Carl Christian Friedrich Fischer. Ein Lebensbild

Aus NordhausenWiki
Version vom 30. Oktober 2021, 17:25 Uhr von Vincent Eisfeld (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „{{SEITENTITEL:''Carl Christian Friedrich Fischer. Ein Lebensbild''}} {{Textdaten |VORIGER= |NÄCHSTER= |AUTOR=Hans Silberborth |TITEL=Carl Christian Friedr…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Textdaten
Autor: Hans Silberborth
Titel: Carl Christian Friedrich Fischer
Untertitel: ein Lebensbild
aus: Festschrift zur Jahrhundertfeier des Staatl. Realgymnasiums zu Nordhausen
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1935
Verlag: Verlag Theodor Müller
Drucker:
Erscheinungsort: Nordhausen
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bild
Carl Christian Friedrich Fischer.


Ein Lebensbild.
Von H. Silberborth.


Die Jugend

Am 15. Oktober 1840 wurde das von der Stadt Nordhausen vor dem Töpfertore erbaute Realschulgebäude eingeweiht. Bei dieser Feierlichkeit schloß der erste Direktor der Realschule Carl Christian Friedrich Fischer seine Festrede mit folgenden Worten: „Wenn wir alle, meine Herren, nicht mehr hier sein werden und nur die jüngeren von diesen Knaben, die schwerlich mehr als den allgemeinen Eindruck dieses Tages mit hinausnehmen werden, den Nachkommen sagen können: Ich war auch dabei, als die Realschule eingeweiht wurde, dann wird in den Jahrbüchern der Stadt, dann wird in unseren Schulschriften nach unserem Namen gefragt und das Urteil von einem unparteiischen Geschlecht gefällt werden über uns und unsere Taten. Das lassen Sie uns bedenken! Wohl uns, wenn die späten Enkel unser Andenken ehren! Wohl uns, wenn sie die segensreichen Früchte unseres Schweißes, unserer Arbeit ernten!"

Heute ist es, wenigstens bei den Kreisen, denen auch Fischer angehörte, nicht mehr üblich, auf die eigene Bedeutung und Würdigkeit so deutlich hinzuweisen, wie es einstmals Fischer tat. Nicht bloß größere persönliche Zurückhaltung, sondern auch eine nüchterne, zweifeldurchzogene Einstellung zu der Anerkennung und vielleicht sogar zu dem Werte ihrer Arbeit für die Volksgemeinschaft hindert heute die Träger der Kultur, derart selbstverständlich auf ihre Taten aufmerksam zu machen. Doch uns blüht ein Vorteil aus dieser einstigen wenig verhüllten Selbstgefälligkeit: Wir vermögen umso leichter das Innenleben jener Menschen vor 100 Jahren zu belauschen und ganz besonders leicht das eines so temperamentvollen Menschen, wie es Fischer war. Zudem aber kann uns in diesem Falle, wenn der Ausklang der Fischerschen Rede in uns nachhallt, das Frohgefühl beherrschen, daß wir „späten Enkel" heute nach 100 Jahren sein Andenken ehren können, weil wir in der Tat „die segensreichen Früchte seines Schweißes, seiner Arbeit geerntet haben". —

Carl Christian Friedrich Fischer wurde am 1. August 1803 zu Klettstedt bei Langensalza als Sohn eines Rittergutspächters geboren.[1] Der Vater hatte Theologe werden wollen, wurde aber zum Goldschmied bestimmt, wechselte von diesem Gewerbe zur Landwirtschaft, die ihm gar nicht lag, und endete schließlich als mittlerer Beamter, als Lazarettinspektor in Erfurt und als Rentmeister in Griefstedt bei Weißensee. Aber er wollte ursprünglich Theologe werden. Väter sehen gern, wenn an den Söhnen sich das erfüllt, was ihnen selber unerreichbar war. Als Carl Fischer geboren wurde, war der Vater beim Landwirt angelangt, die weiteren – unerwünschten – Berufsetappen lagen noch vor ihm; Theologe wurde er nie, nicht nur schmerzlich für ihn, sondern auch bedenklich für den Sohn.

Es war die Zeit, wo nach der Französischen Revolution den europäischen Völkern die politische und wirtschaftliche Freiheit heraufdämmerte, aber erst heraufdämmerte, und zudem waren die Unzulänglichkeiten eines schrankenlosen Individualismus noch völlig verdeckt durch stärkste Bindungen, welche die Gesellschaft dem einzelnen auferlegte. Allerstärkste Bindung aber bedeutete damals der Gehorsam des Kindes gegen Vater und Mutter.

Der Vater, selbst unter den barbarischen Erziehungsmethoden eines kleineren Bürgerhauses in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgewachsen, war ein strenger, starrköpfiger Mann, dazu enttäuscht und mürrisch, seit 1808 Rentmeister in dem schullosen Griefstedt. So mußte der kleine sechsjährige Karl auf die Volksschule nach Erfurt, und da diese garnichts leistete, mußte er nach 1½ Jahren zurück unter die Hand seines Vaters, der nunmehr die Belehrung des Knaben selbst übernahm.

Selten ist ein Vater ein guter Lehrer seiner eigenen Kinder. Woran es liegt? Vielleicht daran, daß zu viele Ablenkungen vorhanden sind, eine bestimmte Zeit zur Belehrung an einem geeigneten Orte nicht innegehalten wird; mehr als bei anderen Verrichtungen müssen ja beim Unterricht die Persönlichkeiten aufeinander eingestellt und diese wieder beeinflußt sein von der ganzen über der Umgebung liegenden, der Aufgeschlossenheit von Lehrer und Schüler entgegenkommenden Stimmung. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß die Eigenliebe des Vaters zu viel von der Befähigung des Sohnes erwartet und zu schnell gekränkt ist, wenn zunächst nichts weiter sichtbar wird, als daß dem eigenen Sohne wie anderen Kindern auch keine Siebenmeilenstiefel passen, sondern Knabenschuhe, mit denen er seine braven Knabenschritte oder aber auch seine weniger braven Knabensprünge macht. Jedensalls: Selten ist ein Vater ein guter Lehrer seiner eigenen Kinder. Vater Fischer war der denkbar schlechteste. Bald kam es zu den fürchterlichsten Auftritten; bald gelang auch dem gesunden Verstände und der zärtlichen Ausopserung der Mutter die Vermittlung und Glät- tung nicht mehr. Der Sohn selbst hat uns eine Anmerkung darüber hinterlassen, wie der Vater dem Achtjährigen die lateinische Sprache beizubringen suchte: „Er fing die Sache von hinten an, nämlich mit dem Uebersetzen." Diese Methode nennt der große Pädagoge und spätere Direktor der Realschule zu Nordhausen „lächerlich". Heute möchten es wohl weite Kreise von Sprachlehrern mit dem alten Fischer halten und die Ansicht des Direktors Fischer als höchst rückständig bezeichnen, der hübsch säuberlich erst die Formen-, dann die Satzlehre vermittelt und einübt, und es erst danach sehr vorsichtig mit dem Uebersetzen versucht. So wechseln die Anschauungen über Didaktik und streiten noch heut' miteinander. Wahrscheinlich werden tote Sprachen eine andere Lehrweise erfordern als lebende, und ein Knäblein, dem der Formenschatz und der Satzbau der Muttersprache kaum geläufig, verlangt eine andere Behandlung als der Jüngling, dem bei größerer Keberschau Eingliederung und Verbindung gar leicht gelingt. Kurzum: Noch der reife Mann kopfschüttelte über die Erziehungskünste seines Vaters und erinnerte sich wehmütig des Austrittes, da sein Vater ihn voll Bitterkeit für einen ausgemachten Dummkopf erklärte und die Mutter darauf bestand, daß dieser häusliche Unterricht nicht mehr fortgesetzt werde.[2]

Die brave Mutter war es auch, die den verfahrenen Wagen wieder auf das rechte Gleis zu bringen verstand. Ihr wohnte im nahen Weißensee ein Verwandter, der Hofrat Kirsten, dem ein Leben zu führen beschieden war, so wünschbar wie nur möglich in jener weltbürgerlichen, bildungseifrigen Zeit. Kirsten war Erzieher der Söhne eines Herrn von Arnim gewesen, und, seltsam für unsere Zeit, selbstverständlich für jene: den tüchtigen, teilnahmvollen Erzieher begleitete der Dank der Zöglinge und ihres Vaters über die Zeit seiner Wirksamkeit hinaus bis an das Lebensende, und zwar nicht bloß in aufmerksamen Worten, sondern in höchst greifbaren Werken. Arnim hatte Kirsten eine lebenslängliche Rente von 400 Talern ausgesetzt, eine Summe, die damals fast dem Gehalt eines höheren Beamten gleichkam.[3] So konnte sich Kirsten in Weißensee beschaulich und sorglos unter seinen Büchern einrichten und zu seiner Erbauung unentgeltlich die Söhne befreundeter Eltern unterrichten. Diesen wohlgeprüften und erfahrenen Erzieher bat Mutter Fischer um sein Urteil über den offenbar mißratenen Sohn Carl, und damit dieses Urteil alle erdenkliche Sicherheit gewähre, sollte sich der damals neunjährige Knabe auf vier Wochen „zur Probe" nach Weißensee begeben. Das Debüt war glänzend. Der gute Großvater Kirsten, wie ihn der Knabe bald nannte, erklärte ihn nicht nur für ein feines, kluges Köpfchen, sondern gewann ihn durch sein bald knabenhaft keckes, bald gefühlvoll unsicheres, immer aber aufgeschlossenes Verhalten so lieb, daß er ihn völlig bei sich aufnahm und ihn, als er seinen erwachsenen Sohn und gleich darauf seine Gemahlin verlor, wie sein eigenes Kind hielt und erzog.

Es waren die Jahre 1812–1817, die Carl Fischer bei Kirsten verbrachte, erst in Weißensee, dann in Erfurt, wohin Kirsten nach dem Tode seiner Frau übersiedelte. Er reifte damals schon heran und wurde seiner selbst bewußt und seiner Umgebung; aber aus seiner selbstgeschriebenen Vita streift auch nicht der leiseste Hauch zu uns herüber von der wildbewegten Zeit des Völkerringens, die ihn damals umwehte. Glücklich vielleicht jene Menschen, die ganz sich selbst und ihren Freunden lebten, unberührt vom Entstehen und Vergehen ganzer Nationen, was sie als gänzlich nebensächlich ansahen gegenüber der höchsten Aufgabe, ihre Individualität zur höchsten Ausgeglichenheit und Vollkommenheit emporzuentwickeln, glücklich wie der Mensch am abendlich beruhigten Waldsee; aber glücklich vielleicht auch der Mensch, der durch Wind und Wellen treibt und nicht nur treibt, sondern auch mit ihnen ringt, ein Ziel außerhalb seiner und innerhalb der Volksgemeinschaft vor Augen.

Fünf Jahre lang war dem Knaben vergönnt, an der Seite Kirstens sorglos dahinzugehen. Da wurde den Eltern für ihn eine Freistelle in der Schulpforta angeboten, und freudig griffen sie zu. Am 10. April 1817 wurde er in Pforta in die Tertia ausgenommen, sechs Jahre später, am 5. März 1823 verließ er die Anstalt mit dem Zeugnis der Reife.[4]

Ernstliche Lehrjahre waren es, voller Bitternis und Sehnsucht zunächst, voller Streben und Erkennen danach. Der Knabe hatte unter der harten, durch kein Verständnis gemilderten Zucht seines Vaters gestanden, war dann liebevoll von einem abgeklärten Mann geführt worden und mußte sich nun einer strengen Schulzucht und einem zuweilen satanischen Pennalismus seiner Kameraden fügen. Er war ein gesunder Junge, aber in einem Alter, wo bei jedem Menschen widersprechendste Gefühle sich melden und das wünschenswerte Gleichgewicht stören. Dazu war er hin und her gerissen worden von Strenge und Güte, von Elternhaus und Fremde. So war er starrköpfig und verschlossen, weich und schmiegsam zugleich geworden, aber alle Gefühlslagen waren in der ersten Portenser Zeit doch überdeckt von einer qualvollen Sehnsucht zu dem Erfurter Paradies seines Großvaters Kirsten, und manch einmal mag ihm erst der Schlaf, der sich durch die Erschöpfung von den Pflichten gegen die Schule und von den Handreichungen für die älteren Kameraden einstellte, die reichlich vergossenen Zähren weggetrocknet haben. Daß die Jugendzeit eine ganz sorglose Zeit sei, besteht nur in der Einbildung des vergeßlichen Alters.

Erst seitdem Fischer die Obersekunda erreicht hatte, wendete sich sein Leben zum besseren. An Stelle eines verbrauchten alten Herren wurde Jakobi Professor der Mathematik in Schulpforta, den Fischer selbst „einen ebenso kenntnisreichen Mathematiker als wackeren Lehrer" nennt, und sein Adjunkt wurde der junge Koberstein, der Fischer in der Mathematik weiter förderte, dem der Jüngling aber besonders nahetrat durch die Aufnahme in seinen Privatzirkel für deutsche Literatur. Beide aber, Jakobi wie Koberstein, erklärten Fischer bald für den besten Mathematiker Pfortas. Sie sind es gewesen, die dem Talent, das sich bisher wild und eigenmächtig an Baurissen und geometrischen Gesetzen versucht hatte, die Wege wiesen und klare Ziele steckten. Sie, und vor allem Koberstein waren es auch, die den Jüngling zuerst zum Studium der damals noch so ganz modernen Klassiker und besonders Goethes anregten.

Mehr als man von der alten Schulpforta, die ja doch im wesentlichen auf den Betrieb der klastischen Sprachen eingestellt war, erwarten konnte, wurden die Fähigkeiten Fischers anerkannt, und obwohl er im Lateinischen und Griechischen immer nur Durchschnittsleistungen aufzuweisen hatte, erwirkten ihm seine Lehrer doch beim Preußischen Kultusministerium ein Stipendium, das über vier Jahre galt und ihm regelmäßig ausgezahlt wurde. Damit hatte er Grund unter den Füßen. Sehr nötig für ihn, denn nunmehr, aus der Zucht der Schule entlassen, trat der bald Zwanzigjährige wieder unter die Rute des eigenwilligen Vaters.

Der Vater hatte Theologe werden wollen und war Zahlmeister geworden. Jetzt sollte der Sohn Theologe werden und fühlte sich zu einem Meister der Zahlen, zum Mathematikus, berufen. Es waren böse Osterserien daheim im engen Griefstedt und im noch engeren väterlichen Hause. Der Wille des Vaters setzte sich durch; der Sohn zog nach Halle und begann Religionswissenschaft zu studieren. Er versuchte zu beginnen, vervollkommnete aber alsbald nur seine Kenntnisse im Griechischen. Und mit dem Ende des ersten Semesters ging auch das zu Ende. Der Sohn setzte noch einmal zum Sturm auf das harte Herz seines Vaters an. Der Sturm mißlang; der Befehl, Theologie zu studieren, wurde nicht zurückgenommen. Eine dauernde Entfremdung zwischen Vater und Sohn war die Folge. Naturgewollter Kampf der Generationen, hier nur verschärft durch die ungeheure Zeitenwende: Der Vater war ein Kind des absolutistischen 18. Jahrhunderts, der Sohn ein Kind des liberalen 19. Der Sohn hatte sich gewunden und gebeugt, solange er unmündig war, herangereift setzte er dem Willen den Willen entgegen und einen Willen, der zum ersten zeigte, daß er der Sohn seines Vaters war, und zum anderen, daß die harte Iugenderfahrung ihn gehärtet und die Ueberwindung der Schwierigkeiten sein Selbstbewußtsein erhöht hatten. Er kehrte nach Halle zurück und studierte Mathematik und Physik; der Vater entzog ihm jede Unterstützung.

So setzte denn Carl Fischer seinen Weg alleine sort und hatte bald eine gehörige Strecke unter seine weitausholenden Schritte genommen. Eine Preisausgabe wurde behandelt und erfuhr lobende Erwähnung; beim großen Physiker Schweigger wurde er Assistent. In diesem fand er den zweiten väterlichen Freund, der ihm manches Hindernis beiseite schaffte und ihm schließlich zur Habilitation riet. Fischer war auf dem Wege zum Universitätsprofessor. Er hatte promoviert; in Jena, wo er sich als Privatdozent niederlassen sollte, hatte ihm Schweiggers Fürsprache alle Türen geöffnet, und Goethe als Kurator der Universität stellte ihm, nach einer persönlichen Aussprache in Weimar, alle physikalischen Apparate der Universität zu beliebigem Gebrauch zur Verfügung. Alles ließ sich aufs beste an, Jena schien für Fischer Lebensschicksal zu werden, es wurde nur belanglose Episode.

Carl Fischer
Erster Direktor der Anstalt

In Jena wohnte nämlich ein Oheim Fischers, der akademische Rentamtmann Lange mit Weib und Kind. Dieses Kind aber war eine Tochter, in die sich der gefühlvolle und unerfahrene Portenser Alumnus, als er vor Jahren während einiger kurzer Ferientage den Oheim besuchte, verliebte. Durch einen Brief, an die Schwester daheim gerichtet, kam zwar die Iugendliebelei dem Vater zur Kenntnis, und dieser verbot sogleich jeden weiteren Besuch in Jena. Doch wenn nun auch die Besuche unterblieben, die Neigung blieb dennoch. And seine Liebe wurde erwidert, umso mehr als sich allgemach des jungen Magisters Lebensweg zu ebnen begann. Vater und Mutter Lange aber hatten ein Wohlgefallen an allem, förderten nach Kräften das Spiel zum Ernst und luden den zur Habilitation Bereiten ein, ihr Haus als seines zu betrachten. Doch unterdes war aus dem Schüler der Pforta, in dessen Welt die Welt des Weibes nur durch alte und neue Poeten ahnungsvoll, doch wesenlos hineingedämmert hatte, ein Hallenser Doktor geworden, der nicht nur hinter seinen Büchern gesessen oder mit dem Vater die Klinge gekreuzt hatte. Aus dem unerfahrenen Jüngling war ein erfahrener Mann geworden, und was dem Jüngling als Rosenknospen erschienen, trat vor den Mann als aufgeblühte Blume, aber als Gänseblume. Den Gewissenhaften kostete es einigen Kampf, doch er sah die Verträglichkeit der lebenslangen Fessel. Sein an den Oheim gerichteter Brief klärte die Lage, aber nicht nur zwischen Mann und Weib, sondern auch zwischen Studiosus und Beruf. Weiterer Aufenthalt in Jena war unmöglich geworden. Wie ein deus ex machina, kam die Aufforderung des Provinzial-Schulkollegiums zu Magdeburg, sich beim Gymnasium zu Erfurt als Lehrer zu melden. Jena, Professur, Jugendliebelei blieben zurück; im Juli 1827 traf Fischer in Erfurt ein, seit November amtierte er am dortigen Gymnasium und lernte in der Erfurter Gesellschaft seine spätere Gattin, die Tochter eines Pfarrers, Friederike Auguste Oertel, kennen. Ein Jahr später wurde er zum Kollaborator und Mathematikus an das Gymnasium zu Nordhausen berufen. Sein Leben hatte die entscheidende Wendung genommen.

  1. Der Vater hieß Karl Christian Siegesmund Fischer und war der Sohn von Christian Adolf Fischer, Bürgermeister in Erfurt. Seine Gemahlin, also die Mutter, war Charlotte Wilhelmine Lang, Tochter des Pastors Lang in Urleben. — Auszug aus dem Kirchenbuch von Klettstedt. — Nachweis durch Herrn C. Stade, Nordhausen.
  2. Vergl. zur Geschichte der Methodik des Lateinunterrichts in Nordhausen: Silberborth, Geschichte des Nordhäuser Gymnasiums, 1923, 25 f. Walther, Der lat. Unterricht bis zur Mitte des 18. Jahrh, am Gymnasium zu Nordhausen in: Festschrift zur Vierhundertjahrfeier des Gymnasiums zu Nordhausen, 1924, 12 ff.
  3. In Nordhausen wohnte in jenen Tagen der Privatgelehrte Friedr. Wilh. Ehrhardt, der ein ähnlich beschauliches Dasein wie Kirsten führte und von einer Lebensrente zehrte, die ihm die Familie von Bethmann in Frankfurt, in der er Hauslehrer gewesen war, ausgeworfen hatte. — Der Fabrikant und spätere Rentner Herm. Arnold in Nordhausen ließ seinem Lehrer, dem Prof. Kützing, ein Denkmal setzen. — Dieses uns so ferne 19. Jahrhundert war doch eine merkwürdige Zeit mit einem uns nicht mehr verständlichen Gefühlsleben!
  4. Nach einer Portenser Mitteilung.