seinem „geheiligten Worte“ nicht ab, er, Koch, könne überdies für 100 Dukaten noch ein neues kaiserliches Dekret für alle drei Städte erwirken. Mühl-hausen lehnte diese neuerliche Schröpfung ab.[16] Nun war aber das Ergebnis des Ryswycker Friedens bekannt geworden; Nordhausen und Mühlhausen hatten von der großen Politik nichts zu befürchten. Da war schon Ende November 1697 nach Nordhausen die Nachricht durchgesickert, daß das Unheil von anderer Seite nahe: Sachsen stand in Verhandlung mit Brandenburg wegen des Verkaufs der Vogtei und des Schulzenamtes. Beim ersten Anklingen des Gerüchts sandten die Nordhäuser sogleich ihren Syndikus Harprecht Anfang Dezember nach Dresden mit dem Auftrage, keine Mittel unversucht zu lassen, keine Opfer zu scheuen, um den Verkauf der Aemter zu verhindern. Dieser Verkauf war tatsächlich schon am 27. November 1697 vollzogen worden; doch bewahrten alle Beteiligten darüber äußerstes Stillschweigen, um dann ganz Deutschland, vor allem den Kaiser und die Welsen, mit der Uebergabe der Aemter in Nordhausen selbst vor vollendete Tatsachen zu stellen. So erfuhr auch Harprecht in Dresden wenig Greifbares. Da er aber die Gefahr merkte, handelte er nach dem Befehl seiner Auftraggeber und bot in Dresden eine Erhöhung der Pfandsumme für die Aemter an. Doch die sächsischen Minister konnten sich natürlich auf nichts mehr einlassen und hielten den Nordhäuser Unterhändler mit der Erklärung hin, sie wüßten nicht, was der Kurfürst, der in Polen weilte, zu tun gedenke. So war Nordhausen zwei Monate, nachdem der Vertrag schon abgeschlossen war, noch immer im Ungewissen. Das erscheint doch einigermaßen eigenartig, da es seinen Vertreter seit Monaten am Mittelpunkt der sächsischen Politik hatte, und es entsteht der Verdacht, daß Harprecht, eine wenig einwandfreie Persönlichkeit, beim Umschwung der Dinge nicht auf Gedeih und Verderb mit seinem Brotgeber Nordhausen verknüpft sein, sondern sich bei Zeiten iumstellen und den größeren Mächten seine Loyalität beweisen wollte. Nordhausen erfuhr eigentlich zum ersten Male Gewisses erst am 26. Januar 1698 von dem gut unterrichteten Mühlhausen, das seinen Brief mit den Worten schloß: „Der höchste Gott erhalte uns allerseits bei diesen fernweit ausschauenden schweren und gejährlichen Zeiten im Städtischen Wohlwesen.“ Worauf Nordhausen am 28. Januar nur erwidern konnte, daß es „viel Ungemach und Ungelegenheit zu gewärtigen haben dürfte“, wenn der Verkauf an Brandenburg wirklich abgeschlossen sei. In denselben Tagen wurde schon Quedlinburg von den Brandenburgern besetzt. Am 10. Februar schrieb Mühlhausen an Goslar, es wisse genau, daß Sachsen seine Gerechtsame über Nordhausen an Brandenburg überlassen habe, und am 15. Februar vermochte der famose Syndikus Nordhausens aus Dresden selbst noch „nichts Gewisses“ zu melden, meinte aber beruhigend, die Stände in Regensburg würden sich schon wegen der Besetzung Quedlinburgs rühren. Fast ein Vierteljahr vorher war der Verkauf schon am 27. November 1697 vollzogen worden. Es waren seinetwegen nur ganz kurze Verhandlungen gepflogen worden, die sich nicht im geringsten mit den Hindernissen befaßt hatten, welche dem Uebergange vor allem der Nordhäuser Aemter auf Brandenburg im Wege standen. Ausgangspunkt der Unterhandlungen war die Nordhäuser Vogtei, die zwischen Sachsen und Brandenburg seit 1648 umstritten war. Im Westfälischen Frieden hatte Brandenburg nämlich das Bistum Halberstadt erhalten und damit auch die Grafschaft Hohenstein als Halberstädtisches Lehen. Im Besitz der einstigen Hohensteiner war aber auch die Nordhäuser Vogtei gewesen, die deshalb seit 1648 Brandenburg ebenso beanspruchte wie die Grafschaft selbst. Diese Vogtei war aber schon 1594 auf Sachsen übergegangen und deshalb für Brandenburg nicht erhältlich, ein Grund für kleine Zerwürfnisse mit Sachsen. Nunmehr, da Sachsen Geld brauchte und Brandenburg nach Besitz strebte, ließ sich alles aufs beste regeln. Diese Gedankengänge bildeten die Grundlage für den Verkauf vom 27. November 1697. Interessant ist es, daß in dem ersten offenbar von Brandenburg inspirierten Entwurf folgender Absatz erscheint: „Und wenn höchstbemeldeter Kurfürst zu Brandenburg über lang oder kurz dieserhalb, von wem es auch sei, befehdet oder mit Gewalt der Waffen angegriffen werden sollten, dieselben mit aller ihrer Macht verteidigen und bei dem geruhigen Genuß der cedierten Stücke zu schützen, alles bei dero Kgl. und Churf. Worten und unter Verpfändung dero Ehurf. Lande und Güter, soweit hierzu von nöten.“ — Neben diesem Absatz des Entwurfs steht mit roter Tinte der Vermerk „weggelassen“. Tatsächlich fehlt der Abschnitt in der Originalurkunde, und so hatte Sachsen, obgleich es im übrigen den Verkauf außerordentlich leichtfertig vorgenommen hatte und ohne sich darüber im klaren zu sein, was es überhaupt verkauft hatte, später bei den sich für Preußen auftürmenden Schwierigkeiten, keine Veranlassung, seinem Rechtsnachfolger im Kampfe um die erworbenen Rechte irgendwie beizuspringen.[17] Die in Krakau ausgestellte Urkunde selbst möge im Wortlaut hier nur soweit angeführt werden, wie sie Nordhausen betrifft: „Ferner cediren auch höchstgedachte Ihre Kgl. Majestät in Pohlen etc. als Churfürst zu Sachsen etc. all dasjenige Recht, welches Sie oder Dero Gottseelige Herren Vorfahren durch einer zeitigen Aebtissin Investitur oder sonst an-, in- oder außer gedachter Stadt und Stifft Quedlinburg ehermals acquiriret und gehabt, besessen und genüget, oder haben, besitzen und genügen können, sollen oder mögen. Es habe Namen, wie es wolle, nicht das geringste davon ausgeschlossen samt der von alters her zum Fürstentumb Halberstadt und der davon relevirenden Grafschaft Hohenstein gehörigen Reichsvogtei wie auch dem Schulzen-Ambt in der Stadt Nordhausen und allen darzu gehörigen Rechten und Gerechtigkeiten, gleichergestalt nichts davon ausgenommen höchstgedachter Sr. Churf. Durch!, zu Brandenburg etc. erb- und eigen-thümblich. Hingegen versprechen jetzthöchstgedachte Ihre Churf. Durch!, zu Brandenburg etc. Sr. Kgl. Maj. in Pohlen etc. alsobald bei erfolgender Erlassung und Anweisung derer Bedienten und Unterthanen bar und in einer unzertrennten Summe in Dero Churf. Cammer zu bezahlen Drymahlhundert Tausend Thaler Species. Nechst diesem wollen auch … Ihre Kgl. Maj. in Pohlen … Deroselben alle und jede in Dero Archiven vorhandenen und zu dieser Erb-Vogtei gehörige Documenta, acta, Uhrkunden und Brieffschaften, ohne etwas davon zurückzubehalten, ganz getreulich extradiren lasten. Obligiren und verbinden sich auch über dieses, wenn von Ihrer Churf. Durch!, zu Brandenburg etc. es begehret und vor nöthig erachtet werden sollte, nicht nur der Röm. Keyserl. Maj., sondern auch dero Herren Vettern etc. vom Lhurhause Weißenfels, Merseburg und Zeizischer Linie als Agnaten respective Con-sens, Confirmation und Genehmhaltung darüber auszuwürken und solche Sr. Churf. Durchl. zu Brandenburg gebührlich einzu-liefern … .“ Auf Unserem Schlosse zu Crackau am 27. Novem-bris … 1697. Friedrich August, König und Chf. — Christian Augustus, H. zu Sachsen. — Mitte Februar 1698 war also Nordhausen endlich über den Verkauf der Aemter zwar ungefähr, aber noch immer nicht genau unterrichtet; der Syndikus Harprecht hatte jedenfalls noch immer keine wirklich aufklärenden Nachrichten gesandt. Bescheid wußte Harprecht natürlich schon längst. Das beweist eins seiner Memoriale vom 22. Januar 1698, in welchem er Sachsen auf mancherlei Schwierigkeiten, die dem Verkaufe entgegenstehen, hin-weist. Darauf erfolgte auch am 27. Januar ein Dresdener Bericht an den Kurfürsten Friedrich August, der aber zu den Akten gelegt wurde. Dann blieb Harprecht wieder einen ganzen Monat untätig, und zu einem schriftlichen Einspruch raffte er sich erst am 22. Februar 1698 auf, als alles zu spät und vergebens war. Außerordentlich lehrreich ist der Bericht über den Verkauf der Aemter, den der sächsische Statthalter Egon zu Fürstenberg am 27. Januar 1698 aus Dresden an Friedrich August nach Warschau schickte. In diesem Berichte wird offen zugegeben, daß der Kaufvertrag sehr schnell aufgesetzt sei und zu manchen Beanstandungen Anlaß gebe. Köstlich ist die Feststellung, daß der Hofjude Berndt Lehmann in Leipzig zwei Kontrakte in Händen habe, die beide um die Kleinigkeit von 113 330 Talern differierten. Der eine Kontrakt spricht von 340 000 Talern current, der andere von 300 000 Talern species. Kein Wunder, daß in jenen Zeiten bei solcher Großzügigkeit der großen Herren die kleinen Juden prächtig gediehen. Ferner wird bedenklich erklärt, der ganze Handel sei für Sachsen ein schlechtes Geschäft, ja, das Land könne dadurch in schlimmste Streitigkeiten kommen, da es sich um verwickelte Angelegenheiten handele. Der ganze Vertrag sei nur auf Brandenburgs Anspruch auf Clettenberg und Lohra als Halberstädtische Lehen gegründet. Damit habe seit 1593 die Vogtei, die Sachsen erworben habe, gar nichts mehr zu tun. Aber auch wegen des Schultheißenamtes müsse es zu Konflikten kommen, weil dessen Kompetenzen gar nicht fest umschrieben seien. Das Schlimmste sei, daß Nordhausen für 10 000 Gulden bis Ostern 1703 noch im Besitz dieses Amtes sei und es ihm erst genommen werden könne nach Rückzahlung dieser Summe, die also eigentlich Sachsen vornehmen müsse. Schließlich sei noch erwähnenswert, daß Sachsen mit Braunschweig in dauernden Reibereien begriffen sei wegen der ganzen einstigen Grafschaft Hohnstein, von der ja das Brandenburg gehörige Lohra und Clettenberg nur ein Teil sei. Auch hier dämmerten für Sachsen Gefahren herauf.[18] Dieser Brief Fürstenbergs zeigt tatsächlich fast sämtliche Schwierigkeiten auf, nur daß es Sachsen in der Folgezeit recht gut verstanden hat, selbst aus dem Spiele zu bleiben, und die wüsten Wirren zwischen Preußen, Hannover und Nordhausen allein austragen ließ. Selbst um das Auszahlen der Pfandsumme an Nordhausen kam es durch die Großzügigkeit Friedrichs III. von Brandenburg herum. Als die brandenburgischen Unterhändler einmal auf das Auszahlen dieses Geldes zu sprechen kamen, erklärte Sachsen diese Forderung einfach für „unsinnig“ und kam damit durch. Brandenburg zahlte die Gelder selbst an Nordhausen aus. Sachsens Leichtfertigkeit triumphierte. In der Antwort auf Fürstenbergs Schreiben ging Friedrich August über alle angeführten Schwierigkeiten hinweg; ihn interessierte nur die endliche Auszahlung des Geldes für die verkauften Aemter.[19] Dieselben Bedenken aber, die Fürstenberg geäußert, machte erst am 22. Februar Harprecht erfolglos geltend in einem Schreiben an den König von Polen.[20] An Nordhausen aber authentische Nachricht gelangen zu lassen, bekam der Treffliche erst noch später über das Herz. Erst am 6. März schrieb der Rat zu Nordhausen an Goslar, daß sie „nicht ohne sonderbare Bestürzung von unserem in Dresden annoch sich befindenden Syndico vernehmen müssen, daß das bis anhero wiederkäuflich gehabte Schultheißenamt zusamt der Vogtei von Ihro Kgl. Mj. in Polen und Kurfürsten zu Sachsen an Ihre Kurfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg erblich nunmehr überlassen sei.“[21] Daß dieser Abschluß Sachsens mit Brandenburg für Nordhausen „viel Ungemach und Angelegenheit“ bedeuten werde, war jedem Nordhäuser durchaus klar, daß er aber eine völlige Umgestaltung aller Anschauungen und Lebensgewohnheiten mit sich bringen werde, dachte keiner, weder in Nordhausen noch in den beiden befreundeten Reichsstädten. Im ganzen glaubte man doch in alter Bequemlichkeit dahinleben und seine Einstellung zur Umwelt nach wie vor selbst bestimmen zu können. Noch am 9. März schlug Mühlhausen in alter Weise eine neue Zusammenkunft zwecks Beratung in Dietenborn vor. Nordhausen hatte bald im eigenen Hause genug zu tun, hatte keine Zeit mehr mit den alten, ebenso ohnmächtigen Freunden zu ratschlagen und mußte alle Aufmerksamkeit darauf richten, sich in das Spiel einer größeren Politik einzuschalten, einer Politik, die nicht in Dietenborn oder Duderstadt oder Osterode oder auf der grünen Stube des Nordhäuser Rathauses gemacht wurde, sondern in Dresden oder Berlin oder Hannover. Am 18. Februar (8. März) 1698 teilte Friedrich August aus Warschau Nordhausen offiziell mit, er habe die Reichsämter an Brandenburg verkauft. Die Nordhäuser sollten sich fortan in dieser Beziehung an Brandenburg halten und die von dort gesandten Kommissare an der Besitzergreifung der Aemter nicht hindern. Nun, nachdem das langgehegte Geheimnis erst einmal preis-gegeben war, vollzog sich alles mit größter Geschwindigkeit, damit von keiner Seite ein Einspruch erfolgen konnte. Am 12. März kamen als Beauftragter Sachsens der Quedlinburger Stiftshauptmann von Stammer, als Abgesandte Brandenburgs Graf Döhn-hoff und Hofrat Schreiber nach Nordhausen. Am 13. März nahm von Stammer die Verbindung mit dem in diesem Jahre in Nordhausen regierenden Bürgermeister Frommann auf. Dieser erklärte, für den 14. März zu Verhandlungen bereit zu sein. So erschienen denn an diesem Tage 8 Uhr morgens drei Ratspersonen im preußischen Walkenrieder Hofe, in welchem die Kommissare abgestiegen waren, und luden sie zu 10 Uhr auf das Rathaus. Hier hatte sich unter dem Vorsitze Frommanns der gesamte Nordhäuser Rat versammelt, darunter der Jurist Eilhardt, der preußen-freundlich war, der Bürgermeister Weber, der schärfste Gegner Brandenburgs, dann der tüchtige Vierherr Kegel und der Jurist Bohne, der prächtige Nordhäuser Patriot und Chronikenschreiber. Nun geschahen unter manigfachem Protest Nordhausens vom 14. bis 18. März die Verhandlungen um die Uebergabe der Aemter an Brandenburg. Gleich am 14. März protestierte Bürgermeister Weber im Namen des ganzen Rates und führte unter anderem aus: Es würde ihnen und der ganzen Stadt lieb und angenehm sein, daß S. Kurf. Durch!, zu Brandenburg solche Jura statt S. Kgl. Mas. in Polen exercirn und an sich nähme; sie wären auch nicht gewillet, sich wider deren hohes Interesse und Jura zu setzen, dazu sie auch viel zu ohnmächtig wären, vielmehr wären sie erbötig, mit aller Devotion zu begegnen. Es wäre aber dies zu erinnern, daß ein edler Rat hierselbst das Schulzenamt und Zubehör vom Kurhause Sachsen Anno 1687 wiederkäuflich an sich gebracht. Ehe und bevor der Kaufschilling ausgezahlet, könnten sie sich von den Verpflichtungen, welche aus dem Kontrakte entstünden, nicht losmachen. Wegen der Reichsvogtei hätten ihre Vorfahren auch 1500 Gulden vormals an Kaiser Rudolf ausgezahlt. Darauf mußte sowohl von Stammer wie Graf Döhnhoff erklären, daß sie von diesem Zustande keine Ahnung hätten. Die Brandenburger meinten, Nordhausen solle einen Abgesandten nach Berlin schicken und dort vorstellig werden. Die Uebernahme müßten sie aber jetzt sogleich bewerkstelligen; Brandenburg sei „kein Debitor des Rats, man hätte ja die Restitution in Dresden durch den abgeschickten Stadtsyndikus sollicitieren lassen können.“ Die Nordhäuser aber verharrten auf ihrem gewiß nicht unbilligen Standpunkt, daß sie vor „Aushändigung des Wiederkaufsschillings die Besitztitel nicht gutwillig fahren lassen könnten“. Auch teilten sie brieflich nach Dresden hin mit, sie seien bis 1703 rechtmäßig im Besitz der Aemter, über die Sachsen schon 1697 unrechtmäßig verfügt habe. Am nächsten Tage, dem 15. März, legte Nordhausen eine Reihe seiner Privilegien vor, machte aber Ausflüchte, als es die Akten des Schultheißenamtes ausliefern sollte.[22] Es weigerte sich die sächsischen Insignien, Insignia Electoralia Saxonica, vom Schultheißenhause abzunehmen, obgleich von Stammer dringend darum bat, sonst werde Brandenburg „vielleicht etwas tun, dadurch einige Beschwerlichkeit zuwachsen dürfte“. Als dann der Nordhäuser Rat auch in den nächsten beiden Tagen zu keinem weiteren Entgegegenkommen bereit war, als daß er das Schulzenbuch vom Jahre 1538 herausgab und die Einkünfte aus Zoll, Geleit und Torgeld mitteilte, nahmen die Brandenburger Abgesandten den bisherigen Schultheißen Sommer in Pflicht und ließen am 18. März ½10 Uhr abends die sächsischen Insignien abnehmen und die brandenburgischen anbringen. Danach konnten sie nichts mehr tun, als am 18. März noch einen Brief an den Rat zu schreiben, in welchem der bisherige Schultheiß Sommer als fortan brandenburgischer Beamter vor-geftellt und in welchem vor allem verlangt wird, daß Nordhausen keine Einkünfte aus Zöllen oder dem sogenannten Großen und Kleinen Geleit mehr in Anspruch nehme. Am nächsten Tage, dem 19. März verließen die Abgesandten Nordhausen. Der bran-denburgische Obersteuereinnehmer von Bleicherode aber, der auf das Rathaus kam mit dem Verlangen, ihm die Unterlagen und Akten auszuliefern und die Zollgelder an den Schultheißen Sommer abzuführen, hatte keinerlei Erfolg. Der Rat nahm zur Kenntnis, ohne daß er sich sonst zu einem Entgegenkommen bequemte.[23] Nach diesen Tagen im März 1698, die eine Entscheidung herbeiführen sollten, aber noch alles in der Schwebe ließen, weil Sachsen und Brandenburg völlig ahnungslos und in völliger Unkenntnis der Beschaffenheit der Aemter den Handel eingegangen waren, kehrte zunächst einige Ruhe in Nordhausen ein. Der Schultheiß Sommer, dem alle Organe zu selbständiger Ausübung seines Amtes fehlten, konnte dieses nicht anders versehen als bisher, d. h. nur mit Hilfe und unter Aufsicht des Rates, der zunächst auch noch über alle Einnahmen weiter verfügte. Immerhin kam es doch zu einigen Reibereien, da Sommer bisher nicht Vogt gewesen war, dieses Amt aber von den brandenburgischen Abgesandten zugleich mit seinem Schultheißenamte übertragen bekommen hatte. Pflichtgemäß mußte er nun auch die Kriminaljustiz beanspruchen, der Rat verweigerte sie ihm aber. Deshalb wurde der Kurfürst am 12. Juli bei Nordhausen energisch vorstellig; Nordhausen jedoch antwortete am 26. Juli, es müsie seine Rechte solange wahren, bis seine Kontrakte abgelaufen seien.[24] Rechte solange wahren, bis seine Kontrakte abgelaufen seien?) Zugleich beobachtete man von Nordhausen scharf die Vorgänge in Quedlinburg, das ja seit dem 30. Januar 1698 von Brandenburg besetzt war. Das konnte man um so leichter, als der Syndikus Harprecht manche Beziehungen zu Quedlinburg hatte, auch den Titel eines Quedlinburger Stiftsrates besaß. Jedenfalls bemerkte man sehr bald, daß Quedlinburg als besetzte Stadt zwar in einer sehr viel schwierigeren und ungünstigeren Lage als Nordhausen war, daß aber trotzdem die Quedlinburger Aebtissin, gestützt auf ihr gutes Recht, Brandenburg allerhand zu schaffen machte. Das schien durchaus nachahmenswert.[25] Hier in Quedlinburg glaubte Nordhausen durch Harprecht auch in Erfahrung bringen zu können, auf welche Weise Brandenburg in Zukunft die Aemter zu verwalten gedenke. Er sollte deshalb bei dem einflußreichen Geheimrat llnverfärth, einer der Männer, die auch nicht ganz schuldlos am Sturze Danckelmanns waren, sondieren, wenn dieser von seinem Amtssitz Halberstadt nach Quedlinburg herüberkäme. In der Instruktion vom 17. Juli 1698, die der Rat seinem Syndikus nach Quedlinburg mit auf den Weg gab, hieß es, er solle die Auszahlung der Psandsumme verlangen, er solle ferner betonen, daß mit den Aemtern so wenig Einkünfte verbunden seien, daß gerade nur die Beamtengehälter davon gezahlt werden könnten, und drittens solle er, wenn etwa Brandenburg das Schutzrecht über Nordhausen erwerben wolle, erwidern, die Stadt habe sich deshalb schon an Kursachsen und die anderen verwandten sächsischen Häuser gewandt. Hier, im Juli 1698 hören wir also zum ersten Male davon, daß Brandenburg auch die Schutzhoheit über Nordhausen erstrebte. Harprecht traf Unverfärth[26] in Quedlinburg; die Unterredung verlief aber ergebnislos, obgleich der geschmeidige Höfling, der für sich Bestechungsgelder witterte, am 1. August nach Nordhausen berichtete, die Besprechung sei günstig verlaufen, er werde demnächst im Sinne der Stadt Nordhausen in Berlin vorstellig werden. Mit diesem Versprechen machte Unverfärth in Nordhausen einen derart günstigen Eindruck, daß man von ihm geradezu eine Wendung der Dinge erhoffte, ihn im Oktober sogar einlud, nach Nordhausen zu kommen und unter dem Hinweis, daß man wohl mit Unverfärth verhandeln könne, an den Kurfürsten, der unbedingt einen Nvrdhäuser Abgesandten in Berlin wünschte, ablehnend schrieb. Unverfärth hatte aber in Berlin natürlich längst erkannt, daß Brandenburg, das die Aemter an Sachsen so teuer bezahlt hatte, nie und nimmer auf die Wünsche Nordhausens eingehen könne, und hatte sich offenbar gehütet, für die Stadt auch nur einen Finger zu krümmen. Im Gegenteil, um die Jahreswende verschlimmerte sich die Lage Nordhausens dadurch bedenklich, daß man allmählich in Berlin eingesehen hatte, daß es mit dem alten von Sachsen übernommenen Schultheißen Sommer, der offenbar ohne jede Autorität dem Rate gegenüber war, nicht mehr ging. Der Kurfürst ernannte seinen jungen, etwas heißspornigen, aber tüchtigen Hofrat, Licentiaten Pfeil, zum Schultheißen. Ihm, dem brandenburgischen Untertanen gegenüber, zog freilich der Bürgermeister Weber sofort den uralten, allerdings urkundlich recht schlecht fundierten Rechtsanspruch Nordhausens hervor, daß der jeweilige Nordhäuser Schultheiß auch Nordhäuser Bürger sein müsse. Schon dadurch kam es zu Spannungen; denn Pfeil, der im Walkenrieder Hofe auf brandenburgischem Gebiete innerhalb Nordhausens residierte, dachte gar nicht daran, das Nordhäuser Bürgerrecht zu erwerben. Ferner wollte sich der junge Verwaltungsmann die Sporen verdienen und zog alsbald die Zügel ganz anders an, als es Sommer getan hatte. Darüber kam es dann im Juli 1699 wieder zu recht erheblichen Reibereien, besonders wegen der Ausübung der Kriminaljustiz durch Pfeil. Doch sollte es noch einmal zu einem Waffenstillstand zwischen Brandenburg und Nordhausen kommen. Der Stadt war nämlich endlich auch aufgegangen, daß der Geheimrat Unverfärth ihr, wahrscheinlich um ihres guten Geldes willen, mehr Versprechen machte, als er verantworten konnte. Deshalb sah sie, als der neue Schultheiß mit der Ausübung seines Amtes doch Ernst machte, ein, daß sie auf den Vorschlag des Kurfürsten zurückkommen und einen Gesandten nach Berlin schicken müsse. Sie entsandte, da sie mit ihrem Syndikus Harprecht vollkommen zerfallen war, ihren Stadtsekretär Johann Martin Titius, den Sohn ihres einstigen großen Syndikus Titius, im Juni 1699 nach der Hauptstadt ab, und dieser, der aus Liebe zu seiner Heimat es im Gegensatz zu Harprecht mit seiner Aufgabe sehr ernst nahm, kam zu einem bei dem bisherigen Stand der Dinge ungeahnten Erfolg. Obgleich Titius schon am 5. Juni in Berlin eingetroffen war, gelang es ihm doch erst vom 28. Juni an wirklich zu verhandeln. Er wandle sich wieder an den von Nordhausen hochgeschätzten Unverfärth, der sich auch mit den Nordhäuser Angelegenheiten beschäftigt und deshalb in Berlin eine wichtige Stimme hatte, der aber zu sehr viel weniger ermächtigt war, als wozu er sich den Anschein gab. Erst eine Besprechung am 21. Juli mit dem Kammerpräsidenten von Chwalkowsky, der ja auch mit Nordhausen schon mehrfach zu tun gehabt hatte, brächte die Entscheidung. Bei den Unterhandlungen handelte es sich für Brandenburg im wesentlichen darum, den Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen, die immerhin ein Anspruch auf die Nordhäuser Aemter vor Ablauf der Pachtzeit und vor Auszahlung der Pfandsumme mit sich bringen mußte, und trotzdem soviel wie möglich Gewinn aus den von Sachsen erhandelten Rechten herauszuschlagen. Für Nordhausen wiederum hieß es, möglichst leichten Kaufes davon-zukommen. Die Berliner Geheimen Räte schlugen dementsprechend vor, Nordhausen solle, von 1699 angefangen, die Civil-und Criminaljustiz, den Zoll und die Münze noch auf weitere fünf Jahre genießen, sollte aber den von Brandenburg eingesetzten Schultheißen Pfeil beibehalten und für die Hoheit über die Gerechtsame jährlich 2000 Taler an Kurbrandenburg zahlen. Zu einer ähnlichen, gütlichen Einigung riet auch der Kaiserliche Resident in Berlin der Nordhäuser Gesandtschaft. Dieser äußerte mehrfach, es läge nun einmal in den Zeitläuften begründet, daß die größeren Reichsstände die kleineren vergewaltigten, der Kaiser könne auch nicht allzu viel helfen, da „die Fürsten alle souverän und den Gesetzen … Imperii nicht mehr unterworfen sein wollen“. Dennoch schien den Nordhäusern eine derartige Regelung mit für die Stadt untragbaren Geldopfern verknüpft. Aus demselben Grunde wurde wahrscheinlich auch der Gedanke Knver-färths, Nordhausen solle doch die Aemter von Brandenburg abkaufen, nicht weiter verfolgt. Bedauerlicherweise; denn vielleicht hätte die Stadt schon im Jahre 1700 haben können, was sie erst 1715 nach unendlichen Wirrungen erreicht hat.[27] Auch die Frage des Schutzes tauchte schon auf, doch trat sie hinter dem Handel wegen der Aemter noch zurück. Schließlich kam man, da Nordhausen nicht zahlen und Brandenburg auf die Aemter bis zum Ablauf der Pachtzeit nicht ganz verzichten wollte, auf ein Kompromiß, das Nordhausen die Aemter für die noch ausstehende Zeit tatsächlich überließ, doch blieb Schultheiß der von Brandenburg ernannte Beamte, und als Entschädigung für die ausfallende, jährlich an Brandenburg zu zahlende Geldsumme sollte Brandenburg alle Zölle erheben dürfen. So wurde denn auch die letzten vier Jahre vorgegangen.[28] Nach diesen Abmachungen hatte sich nun auch der Schultheiß Pfeil zu richten. Daß der junge brandenburgische Verwal-tungsbeamte eine denkbar schwere Aufgabe hatte, ist klar. Er hatte die Gerichtsschreiber und Zollbeamten in Pflicht genommen, er mußte die Zölle vereinnahmen, ja, er mußte auch die an Nordhausen weiter verpfändete Gerichtsbarkeit ausüben, aber unter der Oberaufsicht des Rates, was umso schwieriger war, als in der kleinen Reichsstadt persönliche und staatliche Interessen unlösbar miteinander verknüpft waren und dementsprechend besonders die Eivilgerichtsbarkeit bisher keineswegs einwandfrei ge-handhabt worden war. Sein Kurfürst hatte ihm aber ausdrücklich befohlen, „daß solche Pachtung (von Nordhausen) niemandem zur Unterdrückung gereiche, mithin auch niemandem verwehrt werde, beim Kurfürsten über ungebührliche Administration der Justiz sich zu beschweren.“ Bei diesem Durcheinander der Interessen und Verpflichtungen, bei dieser Doppelstellung Pfeils konnten kleine Reibungen auch weiterhin nicht ausbleiben. Dabei verhielt sich Berlin anerkennenswert entgegenkommend. Noch am 27. Januar 1701 ließ der nunmehrige König Friedrich I. in Preußen seinen Schultheißen Pfeil wissen, er sollte trotz der Mängel der parteilichen Nordhäuser Justiz doch alles im alten Stande lassen bis zum 30. September 1703, wo der Pachtkontrakt abgelaufen sei. Er sollte sich nicht „die Gerichte anmaßen, sondern allen Fleiß anwenden, daß alle Tätlichkeit auf beiden Seiten vermieden würde.“ Andererseits warnte der König am 30. Januar 1701 allerdings auch Nordhausen vor unerlaubten Eingriffen, eine Warnung, die um so berechtigter war, als sich die Stadt keineswegs an den Vertrag hielt, sondern während der Jahre, während deren noch der Kontrakt lief, alles tat, um sich Preußen überhaupt vom Halse zu schaffen. Immer wieder mußte Nordhausens Agent in Wien beim Reichshofrat einkommen, damit ein Beschluß erzielt werde, daß Preußen den alten Zustand in jeder Beziehung wiederherzu-stellen habe.[29] Dieses Drängen hatte schließlich den Erfolg, daß am 28. Februar 1701 im Reichshosrat ein dahingehender Beschluß gefaßt wurde. Dieser ging dann am 18. April als Kaiserliches Rescript an den Kaiserlichen Residenten in Berlin. Doch kümmerte sich Preußen um die Erlasse des Kaisers und Reichshofrates nicht, sondern vertrat am 15. Juni 1701 nochmals seinen Standpunkt Nordhausen gegenüber, daß der Stadt nur bis 1703 leihweise die Aemter gehörten. Zugleich formulierte der König ganz scharf seine Ansprüche, als Inhaber der Reichsvogtei „perso-nam Imperatoris“ zu praesentieren, ferner erwartete er die Anerkennung des Ius patronatus über alle Zünfte, und, da die Zünfte wesentlich die Zusammensetzung des Rates bestimmten, auch über den Rat. Damit wäre Nordhausens „Fundamentalium“ über den Haufen geworfen, wie Sachsen meinte.[30] Der Stadt wiederum war durch das Eintreten des Kaisers für sie der Nacken gesteift, und selbstbewußt schrieb sie am 10. Juli 1701 dem Könige zurück, selbst nach Ablauf der Pfandjahre habe allein der Kaiser zu bestimmen. „In Gütern, so die Reichsstände vermöge Pfandrechts vor Menschengedenken besessen haben, kann Einlösung anders nicht stattfinden, es seien denn die Einwendungen des Besitzers — also Nordhausens — genugsam erwogen.[31] Diese Einwendungen aber, so hoffte Nordhausen, seien derart, daß nach Ablauf der Kontraktjahre und nach Rückzahlung der Gelder an Nordhausen, Nordhausen selbst vom Kaiser mit den Aemtern belehnt werden würde. Zur Untersuchung aller rechtlichen Verhältnisse und aller Ansprüche schlug Nordhausen eine Kaiserliche Kommission vor. Man sieht jedenfalls, zu welchen Weiterungen zu führen der Streit schon jetzt im Begriff war. Um aber das Durcheinander vollständig zu machen, wurde gar noch Kursachsen, das die Aemter 1697 an Brandenburg verkauft hatte, in einem neuen Lehnbriefe des Kaisers vom 17. August 1702 mit diesen Aemtern von neuem belehnt, und Sachsen dachte gar nicht daran, den Kaiser an den Verkauf zu erinnern und auf das Versehen aufmerksam zu machen. Nordhausen hatte im Frühjahr 1701 den Beschluß des Reichshofrates, der Preußen die Ausübung der Aemter verbot, bejubelt, sah dann aber sehr wohl, daß der Kaiser kaum eine reale Macht bedeutete, vor allem aber, daß er bei der weltpolitischen Lage derart auf ein Eintreten Preußen für ihn angewiesen war, daß er diesem Staate wahrscheinlich nicht ernstlich entgegentreten konnte. Nordhausen sah sich also gezwungen, nach weiteren Bundesgenossen Umschau zu halten, und diese fand es im Niedersächsischen Kreise, dem es als Mitglied angehörte. In diesem Kreise war der alte Herzog Georg Wilhelm von Celle Kreisoberster und damit der Vertreter eines Hauses, das immer mehr in eine Rivalität mit Preußen hineinwuchs. Georg Wilhelm war aufs engste verbunden mit dem anderen und noch mächtigeren Zweige der jüngeren welfischen Linie, dem Hause Hannover. Hier herrschte damals sein Neffe und zugleich Schwiegersohn Georg Ludwig, dessen Vater 1692 für Hannover die 9. Kurwürde erworben hatte, der 1705 nach dem Tode seines Oheims Georg Wilhelm ihn beerbte und Celle mit Hannover vereinigte und der später König von Groß-Britannien werden sollte. Bei diesem Celle-Hannoverschen Hause suchte nun Nordhausen Hilfe und Rat. Es besaß dafür nicht nur eine Rechtsgrundlage, da ja der Kaiser in seiner Begnadung von 1695 dem Niedersächsischen Kreise die Erhaltung der Reichsstadt aufgetragen hatte, sondern er konnte auch hoffen, daß die Welsen seinen Schutz als Rivalen Preußens und als Besitzer wichtiger Interessen am Südharze voll Anteilnahme übernehmen würden, obwohl sie nahe Verschwägerung mit dem Preußischen Königshause verband. Hannover war soeben im Begriffe, das alte, die Stoßkraft so häufig schwächende germanische Erbübel der Erbteilungen zu überwinden. Es hatte seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die ältere welfische Linie weit überflügelt, ja es hatte sogar nicht gezaudert, den verwandten Herzog Anton Ulrich von Braun-schweig-Wolsenbüttel zu demütigen, als dieser sich zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges mit Frankreich zu verbünden suchte. Im März 1702 hatten die Cellischen Truppen überraschend die kleine Heeresmacht des Braunschweigers entwaffnet. Doch dieses jüngere welfische Haus hatte nicht nur die alte Zersplitterung überwunden, sondern stand schon auf dem Sprunge, im westlichen norddeutschen Flachland sich zu einer ähnlichen Großmacht zu entwickeln wie Brandenburg-Preußen im östlichen, war aber insofern in günstigerer Lage als Preußen, als es schneller Anschluß an die große Politik der Westmächte England und Holland fand. Und da das Haus Habsburg als Gegner Frankreichs im Sinne Englands Politik treiben mußte, war auch dem Habsburgischen Kaiser das mit England verbundene Hannover durchaus genehm, während er dem ehrgeizigen Preußen nach Möglichkeit Schwierigkeiten bereitete. Dieses Haus Hannover-Celle war nun, da sich Kursachsen von Nordhausen losgesagt hatte, der gewiesene Vertreter der Nordhäuser Interessen. Es fragte sich nun, ob Nordhausen über das Gebot des Kaisers an den Niedersächsischen Kreis hinaus von sich aus als Schutzherrn wählen konnte, wen es wollte, in diesem Falle also Hannover. Zunächst war ja das Schutzrecht aufs engste mit den Befugnissen des Vogtes verknüpft, war ja doch der Vogt ursprünglich der eigentliche Vertreter des Kaisers und zugleich oberster Kriegsherr gewesen. Doch hatte das Amt des Vogtes in Nordhausen so früh seinen Einfluß verloren, daß die Stadt seit dem 14. Jahrhundert Schutz gesucht hatte, wo es ihr gerade genehm war. Es besaß also kein Staat den Erbschutz über Nordhausen, sondern gewohnheitsrechtlich stand der Stadt der Wahlschutz zu. Allerdings war dieser Schutz seit 1482, also seit mehr als 200 Jahren, in Händen des Gesamthauses Sachsen.[32] Nun hatte man bis ins 17. Jahrhundert hinein von dem Schutzrecht kein großes Aufheben gemacht: Der Stadt half der Schutz des Schutzherrn im Ernstfälle meistens nicht allzu viel, und der Schutzherr wiederum erhob auf Grund eines Schutzrechtes keinerlei besondere Ansprüche auf Abhängigkeit des Schutzbefohlenen von ihm. Auch die geringe Summe, die als Schutzgeld bezahlt werden mußte, zeigt die geringe Bedeutung. Anders wurde es aber, wenn im Zeitalter der aufstrebenden Fürstenmacht ehrgeizige Staaten ihr Schutzrecht über eine Stadt zunächst als ein Recht auslegten, in der betreffenden Stadt Garnison zu halten, und schließlich gar aus dem Schutzrecht ein Eigentumsrecht zu machen suchten. In dieser Lage war Brandenburg-Preußen Nordhausen gegenüber. Als es 1648 die Stadt nicht zugesprochen erhielt, versuchte es durch Erwerbung bestimmter Rechte über die Stadt diese allmählich in seine Hand zu bekommen. Schon ehe Brandenburg die Aemter von Sachsen erwarb, hatte es nach der Schutzhoheit getrachtet. Als am 23. Oktober 1697 Chwalkowsky in Nordhausen weilte, um von Sachsen-Gotha den Walkenrieder Hof zu übernehmen, trat er auch schon an den Rat heran, ob er nicht Brandenburg als Schutzherrn annehmen möchte. Dasselbe Angebot geschah nochmals im Januar 1700, als eben die beiden Aemter nochmals für einige Zeit an Nordhausen überlassen worden waren und Brandenburg die Stimmung in Nordhausen für sein Entgegenkommen günstig glaubte. Doch Nordhausen dachte gar nicht daran, den Schutz an Brandenburg zu übertragen, sondern wandle sich am 24. April 1700 beschwerdeführend über die Machenschaften Brandenburgs an den Kaiser und bat ihn, sich Brandenburg gegenüber ablehnend zu verhalten, wenn es etwa die Belehnung mit dem Schutze nachsuchen sollte. Immerhin verständlich schien ja ein solcher Schritt, seitdem Brandenburg Rechtsnachfolger Kursachsens in der Reichsvogtei geworden war. Bei der Schnelligkeit und Oberflächlichkeit, mit der man 1697 den Kaufvertrag für die Aemter aufgesetzt hatte, war man gar nicht darauf verfallen, den Schutz sogleich mitzuverkaufen; es wäre im Sinne der beiden Vertragschließenden wohl naturgemäß gewesen. Nun aber hatte Sachsen den Schutz noch behalten, und Preußen suchte ihn nachträglich zu erwerben. Im Spätherbst des Jahres 1701 hatte ein neuer preußischer Schultheiß den Hofrat Pfeil abgelöst: Andreas Erhard Röpenack. Offenbar der erste Auftrag, den ihm seine Behörde gab, war der, Nordhausen zu bewegen, endlich die Schutzhoheit Preußens anzu-nehmen. Aber obgleich es Röpenack auf alle Weise versuchte, die Einwilligung der Stad zu erhalten, gelang es ihm doch nicht. Nordhausen wagte nicht geradezu abzulehnen, gebrauchte aber allerlei Vorwände, um Zeit zu gewinnen. Betrübt mußte Preußen noch am 3. November 1702 feststellen, daß die Stadt nichts als Ausflüchte gebrauche. Diese Haltung Nordhausens hatte seine Gründe. Es hatte sich nämlich in der Zwischenzeit an Hannover gewandt, um dessen Schutz zu erhalten. Hannover kam jetzt, wo Sachsen, der einstige Schutzherr Nordhausens versagte, deshalb in erster Linie in Frage, weil es der Nachbar Nordhausens im Norden des Stadtgebietes war, weil es der Konkurrent Preußens war, und weil es sich im dritten Raubkriege gegenüber der Stadt als sehr uneigennützig bewährt hatte. In den Jahren 1691—1697 hätte Nordyausen nämlich zu dem Kriege 4000 Taler bezahlen müssen, zahlbar an den Niedersächsischen Kreisobersten. Aus sein Bitten ließ Hannover aber von der Summe sehr viel nach. Nordhausen zahlte nur 2400 Gulden. Dieser Macht glaubte man sich noch am ehesten anvertrauen zu können, wenn die Neichsfreiheit in Gesahr war. Im Oktober 1697 hatte Brandenburg den Walkenrieder Hos erworben, im November 1697 war es in den Besitz von Vogtei und Schulzenamt gekommen, 1699 hatte es Clettenberg und Lohra von den Sayn-Wittgensteins zurückgenommen. Aus diesen Daten versteht man, weshalb zum ersten Male im Dezember 1699 der Plan einer hannoverschen Schutzhoheit austaucht und damals der Bürgermeister Hattorf von Osterode mit geheimen hannöverschen Instruktionen in Nordhausen weilte. Doch kam die Sache während des ganzen Jahres 1700 noch nicht in Gang. Einerseits hielt sich Brandenburg vorsichtig zurück, und andererseits lag es in der ganzen Struktur der Stadt und der Geistesverfassung der damaligen Nordhäuser, erst im Augenblicke der Not zu handeln. Der geistig bedeutsamste Mann, der Bürgermeister Frommann, war weit über 80 Jahre alt, der Syndikus Harprecht war eine bedenkliche Persönlichkeit, der Bürgermeister Weber brächte wohl einige Tatkraft auf, aber er verknüpfte ebenso wie Frommann private Vorteile mit denen des gemeinen Wohls. Männer mit Initiative waren also kaum in Nordhausen anwesend, und die meisten führenden Persönlichkeiten nahmen den Stadtsäckel lieber für sich in Anspruch, als daß sie mit seinen Mitteln weitsichtige Politik trieben. Natürlich strebte auch Hannover nicht ganz selbstlos nach der Nordhäuser Schutzhoheit. Ihm kam es darauf an, seine Interessen und Landschaften am Südharzrand vor Preußen zu schützen. In diesem Widerstreit konnten seine Gerechtsame in Nordhausen wichtig werden, es konnte sogar nötig werden, die Stadt zu besetzen und mit Waffengewalt zu verteidigen. Aber diese Möglichkeit lag noch im weiten Felde. Auch konnte es ja von Nieder-sachswerfen oder Ilfeld aus die ganze preußische Grafschaft Hohn-stein einschließlich der Hauptstadt der Landschaft beobachten. Das wurde umso leichter dadurch, daß es ja in Nordhausen den Ilfelder Hof besaß und daß es zuverlässige Nordhäuser wie den Hauptmann Offney, den Angehörigen einer Nordhäuser Familie und den Verwandten der Familie Titius, in seinen Diensten hatte. Dieser gab jederzeit Auskunft über die Stimmung in Nordhaufen, über preußische Truppen in der Grafschaft, über die kleinen Händel der Stadt mit Preußen. Nicht selten empfing er Nordhäuser Bürger in dem hart an der Stadtgrenze liegenden Petersdors, hörte ihre Berichte, erteilte Ratschläge, berichtete nach Hannover. So ging die Zeit bis in den Sommer 1701 unter Argwohn und Beobachtungen hin; doch es geschah nichts. n ein ernsteres Stadium gelangte die ganze Sache erst, als Nordhausen am 1. Juni 1701 Hannover bat, ein Truppen-detachement in die Stadt zu legen. Das war für Hannover ein bedenkliches Anerbieten; seine Annahme mußte unvermeidlich zum Konflikte mit Preußen führen. Und diesen Konslikt scheute das Welfenhaus damals. Es ging soeben wieder in ganz Europa um zu große Dinge, als daß man sich um Kleinigkeiten willen mit Preußen veruneinigt hätte. Der Nordische Krieg war ausgebrochen, und wenn er zunächst deutsche Lande auch noch nicht berührte, so war er doch für Hannover als Nachbarn des schwedischen Bremen und Verben wichtig genug. Ferne'- stand der Kriegszustand mit Frankreich unmittelbar bevor. Es war kein Zweifel, daß Hannover in diesen Spanischen Erbfolgekrieg eingreifen werde an der Seite des verschwägerten Holland und England gegen Frankreich. Schon hatten Kurfürst Georg Ludwig von Hannover und sein Oheim Herzog Georg Wilhelm von Celle mit Holland am 23. April 1701 über 6000 Mann Hilfstruppen abgeschlossen. In demselben Falle besand sich aber Preußen. Sollte man eine Macht, mit der man gegen Frankreich Schulter an Schulter kämpfte, um einer Lapalie willen brüsquieren? Bei dieser Lage durfte man sich wegen einer kleinen Reichsstadt nicht in große Angelegenheiten stürzen. Hannover lehnte die 8a1va Auardiu, für Nordhausen ab. Dennoch wußte die Stadt, daß sie die Sympathien dieses norddeutschen Staates ebenso wie die des Kaisers gegen Preußen besaß. And so ließ sie ihren Agenten Koch in Wien dahin wirken, daß der Kaiser sich für die Stadt bei Hannover verwandte. Dieses Eintreten des Kaisers wiederum blieb nicht ohne Wirkung auf Hannover. Am 2. September 1701 befahl Georg Ludwig seinem Wiener Residenten Erasmus, er solle sich mit Nordhausens Agenten Koch wegen des Schutzes in Verbindung setzen, und schon am 10. September ließ Hannover Nordhausen wissen, es sei unter Vorbehalt bereit, den Schutz zu übernehmen. Am 21. September konnte Koch aus Wien melden, der Kaiser gebe seine Einwilligung. Darauf tat die Stadt am 27. September den entscheidenden Schritt, wählte Hannover offiziell als Schutzmacht und kam beim Kaiser um die Bestätigung ein. Die Dinge hatten sich also im September 1701 mit einer im Heiligen Römischen Reiche seltenen Lebhaftigkeit entwickelt; es wurde Zeit, daß man wieder langsamen Schritt trat. So wurde enn zunächst weder von Hannover die Urkunde über den Schutz ausgestellt, noch lief vom Kaiser irgendeine Bestätigung ein. Der Grund zur Stockung war im wesentlichen in dem nunmehr doch energischen Eingreifen Preußens zu suchen. Am 21. Januar 1702 hatte der preußische Schultheiß Röpenack Alarm geschlagen. Er berichtete, daß Hannover das Schutzrecht über Nordhausen antreten werde, ja, daß es sogar die Gerichtsbarkeit über die Stadt erwerben wolle. Die Bevölkerung komme diesen Bestrebungen ihres Rates und Hannovers um so mehr entgegen, als der König in einem Schreiben an die Stadt die Anrede: „Unsere Stadt Nordhausen“ gebraucht habe.[33] Dieses Schriftstück Röpenacks machte Preußen klar, daß es im Begriffe war, selbst das Wenige, was es mit größten Opfern gewonnen hatte, wieder zu verlieren, wenn es nicht handelte. Schon am 24. Januar 1702 ging aus Potsdam ein erstes warnendes Schreiben an den „freundwilligen Vetter und Gevatter“ nach Hannover: „… Gleichwie aber im Fall Ew. Durch!, der Schutzgerechtigkeit über erwähnte Stadt sich sollten anmaßen und deshalb mit der Stadt in einig Engagement eintreten wollten, solches uns in unseren in erwähnter Stadt habenden Gerechtsamen höchst präjudicierlich sein und leicht zu allerhand neuen Verdrießlichkeiten, die wir auf alle Weise gern evitiert sehen, Anlaß geben könnte, als ersuchen wir Ew. Durch!, freundvetterlich, im Fall solcher Schutzgerechtigkeit halber zwischen deroselben und erwähnter Stadt etwa ein und anderes abhanden sein sollte, damit nicht zu continuieren oder weiter sortzuschreiten, sondern .. die Stadt... an uns zu verweisen.“[34] n ähnlichem Sinne wußte Agent Koch aus Wien an Nordhausen zu berichten. Er schrieb am 4. Februar 1702, er habe mit dem preußischen Residenten von Bartholdi gespeist. Dieser habe ihm Briefe gezeigt, in denen bemerkt sei, daß Preußen auf keinen Fall eine Schutzhoheit Hannovers über Nordhausen zulassen könne. Am 13. Februar 1702 ging dann aus Berlin die Nachricht an die Hohensteinsche Regierung nach Ellrich, Preußen werde seine Truppen im Hohensteinschen verstärken; und selbst die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Hannover wurden benutzt, um auf diesen Staat einzuwirken: Am 24. Februar erhielt Nordhausen aus Hannover die Nachricht, die preußische Königin Sophie Charlotte, die Schwester Georg Ludwigs von Hannover, habe einen Minister nach Hannover entsandt, der gegen den Hannöverschen Schutz auftreten solle. Während so von Preußen aus alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, geschah von Wien und Hannover wenig, obgleich sich Nordhausen hilfeflehend an beide wandte. Im September 1701 schienen alle Wünsche so schnell befriedigt, jetzt rührte sich weder Kaiser noch Kurfürst. Der hannöversche Hauptmann Off-ney, dem man sich klagend anvertraute, schrieb am 25. Februar entrüstet an Titius, alle Schuld liege an dem säumigen Agenten Koch. So ganz unrecht hatte Offney damit nicht. Daß Koch über-vorsichtig handelte, lag daran, daß seine Stellung als Vertrter einiger kleiner Städte viel schwieriger war als die des Residenten einer Großmacht. Man durfte sich um des eigenen Vorteils willen nie zu stark für einen Kleinstaat, der morgen ausgelöscht sein konnte, exponieren, und zudem mußte man durch Stillhalten und Verzögern immer wieder auf die Notwendigkeit eines Agenten aufmerksam machen, um dadurch zu Gelde zu kommen. Endlich, nachdem er Nordhausen lange hatte warten lassen, konnte Koch am 22. Februar mitteilen, der Kaiser werde trotz der Gegenwirkung Bartholdis den hannöverschen Schutz genehmigen. Doch die Entwicklung der Dinge, die sich im Februar 1702 wiederum so zuspitzte und scheinbar schnell dem Ende zutrieb wie im September 1701, geriet abermals ins Stocken. Beide Konkurrenten, Hannover und Preußen, erfuhren von der Nordhäuser Sache eine Ablenkung durch ihre große Politik. Hannover-Celle fiel im März 1702 über die ältere braunschweigische Linie her, deren Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel es sich hatte einfallen lassen, sich mit Frankreich zu verbünden. Am 20. März wurde Peine besetzt; Anton Ulrich mußte außer Landes gehen. Preußens Augenmerk aber war auf noch größere Dinge gerichtet: Am 8. März 1702 war Wilhelm III. von Oranien, König von England, gestorben. Sein Erbe war in einer Unmenge kleiner Gebietsteile von der südlichen Rhone über die Bourgogne und Schweiz bis an die Nordsee verteilt. Friedrich I. in Preußen als Sohn der Oranierin Luise Henriette erhob Anspruch auf dieses stattliche Erbe und ließ vorläufig Mörs und Lingen besetzen. Beide Staaten aber, Preußen wie Hannover, wurden gerade jetzt in den ersten Monaten des Jahres 1702 genau so wie der Kaiser und ganz Deutschland durch den Spanischen Erbsolgekrieg vollauf beschäftigt. Frankreich, das zunächst eine bedrohliche Uebermacht zeigte, trug damals den Krieg nach Süddeutschland hinein. Bei diesem Stande der Dinge mußte Koch aus Wien berichten, daß der Kaiser bei innerdeutschen Angelegenheiten augenblicklich alles in der Schwebe lasse, es jedenfalls nicht mit Preußen verderben wolle, das ihm ein großes und tüchtiges Truppenkontingent stelle. So blieb wegen der großen Politik die kleine um Nordhausen liegen. Kein Ansporn, an Koch nach Wien gerichtet, half; Koch konnte oder wollte selbst mit dem hannöverschen Residenten zusammen nichts ausrichten. Selbst die Hilferufe, die man nach Hannover je länger, je mehr richtete, da das Jahr 1703 heran-nahte, in welchem Preußen die Aemter in eigene Verwaltung nehmen wollte, selbst diese Hilferufe verhallten zunächst und bewirkten nur, daß der Schultheiß Röpenack wieder aufmerksam wurde. Er schrieb am 16. Juni 1702 an den König, Nordhausen konspiriere mit Hannover, und Hannover scheine noch immer nicht abgeneigt, den Schutz zu übernehmen. Man arbeite auch in Wien in derselben Richtung. Er habe in Erfahrung gebracht, daß Hannover im Winter 1702/03 Truppen nach Nordhausen legen wolle. Wenn der Termin für die Uebernahme von Vogtei und Schulzenamt durch Preußen herannahe, könne eine solche fremde Truppenmacht in der Stadt Angelegenheiten bereiten. Bürgermeister Weber sei ein besonderer Gegner Preußens.[35] Da auch Bartholdi aus Wien von neuen Machenschaften zu berichten wußte, wandte sich Preußen nochmals am 14. September an Hannover mit dem Hinweis, Preußen allein habe ein Anrecht auf die nordhäusische Schutzhoheit auf Grund der Abmachungen mit Sachfen. Das wiederum bestritt der Kurfürst und legte dar, das Schutzrecht Sachsens sei ein aus Zeit beschränktes gewesen, nicht ein dauerndes, erbliches. Doch wolle sich Hannover, ehe es Endgültiges unternehme, nochmals vergewissern.[36] Bei allen diesen Verhandlungen tritt immer wieder hervor, daß die nordhäusischen Angelegenheiten von keiner Seite als reine Machtfrage angesehen und behandelt wurden, sondern daß man immer bereit war, auch die rechtliche Seite nachzuprüfen. Gewiß waren die selbstsüchtigen Strebungen in jenen Tagen des beginnenden 18. Jahrhunderts dieselben wie in unserem soviel gröberen Zeitalter. Doch man hatte selbst damals in der Zeit des oft willkürlich zupackenden, aber gänzlich unrevolutionären Absolutismus noch viel Hochachtung vor verbrieftem Recht und tastete es ungern an. Jedenfalls wahrte man stets die äußere Form und Höflichkeit, und schon diese hohe gesellschaftliche Kultur gestattete nicht, sogleich rohe Gewalt anzuwenden. Mit dem letzten Briefwechsel zwischen Preußen und Hannover zeigten beide Mächte das Bestreben, nicht ohne weiteres machtpolitisch vorzugehen, sondern gegebenenfalls rechtlich die Sache auszutragen. So sympathisch auch ein derartiger Entschluß berühren mag, so lehrt doch die Geschichte, daß hochpolitische Fragen, bei denen es um Lebensinteressen geht und zu denen das Gefühl leidenschaftlich Stellung nimmt, kaum rechtlich-verstandsmäßig gelöst werden können. Absolute Regierungen wie die im 17. und 18. Jahrhundert lassen leicht die Neigung erkennen, schnell zu Gewaltmitteln zu greifen. Was sie sich, wie sie glauben, ihren eigenen Untertanen gegenüber leisten können, wenden sie auch leicht gegen Fremde an. Doch der mittelalterliche Glaube an die Bindungen durch Herkommen und Recht war auch im 18. Jahrhundert noch so stark, daß man auch damals noch die altverbrieften Rechte wieder und wieder prüfte, ehe man zur Gewalt schritt. Dazu kam, daß die hohe Kultur des 18. Jahrhunderts es ungern versäumte, sich auch dann noch um eine richterliche Entscheidung zu bemühen, wenn die machtpolitische Entscheidung schon gefallen war. Am 30. September 1702 teilte Hannover Preußen mit, es habe die Rechtslage genau prüfen lassen; Preußens Anschauungen über die Schutzverhältnisse seien falsch. Das nordhäusische Schutzrecht sei kein Erbschutzrecht, das Sachsen seit je besessen habe und das nun mit der Erwerbung der Vogtei automatisch an Preußen übergegangen sei, sondern es sei ein Wahlschutzrecht. Nordhausen könne jederzeit seinen Schutzherrn frei wählen. Diese Vorstellung Hannovers verfehlte auf Preußen ihren Eindruck nicht. Man bemühte sich jetzt auch hier, nicht nur dahinter zu kommen, wie es eigentlich um das Nordhäuser Schutzrecht bestellt sei, sondern versuchte nun auch ernstlich, was man beim Erwerb der Aemter leider versäumt hatte, die Kompetenzen dieser Aemter sestzustellen. Zu diesem Zwecke forderte Preußen von Kursachfen am 30. Oktober 1702 erstens die Gelder, die Sachsen von Nordhausen für die Vogtei und das Schultheißenamt erhalten hatte und die Sachsen zurückzahlen mußte, wenn es die Aemter selbst verwalten wollte. Da jetzt Preußen die Aemter innehatte, mußte es auch anstelle Sachsens die Pfandsumme an Nordhausen zurückzahlen, wenn es die Aemter selbst übernehmen wollte; doch schien es recht und billig zu sein, daß Sachsen Preußen gegenüber für diese Summe aufkam, da Sachsen ja das Geld von Nordhausen erhalten hatte. In dieser Fragee stellte sich Sachsen aber gänzlich taub: Der Rat der Stadt Nordhausen habe bei der Ueberweisung der Aemter an Kurbrandenburg „gar deutliche Anzeige von solchen Forderungen gegeben“; Brandenburg habe damals trotzdem die Aemter übernommen, habe also für sich die Forderung anerkannt; Sachsen habe damit nichts mehr zu tun. Von Sachsen waren also keinerlei Geldmittel zu erwarten. Dann aber verlangte Preußen die endliche Auslieferung sämtlicher Akten über das einstige Verhältnis Kursachsens zur Stadt, damit man aus den Akten hinter die Wesensart der Aemter komme. Die Auslieferung dieser Akten ordnete Sachsen an unter gleichzeitigem Befehl, von allen Abschrift zu nehmen.[37] Doch nicht allein diese Grundlage für sein Recht suchte sich Preußen zu verschaffen, sondern es holte auch von den Iuristen-fakultäten seiner Universitäten Halle und Frankfurt a. O. Gutachten ein und beorderte den Schultheißen Andreas Erhard Röpe-nack mitte Oktober nach Berlin, damit er dort zusammen mit einem Rechtsgelehrten die ganze Lage prüfe. Schließlich wurde auch noch der Resident von Bartholdi in Wien angewiesen, sich über Sachsens Verhältnis zu Nordhausen zu informieren und über Prozesse, die vielleicht die Stadt mit Sachsen wegen ihrer Rechte vor dem Reichshofrate geführt habe. Auch was in den alten Lehnbriefen gestanden habe und wie die Kaiserliche Ratification vor sich gegangen sei, sollte Bartholdi erkunden.[38] s wurde also ein erheblicher Apparat in Bewegung gesetzt, um juristisch gerüstet zu sein. Am entscheidensten war wohl, wenigstens in diesem Stadium der Entwicklung, das Gutachten Röpe-nacks und seines Beraters. Diese erklärten: 1. Preußen müsse tatsächlich den Pfandschilling im Jahre 1703, wenn der Kontrakt abgelaufen sei, zurückzahlen. 2. Ob Preußen die gesamte Gerichtsbarkeit zustehe, ist erst zu entscheiden, wenn man sämtliche Akten beieinander hat. 3. Die Stadt hat ein Privilegium Maximilians vom Jahre 1495; doch bezieht sich dieses wohl nicht auf die Jura, so daß der Stadt die „concurrentia Mvisdietionis“ nicht eingeräumt zu werden braucht. 4. Eine schwierige Frage ist das ins episkopale. Sachsen hat zwar die Handhabung des Civilrechts gehabt, doch war das ius episkopale davon getrennt, welches das Domkapitel ausübte. Wie sich die Verhältniße dann in der Refor-mationszeit gestaltet haben, weiß man nicht. 5. Das ius recipiendi Judaeos steht der Stadt zu, denn 1545 und 1577 ist dieses Recht allen Reichsständen verliehen. 6. Die Ratsglieder Nordhausens sind Bürger und gehören wie jeder andere Bürger unter die Gerichtsbarkeit Preußens, ein Recht, nach dem Preußen sehr verlangt, da, wie es heißt, „unter den Ratsgliedern häufig Schand-und Lastertaten vorgehen“. 7. Nebensächlich ist, ob man der Stadt gestatten soll, sich des Wortes „Kanzlei“ zu bedienen. 8. Die Frage, ob Nordhausen als Reichsstadt auch an Preußen das lrornasiurn zu leisten habe, ist noch auszusetzen. — Diese Huldigung samt Lehnseid hätte der König natürlich gern entgegengenommen; das von der Freien Reichsstadt zu erlangen, war aber rechtlich völlig unmöglich. — 9. Ueber das Schutzrecht müssen noch weitere Erkundigungen eingezogen werden.[39] Man sieht an diesem Gutachten, daß die Kommission sehr wohl gearbeitet hatte; aber in den wichtigsten Punkten 2 und 9 über das Wesen der Aemter und des Schutzrechtes war noch immer keine Klarheit geschaffen. Während im November 1702 die Juristen sich in dieser Weise um die Ansprüche Preußens bemühten, arbeiteten die Diplomaten in Abwehr und Angriff um Preußens Rechte weiter. Am 11. November bat Preußen Hannover, das gute Einvernehmen der beiden Staaten nicht durch ihre Einstellung zu Nordhausen leiden zu lasten. Preußen könne eine andere Macht in der Stadt nicht anerkennen. Nebenher gingen aber auch neue Drohungen an Nordhausen, sich nicht auf Intriguen gegen Preußen einzulasten oder gar mit anderen Staaten über den Schutz abzuschließen. Preußen, das die Grafschaft Hohnstein besitze, sei für Nordhausen das natürliche Anschlußgebiet; die Gelder für ihre Aemter werde Preußen Ostern 1703 auszahlen.[40] Auch die alte Feindschaft des katholischen Domstifts in Nordhausen gegen die Stadt benutzte Preußen, um in Nordhausen weiter Fuß zu fassen. Es benutzte Streitigkeiten unter den Dominsassen, um diese zu bewegen, den Dom unter Preußens Schutz zu stellen. Zeitweilig wurden, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, auch kleine wirtschaftliche Druckmittel nicht verschmäht, da das Domkapitel manche schöne Liegenschaft draußen in der preußischen Grafschaft Hohnstein besaß.[41] Mühsam und angstvoll betrieb Nordhausen in allen diesen Fährnissen seine Politik. Schneller als es sonst bereit war, dem Reiche zu Hilfe zu kommen, versuchte es diesmal im Spanischen Erbfolgekriege seine Pflicht zu erfüllen. Am 19. Juni 1702 kam man deswegen mit Goslar und Mühlhausen in Herzberg zusammen.[42] In dieser Hinsicht kam also Preußen zu spät, als es erst am 25. November an Nordhausen schrieb, es werde im Reichskriege gern für die Stadt Truppen stellen: die Stadt solle dagegen nur zu einer kleinen Geldzahlung verpflichtet sein, geringer, als jeder andere Staat sie verlangen würde. Doch auch für dieses Lockmittel war die Stadt taub und antwortete, es werbe mit Goslar und Mühlhausen zusammen sein Truppenkontingent. Vor allem ließ die Stadt ihr Spiel in Wien und in Hannover nicht außer acht. Freilich, aus Wien lauteten die Botschaften so trübe wie möglich. Unter dem 24. November berichtete Agent Koch, daß im Augenblick nicht „die geringsten Sentenzen“ gegen Preußen zu haben seien. Schon vor einem halben Jahre habe der Reichshofrat zu Gunsten Nordhausens einen Beschluß gefaßt, er werde aber nicht veröffentlicht, da der Kaiser jetzt in Kriegszeiten Preußen dringend brauche. Und am 2. Dezember glaubte er sogar über Hannover berichten zu müssen, Hannover habe Preußen wegen der 9. Kur nötig und werde deshalb nichts für Preußen Ungünstiges unternehmen.[43] In letzterem Falle war nun freilich Koch, der dem preußischen Gesandten von Bartholdi in keiner Weise gewachsen war, schlecht unterrichtet. Was Hannover anlangt, so sollte Nordhausen noch vor Jahresschluß ans Ziel seiner Wünsche gelangen und über die hannöversche Schutzhoheit abschließen. Mitte Oktober 1702 war die Schutzsache noch um keinen Schritt vorwärts gediehen. Dann kamen aber die für Nordhausen bedrohlichen Anzeichen: Röpe-nack war nach Berlin berufen, neue Drohungen von Preußen waren laut geworden, Unfrieden in der Stadt war angestiftet. Da entschloß sich die geängstete Stadt, dem Rate des hannöverschen Hauptmanns Offney zu folgen und durch einen Gesandten in Hannover selbst verhandeln zu lassen. Die Stadt sandte den schon mehrfach bewährten Ratsherrn und Juristen Kegel Ende November nach Hannover, und diesem gelang es, am 18. Dezember von dem gesamten Ministerrat die Mitteilung zu erhalten, daß Hannover gemeinsam mit Celle den Schutz übernehme. Hannover wagte also den Schritt, der es in offenen Gegensatz zu Preußen setzen mußte. An demselben 23. Dezember, an dem Kegel nach beschwerlicher Winterfahrt wieder in seiner Vaterstadt eintraf, unterschrieb Kurfürst Georg Ludwig den Schutzvertrag. Doch kam es noch zu keiner Auswechslung der Urkunden. Georg Ludwig und Georg Wilhelm nahmen Nordhausen auf 15 Jahre in „Schutz, Schirm und Verteidigung gegen jeden, ausgenommen den Römischen Kaiser und die Städte Goslar und Mühlhausen. Dafür sollte Nordhausen jährlich beiden je zur Hälfte 150 Gulden, den Gulden zu 21 guten Groschen, zahlen.[44] Von diesen Vorgängen war Preußen nur durch den aufmerksamen Bartholdi in Wien einigermaßen unterrichtet. Röpenack war von Nordhausen abwesend in Berlin und konnte zunächst nicht beobachten. Erst als er zurückgekehrt war, schrieb er am 21. Dezember, ein Abgesandter der Stadt sei in Hannover; die Stimmung der Bevölkerung sei gegen Preußen. Daß gar ein Abschluß schon erreicht war, wußte man noch nicht, erfuhr es aber im Januar 1703 durch zwei Berichte Röpenacks. In dem ersten Brief setzt sich Röpenack mit dem Ausweg auseinander, den man in Berlin glaubte gefunden zu haben: Man wollte die Schutzhoheit über Nordhaufen erwerben und dadurch über die Stadt bestimmen; zugleich aber wollte man die Vogtei und das Schulzenamt in ähnlicher Weife, wie es Sachsen getan, an die Stadt ausleihen, um dadurch Nordhausen mit Preußen zu versöhnen. Röpenack sprach sich gegen diesen Plan aus, weil dann „die Aemter völlig eingeschläfert würden und zu Boden gingen“. Die MißsLände in Nordhausen, über die die Geistlichen in allen Predigten klagten und über die die gedrückte Bürgerschaft seufze, würden dann verewigt. Ohne die Handhabung der Gerichte werde auch die Schutzhoheit für Preußen nichts bedeuten. Und in einem zweiten Briefe sprach er sich über die außenpolitische Lage aus, da ihn Bürgermeister Eckhardt, der preußisch gesinnt war, aufgeklärt hatte: Agent Koch habe aus Wien an die Stadt geschrieben, daß der Kaiser den hannöverschen Schutz ratifizieren werde.[45] Preußen war nunmehr unterrichtet, faßte aber noch immer keine entscheidenden Entschlüsse, sondern suchte noch immer für sich die Rechtsgrundlage zu verbessern. Hilse dafür sollten die Hallenser Juristen gewähren. Deshalb begab sich Röpenack vom 17. bis 26. Januar nach Halle und nahm dort mit den Professoren Bodi-nus, Stryck und Thomasius Fühlung. Bodinus leistete aber nichts, und Stryck war altersschwach und krank. Dagegen fand der Nordhäuser Schultheiß bei dem berühmten Thomasius Unterstützung, und beinah ein Jahrzehnt lang sollte nun Thomasius der juristische Anwalt Preußens in der Nordhäuser Angelegenheit werden. Thomasius machte sich anheischig. Gutachten zu liefern, „daß sich der König mit seinem iuribus vor dem Kaiser und der ganzen Welt legitimieren und damit durchdringen könnte“. Nur gebrauchte er noch Unterlagen, vor allem die alten Lehnsbriefe, für seine Arbeit, die selbst dann noch recht weitschichtig werden könnte. Deshalb riet Röpenack dem Könige, man solle Nordhausen die Aemter noch ein weiteres Jahr verpfänden. Wegen des Schutzes hatte Röpenack den Bürgermeister Eilhardt gebeten zu bewirken, daß die Ratifizierung des hannöverschen Schutzes wenigstens noch etwas hinausgezögert würde. Nordhausen hatte aber schon eifrig die endgültige Ausfertigung betrieben. Am 31. Januar erhielt Hannover die Nachricht, zur letzten Regelung wegen Ueberreichung der Urkunden werde der Sekretär Titius am 6. Februar 1703 von Nordhausen nach Hannover abgeschickt werden.[46] Titius reiste tatsächlich am 6. Februar ab; er kehrte erst am 5. März zurück. Doch der schon am 23. Dezember 1702 unter Dach und Fach gebrachte hannöversche Schutzbrief wurde nie aus-gehändigt, ebenso wie einst im Jahre 1698 Sachsen zwar seine Schutzhoheit über Nordhausen aus 20 Jahre verlängert hatte und dieser Schutzbrief auch nie in die Hände Nordhausens gelangte. Am 16. Januar 1703 waren nämlich plötzlich cellisch-hannö-versche Kriegsvölker in die Stadt Hildesheim eingezogen und hielten sie nun besetzt. Hier in Hildesheim herrschten ebenso wie in Nordhausen, in Mühlhausen oder anderen fast selbständigen Gemeinden des deutschen Reiches übelste Zustände. Daher war es im Dezember 1702 zu Unruhen gekommen, unter denen die Stadt und die umliegende Landschaft litten. Um dieses Unwesen abzu-stellen, vielleicht auch um Einfluß auf die Stadt zu gewinnen, ließ Celle 2100 Mann einrücken. Tatsächlich gelang es dem Lettischen Hosrat von Hedemann im Sommer 1703 für den Augenblick Wandel zu schaffen, und die Truppen verließen am 9. August wieder die Stadt, so daß die Hannoveraner verhältnismäßig selbstlos gehandelt hatten. Zunächst aber, im Januar 1703 beunruhigte die Besetzung weiteste Kreise, selbst die den Hannoveranern wohlgesinnten Wiener, ganz besonders aber freilich den Rivalen in Berlin; hatte doch Brandenburg selbst an die Erwerbung Hildes-heims gedacht. Dazu lief am 29. Januar ein Bericht aus Nordhausen ein, daß in den nächsten Tagen die Schutzurkunden zwischen Hannover und Nordhausen ausgetauscht würden. Da zauderte Preußen nicht länger, ließ Truppen marschieren und besetzte am 7. Februar 1703 die Freie Reichsstadt Nordhausen. Beilage I. zur Seite 15. Ueber das Schultheißzenamt.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1542 Dezember 27. Leipzig.
Von Gots gnaden Wier Moritius, Hertzog zu Sachsen, Landgraf in Düringen und Marggraf zu Meißen vor uns, unsere Erben und Nachkommen und sunst gegen menniglichen mit diesem unserm öffnen Brise bekennen und thun kunth, daß wier mit guttem Rathe, rechter Wissenschaft und aus besunderen genedigen Willen den ersamen Bürgermeister, Rath und Gemeinheit der Stad Northausen, unsern liben Getreuen, unser Schultheiß-Ampt, Zoll, Vorgeleitung und Müntz, als wier in der Stad Northausen und auff derselben zugehörenden Güttern in und vor der Stadt haben, mit aller Herlikeit, Nutz und Gebrauch In- und Zugehörungen, wie unsere Vorfahren und wier dasselbe von Röm. Kays. Maj., unsrem allergenedigsten Herrn und dem heiligen Röm. Reich zu Lehen tragen und von älters gehapt und gebraucht haben, vor zweytausend Gulden-Groschen, wie dieselben diser Zeit von uns oder auch im Ioachimsthale gemüntzt weroen, die wier von ihnen bahr auf einmal zugezalt empfangen und fort in unsern Nutz gewandt haben, sie auch derselben hirmitt quidt, ledig und loß sagen, zugestelt und zugebrauchen eingethan haben. Thuen das in und krafft dieses Brises und wollen, das sie dasselbe unser Schulteißen-Ampt, Zoll und Müntz mit aller seiner Ein- und Zugehörung von dato also lange und soviel Jahre, bis das uns oder ihnen gesellig und gelegen, geruhlich innehaben, mit Gerichten und Rechten gebrauchen und genißen sollen, wie solches die Bücher darüber vorzeichent mitbringen und sunst pillich und recht ist, einem jederen zu seinen Rechten, und mögen auf unser Schrot und Korn zu jeder Zeit frey müntzen lassen. Und ob ihnen auch zu jeder Zeit in den Gerichten, Zöllen, Müntz und denselben zugehörig von jemandem unpillicher Eintrag, Hinderung oder Beschwerung geschehe, wie das zuqueme oder Nahmen gewinne und sie solches an uns würden gelangen lassen, dann sollen und wollen wier sie bey ihren und unsern Gerichten, Rechten legen jeder-menniglich schützen, schirmen, vertheidingen und handhaben. Wenn aber wier oder unsere Nachkommen oder auch gedachter Rath wollen, so mögen wier oder sie das gemelte Schulteitzen-Ampt, Zoll und Müntze, wie wier das zuvor gehapt, vor zweytausend Gulden-Groschen in den Wirken, Schrot, Korn und Güte, als dieselben diser Zeit unter unserm Nahmen oder im Ioachimsthal ge-müntzt werden, oder ob die Taler oder Gulden-Groschen in der stehenden Zeit am Schrot, Korn oder sunst geringer denn jetzt gemüntzt würden, mitt Erstattung des Abganges gegen den empfangenen Gulden-Groschen in einer gantzen unzertheilten Summa, auf einmal widerumb zu uns oder sie dasselbige ableisten. Doch wann wier oder sie das gesinnet, so sollen und wollen wier oder sie das einander allerwege ein Jahr zuvor schrifftlich auffkündigen und so alsdann zu Ausgange desselbigen Jahres die Ablösung geschehen, und uns solch unser Schulteiß-Ampt, Zoll und Müntz, nach vermöge eines Revers von gemeltem Rathe darüber gegeben, widerumb zugestelt, so wollen wier dieselben Gericht in pilliche, redeliche Wege zu Handhabung des Rechts nach Inhalt der Zoll- und Gerichts-Bücher bestellen, alles treulichen und ahne Geferde. Zu Urkunde haben wier disen Brief mit unserm anhangenden Insigel besigeln und geben lassen zu Leipzick, Donrestag nach Innocentium, nach Christi Gepurt Tausentt Fünfhundert und im zweiundvirzigstenn Jahre. Beilage II zu Seite 22. Die Verhandlungen von Goslar, Mühlhausen und Nordhausen im Jahre 1694.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Verhandlungen kamen in Gang, als Iobst Heinrich Koch, Agent der Städte in Wien, Anfang April 1694 die Nachricht vermittelte, daß beim Friedensschlüsse ihre Immedietät bedroht sei. Koch stammte aus Edersleben, wo sein Bruder Schultheiß war. Hier in seiner Heimat weilte er im April 1694, und nach Edersleben schrieb Nordhausen am 10. April 1694, er möchte zu Unterhandlungen nach Nordhausen kommen. Diesem Rufe folgte Koch und teilte den Nordhäusern mit, daß Baron von Danckel-mann, Brandenburgs Gesandter für Augsburg, dort betont habe, Brandenburg werde „Satisfaction“ verlangen. Bei den künftigen Friedensverhandlungen würden der Reichsvizekanzler Windisch-grätz und Graf Oetting das Reich vertreten. Wenn die Reichsstädte, vor allem Nordhausen, ihre Selbständigkeit wahren wollten, dann sollten sie auch für Kaiser und Reich in Notzeiten eintreten, um damit ihre Daseinsberechtigung zu beweisen. Gerade die kleineren Reichsstädte seien viel zu säumig mit Geld und Truppen. Nur im Falle wirklichen Eintretens für das Reich werde auch der Kaiser sie vor Hebelgriffen bewahren. 10 000 Gulden sei das mindeste, was die drei Städte anbieten sollten, und zwar sollte das Geld nicht in die Reichskammer gezahlt werden, sondern an einen dem Kaiser nahestehenden Herrn. Das hatte Koch der Stadt Nordhausen mitzuteilen. Und nun kamen die Verhandlungen aller drei Städte in Gang, als Goslar am 24. Mai anfragte, was Nordhausen von Koch gehört habe. Eine Konferenz wurde vorgeschlagen, und zwar in Nordhausen am 18. Juni. An diesem Tage fanden die Verhandlungen auf der grünen Stube im Rathause statt; Goslar war durch 2, Mühlhausen durch 3, Nordhausen durch 2 Abgesandte vertreten. Für Nordhausen waren anwesend Bürgermeister Dr. med. Frommann und Syndikus Harprecht. Bei den Besprechungen verwies man zwar auf Artikel 56 des Wests. Friedens, in welchem die Immedietät vorgesehen war, die Schweden und Frankreich garantiert hatten. Doch Frommann wußte zu berichten, daß Brandenburg erst jüngst Kurmainz gegenüber das Gespräch auf die Reichsstädte gebracht habe. Demgegenüber führten die Mühlhäuser eine Aeußerung des berühmten brandenburgischen Geheimrats von Fuchs an, der zu Mühlhausen gemeint habe, die Städte hätten sich eher vor anderen Mächten, will sagen vor Hannover, zu hüten als vor Brandenburg. Schließlich wurde im wesentlichen dreierlei beschlossen: 1. Agent Koch soll beim Kaiser vorstellig werden. 2. Die drei Städte wollen gemeinsam einen Vertreter beim Reichstage in Regensburg annehmen. Freilich stritt man sich lange um das Ausbringen von dessen Salar herum. 3. Sie wollten dem Kaiser zwar nicht 10 00 Gulden, aber 6000 Gulden anbieten über die 200 Römermonate hinaus, die sie schon an den Direktor des Niedersächsischen Kreises, an Braunschweig, bezahlt hatten. Nach diesen Beschlüssen konnte Koch am 7. (17.) Sept. 1694 mit neuer Nachricht aus Wien aufwarten. Er hatte eine Unterredung mit Graf von Windischgrätz gehabt. Dieser hatte dabei betont, daß der Kaiser seine Alliierten, also Brandenburg u. a., die ihm in den schweren Kriegen gegen Franzosen und Türken bei-ständen, entschädigen müßte und zwar durch Reichsstädte, „die doch weder Kaiserl. Majestät noch dem Heiligen Römischen Reiche etwas Ergiebiges einbrächten und ein gar geringes Matricular-quantum prästierten“. Da aber die Städte jetzt von sich aus kämen und Hilfe anböten, werde der Kaiser sie vielleicht weiter in Schutz nehmen. Aber 10 000 Gulden sei das mindeste, was sie beisteuern müßten. Diese Botschaft schien so wichtig, daß man mit Koch wieder persönlich konferieren wollte und ihn aus Wien nach Mitteldeutschland beorderte. Doch die Reise verschob sich, und Koch wußte am 20. (30.) Oktober aus Wien zu berichten, Brandenburg sei hinter den ganzen Handel gekommen und sei nur beruhigt worden dadurch, daß man ihm Limburg in Franken angeboten habe. 10 000 Gulden müßten die Städte aber unbedingt locker machen. In den Weihnachtstagen wollte er dann selbst nach Nordhausen kommen, nicht nach Goslar, wie diese Stadt wünschte. In Nordhausen langte er dann nicht pünktlich an, weil er in Merseburg auf der Durchreise „ein paar Tränke Bier getan und hierdurch an der Kolik inkommodiert worden“. Am 18. (28.) Dez. war er dann aber in Nordhausen, wo sich auch die Vertreter Goslars und Mühlhausens eingefunden hatten. Goslar war vertreten durch Syndikus David Kühnemann und Senator Joh. Georg Trumpius; Mühlhausen durch seinen tüchtigen Bürgermeister Con-rad Meckbach und den Syndikus Ludwig Heinrich Heydenreich sowie Senator Adolf Strecker; Nordhausen wieder durch From-mann und Harprecht. Bei der Besprechung wurde aufs Kochs Vorschlag beschlossen, vom Kaiser ein Dekretum Manutenentiae zu erwirken. In dem Dekret sollte ausgenommen werden, daß der Kaiser dem Niedersächsische Kreise im Falle eines Angriffs auf die Reichsfreiheit der Städte die Exekution erteilte. Sie wollten dem Kaiser 3000 Reichsgulden anbieten. Koch bezweifelte, ob diese geringe Summe angenommen werde. Koch selbst bekam 150 Taler Reisekosten, von jeder Stadt 50 Taler; 100 Taler „Discretion“ sollte er am Ende „des negotii“ erhalten. Nach den Verhandlungen wurde im Hause des Bürgermeisters Eilhardt gespeist. Diese Verhandlungen führten zum Kaiserlichen Diplom vom 12. Mai 1695. Nordhäuser Archiv, N. F. 773. Beilage III zu Seite 23. Der Fall Harprecht.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die traurigen, z. T. korrupten Verhältnisse, welche Nordhausen ebenso wie beinahe alle kleinstaatlichen Gebilde des 17. und 18. Jahrhunderts beherrschten, z. B. auch die Schwesterstadt Mühlhausen, sind schon ziemlich eingehend in der Geschichte der Freien Reichsstadt, Kapitel 13, S. 425 ff. behandelt worden. Hier mag der Fall Harprecht, der in der Gesamtgeschichte nur kurz erwähnt wird (S. 457), etwas eingehender dargestellt werden, weil Harprecht in den ersten Jahren des Konfliktes der Stadt mit Brandenburg eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat. Johann Wilhelm Harprecht, Sohn des Pastors Harprecht zu Wolkramshausen, studierte die Rechte in Jena, trat dann in Stift-Ouedlinburgische Dienste, heiratete dort und wurde 1686 in Nordhausen Syndikus. Er besaß eine stattliche, vielgerühmte Bibliothek, die 1712 dem großen Brande zum Opfer fiel. 1708 wurde er endgültig entlassen, 1715 ist er gestorben. Vergl. Förstemann, Chronik, 209. Harprecht war ein recht schwieriger, streitsüchtiger Mensch, dabei habsüchtig, ständig auf seinen Vorteil bedacht. Skrupellos nutzte er seine amtliche Eigenschaft aus, um sich zu bereichern. Mit seinen Amtsgeschäften nahm er es nicht allzu genau, machte gern Vergnügungsreisen, vor allem wenn sie ihm nebenbei etwas ein-zubringen versprachen. Auf seine Autorität war er sehr bedacht; er nahm es übel, wenn ein anderer die Geschäfte, die er leichtlich hatte liegen lasten, aufnahm. Sein größter Fehler war seine Treulosigkeit. Es kam ihm nicht darauf an, das Vertrauen, das man ihm schenkte, zu enttäuschen, wenn er glaubte, daß es sein Vorteil erheische; es kam ihm nicht darauf an, seinen Auftraggeber zu verraten, wenn er etwa hoffte, sich dadurch bei einem künftigen Auftraggeber beliebt zu machen. Gleich nachdem er sein Amt als Syndikus angetreten hatte, fiel seine Heftigkeit und seine Streitsucht auf, ferner sein Dünkel, der in seinen Leistungen keineswegs eine Begründung fand. Die unangenehmen Eigenschaften hinderten den Rat, ihm die Bestallung, die sonst jedem Syndikus ausgehändigt wurde, zu gewähren. Harprecht hat sie nie bekommen. Wenn man einen Menschen, den man für so ungeeignet hielt, dennoch beibehielt, so lag das an den engen Nordhäuser Verhältnissen. Es waren in der Stadt nur wenige, geistig wirklich hochstehende Männer vorhanden, und die, über welche die Stadt gebot, wollten ruhig regieren, ihre Vorteile aus diesem Regimente genießen, aber nicht ankämpfen gegen einen verschlagenen, hinterlistigen Gegner, der sich womöglich einen Anhang verschaffte und ihre Sünden vor die Öffentlichkeit zog. So blieb der beim Rate Verhaßte, in der Bürgerschaft wenig Beliebte Syndikus, besaß als solcher trotz allen Mißtrauens eine besondere Vertrauensstellung und übte bis um 1700 alle die wichtigen Obliegenheiten aus, die dem Syndikus in einem Staatswesen mit halbjährlich wechselnden, nicht fachlich vorgebildeten Bürgermeistern zufielen. So war er in dem für uns in Betracht kommenden Zeitraum 1697 in Gotha, um gegen den Verkauf des Walkenrieder Hofes zu protestieren. Im Juni 1697 war er wegen des Nordhäuser Schutzes in Dresden. Ebendort weilte er während dreier Wintermonate, vom Dezember 1697 bis Ende Februar 1698, um den Verkauf der Vogtei und des Schultheißenamtes zu hintertreiben. Im Juli 1698 wurde er nach Quedlinburg geschickt und unterhandelte dort mit dem brandenburgischen Geheimrat Un-verfärth. 1699 wurde er vom Amte dispensiert und ging nach Berlin; doch mußte er 1700 wieder in sein Amt eingesetzt werden. Irgendwelche wesentliche Aufgaben vertraute man ihm jedoch nicht mehr an, so daß die sonst unter dem Syndikus arbeitenden Sekretäre seine Aufgaben übernahmen, vor allem Johann Martin Titius. Aber auch die Bürgermeister oder akademisch gebildete Männer, die sonst im allgemeinen die schwierigsten Verhandlungen dem Syndikus überließen, mußten nun in die Bresche springen. So kam es, daß der Vierherr Kegel in wichtiger Angelegenheit 1702 nach Hannover geschickt wurde und daß später der Bürgermeister Joh. Günther Hoffmann, ein früherer Rechtsanwalt, den ganzen Kampf mit Preußen durchfocht, eine Aufgabe, die eigentlich dem Syndikus gebührte. Offen aus brach der Streit zwischen einem großen Teil der Bürgerschaft und Harprecht im Jahre 1696, wo Harprecht Spor-teln verlangte, die ihm nicht bewilligt werden konnten. Schon damals war Bürgermeister Weber sein Gegner, der ihm Auflehnung gegen den Rat vorwarf. Ganz besonders scharfe Formen nahm der Streit 1698 und 1699 an. In diesen Jahren bestand ein Mangel an Kornfrüchten, sie wurden knapp und teuer, und deshalb ließ der Rat durch seinen Syndikus ein Verkaufsverbot aufsehen und anschlagen. Harprecht hatte aber sofort vom Bergamt Klaustal mehrere tausend Taler zu erhalten gewußt zum Ankauf von Früchten für den notleidenden Harz. So kaufte Harprecht, statt die knappe Kornfrucht anzuhalten und zu strecken, auf, was überhaupt zu erhalten war. Schließlich waren für die Bürgerschaft überhaupt keine Früchte mehr zu bekommen. Harprecht aber hatte für das Aufkaufen von Klaustal seine Provision eingesteckt. Merkwürdig unbeweglich war auch bei diesem starken Stück der Rat, der erst von den Bürgern gedrängt werden mußte, dem Syndikus den Verkauf zu verbieten. Allein der Bürgermeister Weber verfuhr energisch und ließ mehrfach Fuhrleuten, die bei Harprecht abluden, die Säcke wegnehmen und auf die Ratswaage bringen. Harprecht verfeindete sich darauf noch mehr mit Weber. Als Syndikus gehörte Harprecht auch dem Nordhäuser Konsistorium an, kam in dieser Eigenschaft aber auch in Konflikt mit Weber, als 1698 die Psarrstelle in der Neustadt frei wurde. Dieser Streit erhitzte die Gemüter erheblich. Noch mehr nahm man aber gegen den Syndikus Stellung, als er sich nicht entblödete, heimlich Zäune zu versetzen, um sich an einem Streifen Landes zu bereichern. In heftigsten Streit kam er mit den Vorstehern der Frauenberger Gemeinde, als hier wieder ein Zaun hinausgerückt schien, was Harprecht bestritt. Als man dann das umstrittene Land besichtigen wollte, war in der Nacht der Zaun umgelegt worden, so daß keine einwandfreien Feststellungen mehr möglich waren. Was ihm die Bürgerschaft, und zwar mit Recht, hierbei am übelsten nahm, war, daß er sich in dieser Sache trotz Ratsverbots an den neuen brandenburgischen Schultheißen Pfeil wandle. Damals, im Mai 1699 entstand gegen Harprecht während einer Ratssitzung auf dem Rathause ein erheblicher Aufruhr, so daß der Gute, wie er selbst schreibt, „in locum tutum reti-rieren“ mußte. Der Ratsherr Timmer beschuldigte Harprecht öffentlich des Vertrauensbruches, weil er es mit Brandenburg halte. Ein anderer Bürger, Christoph Duderstedt, rief ihm zu: „Es ist hohe Zeit, daß er geht …“ Harprecht fühlte sich damals in Nordhausen seines Lebens nicht sicher und ging nach Berlin. Auch in Stolberg hielt er sich zeitweilig auf. ach allen seinen Machenschaften dispensierte ihn der Rat 1699, doch trat naturgemäß Brandenburg lebhaft für ihn ein. Als Titius im Sommer 1699 in Berlin weilte, verkehrte Harprecht vertraut im Hause des Geheimrats Unverfärth. Damals hatte er auch wohl die Absicht, Nordhausen den Rücken zu kehren und sich in Berlin anzusiedeln. Was ihm in Nordhausen nicht gelungen war, nämlich durch ein Brauhaus und seine Gerechtsame zu Geld zu kommen, hoffte er von Berlin. Doch wurde nichts daraus. Unverfärth gelang es nicht, seinem Freunde Harprecht sein Nordhäuser Amt wieder zu verschaffen. Dieser hatte sich jedoch wegen seiner Absetzung klagend nach Wehlar an das Reichskammergericht gewandt. Er erwirkte hier am 2. April 1700 ein Urteil, das für ihn günstig war und von Nordhausen seine Wieder-anstellung verlangte. Die Stadt beugte sich dem Richtsprüche; doch die Streitigkeiten gingen weiter, manchmal um lächerliche Dinge. So vorenthielt Harprecht dem Titius den Titel Sekretär, da der eigentliche Stadtsekretär Heidenreich war, Titius also nur „Stadtschreiber“. Mehrfach machte Harprecht auch ohne Urlaub Reisen, wobei er die Heimat seiner Frau Quedlinburg bevorzugte. Meist geschahen die Reisen aus geschäftlichen Gründen, wie er denn einmal von Rektor Samuel Schmidt in Quedlinburg 2500 Taler borgte. Weil er sich wieder einmal unerlaubt entfernt hatte, vorenthielt ihm Nordhausen im Jahre 1703 sein Gehalt. Das führte zu neuen Mißhelligkeiten, und so ging es fort, bis Harprecht 1708 entlassen wurde. Damals, wo Preußen beinahe die gesamte Verwaltung der Stadt an sich gezogen hatte, konnte man das mit gutem Grunde: Man hatte keine Arbeit für ihn.
Ganz interessant ist Harprechts Bericht über seine Dresdener Reise im Juni 1697 zwecks Bezahlung des Schutzgeldes. Der Bericht ist in N. F. 1001 des Nordhäuser Archivs enthalten. Harprecht machte zunächst in Leipzig Rast, um daselbst den Herrn von Hoym zu sprechen, der eben erst eine dreijährige Haft auf dem Königsteine abgesessen und eine große Geldbuße gezahlt hatte, nun aber schon wieder persona grata war. Von Hoym hatte Harprecht mancherlei Hochpolitisches gehört und war dann von ihm nach Dresden verwiesen worden. Hier kam er am 31. Mai 1697 an und nahm beim Traiteur Kühne gegenüber dem Kurfürstlichen Marstall Quartier. Bei maßgebenden Persönlichkeiten wurde er zunächst nicht vorgelassen, bis er die Sekretäre gespickt hatte. Es handelte sich neben den Verhandlungen über die Nachzahlungen des Schutzgeldes um Erörterungen, ob Kursachsen nicht allein den Schutz übernehmen könne statt des Gesamthauses Sachsen, das ihn als Erbfolger der Landgrafen von Thüringen bisher gehabt hatte. Da die anderen Häuser neben Kursachsen aber kaum eine Rolle spielten, wurde diese Frage nur nebenbei behandelt. Wichtiger war die Frage, ob Nordhausen Kursachsen nicht den Erbschutz übergeben wolle. Eine Entscheidung darüber wurde nicht herbeigeführt. Das für beide unterhandelnde Teile im Augenblicke Wesentliche war der Abschluß über die restituierenden Gelder, worüber vom 5. bis 12. Juni verhandelt wurde. Abgesehen von schwierigen Währungsfragen, die in jenen Zeiten bei jeder Auszahlung wichtig waren, ob etwa Goldgulden oder Meißner Gulden zu 21 Groschen gemeint sein sollten, gingen die Unterhandlungen zwischen der Forderung Sachsens, das 1500 Gulden nachgezahlt haben wollte, und Harprechts Angebot von 800 Gulden. Schließlich einigte man sich auf 900 Gulden Nachzahlung für die Zeit von Ostern 1684 bis Ostern 1697. Da die jährliche Schutzzahlung 150 Gulden betragen sollte, rechnete sich Sachsen eine Summe von 1150 Gulden aus, die es nachgelassen hatte. Nebenbei hatten die Unterhandlungen an Bestechungsgeldern, Discretionen, die Stadt Nordhausen gekostet: 100 Taler an von Hoym, 25 Taler an Rat Zech, 12 Taler an kleinere dienstbare Geister. Am 5. Juni war der Kurfürst Friedrich August nach Dresden gekommen und musterte seine Garden und Kürassiere. Danach war eine Tierhatz, bei der ein Tiger zunächst gegen einen Stier eingesetzt wurde, unter dessen Bauch er sich festkrallte und dem er dann die Kehle durchbiß. Zwei Bären, die dann das Kampsfeld betraten, nahmen den Tiger aber recht mit. Der Kurfürst war, wie nicht anders zu erwarten, von diesen Vorführungen entzückt. Beilage IV (1. Teil) zu Seite 37. Ueber die Reise des Sekretärs Titius nach Berlin vom 1. Juni bis 26. Zuli 1699.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Städtisches Archiv Nordhausen, N. F. 17. ohannes Martin Titius wurde 1699 nach Berlin gesandt; über die Reise hat er eingehend Bericht erstattet. Er soll darum einkommen, daß das Schulzenamt noch bis 1702 dem Rate verbleibt. Ferner soll er die Frage anschneiden, ob Brandenburg nicht gewillt ist, sich die Aemter von Nordhausen abkaufen zu lassen. Wenn dafür die Einwilligung nicht zu erreichen ist, soll er darauf dringen, daß Brandenburg den „Wiederkaufschilling“ bezahlt. Schließlich sollte er noch Beschwerden gegen den Schultheißen Pfeil und die Zolleinnahme vorbringen. Titius fuhr am 1. Juni 1699 von Nordhausen ab bis Ellrich, gelangte am 2. Juni von Ellrich bis Halberstadt, ging von dort nachts nach Magdeburg ab, erreichte am 4. Juni Brandenburg und war Montag, den 5. Juni in Berlin. In einem Gasthause an der Jüdenstraße kehrte er ein. Am Mittwoch, dem 7. Juni ging er zum Kanzler von Unverfärth zur Audienz, wurde aber erst am 9. Juni vorgelassen. Die erste Besprechung verlief ergebnislos, und erst am 28. Juni, nachmittags 2 Uhr konnte er den Minister wieder sprechen. Zwischendurch suchte ihn auch der Syndikus Harprecht auf, der mit Nordhausen ganz zerfallen war und in Berlin weilte. Unverfärth tat am 28. Juni wegen einiger geringfügiger Zwischenfälle recht ungnädig, endete dann aber mit dem Versprechen, das Seine zu tun, daß Nordhausen gut fahre. Endlich am 30. Juni konnte Titius seine eigentlichen Anliegen vorbringen. Das Schulzenamt bringe bei weitem nicht soviel ein, daß sich das Kapital von 10 000 Talern verzinse. Unverfärth meinte darauf, man wisse aus dem Dresdener Archiv, daß zum Schulzenamt ein stattlicher Zubehör gehöre an Hospitälern, Mühlen, der gesamten Jurisdiktion. Doch lasse sich darüber reden, die Aemter weiter an Nordhausen zu verpachten, wenn Nordhausen einige 1000 Taler dazu tue. Titius stellte die bedrängte wirtschaftliche Lage vor und klagte, das Verlangte nicht zahlen zu können. Unverfärth war anderer Meinung und kam auf die Schutzhoheit zu sprechen. Einen anderen Schutzherrn als Brandenburg könne Nordhausen nicht nehmen; ganz abwegig sei der Gedanke, sowohl Brandenburg wie Hannover als Schutzmächte anzunehmen. „Man solle doch erwägen, was daraus erfolgen würde; ob wir denn zwei Kurfürsten in der Stadt haben wollten.“ Auch die Unterredung vom 30. Juni blieb resultatlos. Dann besuchte Titius auch den kaiserlichen Residenten aus Wien. Dieser meinte, „man sehe wohl, wie es heutzutage erginge, und wie von den größeren Ständen gegen die kleineren versahren würde“. Er riet zu gütlicher Einigung; bei Beeinträchtigungen der Reichsfreiheit sollte sich die Stadt cito nach Wien wenden. Er warf auch die Frage des Erwerbs der Aemter auf. Den Schutz sollten sie von Brandenburg ja nicht annehmen. Neulich habe er mit Unversärth gesprochen und habe dabei herausgefühlt, daß man in Berlin meint, „daß der Schultheiß Pfeil zu jung und zu dem Amte unanständig gewesen“. Auch Harprecht ist bei dem Residenten gewesen und hat sich über Bürgermeister Weber und die Frauenberger Gemeinde beklagt. Eine weitere Unterredung mit Unversärth fand am 6. Juli statt. Ergebnislos. Am 11. Juli wiederum. Auf der Treppe begegnete ihm Harprecht; er fragte ihn, ob er in Berlin Bürger werden wolle. Antwort: „Er wäre schon Bürger, er kaufe in Berlin ein Brauhaus, seine Frau sollte auch nachkommen, weil man sie zu Nordhausen nicht brauen lassen wolle.“ Danach über-gab Titius dem Bedienten ein Memorial. Zugleich machte er die Sache dringlich, da er nun über einen Monat in Berlin war, ohne vorangekommen zu sein. So gelang es am 12. Juli endlich wieder zur Unterredung zu kommen. Unversärth war gnädig. Da die Gesandtschaft unter Titius geklagt hatte, daß der Aufenthalt in Berlin zuviel Geld koste, ließ sich Unversärth vernehmen, er wolle ihnen Kredit gewähren, sie sollten auch aus der kurfürstlichen Küche traktiert werden. Sie müßten noch 8 Tage warten, es ginge in Berlin nicht so geschwinde. Ihre Verrichtung stände gut. Der Kurfürst werde ihnen die Jura auf noch 5 Jahre überlassen, allerdings zu hoher Pacht: „Wenn wir seine Brüder wären, könnte der Kurfürst es diesfalls nicht besser mit uns meinen.“ Titius: Die Summe sei zu hoch. Unversärth: Seine Kollegen meinten, 2000 Taler jährlich seien zu wenig. Allein die Münze werfe mehr ab. Auch müßten sie die alten Briefe gelten lassen. Man wolle dem Rate nichts nehmen, aber was einst zum Schulzenamte gehört habe, müsse diesem Amte auch bleiben und bei der Verpachtung von Nordhausen bezahlt werden. Auf weitere Einwendungen des Titius meinte Unversärth: Wenn der Kurfürst ihm gestatte, nach Nordhausen zu gehen und er sich 8 Wochen dort aufhielte und Stadt und Polizeiwesen untersuche, wolle er es einrichten, daß man es ihm ewig danken solle. Jetzt wäre es in Nordhausen ja wie halb tot. Zum Schluß riet er, Nordhausen solle die Jura kaufen. „Sie würden sich damit in Frieden und Ruhe setzen.“ Am 14. Juli war die Gesandtschaft zum Mittagsmahl bei Unverfärth eingeladen. Unter anderen Gästen war auch Harprecht da. Während der Mahlzeit riet Unverfärth nochmals zur Pachtung. Die Pachtsumme sollten sie durch das Münzen herausschlagen. Titius wandle ein, daß Kaiser und Kreis widersprechen würden. „Dafür solle man den Kurfürsten sorgen lassen,“ meinte Unverfärth. Nach dem Mahl nahm Unverfärth Titius beiseite und drang in ihn, Nordhausen solle Harprecht wieder als Syndikus annehmen. Titius: Der Rat werde vielleicht aus Respekt gegen seine Exzellenz das tun, was er sonst niemals tun würde. Harprecht hatte sich während des Essens Sticheleien gegen die Nordhäuser erlaubt. Der Aufenthalt zog sich dann noch bis zum 21. Juli hin. Da wurde der Gesandtschaft endlich die kurfürstliche Resolution für den Rat ausgehändigt. Titius wurde in die Geheime Ratsstube vor den Kammerpräsidenten von Chwalkowski zitiert. Hier herrschte einige Ratlosigkeit, als man die Resolution las, die anders lautete, als die Kurfürstlichen Räte angenommen hatten. Am Abend des 21. Juli und am 22. Juli waren sie nochmals bei Unverfärth, besprachen auch noch die Angelegenheit Harprecht und Pfeil. Auch der Kaiserliche Resident wurde nochmals besucht. Ueberall wurde ihnen geraten, sie sollten lieber in den sauren Apfel beißen, „als Electorem ferner einnisteln lasten“. Allerdings müßte der Rat die Jura so bekommen, wie er sie einst von Sachsen gehabt hatte. „Wenn sie an den Kaiser gingen, würde der wohl tun, was seines höchsten Amtes wäre, aber man sehe ja wohl, wie es ginge; die Fürsten wollten ja alle souverän und den Gesetzen... Imperii nicht mehr unterworfen sein.“ Am Sonntag, dem 23. Juli, morgens 8 Uhr fuhr Titius von Berlin ab und war am Dienstag abend wieder in Nordhausen. Am 26. Juli schloß Titius seinen Bericht an den Rat ab. Zu dem Bericht gehört ergänzend ein Schreiben des Kurfürsten vom 17. Juli. Es bringt die Resolution: Der Kurfürst verpachtet die Civil- und Criminalgerichtsbarkeit, den Zoll und die Münze auf 5 Jahre von 1699 angefangen für 2000 Taler jährlich. Aber der verordnete Schultheiß muß beibehalten werden. „Jedoch daß solche Pachtung niemand zur Unterdrückung gereicht, mithin auch niemand verwehret werde, beim Kurfürsten über ungebührliche Administration der Justiz sich zu beschweren.“ Beilage IV (2. Teil) zu Seite 50. Martin Kegels Reise nach Hannover im November und Dezember 1702.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kegel war am 24. November in Hannover; doch dauerte es mehrere Tage, ehe er bei einer maßgebenden Persönlichkeit vorgelassen wurde. Man ließ sich verleugnen, da sich, wie der Nordhäuser hörte, Hannover mit Preußen Nordhausens wegen nicht entzweien wollte. Mit dem Vorsitzenden des Geheimen Rates, Grafen Platen, konnte er nicht sprechen; dagegen ließ ihn schließlich Oberhofmarschall von Görz vor. So gelang es ihm am 27. November, mittags 12 Uhr vor den Geh. Rat zu gelangen. Sein Bericht darüber: „Es wurde mir ein Sessel an der Tafel angewiesen, welches ich denn deprecierte; nachdem aber gesamte hohe Herren Geheimde Räte mich zu setzen anbefohlen, sich auch nicht eher — bis ich den Sessel ergriffen, zurückgezogen und um gnädigen Pardon, daß dero hohen und gnädigen Befehl zu parieren hätte und müßte, gebeten — nicht eher, als mich zu setzen, Mines gemachet, habe den Stuhl eine gute Strecke zurückgezogen und dero Befehl zu gehorsamen mich angestellet.“ Anwesend waren: S. Hochgräfl. Excellenz und Gnaden Herr Graf v. Platen als Geheimer Regierungspräsident, Premierminister und Staatsrat; Geheimrat und Vicekanzler Hugo, Excellenz; Herr von Görz, Oberhofmarschall und Kammerpräsident; Excellenz Herr von Eltzen, Geh. Rat und Kurprinzlicher Oberhofmeister, Excellenz. Irgendein Versprechen erhielt Kegel am 27. November noch nicht. Hannover hatte einen Eilboten nach Wien gesandt, um dort die Stimmung zu erkunden. Am 29. November wurde Kegel bei Geheimrat Hattorf, der fortan die Nordhäuser Sachen geschickt bearbeitete, vorgelassen und alsdann bei Grafen Platen. Hattorf erklärte dem Nordhäuser, in Wien sei man augenblicklich gegen alles, was Unruhe innerhalb Deutschlands schaffen könne. Platen ließ sich ähnlich vernehmen: In Wien seien viele preußisch gesinnt, vor allem Graf Oettingen. Bei dieser Haltung ist es um so seltsamer, daß schon am nächsten Tage der Umschwung kam. Am 30. November verlangte Hannover den Nachweis, daß Nordhausen das Recht habe, sich frei den Schuhherrn zu wählen. Das konnte Kegel leicht beweisen, und am 1. Dezember schon wurde ihm vor gesamtem Geheimen Rat eröffnet, Hannover werde den Schutz übernehmen, wenn Celle mitmache. Kegel solle nach Celle reisen und dort weiter verhandeln. Kegel fuhr also nach Celle, und da der Herzog in Göhrden zur Jagd weilte, weiter nach Göhrden. Am 7. Dezember wurde ihm erklärt, daß Celle alles mitmache, was Hannover gutheiße. Am 15. Dez. war Kegel endlich wieder in Hannover, und am 18. Dez. wurde ihm vor gesamtem Rate mitgeteilt, daß Hannover und Celle den Schutz gemeinsam übernähmen. Am 20. Dez. fuhr Kegel ab nach Hildesheim, fuhr am 22. Dez. auf grundlosen Wegen gegen Nordhausen, kam aber nur bis Haferungen. Von dort gelangte er am 23. Dez. nach Hause. — Nordh. Archiv unsigniert.
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- ↑ vgl. Silberborth, Geschichte der Fr. Reichsstadt Nordhauscn, 197 ff.
- ↑ Silberborth, a. a. O. 358.
- ↑ Die wichtige Urkunde vom Jahre 1542 s. als Beilage I hinter Kapitel 1. — Der Vertrag vom Jahre 1687 steht abgedruckt bei Heineck, Brandenburg-Preuüen und Nordhausen, 16 ff. Die „aktenmätzige Nachricht über die Nord-Häuser Jura“, die damals Sachsen anfertigen ließ, liegt im Dresdener Hauptstaatsarchiv unter 10161, sie ist von Heineck, 20 ff. unvollständig abgedruckt.
- ↑ Urkunde Kaiser Sigmunds vom Jahre 1436; Original im Städtischen Archiv zu Nordhausen. — Nordh. Urkundenbuch, Teil I, 1936, 18 ff.
- ↑ eber den Schutz gibt Auskunft: Sächs. Hauptstaatsarchiv 10 410. Der sachs. Schutz ist z. B. erneuert worden: 1539. 1542. 1551. 1552. 1555. 1558. 1565. 1566. 1576. 1577. 1587. 1609. 1660. 1671. 1687.
- ↑ Löwe, Preußens Staatsverträge aus der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I.
- ↑ Heineck, a. a. O., 215.
- ↑ Droysen, Geschichte der preußischen Politik, III. 3.
- ↑ Silberborth, a. a. O., 441.
- ↑ Nordh. Urkundenbuch, Teil I, 1936, 77 ff.
- ↑ Beilage II: Ueber die Verhandlungen der Reichsstädte. Von Seiten Nordhausens hieb es, der Syndikus Harprecht habe die kaiserliche Begnadigung erwirkt. Tatsächlich war aber auch der Mühlhäuser Dr. Meckbach wesentlich beteiligt. Vergl. noch Silberborth, a. a. O., 442.
- ↑ Beilage III über Harprecht. Harprechts Persönlichkeit, Nordhäuser Zustände und der Bericht Harprechts über seine Dresdener Reise im Juni 1637.
- ↑ Hauptquelle Nordh. Archiv unter N. F. 1001.
- ↑ Der Kaufkontrakt ist vom 16. X. 1697. Friedrich von Sachsen-Gotha verkauft den Kollekturhof samt Meierhöfen, Zinsen, Holzungen, Lehenfchaften, Gerechtigkeiten und allen anderen Pertinentien wie auch deren Rechte und Ge-fälle, alles wie von Rudolf August und Anton Ulrich, Gebrüdern und Herzögen von Braunschweig, am 23. IX. 1693 erhandelt und bisanhero genossen. Dazu die von Braunschweig unter Wolfenbüttel, d. 5. I. 1694 erhandelten Güter Berbisleben und Klein-Wechsungen oum omnibus pkrtlnsntliZ st vrivilsMii8, Recht und Gerechtigkeiten. Item die von dem Grafen zu Stolberg gegen das Gut Rodeberg in der Grafschaft Stolberg, so jährlich 32 Taler 10 Groschen 11 Pfennig getragen, erlauschten 49 Taler 9 Groschen 8^ Pfennig Zinsen in der Güldenaue. Alles das für 85 000 Reichstaler, in Leipzig an gut Current-Sorten sofort zu zahlen. — Aus den Akten des Preußischen Geheimen Staatsarchivs als Ergänzung zu Förstemann, Chronik, 85 ff.
- ↑ Hauptstaatsarchiv Dresden, 10 410. Nordh. Stadtarchiv, N. F. 569,6.
- ↑ Nordh. Archiv, N. F. 567.
- ↑ Unterzeichnet ist der Kontrakt: Friedrich August König und Kurfürst, Krakau, 27. Nov. 1697. — Dresd. Hauptstaatsarchiv, 2982. Vergl. Heineck a. a. O. 23 ff.
- ↑ Dresden, 2982.
- ↑ Auf die Einwände Egon von Fürstenbergs vom 27. I. 98 erging am 21. II. 98 aus Warschau: Es solle auf 340 000 Taler Kurrent abgeschlossen werden. „Und weilen Uns an schleuniger Ueberkommung gedachter Gelder höchstens gelegen, als haben Ew. Liebden und Ihr ohne einzige und den allergeringsten Zeitverlust jemand von dem Kammer-Collegio mit gedachter Quittung nacher Berlin zu ermeltem Lehmann abzufertigen, welcher dabei zu instruieren, da6 er der würklichen Auszahlung der Gelder benemst unseren Hof-Juden Lehmann beywohnen und solche gleich nach Empfang gesambt ihme auff das schleunigste und sobald es immer möglich nachher Danzig überbringen solle.“
- ↑ Städtisches Archiv Nordhausen, Sa 5.
- ↑ Nordh. Archiv, N. F. 597.
- ↑ Einige Aktenabschriften sind von dem Notar Johann Günther Hoffmannmann signiert: Sac. Caes. Maj. Autoritats Notarius publicus. Den ursprünglichen Beruf Hoffmanns kennt E. G. Förstemann nicht. Einige Jahre später sollte Hoffmann für Nordhausen besonders wichtig werden.
- ↑ Archiv Nordh. II. Sa 3,4.
- ↑ rief vom 12. Juli, Friedrich III., gegengezeichnet Kolbe von Wartenberg. An Nordhausen: Sie sollten sich aller Beeinträchtigungen enthalten, „damit wir nicht zu anderer Resolution möchten bewogen werden.“
- ↑ Am 27. Juni 1698 hatte Friedrich August aus Warschau begütigend an die Aebtissin geschrieben und gebeten, die Rechte Brandenburgs anzuerkennen. Diese Rechte sollten sich ebenso wie bei der Grafschaft Hohenstein herleiten von dem Besitze des Stifts Halberstadt. Die Aebtissin schrieb am 20. Juli an Friedrich August: Die Hoheitsrechte seien vom Kaiser übergeben. „Die Erb-vogtei und Schutzgerechtigkeit ist ein wahres, vom Stist dependierendes Mannslehen“. Kein Lehnsmann kann ohne Vorwissen des Lehnsherrn das feudum alienieren. Halberstadt hat gar kein Recht an Quedlinburg. Und als Brandenburg das schon früher vermeinte, hat sich der Vater Friedrich Augusts dagegen scharf verwahrt. Auf sein Anraten hat sich das Stift damals nach Wien gewandt, und von dort aus ist ein Mandat an die Halberstädter Regierung gegangen, so daß alles still geworden.
- ↑ Der Name wird verschieden geschrieben, erscheint aber in unseren Akten meist als: Unverfärth.
- ↑ Gutachten Unverfärths vom 2. Februar 1700.
- ↑ Beilage IV (1. Teil). Ueber die Reise des Sekretärs Titius nach Berlin vom 1. Juni bis 26. Juli 1699. Stadt. Archiv Nordhausen, N. F. 17.
- ↑ Eingaben an den Hofrat vom 20. IV. 1700 und 10. II. 1701
- ↑ resden, Hauptstaatsarchiv, 10161. — Preußen stand ferner auf dem Standpunkt, Nordhauscn besitze überhaupt nicht die Jura. Sein Besitz fliehe allein aus den sächsischen Kontrakten, die die Jura leihweise überlasten hätten. Mit deren Erledigung, also 1703, seien auch die Rechte der Stadt erledigt. Ihr Besitz sei also nicht iure proprio magistratus, sondern ex contractu temporali.
- ↑ Nach Artikel 3 § 9 des Westfälischen Friedens. Christian Thomasius bestritt, daß Nordhausen diesen Artikel anziehen könne, da er sich nur auf Besitzungen katholischer und protestantischer Stände beziehe.
- ↑ Nordhausen hatte z. B. 1328 den Landgrafen Friedrich in Thüringen als Schutzherrn, 1344 drei Brüder Hohnstein, 1436 Landgraf Ludwig von Hessen, dann trat Magnus, Bischof von Halberstadt auf, 1468 Albrecht zu Braunschweig. Seit 1482, wo Ernst und Albrecht von Sachsen den Schutz übernommen hatten, waren die gesamten sächsischen Lande Schutzherrn.
- ↑ Preußisches Geh. Staatsarchiv (Pr. St.) R. 33 n. 147. 2G.
- ↑ Heineck, a. a. O., 39.
- ↑ St. r. 33 n. 147. 2 G. — Nordhausen schrieb am 10. IV. an Koch; Koch an Nordhausen am 2. VIII. und 16. VIII. Nordhausen drängt nochmals am 20. IX.
- ↑ Pr. St. Brief Bartholdis vom 6. IX., Preußens an Hannover vom 14. IX., Hannovers an Preußen vom 30. IX. 1702.
- ↑ Dresden, 2982.
- ↑ Brief Röpenacks am 17. X. 1702 aus Berlin an Bartholdi.
- ↑ Pr. St. — Zu Punkt 3 ist gemeint das Privilegium Maximilians vom Juli 1494. Dieses bestätigte aber nur allgemein sämtliche früheren Rechte.
- ↑ Brief des Königs an den Rat vom 3. XI. 1702.
- ↑ Landeshauptarchiv Wolfenbüttel, Correspondenz betr. den Lüneburger Schutz.
- ↑ Die Verhandlungen gingen darüber seit dem 2. Juni 1702. Am 19. Juni war man in Herzberg, wo die Goslarer in der Tanne, die Mühl-häuser im Weißen Roll, die Nordhäuser im Schwan abstiegen. Von Goslar waren anwesend: Joh. Georg Trumphius und Dr. Joachim Kämpser, von Nordhausen Bürgermeister Martin Kegel, Stadtsekretär Heidenreich. — Nordh. Städtisches Archiv N. F. 1830
- ↑ Wolfenbüttel a. a. O. — Pr. St. a. a. O.
- ↑ In einer anderen Ausfertigung ist die uralte Wendung gebraucht: gegen jeden verteidigen „denn allein unseren gnädigen Herrn den Römischen Kaiser und die Städte Erfurt (!) und Mühlhausen ausgenommen.“ — Ueber Kegels Reise nach Hannover s. Beilage IV. (2. Teil.)
- ↑ Brief vom 14. Januar 1703. Pr. St.
- ↑ Nordhäuser Archiv, nicht signiert. In Titius' Reiseinstruktivnen befindet sich unter Punkt 12 auch die Bitte Nordhausens, Hannover möchte Soldaten nach Nordhausen legen, damit es nicht das Schicksal Quedlinburgs erleide.