Nordhausen im Dreißigjährigen Kriege

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Textdaten
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Autor: Hans Silberborth
Titel: Nordhausen im Dreißigjährigen Kriege
Untertitel:
aus: Geschichte der freien Reichsstadt Nordhausen
Herausgeber: Magistrat
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Magistrat der Stadt Nordhausen
Drucker:
Erscheinungsort:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Abschnitt 4,
Kapitel 12
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Kapitel 12.
Nordhausen im Dreißigjährigen Kriege.


Dem Katholizismus hatte die Reformation ein böses Erwachen aus angenehmem Traum gebracht. Eine rechte Verstörung war zunächst über ihn gekommen und ein hilfloses Staunen, als sich sogar treue Anhänger wie Heinrich VIII. von England von Rom lossagten und eine Landeskirche organisierten. Dann aber hatte sich die Kirche, in wahrstem Sinne eine ecclesia militans, aufgerafft und war erst zu herzhaftem Widerstande, dann zu siegesgewissem Angriffe übergegangen. Männer, denen, gestützt auf eine jahrhundertelange Tradition, das tiefste Wesen des Katholizismus und die verborgensten Winkel des menschlichen Herzens bekannt waren, hatten eine wirkliche Erneuerung an Haupt und Gliedern vorgenommen, und nun konnte die geeinte und gestärkte Römische Kirche ins Feld ziehen. Das Tridentiner Konzil hatte die Erneuerung gebracht, die Kompanie Jesu stellte die Vorkämpfer im Streit.

Seitdem mit dem Tode Maximilians II. in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts ein den Protestanten freundlich gesinnter Kaiser dahingegangen war, befand sich der Katholizismus in Deutschland überall im Vordringen. Diesem Ansturm waren die Evangelischen in keiner Weise gewachsen; denn greulichste Uneinigkeit herrschte in ihren Reihen. Die Lutherischen befehdeten die Calvinisten genau so wie die Katholiken, unter sich wiederum waren sie uneins, in Glaubensdingen die anmaßenden Theologen, auf dem Gebiete der Politik die selbstsüchtigen Fürsten. Der Protestantismus bot ein jämmerliches und schmachvolles Bild; Luther war zu früh erstanden, die Menschen waren noch nicht reif genug für ihn. Erst die drohendsten Anzeichen veranlaßten einige kleinere evangelische Staaten, sich im Jahre 1608 zur Union zusammenzuschließen; doch die bedeutendsten, Kursachsen und Kurbrandenburg, hielten sich eigennützig dem Bunde fern. Mit sehnsüchtigen Augen schaute man nach französischer Hilfe aus; wahrlich auch kein erhebendes Schauspiel, deutsche Fürsten und Städte, die der eigenen Stärke mißtrauten, um die Gunst des französischen Königs Heinrich IV. buhlen zu sehen.

Auch Nordhausen ward in dieses schändliche Treiben verstrickt. 1591 ließ es sich herbei, auf den Vorschlag Sachsens Heinrich IV. 4000 Gulden zu 5 % zu leihen. Das Geld sollte nach drei Jahren zurückgezahlt werden; nach 21 Jahren, einige Jahre nach Heinrichs Tode, hatte man noch keinen roten Heller wieder. Erst dann gelang es den Bestechungskünsten einiger deutscher Bankiers, unter denen ein Erfurter namens Johann Mohr Bedeutendes in der Bestechung einflußreicher französischer Hofleute geleistet zu haben scheint, wenigstens einen Teil des vorgestreckten Geldes zu retten. Nordhausen erhielt 2500 Gulden zurück, alles andere war für Spesen und für Aufmerksamkeiten an französische Adlige draufgegangen. Erfurt und Mühlhausen waren ähnlich geschädigt worden wie Nordhausen. Jedenfalls war die Hilfe eines solchen auswärtigen Bundesgenossen von mehr als zweifelhaftem Werte.[1]

Unterdessen mehrten sich die Anzeichen auch für Nordhausen, daß der Protestantismus bedroht wurde. Die freien Reichsstädte waren fast sämtlich der neuen Lehre gewonnen worden; doch nun, im Zeichen des wiedererstarkenden Katholizismus, versuchte ihr Herr, der katholische Kaiser, einen Druck auf sie auszuüben, um die Widerspenstigen zu zähmen. Mehrfach waren ihnen ihre Privilegien nicht bestätigt worden, wodurch z. B. 1614 die drei Städte in der Ortenau, Offenburg, Gegenbach und Zell, in arge Bedrängnis kamen. Die Reichsstädte traten deshalb in Ulm zur Beratung zusammen. Doch was halfen Beratungen, wenn keine Beschlüsse gefaßt wurden, und was halfen Beschlüsse, wenn jede Möglichkeit zu ihrer Durchführung fehlte! Nordhausen war übrigens 1614 in Ulm nicht vertreten, sondern hatte seine Stimme einer anderen Reichsstadt übertragen.

Möglich, daß das schwere Brandunglück vom Jahre 1612 Nordhausen von einer so weiten Reise abgehalten hatte; sicher, daß eine gewisse Teilnahmslosigkeit und Selbstgenügsamkeit zu dem Entschlüsse, nicht nach Ulm zu gehen, beitrugen. Immer wieder tritt uns diese Unlust bei Nordhausen entgegen, sich auf etwas einzulassen, was über Harzrand und Hainleite hinauslag.

Freilich mögen ernsthafte politische Erwägungen der Stadt Zurückhaltung auferlegt haben. Sie wollte es nicht mit dem Kaiser verderben. Sicher liegt dieser Grund bei der Antwort vor, welche Nordhausen in demselben Jahre 1614 dem Pfälzer Kurfürsten gab, der zu einem engeren Zusammenschluß der protestantischen Stände drängte. Nordhausen versagte sich auch da, und die Akten zeigen uns, welche Sorgen einen hochedlen Rat damals gedrückt haben: „hoc anno schreibet der Churfürst von Heydelberg an den Rat und invisieret sie auf den bevorstehenden Correspondenztag zur Union, darüber im Rat fleißig mit den Herrn Ältesten deliberieret. Letzlich aber in Ansehnung der Kaiserl. Dehortations- Schrift und dann, daß der Nieders. Kreyß sich in eigene Verfassung stellen wird, wird beschlossen, solchen Tag nicht zu beschicken, sondern mit einem Schreiben sich zu entschuldigen, jedoch mit dieser Anzeige, daß man sich dem Evangelischen Wesen im begebenen Falle nicht entziehen werde.“[2]

Bedrohliche Anzeichen nahenden Sturms waren genügend vorhanden; doch Nordhausen achtete ihrer nicht und wollte ihrer nicht achten. Unvorbereitet traf der große Religionskrieg die Stadt, als er im Jahre 1618 in Böhmen ausbrach und bald ganz Deutschland in Mitleidenschaft zog.

Es ist ja bekannt, welche furchtbaren Wunden der Dreißigjährige Krieg dem deutschen Vaterlande geschlagen hat. Truppenzüge und Schlachten, Einquartierungen und Kontributionen, Hungersnöte und Seuchen verschonten keine deutsche Landschaft. Unendliche materielle und moralische Güter kamen dem deutschen Volke damals in seiner Gesamtheit abhanden. Wenn wir aber bei dem Namen des großen deutschen Krieges an jene völlig zügellose Soldateska denken, die mit Peinigen und Vergewaltigen, mit Ausplündem und Morden über eine wehrlose Bevölkerung herfiel, so dürfen wir nicht gar zu stark verallgemeinern. Von diesen letzten und schlimmsten Äußerungen menschlichen Trieblebens wurde wohl das ganze flache Land heimgesucht, aber die Städte blieben doch meist von ihnen verschont, es sei denn, daß sie mit stürmender Hand genommen wurden wie Magdeburg.

So erlitt denn auch Nordhausen während des Dreißigjährigen Krieges des Ungemachs genug; was aber dieser Krieg für die Landbevölkerung bedeutete, hat es doch kaum je erfahren, und nur vier Jahre von den dreißig waren wirklich schwer erträgliche Kriegsjahre für die Stadt. –

Im Jahre 1617 waren 100 Jahre vergangen, seitdem die Hammerschläge von Wittenberg die Welt durchdröhnt und erweckt hatten. Nordhausen feierte das Ereignis als gut protestantische Stadt mit dankbarem Herzen in tiefstem Frieden. Dann begann der Krieg; doch in den ersten 6 Jahren, von 1618 bis 1625, schlug nur aus weiter Feme das Kriegsgeschrei in die stillen Auen und Berge Nordhausens herüber. Noch merkte die Stadt so gut wie nichts vom Kriege.

Zunächst stellte nur die erhöhte Kriegsbereitschaft des Niedersächsischen Kreises einige Anforderungen an Nordhausen. 30 Mann waren es, welche die Stadt für den Kreis aufbringen mußte. Natürlich waren es keine Bürgerssöhne, sondern Söldner, die im Jahre 1620 von Nordhausen über den Harz nach Norden wanderten. Sie scheinen rechte „Reichssoldaten“ der guten alten Zeit gewesen zu sein, schlecht bewaffnet, schlecht ausgebildet, von schlechter Haltung, von schlechtem Humor. So nimmt uns die Nachricht nicht wunder, daß diese Soldaten „vom Kreyß-Obrist-Lieutenant übel angesehen und von denen Offizieren schlecht accommodierret worden, daß sie Hunger und Kummer leiden müssen“.[3]

Als dann später der Krieg in die Pfalz getragen wurde und zu erwarten stand, daß die Kriegsfackel auch Norddeutschland in Brand setzen werde, sah der Niedersächsische Kreis ein, daß mit solchen Truppen der kriegsgewohnten Liga und ihrem schlachtenberühmten Anführer Tilly kein Widerstand geleistet werden könne. Der Kreis forderte deshalb die ihm angeschlossenen Mitglieder auf, Bürgerwehren zu bilden und gegebenenfalls ihm größere und gut ausgebildete Kontingente zur Verfügung zu stellen. So wurde denn in den Jahren 1622 und 1623 auch die Nordhäuser Bürgerschaft neu aufgeboten und, nachdem man aus den Bürgern Offiziere und Korporale ausgewählt hatte, einexerziert. Die Auswahl der wehrhaften Mannschaft trafen die Bürgermeister Johann Wilde und Jakob Hoffmann. 100 Mann gingen 1623 an die Weser und stießen dort zu den Truppen Niedersachsens. Um weiterhin alle waffenfähigen Männer zu seiner Verfügung zu haben, erließ der Kreis den Befehl, daß kein Kreiseingesessener in den Kriegsdienst eines anderen Herrn treten dürfe.

Doch alle diese Vorkehrungen, die mehr den Eindruck einer schönen Geste als den ernstlichen Wollens machen, ließen Nordhausen noch immer die Not, in welche das deutsche Vaterland gestürzt war, kaum ahnen. Die größte Beunruhigung für die Stadt in diesen Anfangsjahren des Krieges war durch keine Kriegshandlung, sondern durch eine recht anfechtbare Maßnahme des Rates selbst veranlaßt worden. Wie viele kleine Münzstätten, so hatte sich nämlich auch Nordhausen dazu verführen lassen, der tatsächlichen oder erst im Herannahen begriffenen Teuerung durch eine Münzverschlechterung zu begegnen.

Die Reichsstadt Nordhausen besaß ja, seitdem sie von Sachsen das Schulzenamt pfandweise erworben hatte, auch die Berechtigung, eigene Münzen zu schlagen. Dieses Rechtstand aber im allgemeinen nur Reichsständen mit eigenem Bergbau zu. Mehrfach hatten die Kaiser deshalb auch die Ausprägung von Nordhäuser Münzen verboten mit der Begründung, Nordhausen besitze keine eigenen Gruben. Jedenfalls empfahl sich eine Einschränkung der Münzstätten im Reiche, um wenigstens einigermaßen einen Überblick über die zahllosen Arten der im Umlauf befindlichen Geldmünzen zu behalten. Daher hatte auch noch 1549 Ferdinand I. im Auftrage Karls V. der Stadt die Prägung untersagt, und dabei blieb es bis zur Abdankung Karls im Jahre 1556, da ja, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, selbst die eifrigsten Bohrungen keine Erzgänge in der Stadtflur ergeben hatten. Erst nach dem Jahre 1556 wagte Nordhausen zu eigenem Münzschlag überzugehen. Seitdem kursieren bis zum Jahre 1686 in Deutschland auch Nordhäuser Münzen.

Die Ausmünzung geschah nicht durch die Stadt selbst, sondern in ihrem Auftrage durch einen Münzmeister, an den die Stadt die Münze verpachtete und der für diese Gerechtsame nicht unbedeutende Pachtsummen abführen mußte, 1615 z. B. 325 Gulden. Feingehalt und Gewicht der Münzen wurden dem Münzer vorgeschrieben; 8 Taler sollten 15 Loth 3 Gramm wiegen. Ein Ratsherr führte im Auftrage der Stadt über die Münze die Aufsicht und war für die einwandfreie Ausprägung verantwortlich. Der Münzmeister sowohl wie dieser Ratsherr wurden vom Niedersächsischen Kreise in Eid und Pflicht genommen.[4]

Noch im Jahre 1619 ließ der Rat schöne vollgültige Rheinische Goldgulden ausprägen. Dann aber begann er, die Praktiken anderer kleiner Münzstätten nachzuahmen und die Münze in, man ist versucht zu sagen, schamloser Weise zu verringern. Diese Zeit, in der unter Begünstigung durch den Krieg eine derartige Münzverschlechterung beliebt wurde, daß sie nur noch in unseren Tagen während der Inflationszeit übertroffen wurde, nennt man die Zeit der Kipper und Wipper, und man verstand unter diesen Fälschern Münzherm, die gutes Geld einschmelzen und geringwertiges dafür ausprägen ließen. Besonders in den Jahren 1619 bis 1623, gerade 300 Jahre vor der Inflationszeit, grassierte diese wirtschaftliche Seuche in Deutschland, nur mit dem Unterschied, daß dadurch in unseren Tagen die einzelnen ehrlichen Bürger, damals die unehrlichen Staaten selbst ihr Geld verloren.

Wir stehen nicht an, dem Rate zu Nordhausen und nicht, wie es bisher geschehen ist, dem Münzmeister Heinrich Peckenstein aus Goslar die Hauptschuld zuzuschieben. Dieser Peckenstein machte nämlich, nachdem der vorhergehende Münzmeister der Stadt namens Gruber verabschiedet worden war, am 14. März 1621 dem Rat das Anerbieten, statt der bisher üblichen 300 Gulden Pacht 6000 zu zahlen, und zwar allein für das Halbjahr von Ostern bis Michaelis 1621 und dann nochmals 6000 Gulden bis Walpurgis 1622. Solche Verpflichtung konnte er natürlich nur eingehen, wenn er die Münze in unerhörter Weise verschlechterte, und der Rat, der offiziell von diesen Fälschungen nichts wissen durfte, war sich selbstverständlich durchaus im klaren, auf welche Weise Peckenstein seine Pachtsumme herauszuschlagen beabsichtigte. Noch schlimmer wurde eigentlich der Betrug durch das heuchlerische Versprechen, das man sich von Peckenstein geben ließ, seine Schreckenberger – 5 Schreckenberger sind gleich 1 Gulden – und seine Groschen sollten den magdeburgischen, goslarschen, braunschweigischen, lüneburgischen und denen aller niedersächsischen Reichsstände gleich sein. Damit versuchte man sich nur dem Kreise gegenüber zu decken und konnte in rechter Gaunerweise nachher darauf verweisen, daß man ja den Münzmeister ordnungsgemäß auf die Münzordnung des Kreises verpflichtet habe.

So münzte denn Peckenstein eine Zeit lang aus Kupfer und Blei gar treffliche Silbermünzen. Doch bald wurde die Einwohnerschaft unruhig. Die Bauern draußen wollten entweder gar keine Nordhäuser Münzen mehr in Zahlung nehmen oder verlangten für ihre Waren enorme Preise in Nordhäuser Gelde. Schließlich stockte in der Stadt selbst der Verkehr, die Zahlungsmittel wurden knapp, weil die Geschäftsleute nur für fremde Münzen und nicht für einheimische ihre Waren abgeben wollten. Unnachsichtig und voller Unverstand beharrte aber der Rat auf seinem verbrecherischen Treiben. Am 30. Oktober 1621 gab er bekannt, jeder Nordhäuser Bürger habe Nordhäuser Münze anzunehmen, und als sich die Fleischer dennoch weigerten, das Fleisch, das sie auf dem Lande nur für gutes Geld bekommen hatten, für minderwertiges auf dem Markte feilzuhalten, schrieb der Rat einen freien Fleischverkauf für jedermann aus.

In diesem Augenblick griff nun aber das Reich ein; der Rat erhielt am 11. Mai 1622 eine Vorladung vor das Reichsgericht in Speyer. Nun erst brannte ihm das Feuer auf den Nägeln, er nahm einen Juristen namens Georg Kraft in Speyer als Rechtsbeistand an und zahlte ihm für seine Dienste jährlich 16 Gulden, wahrscheinlich in guter und nicht in Nordhäuser Münze. Der Rat selbst aber suchte sich in Speyer dadurch zu rechtfertigen, daß nicht er, sondern Heinrich Pekkenstein die Schuld an der Falschmünzerei trage. Dieser habe alles ohne Einwilligung des Rates getan. Auf weiteren Druck von Speyer legte die Stadt auf das Peckensteinsche Münzgut und auf das Handwerkszeug des Münzmeisters ihre Hand, ihn selbst aber ließ sie unangefochten entkommen. Endlich wurde auch das Plätzer- oder Prätzergeld, wie es hieß, weil es „prahlte“ und doch nicht hielt, was es dem Aussehen nach versprach, aus dem Umlauf gezogen.

Natürlich war durch diese Falschmünzerei eine Teuerung entstanden, denn die Schreckenberger, die 4 Groschen gelten sollten, von denen also 5 auf einen Gulden und 6 auf einen Taler kommen mußten, waren schließlich nur noch 4 Pfennig wert. Da nimmt es kein Wunder, wenn das Pfund Butter damals einen Taler, ein Ei einen Groschen und ein Hering vier Groschen kostete. Am meisten Einbuße aber erlitt die städtische Kämmerei, die natürlich auch die Steuer in geringwertiger Münze annehmen mußte und nun gezwungen war, das falsche Geld aus dem Verkehr zu ziehen und durch vollgültiges zu ersetzen. Die jährlichen Einnahmen der Kämmerei betrugen in jener Zeit 12.132 Taler 15 Groschen; die Stadt aber hatte einen Verlust, der diese jährlichen Einnahmen um ein Vielfaches überstieg.[5]

Das ganze Jahr 1623 ging noch mit der Liquidierung hin, und erst 1624 traten wieder einigermaßen normale Zustände ein. Doch während des ganzen Dreißigjährigen Krieges münzte Nordhausen nicht mehr, sondern verpachtete erst 1660 wieder die Münze. Von den 8 Bürgermeistern, die in den Jahren 1621 und 1622 für diese Zustände verantwortlich waren, sind Liborius Pfeifer (1621), Johann Günther Wiegand und Jakob Hoffmann (1622) durch ihre städtische Politik bekannter geworden.

Bald danach aber gingen die kleineren Sorgen und Gaunereien in den größeren des Dreißigjährigen Krieges unter.

Im eigentlichen Deutschland widerstand im Jahre 1624 eigentlich nur noch der Niedersächsische Kreis, zu dem auch Nordhausen zählte, den Tillyschen Truppen. Und dieser Kreis konnte umso eher die Hoffnung hegen, dem ligistischen Ansturm standzuhalten, als sich König Christian IV. von Dänemark seiner annahm, der als Herzog von Holstein dem Kreise angehörte und jetzt in der Not zum Kreisobersten ernannt wurde. Auch das protestantische England und Holland boten Rückhalt, und so gelang es in der Tat, ein Heer aufzustellen, das dem Tillyschen an Zahl überlegen war. In diesem bedrohlichen Augenblicke stellte sich jedoch Albrecht von Wallenstein dem Kaiser zur Verfügung und verschaffte dadurch wieder den Katholiken das Übergewicht. Deshalb umbrandeten, noch ehe im Jahre 1626 die entscheidenden Schlachten an der Dessauer Elbbrücke und bei Lutter am Barenberge geschlagen waren, kaiserliche und ligistische Truppen das ganze Harzgebirge. Am furchtbarsten schlugen die Wogen über das Stift Halberstadt, die Sinekure der evangelischen Braunschweiger, herein; doch auch der Südharzrand blieb nicht verschont. Ende des Jahres 1625 lagen die Kriegsvölker in allen Ortschaften der Grafschaft Honstein.

Nun begann auch Nordhausen den Krieg zu spüren. Es hatte sich zwar kostbare Schutzbriefe ausstellen lassen, von Wallenstein am 20. September 1625, vom sächsischen Kurfürsten Johann Georg am 24. November desselben Jahres und am 19. Februar 1626 vom Kaiser Ferdinand II. selbst. Dieser erlaubte auch den kaiserlichen Adler „zum sichtbaren Zeichen des Schutzes“ anzuschlagen. Aber recht bänglich mag den braven Bürgern doch zu Mute geworden sein, als die ersten Flüchtlinge von dem Lande in die Stadt strömten und davon erzählten, wie draußen die Soldaten hausten. Frauen und Kinder, die auf den Dörfern und Gütern jedem Mutwillen schutzlos preisgegeben waren, wurden von den Familienhäuptern in die Stadt gebracht. Adlige Damen, wohlhabende Bürgers- und Bauersfrauen suchten den Schutz der mit einer „salva guardia “ begnadeten Reichsstadt. Die Männer blieben, solange es irgend erträglich war, auf dem Lande, sahen nach dem Rechten, betrieben das Geschäft weiter und bestellten das Feld, holten auch wohl Weib und Kind heraus, wenn die Luft rein schien. Doch haben wir Berechtigung anzunehmen, daß unter den 8000 Bewohnern Nordhausen schon im Jahre 1626 1500-2000 Fremde waren. Da zeigte die alte Reichsstadt ein recht belebtes Bild, und nicht selten herrschte auch ein buntes Drunter und Drüber in den engen, ungepflasterten Straßen, in den Winkeln und an den Brunnen der Plätze, in den kleinen, leichtgebauten Häusern und unter den Tordurchfahrten. Viele Frauen und Kinder blieben jahrelang in der Stadt, mieteten sich ein und dankten es den Hausbesitzern, wenn sie um ihretwillen in den Zimmern zusammenrückten; doch viele weniger Wohlhabende gab es auch, die keine Unterkunft fanden oder die nur während der schlimmsten Zeit in der Stadt weilen konnten und dann wieder hinaus mußten, um ihren Männern zur. Seite zu stehen. So herrschte unter den Torbogen der Stadt und auf den gegen Nordhausen führenden Straßen ein immerwährendes Kommen und Gehen, bald strebten die angstverzerrten Gesichter der Flüchtenden den rettenden Mauern zu, bald strömten die Mengen voll Hoffen und Bangen zurück in die Heimat.

Im Laufe des Krieges und mit der zunehmenden Zuchtlosigkeit der Soldaten vergrößerte sich die Zahl der hin- und herfließenden Menschen immer mehr. Dazu kam, daß die Flüchtenden nicht nur das Bestreben hatten, wenige Wertsachen, die man in der Stadt zu treuen Händen abgeben konnte, mitzubringen, sondern auch alle möglichen Gebrauchsgegenstände, um Möbel, Betten, Küchengeräte vor der Zerstörungswut der Soldaten zu retten. Da kamen dann hochbeladene Wagen und Karren dahergefahren, flüchtende Männer, weinende Frauen, schreiende Kinder liefen nebenher und waren glücklich, wenn sie den Nordhäuser Mauerring erreicht hatten, waren glücklich, wenn sie ihre Habseligkeiten auf irgend einem Speicher oder Boden untergestellt hatten, waren glücklich, wenn sie sich unter einem Schwibbogen oder in den rauchgeschwärzten Mauerresten eines vom Brande des Jahres 1612 noch verlassen stehenden Hauses niederlassen konnten.

Wenn die gemächlich lebenden Nordhäuser dieses Flüchtlingselend sahen, mag sie die Furcht recht geschüttelt haben bei dem Gedanken, das wilde Heer der Tillyschen oder Wallensteiner könnte auch über die unbewehrte Stadt hereinbrechen. Zweimal drohte Einquartierung im Jahre 1626, zweimal konnte sie durch je 6000 Taler abgewendet werden, eine Kontributionssumme also, die dem Ertrage einer ganzen Jahressteuer ruhiger Zeiten gleichkam. Doch konnte Nordhausen mit diesem Schicksal recht zufrieden sein, und wenn die kaiserlichen Soldaten, welche die benachbarten Dörfer der Grafschaft Honstein, weil sie im Lehnsverhältnis zu dem verhaßten Bistum Halberstadt stand, rein ausplünderten, dabei auch in mehrere Nordhäuser Mühlen einfielen und ein paar Schafherden wegtrieben, dann durfte man von solchen kleinen Unfällen nicht weiter viel Wesens machen. Es war eben Krieg.

Ein viel furchtbarerer Feind als der Krieg war die Pest, die gleich im ersten Jahre, wo sich die fremden Heerscharen dem Südharze näherten, ausbrach und Nordhausen entsetzlich mitnahm. Denn war man schon in ruhigen Zeiten diesem Feinde gegenüber machtlos, so leisteten die durch den Krieg hereingebrochenen Verhältnisse der Ausbreitung der Seuche geradezu Vorschub. Unrat und Schmutz lagen mehr in den Straßen und wurden von dort mehr in die Häuser getragen als sonst. Das Wasser in den Flüssen und Brunnen war verdorben, die zusammengepferchten Menschen konnten sich nicht genügend sauber halten und übertrugen die Krankheit von einem zum andern. Die heiße Jahreszeit tat ein Übriges zur Verbreitung der Krankheit; die meisten Opfer erforderte der Juli. So raffte denn die Seuche 2/5 aller Einwohner dahin. Unter 3283 an der Pest Gestorbenen überhaupt waren 2404 Einheimische und 879 Fremde. Von den 12 Bürgermeisterposten der 3 Ratsregimenter waren 11 Stellen besetzt; von diesen 11 Bürgermeistern starben 9, nur Johannes Wilde und Liborius Pfeifer blieben am Leben. Von den Geistlichen wurde die Hälfte hinweggerafft. Unter dem Rate wütete die Pest derart, daß man gezwungen war, eine neue Ratsverfassung zu beschließen, welche eine bedeutend geringere Zahl Ratsmitglieder aufwies als bisher.

Während aber in der Stadt die Pest wütete, wurde das Land immer mehr vom Kriege heimgesucht. Schon lange waren von Osten her Wallensteinsche Truppen hereingebrochen; seit im August 1626 Christian IV. von Dänemark und der Niedersächsische Kreis von Tilly bei Lutter geschlagen worden waren, tauchten aber von Norden her, über den Harz hinfort, und von Westen her ligistische Scharen am Südrand des Harzes auf. Da litten die Landschaften des Harzes und die am Fuß des Gebirges unter der Last der beiden Heere unsäglich. Besonders die kleinen Bauern, die Handwerker in den Dörfern, die armen Köhler und Holzfäller im Harze, alle, die keine Möglichkeit hatten, sich, die ihrigen und ihre geringe Habe in die Stadt zu retten, büßten häufig ihr Letztes ein. Der erste Haufe Soldaten mochte sich noch mit der Plünderung begnügen, der nächste aber, der nichts mehr fand, drangsalierte schon die Bewohner, und der dritte steckte in Brand und mordete.

Da verwilderten die Bauern, die heimatlos geworden waren und die Vergewal tigung und Mord gesehen und sich an Gräßliches gewöhnt hatten, gar schnell, wurden verwegene Gesellen und schlossen sich zu Bauemscharen zusammen, die zunächst Rache an den Soldaten zu nehmen suchten, bald aber mit Wegelagerei und Plünderung Freund und Feind heimsuchten. Das waren die sogenannten Harzschützen.

Besonders gefährlich wurden diese selbst den in Verbänden auftretenden Truppenteilen dadurch, daß dänische Offiziere aus der Armee Christians IV. sie organisierten und im Harzwalde den Kleinkrieg gegen die siegreichen Tillyschen Truppen eröffneten. Von diesen wilden Scharmützeln, Überfällen und Plünderungen wurde besonders der Oberharz und die Gegend von Harzburg betroffen, doch auch in unserer Gegend, um Walkenried und Stolberg herum, bildeten sich die Banden. Was dabei für Nordhausen gefährlich werden konnte, war das Verhältnis, das einige Nordhäuser Bürger zu den Banden eingegangen waren. Offenbar glaubten ein paar arme Teufel durch Anschluß an jene Freischaren von der Beute etwas erhaschen und dadurch ihr erbärmliches Leben fristen zu können. Aber auch der Rat scheint wenigstens anfangs das Treiben dieser Freischaren begünstigt zu haben, um die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. Die Bauern führten nämlich Vieh fort, wo sie nur ein Stück oder eine Herde erhaschen konnten, und suchten es in den Städten am Harzrande loszuschlagen. Auf solche Art auf den Markt getriebenes Vieh scheint auch der Nordhäuser Rat aufgekauft und dabei nicht erst nach der Herkunft gefragt zu haben. Jedenfalls erhob Oberst David Becker in Halberstadt im Frühjahr des Jahres 1627 beim Nordhäuser Rate Vorstellungen deshalb, weil bei einer Streife, bei der eine Anzahl „Rebellen“ gefangen genommen worden waren, verschiedene Gefangene bekannt hatten, sie seien von Nordhausen geworben worden, unter den Harzschützen dienten mehr als 20 Nordhäuser, geraubtes Vieh werde nach Nordhausen getrieben und dort durch den Rat verkauft.

Als auf diese Weise an den Tag gekommen war, daß die Stadt dem Treiben Vorschub leiste und Repressalien in Aussicht standen, hielt es der Rat doch für gut, am 21. Mai 1627 ein Dekret an den Toren anschlagen zu lassen, daß niemand verdächtige Personen mit Gewehren einlassen oder beherbergen dürfe, ein Erlaß, der am 5. Juli erneut eingeschärft wurde. Doch fanden die Harzschützen in Nordhausen auch weiterhin Zuflucht, so daß im Juli von allen Seiten Proteste und Anklagen erfolgten. Am 23. Juli warnte Herzog Christian von Braunschweig, am 25. Juli drohte der sächsische Oberst Christian Vizthum zu Eckstädt, und am 27. Juli kam sogar vom Kaiser Ferdinand ein Befehl an die Stadt, die Harzschützen nicht zu unterstützen. Am bedrohlichsten ließ sich Vizthum vernehmen, der schrieb, Nordhausen möchte seine Pflicht ein wenig besser in acht nehmen und „nicht den Harzschützen und allem leichtfertigen Gesindel in der Stadt Raum und Aufenthalt geben, auch den Untertanen nicht alles in die Stadt zu schleifen vergönnen, dadurch die Soldaten entweder Hungers sterben oder ausreißen müssen, welches den Herrn (des Rates) vielleicht in kurzem schwer zu verantworten sein will, sollen dagegen die Schützen helfen selbst verfolgen, sie nicht vor den Toren bankettieren lassen.“

Um aber dem von vielen Seiten Vorschub geleisteten Kleinkriege Einhalt zu tun, blieb schließlich nichts anderes übrig, als einen Generalpardon zu erlassen für alle diejenigen Harzschützen, die sich freiwillig stellten und dann von ihren Streifereien Abstand nahmen. Am 5. August verkündete deshalb auch Nordhausen seinen Bürgern diesen Pardon, und manche kamen auch tatsächlich aufs Rathaus und versprachen Besserung. Am 28. August wurde der Rat angewiesen, die Schützen, die Gnade begehrt hatten, nach Lohra zu schicken, wo Hauptmann Hans Roßmann alle begnadigen wollte, „so Ihrer Kaiserlichen Majestät zu Füßen fielen“. Daraufhin traten dann auch 14 Nordhäuser den Weg nach Lohra an, und abgesehen davon, daß sie dort etwas ausgebeutelt wurden, scheint ihnen in der Tat nichts geschehen zu sein. Acht weitere wurden allerdings auf Antrag des Obersten Becker am 14. September nach Halberstadt gefangen abgeführt.

Damit verlor das Bandenwesen für Nordhausen seine Bedeutung. Der Rat, mit Recht bedenkliche Weiterungen fürchtend, ließ sich in späteren Jahren nicht mehr mit den Bauern ein. Als sie 1629, 1630 und 1631 nochmals am Südharze auftauchten und wiederum auch Nordhäuser ihnen Zuzug leisteten, ließ er schon im April 1629 drei Harzschützen gefangen setzen.[6]

Natürlich erwuchsen dem Rate aus der Nähe der kaiserlichen Heere auch sonst allerhand Unannehmlichkeiten. Besonders Offiziere, aber auch Soldaten kamen öfter in die Stadt und trieben dort Unfug. Schon 1626 hatten sie auf die Stadtwache in den Toren geschossen und sich ein Vergnügen daraus gemacht, hier und da einem arglosen Bürger in die Fensterscheiben zu knallen. In den Schenken trieben sie ein tolles Wesen, und auch hinter Mädchen und Frauen waren sie her. Der gesetzte Bürger nahm dieses Treiben als unabwendbar hin, doch die jungen Leute bekamen wohl Lust, mit dem einen oder anderen Offizier anzubinden, und mancher Soldat wurde dabei übel zugerichtet. Auch hier mußte der Rat eingreifen, um Unheil zu verhüten.

Das Jahr 1627 aber, das über das flache Land unsagbar Schweres gebracht hatte, sollte für unsere Gegenden noch mit einem traurigen Schauspiel enden. Als die Grafschaft Honstein so ausgesogen war, daß sie die neuerlich ausgeschriebenen Kontributionen nicht mehr aufbringen konnte, ließ Oberst Christian von Vizthum zu Eckstädt, wahrscheinlich sogar am Abend des 24. Dezember, in der Christnacht, das Schloß Honstein anzünden. So sank der herrlichste Zeuge mittelalterlicher Zeit, den die Harzberge aufzuweisen hatten, in Trümmer. Was nützte es, daß Graf Christoph von Stolberg, der Besitzer des Schlosses, sich beim Kaiser beschwerte und dieser dem Obersten auferlegte, auf seine Kosten die Burg wiederaufzubauen. Vizthum fiel in diesen wilden Zeiten bald im Duell, und noch heute schauen nur die kläglichen Trümmer des stolzen Baues auf die lachenden Auen und waldigen Berge herab.[7]

Mit einem anderen Vizthum zu Eckstädt, dem Obersten Damian Vizthum, Kaiserlichen Kommissar zu Erfurt, der die Einquartierungen und Kontributionen zu regeln hatte, sollte Nordhausen in den nächsten Jahren noch mehrfach schwierige Auseinandersetzungen haben.

Das Jahr 1628 lief noch glimpflich ab; Nordhausen zahlte nur 4000 Taler an Vizthum. Unangenehm spürte die Stadt im Jahre 1629 den Krieg. Als nämlich im Juli dieses Jahres einige in der Aue einquartierte Truppenteile herausgezogen und anderen Kriegsschauplätzen zugeführt wurden, suchte man, in der Erwartung, daß man auf dem Marsche die Löhnung von der Bevölkerung doch nicht erlangen könne, aus der Stadt die fällig werdenden Monatszahlungen für mehrere Kompanien herauszupressen, und als der Rat sich weigerte, erschienen 5 Schwadronen Reiter unter Oberleutnant Ewald von Podewils vor der Stadt, schlossen sie 14 Tage ein, stachen das Wasser von Zorge und Mühlgraben ab, vernichteten die Feldfrüchte und trieben 20 Stück Vieh hinweg. Auf diese Drangsalierung hin mußte der Rat wohl oder übel klein beigeben, und da in der städtischen Kämmerei kaum ein roter Heller war, blieb nichts anderes übrig, als 2500 Taler zu borgen. Unterdessen hatte sich die Lage der Protestanten auf das Bedrohlichste gestaltet. Ganz Deutschland lag dem Kaiser zu Füßen, und Ferdinand II. ging nun daran, durch das Restitutionsedikt das seit dem Passauer Vertrage entfremdete Kirchengut der katholischen Kirche zurückzugewinnen. So wurden denn Anstalten gemacht, auch in Nordhausen eingezogene geistliche Güter ihren früheren Herren zurückzuerstatten und seit 100 Jahren geschlossene Klöster wieder zu eröffnen. Schon zu Beginn des Jahres 1629 langten Mönche aus verschiedenen Orden und eine kaiserliche Kommission in den Mauern Nordhausens an. Vor allem war es darauf abgesehen, das noch bestehende, aber gänzlich heruntergekommene Domstift zu altem Glanze zu erwecken und das Augustinerkloster in der Neustadt wieder mit Mönchen zu besetzen. Doch auch die Abteien Walkenried und Ilfeld sollten wiederhergestellt und in ihre alten Besitztitel eingesetzt werden. Dem Domherrn Thomas Schotte wurde die Verwaltung Walkenrieds übertragen, bis ein neuer Abt ernannt war. Auch der Walkenrieder Hof sollte von neuem dem Kloster zufallen, doch leistete der Rat lange Widerstand und räumte den Hof erst im Jahre 1633. Noch unangenehmere Auseinandersetzungen erwuchsen der Stadt durch das Vorgehen des Abtes Berthold Niehus von Ilfeld, der am 8. Oktober 1629 alle Rechte zurückforderte, die Ilfeld an 8 Höfen Nordhausen gehabt hatte, auch das der Jurisdiktion und der Befreiung von Steuern. Der Rat antwortete auf diese Forderung zunächst gar nicht, wurde aber am 20. Februar 1630 gezwungen, die Rechtslage zu erörtern. Er gestand den Besitz jener Häuser dem Kloster zu, verteidigte jedoch hartnäckig seine Hoheitsrechte über die Liegenschaften innerhalb des Nordhäuser Stadtgebietes. Trotz dieser Bedrängnis ließ es sich die evangelische Stadt nicht nehmen, vom 25.-27. Juni 1630 mit aller Feierlichkeit das Jubelfest der Augsburgischen Konfession zu begehen. Das ist um so bemerkenswerter, als damals gerade der kaiserliche Kommissar Vizthum zu Eckstädt zum ersten Male eine wirkliche Einquartierung in die Stadt selber legte.

Seit Ende 1629 waren nämlich Tiefenbachsche Regimenter in Nordhausens Umgebung, besonders im Kloster Himmelgarten und in Stempeda, einquartiert. Nordhausen hatte zunächst nur drückende Heereslieferungen zu leisten, dann aber wurden die Truppen auf ein halbes Jahr in die Stadt selbst gelegt. Diese Einquartierung kostete, ganz abgesehen von kleineren Zahlungen, mehr als 32000 Taler, und da es der Stadt in ihrer bedrängten Lage darum zu tun war, möglichst viele steuerkräftige Bürger in ihren Mauern zu wissen, ließ sie sich sogar dazu herbei, einigen Juden den Aufenthalt in Nordhausen zu gestatten. Im übrigen scheinen sich die Tiefenbacher, meist deutsche Truppen und wohlverpflegt und deshalb gutartig, wie sie waren, nicht schlecht aufgeführt zu haben. Jedenfalls kamen Ausschreitungen und Übergriffe nicht vor, wie sie sich die Kroaten und Italiener erlaubt hatten, die in den Vorjahren in der Grafschaft einquartiert gewesen waren.

Damals war der Höhepunkt kaiserlicher Macht erreicht. Es wurde für ganz Deutschland, und es wurde für Nordhausen hohe Zeit, daß eine Wendung eintrat, wenn nicht dem Protestantismus schwerste Verluste zugefügt werden sollten. Diese Wendung trat ein, als der Fürstentag zu Regensburg den Kaiserlichen Generalissimus Wallenstein zur Abdankung zwang und Gustav Adolf in Pommern landete.

Nur langsam rückte der Schwedenkönig vor. Die Haltung Georg Wilhelms von Brandenburg und Johann Georgs von Sachsen zwangen ihn zur Vorsicht; denn wenngleich diese Fürsten durch das Restitutionsedikt gegen den Kaiser erbittert waren und gern seine Niederlage gewünscht hätten, so hinderte sie doch ihr Fürstenstolz, dem nordischen Eindringling zu huldigen. Dazu kam, daß wenigstens Johann Georg von Sachsen auch ohne Anschluß an Gustav Adolf glaubte, den Kaiser zur Nachgiebigkeit zwingen zu können, indem er mit dem Übertritt zu Schweden nur drohte. Er berief deshalb im Februar 1631 einen Konvent nach Leipzig hin, auf dem eine machtvolle Resolution für die Aufhebung des Restitutionsedikts gefaßt werden sollte. Auch Nordhausen war bei der Wichtigkeit der Tagung hier in Leipzig vertreten; die Bürgermeister Johann Wilde und Andreas Ernst sowie der Syndikus Paul Michaelis nahmen an dem Konvente teil. Doch konnte man sich zu keiner Tat aufraffen. Man bat in einem Schriftstücke den Kaiser nur um Aufhebung des Edikts und Zurückziehung der Truppen aus Mitteldeutschland, drohte aber nicht mit dem Anschluß an Schweden, sondern erklärte sich neutral. Erst der Fall Magdeburgs am 20. Mai 1631 und neue Bedrückung der Protestanten führten den Anschluß Sachsens an Schweden herbei, und nun schlug die Stunde der Befreiung, zwar nicht von den Lasten des Krieges, aber doch von der Bedrohung des evangelischen Glaubens.

Noch bis in den August hinein lagerten Tillysche Truppen in Thüringen. Monatelang mußte Nordhausen für sie nach Mühlhausen und Frankenhausen hin täglich 1000 Pfund Brot liefern, während des Juli sogar 3000 Pfund, ja, Tilly legte wiederum eine Kompanie Soldaten in die Stadt und drohte mit schärferen Maßnahmen, weil die Stadt am Leipziger Konvente teilgenommen hatte. Nur die Versicherung, Nordhausen habe sich von der Teilnahme am Leipziger Konvent zurückgezogen, scheint Tilly zur Milde gestimmt zu haben.

Da wurde er am 7. September bei Breitenfeld geschlagen; Mitteldeutschland war befreit. Am 24. September forderten zum ersten Male die Schweden nach Erfurt hin 2000 Pfund Brot, 278 Eimer Bier und 48 Scheffel Hafer an. Sie wurden dankbar geliefert, und dankbar beging die Stadt ein Siegesfest zu Ehren des Siegers von Breitenfeld.

Nun hatte Nordhausen jahrelang in erster Linie mit den Schweden zu tun. Diese waren bei weitem nicht so zuchtlos und anmaßend wie die italienischen, kroatischen oder wallonischen Hilfsvölker des Kaisers, quälten und drückten auch nie mit solchem Raffinement und mit solcher Lust an der Grausamkeit die Einwohner wie die Truppen aus den südlichen und westlichen Grenzgebieten Deutschlands, aber schwere Kontributionen verlangten auch sie, und zu Plünderungen und Gewalttaten schritten sie auch, wenn die Bevölkerung durch vorangegangene Heereszüge ausgesogen war und nichts mehr hergeben wollte oder konnte. Das brachte die ganze Art damaliger Kriegsführung mit sich, die den Wallensteinschen Grundsatz anerkannt hatte, daß die Landschaft, in der ein Heer lagert, dasselbe auch zu verpflegen und zu besolden hatte. Auch muß man bedenken, daß wenigstens die deutschen Truppen des Kaisers oder des Kurfürsten von Sachsen in der deutschen Bevölkerung immerhin Stammverwandte sahen und daß sie nicht selten zu Verhandlungen mit den vom Kriege heimgesuchten Gegenden bereit waren, weil ihre rückwärtigen Verbindungen kaum bedroht waren und sie sich deshalb Zeit nehmen konnten. Demgegenüber waren die Schweden, auch schon unter Gustav Adolf, viel entschiedener und barscher und mußten es sein, weil sie Fremdlinge auf deutschem Boden waren, denen daran lag, daß sich die Bevölkerung schnell erklärte, ob sie sich freundlich oder feindlich zu ihnen stellen wollte. Daß sie schließlich das Eigentum der Katholiken als gute Beute ansahen und ihnen auch Menschenleben nicht viel galten, brachte die ganze leidenschaftliche Art mit sich, in der sich Auseinandersetzungen über Weltanschauungsfragen nun einmal abzuspielen pflegen.

Nordhausen war den Schweden als Reichsstadt von vornherein verdächtig. Es mochten ja gute Protestanten in der Stadt sein, aber das unentschiedene Schwanken der Stadt zwischen ihrem Herrn, dem Kaiser, und ihren evangelischen Glaubensbrüdem war den Schweden verhaßt. Sie wußten natürlich auch, daß Nordhausen Tilly gegenüber die Teilnahme am Leipziger Konvent im Jahre 1631 verleugnet hatte, um von ihm glimpflich behandelt zu werden. Dazu kam, daß Nordhausen kein Mittel verschmähte, um sich von den Lasten des Krieges zu drücken, ganz gleich, ob katholische oder protestantische Truppen Forderungen an die Stadt stellten. Gleich beim Erscheinen der Schweden in Mitteldeutschland, Ende des Jahres 1631 und Anfang 1632, nahm Nordhausen deshalb seine Doppelstellung zwischen Ober- und Niedersachsen wahr und machte Ausflüchte über Ausflüchte. In der Tat gehörte ja die Stadt zum Niedersächsischen Kreise und hatte bisher auch immer die von diesem ihr auferlegten Verpflichtungen übernommen. Anfang 1632 wurden aber größere Teile dieses Kreises nördlich des Harzes noch von Pappenheim gehalten, und so erging die Aufforderung an Nordhausen, in Erfurt gemeinsam mit Obersachsen über die Verproviantierung des schwedischen Heeres und seine Sicherstellung im Herzen Deutschlands zu verhandeln. Der Rat schickte auch im April Abgesandte nach Erfurt, die an der Tagung der obersächsischen Kreisstände teilnahmen. Doch diese weigerten sich, Heereslieferungen für die Schweden mitzuübemehmen und lehnten auch die Hilfeleistung bei dem Ausbau der Erfurter Befestigungswerke ab, welche die Schweden instandsetzen wollten, um an Erfurt eine Stütze für ihre rückwärtigen Verbindungen zu haben, alles unter dem Hinweis, sie gehörten dem Niedersächsischen Kreise an und müßten dorthin liefern und leisten.

Mit derlei Meinungsverschiedenheiten und Unlust zur Hilfe hatten die Schweden in Erfurt noch mehrfach zu kämpfen. Die erste Versammlung verlief deshalb auch ohne Ergebnis, so daß der schwedische Geheimrat Graf Alexander Eßke sie nach 14 Tagen nochmals einberufen mußte. Länger konnte er bei der gefahrvollen Lage nicht warten. Auf dieser zweiten Tagung erschien Nordhausen aber überhaupt nicht, was ihm naturgemäß verargt wurde; und noch mißtrauischer mußte es die Schweden machen, daß zu derselben Zeit die Stadt mit Pappenheim, der 2000 Mann in die Stadt legen wollte, freundschaftlich verhandelte.

So kann es nicht wunder nehmen, daß gleich die erste Begrüßung zwischen den Schweden und der Stadt in etwas unhöflichen Formen vor sich ging. Am 2. März 1632 erschien der schwedische Oberst von Wedel mit 800 Reitern vor der Stadt und begehrte Einlaß. Wenn Nordhausen der Aufforderung sogleich gefolgt wäre und die Schweden aufgenommen hätte, wäre ihm wahrscheinlich, abgesehen davon, daß es um einige 1000 Taler leichter geworden wäre, nichts weiter geschehen. Doch Nordhausen wollte verhandeln, wollte Wedel und seine Reiter auf Quartiere in den Dörfern verweisen und sie mit Proviant und einigem Gelde abspeisen. Da machte der Oberst nun freilich kurzen Prozeß, er ließ die Stadttore aufbrechen, legte seine frierenden Reiter in die warmen Quartiere und scheint auch nichts dagegen gehabt zu haben, daß sie auftauten und den Bürgern manchen Possen spielten. Die Bürger wurden je nach ihrer Wohlhabenheit um 5-30 Taler Kontribution geschädigt, einige Häuser wurden auch geplündert und die sich widersetzenden Bewohner mißhandelt. Am übelsten erging es den katholischen Stiftsherrn im Dom. Ihre Habe wurde als gute Beute angesehen, selbst die Domkirche wurde ausgeraubt. Doch nach drei Tagen schon, am 5. März, zog der ungebetene und grobe Gast davon.

Wenn die Stadt nicht bald darauf, wie soeben erwähnt, in freundschaftlicher Weise mit General Pappenheim unterhandelt und ihn auch mit 400 Talern zu unterstützen willens gewesen wäre, hätten sich auch die Schweden, deren Hauptmacht schon in Baiern stand, wohl mit den Subsidien, die nach Erfurt abzuführen waren, begnügt. So aber fürchtete man bei der unsicheren Haltung Nord hausens fortwährend, die Kaiserlichen könnten sich dort festsetzen und die von Erfurt nach Nordhausen führende Rückzugslinie bedrohen. Schwedische Streifen gelangten deshalb öfter in die an und für sich militärisch nicht allzu wichtige Gegend. Eine von ihnen, 300 Mann stark und von General Wrangel geführt, drang auch am 19. Juli 1632 unvermutet in die Stadt ein und ließ sie den Groll der Schweden recht unangenehm fühlen. 2792 Taler an barem Gelde kostete die Stadt der Aufenthalt der Schweden vom 19. Juli bis 6. August, ganz abgesehen von mancherlei Unbilden, welche sie zu ertragen hatte, „wobei viel Exzesse verübt worden, besonders aber das Stift St. Crucis noch völlig ruiniert worden und derer Domherrn Häuser geplündert. Dieser General fänget Tumulte an, wurde aber gestillet durch den Aufstand der Bürger, dabei Jakob Michel, ein Schneider, erschossen wird.“ 2 Bürger und ein Mädchen wurden schwer mißhandelt, ein auf Wache stehender Bürger wurde gar erschossen. Wrangel selbst ritt mit 12 Reitern vor die Tür des regierenden Bürgermeisters und drohte ihn niederzuschießen. Nachtwächter wurden von den Straßen verjagt. Die weimarischen Kommissare steuerten dem Unfuge nicht, ja der Kommissar schlug selbst eine Ratsperson auf offenem Markte und sagte, „dem Könige von Schweden läge nichts daran, wenn ein solches Rattennest zu Grunde ginge“.

Diese bitteren Erfahrungen machten dem Nordhäuser Rate nun doch die Notwendigkeit einer eindeutigen Stellungnahme klar, und diese konnte nach Lage der Dinge nur in einer rückhaltlosen Unterstützung Schwedens bestehen. So beschloß Nordhausen, die neuen Besprechungen, die in Erfurt wegen der Kriegshilfe gepflogen wurden, zu beschicken, und auf den beiden Zusammenkünften vom 4. und 16. Oktober war auch Nordhausen vertreten. Es handelte sich darum, die Lasten zu verteilen, welche die ganze schwedische Armee verursachte, die nacli dem Mißerfolg vor dem Nürnberger Lager Wallensteins aus Süddeutschland wieder nach Mitteldeutschland zurückgegangen war. Nordhausen weigerte sich auch bei diesen Verhandlungen wieder, Geld und Lebensmittel zur Verfügung zu stellen mit dem Hinweis auf die schweren Kontributionen, die es schon auferlegt bekommen habe. Doch mußte es, in einem stillen Winkel gelegen und deshalb recht geeignet zur Aufnahme eines Lazaretts, an Verwundeten 1 Hauptmann, 2 Leutnants, 12 Unteroffiziere und 90 Mann in Quartier nehmen.

Recht lehrreich ist ein Blick, den man an Hand der Verpflegungsvorschriften für die unterzubringenden Soldaten in die Lebenshaltung damaliger Zeit tun kann. Ein Oberst sollte nämlich für sich und sein Gesinde täglich 2 Mahlzeiten, je zu 12 Gerichten erhalten, ferner 10 Pfund Brot, 10 Maß Wein oder 20 Maß Bier; ein Oberstleutnant konnte 8 Gerichte zu jeder Mahlzeit, ein Kapitän oder Hauptmann 6, ein Leutnant und Fähnrich 4, ein Unteroffizier 3, ein Korporal oder Spielmann 2 Gerichte beanspruchen. Ein Gemeiner bekam 2 Pfund Brot und 1 Maß Wein.

Diese Verpflegungssätze sind noch recht anspruchslos gegenüber anderen in jener Zeit üblichen. So begehrte z. B. im Jahre 1627 der schon oben erwähnte Christian von Vizthum wöchentlich für seine Küche 1 Korb Rosinen, große und kleine, 2 Hüte besten Zuckers, 6 Pfund Mandeln, 2 Pfund Ingber, 1 Pfund Pfeffer, ½ Pfund Nelken, ¼ Pfund Safran, 1 Pfund Zimt, 1 Pfund Muskat, ¼ Pfund Muskatnüsse, 1 Schock Zitronen, 3 Pfund Parmesan-Käse, 4 Fäßchen rote Rüben, 1 Fäßchen Gurken und Kapern, 1 Fäßchen Oliven, 1 Fäßchen Limonen- und Pomeranzen-Schalen, also zunächst offenbar vor allem Materialien, um bessere und scharfe Getränke und Würzweine herzustellen. Dazu für den verwöhnten Gaumen: 1 Fäßchen eingemachten Ingber, ½ geräucherten Lachs, ½ grünen Lachs, 20 Pfund Stockfische – diese wahrscheinlich für das Gefolge –, 8 Pfund geräucherten Aal, 6 Pfund dürre Forellen – wir nehmen an für den Herrn Oberstleutnant selbst –, ¼ Zentner Ungarische Pflaumen, 5 Pfund Rieß, 4 Pfund Hirse nebst der nötigen Milch, 60 Pfund Butter und 4 Schock Käse, ½ wohlgemästetes Rind, 3 Kälber, 4 Lämmer, 8 Hühner, soviel grüne Fische, als man wöchentlich bedarf – ein ansehnlicher Appetit, den der Herr Oberstleutnant und sein Gefolge entwickelten –, 2 Faß Bier, 1 Faß Broihan, 1 Eimer besten rheinischen Weins – was wir für die durstige Kehle der Soldaten nicht zu viel finden –, 1 Stein (20 Pfund) Lichte – unbedingt nötig beim nächtlichen Pokulieren –, 1 Scheffel Salz, 12 Scheffel Hafer jeden Tag für 24 Pferde, Heu und Stroh, soviel von nöten, 1 Maß Kirschmus und 1 Maß Pflaumenmus, 2 Schock Äpfel, große und kleine Nüsse, weißes und schwarzes Brot, soviel die Woche daraufgeht.[8]

Die 33 Positionen aber, die Nordhausen im Dezember 1641 in die Küche des Erzherzogs Wilhelm Leopold von Österreich in Frankenhausen zu liefern hatte, – wir nehmen als gewiß an, daß andere Ortschaften ähnlich an den Lieferungen beteiligt waren – können war hier nicht einzeln aufführen und erwähnen nur, daß 50 Pfund Lachs, 60 Karpfen, 46 Hennen, 370 Pfund Rindfleisch und 20 Pfund Kalbfleisch unter den in 10 Tagen verbrauchten Lebensmitteln waren.

Man sieht also, die Soldaten und besonders die Herren Offiziere wußten, wie in anderen Kriegen, so auch im Dreißigjährigen Kriege zu leben, und die Bevölkerung mußte die Kosten aufbringen und darben. –

Unterdessen war Gustav Adolf nach Sachsen zurückgekehrt und hatte am 16. November dem Generalissimus Wallenstein die Schlacht bei Lützen geliefert. Gustav Adolf verlor sein Leben, doch Mitteldeutschland blieb in der Hand der Schweden und Sachsen. Deshalb hatte Nordhausen auch weiterhin mit diesen beiden Mächten zu tun und verpflichtete sich am 16. März 1633 in Erfurt, 30 Mann zu dem alliierten Heere zu stellen und 5000 Gulden in 4 Terminen zu zahlen. Eine zweite Zusammenkunft am 4. Juni legte weitere Opfer auf. Da aber weigerte sich Nordhausen von neuem, für den Obersächsischen Kreis zu steuern, und machte wiederum seine Zugehörigkeit zu Niedersachsen geltend. Es glaubte nämlich, da Norddeutschland augenblicklich ziemlich unbehelligt war, hier mit geringeren Umlagen fortzukommen.

1634 zu Halberstadt wurde auch ausdrücklich bestätigt, daß Nordhausen nach dem Niedersächsischen und nicht nach dem Obersächsischen Kreise hin zu zahlen habe.

Doch wenn die Stadt geglaubt hatte, durch diesen erneuten Anschluß an Niedersachsen Vorteile zu gewinnen, so täuschte sie sich. Die Kontributionen waren hier genau so hoch und höher als in Erfurt. Schon im Jahre 1634 mußte Nordhausen 180 Mann für den Kreis aufstellen, monatlich 480 Gulden bezahlen, Munition und Proviant nach Kassel schicken und 308 Taler Artillerie-Gelder übernehmen. Dazu kamen von neuem schwedische Einquartierungen. Vom 19. Oktober bis 2. Dezember lagen 4 Kompagnien des Obersten Stalhanske in der Stadt, die nicht weniger als 7282 Taler, 14 Groschen 1 Pfennig kosteten. Auch Übergriffe kamen während der Besatzung vor, so daß Nordhausen froh war, als seine Vorstellungen bei dem Obersten des Kreises, dem Herzog Georg von Lüneburg, Erfolg hatten und General Baner in den Abzug willigte, wenn die Stadt noch 3000 Taler zahlte.

Doch kaum war die Stadt von dieser Last befreit, so legte Herzog Georg selbst Truppen in die Stadt, die bis zum Juni 1635 blieben. Nordhausen berechnete damals seine Kriegskosten vom 14. Februar 1634 bis zum 4. Juni 1635 auf 38037 Taler 15 Groschen.

Alle diese Ausgaben während des zweiten Abschnitts des Krieges, während der 10 Jahre von 1625-1635, konnte die Stadt aber immerhin noch tragen. Sie lag in einer fruchtbaren Gegend, ihre Einwohner waren nicht reich, doch durchschnittlich wohlhabend, der Krieg lähmte natürlich Geschäft und Verkehr, aber die Felder konnten doch meist ordnungsgemäß bestellt werden, die Kaufleute setzten noch ab, und die Handwerker verdienten. Die Einquartierungen waren natürlich schlimm, aber Mißhandlungen waren doch selten geblieben. Kurzum, in der ersten Hälfte des Krieges hatte Nordhausen weniger gelitten als viele andere Städte.

Wirklich unerträglich sollten erst die nächsten 4 Jahre werden, die wir als die dritte, furchtbare Periode bezeichnen, und gerade durch einen Friedensschluß, von dem Nordhausen viel Gutes erwartet hatte, mußte diese Leidenszeit heraufgeführt werden.

Ganz Deutschland sehnte sich schon lange nach Frieden und Ordnung, und auf protestantischer Seite war das Verlangen nach Verhandlungen mit dem Kaiser groß. Schon bald nach dem Tode Gustav Adolfs hatte der schwedische Kanzler Oxenstiema Mühe, die protestantischen Fürsten weiter an die Schweden zu ketten. Auf einem Fürstentage in Heilbronn im Jahre 1633 mußte er den Fürsten weitgehende Zugeständnisse machen: Ein Bundesrat von 7 deutschen und 3 schwedischen Mitgliedern wurde ihm zur Seite gestellt. Die Erfolge Bernhards von Weimar und Wallensteins Tod hielten dann das Bündnis noch aufrecht; als aber am 6. September 1634 Bernhard und der schwedische General Hom bei Nördlingen vernichtend geschlagen worden waren, gewann die Friedenssehnsucht wieder überhand. Die Protestanten waren zu Unterhandlungen bereit, und der Kurfürst von Sachsen als mächtigster Fürst tat die ersten Schritte zum Frieden. Selbst deutsche Herrn, die führende Stellungen in den schwedischen Heeren einnahmen, wie Herzog Georg von Lüneburg, der in Hessen kommandierte, und Herzog Wilhelm von Weimar billigten dieses Vorgehen und waren friedensbereit. Diese kleineren Fürsten weilten vom 15. bis 29. Mai 1635 in Nordhausen zusammen mit dem Landgrafen von Hessen und den Grafen von Schwarzburg und Stolberg, um über ihr künftiges Verhalten zu beraten. Auch General Baner war eingeladen, erschien aber nicht selbst, sondern schickte den Grafen von Hoditz zur Vertretung der schwedischen Interessen. Der schwedische Unterhändler wurde jedoch von den Anwesenden kühl und unfreundlich behandelt. Die Stimmung innerhalb der Fürstenversammlung und ihre Meinung über die Lage war allgemein bekannt und ging dahin: Der Kurfürst von Sachsen werde schon zusehen, daß er mit dem Kaiser einen solchen Friede schlösse, daß er nicht allein dem Römischen Reiche günstig sei, sondern daß auch sie, die Fürsten, bei ihren hohen Regalien, Freiheiten und Ausübung der Religion bleiben möchten.[9]

So traten dem Prager Frieden, den Sachsen unter recht günstigen Bedingungen für sich selbst mit dem Kaiser abschloß, bald die meisten protestantischen Fürsten und Städte bei, darunter auch der Niedersächsische Kreis mit allen seinen Mitgliedern, also auch mit der Reichsstadt Nordhausen. Gemäß dem Frieden wurde in Nordhausen der vor dem Kriege herrschende Zustand wiederhergestellt. Von irgend einer Einziehung geistlicher Güter oder Herstellung katholischer Klöster war nicht mehr die Rede, nur die Domherren, die seit 1632 von den Schweden vertrieben worden waren, kehrten ins Kreuzstift zurück.

Dieser Friede zu Prag war für Schweden ein harter Schlag, und Oxenstima konnte ihn erst durch ein engeres Bündnis mit Richelieu einigermaßen wettmachen. Wenn aber Nordhausen gehofft hatte, nun in Frieden leben zu können, so hatte es sich ebenso getäuscht wie damals, als es zugleich mit den Kaiserlichen und den Schweden auskommen wollte. Gerade sein Beitritt zum Frieden machte die Stadt bald den Schweden verhaßt, und den Kaiserlichen war sie ein Dom im Auge, weil sie trotz aller ihrer Bemühungen protestantisch geblieben war. Daß aber jetzt eine besonders schwere Leidenszeit begann, lag doch in erster Linie daran, daß noch einmal beide Parteien größte Anstrengungen machten, den Krieg für sich zu entscheiden, und daß die durch die 17 Kriegsjahre ausgesogenen Landschaften den Kriegsführenden nur noch kärglichen Unterhalt gewähren konnten, der Soldat also häufig hungerte, seine Disziplin immer schlechter wurde und er mit allen Mitteln und auf eigene Faust versuchte, sich schadlos zu halten. Erst die allgemeine Erschöpfung nach 1640 und die seltener werdenden großen Kriegshandlungen brachten wieder eine Erleichterung.

So lernte denn auch Nordhausen in den Jahren 1636-1639 den furchtbaren Charakter dieses barbarischen Krieges kennen. Was die Bevölkerung in diesen Jahren an Geld, Lebensmitteln und Materialien aufbrachte trotz der Verwüstung der Äcker, trotz des Forttreibens des Viehs, trotz der Zerstörung manchen Außengehöfts, grenzt ans Unwahrscheinliche. Und doch wurden auch diese Jahre durchlebt, und es zeugt für die unverwüstliche Widerstandskraft eines nicht gar zu bevölkerten Landes, welches in ruhigen Zeiten im Überfluß leben kann, daß bald nach dem Jahre 1640 die schwersten Schäden schon wieder überwunden waren.

Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, das Hin und Her des Krieges, die diplomatischen Winkelzüge, die Brandschatzungen und die Kontributionen sämtlich zu verfolgen und einzeln aufzuzählen. Daraus springt nicht der geringste Gewinn, und es ginge der Welt nichts verloren, wenn ein großer Teil dieses historischen Ballastes, unter dessen Last der alte Rücken Europas tiefgebeugt ächzt, für immer versänke in Nacht und Vergessenheit. Nur in großen Umrissen mag die Leidenszeit geschildert werden.

Entsetzliche Zustände traten ein, als die kaiserlichen Truppen nach der Schlacht bei Wittstock am 4. Oktober 1636 ungeregelt aus Norddeutschland zurückfluteten. Damals mußte Nordhausen nicht weniger als 5 Regimenter aufnehmen, fast soviel Soldaten, wie die Stadt Einwohner hatte. Und diese Soldaten, die wochenlang keinen Sold erhalten hatten, die ihre Ausrüstung eingebüßt hatten, die hungrig und erschöpft in die Stadt einfielen, galt es nun zu befriedigen. So wurden denn in kürzester Zeit nicht nur 12000 Taler aus der Bevölkerung herausgepreßt, sondern die Stadt mußte auch noch für die 3 Regimenter, die zu dauerndem Aufenthalt für Nordhausen bestimmt waren, wöchentlich 2500 Taler aufbringen, – wohlgemerkt bei einem Steueraufkommen von 12000 Taler jährlich in ruhigen Zeiten! Natürlich war die städtische Kämmerei sehr bald völlig am Ende angelangt, und Sonderumlagen mußten erhoben werden. Jedes brauberechtigte Haus mußte 50 Taler, jedes Hintersättlerhaus 25 Taler bezahlen, von den wichtigsten Lebensmitteln wurde eine Umsatzsteuer erhoben, auf 1 Pfund Fleisch kam 1 Pfennig, auf 1 Scheffel Mehl 1 Groschen. Und dennoch war es gänzlich unmöglich, wöchentlich 2500 Taler aus der Bürgerschaft herauszuziehen. Doch diese waren für den Sold und die Verpflegung der 3 Regimenter nötig, und so griffen die Befehlshaber rücksichtslos zu Zwangsmaßnahmen. Die Bürgermeister und die beiden Hauptbeamten der Stadt, der Syndikus und Sekretär, wurden verhaftet, und alle wohlhabenderen Häuser wurden doppelt und dreifach mit Soldaten belegt, die, um die Zahlung zu erpressen, drauf losprassen und die Bewohner schikanieren mußten. Diese Maßnahmen zwangen die Stadt, das ungemünzte Gold und Silber, silberne Löffel und Flaschen, Geschmeide und Edelsteine, schließlich Zinngerät aller Art herauszugeben. Nur so konnte man sich der Quälgeister einigermaßen erwehren.

Dennoch brachten die Einquartierungen dauernde Unruhe, dauernde Gefahren mit sich. Einmal, es war nachmittags um 4 Uhr, also schon dunkel, denn es war Winter, wurde Alarm geschlagen, die Schweden ständen in Halberstadt und rückten gegen Nordhausen an. „Da ging es über Hals und Kopf zur Stadt hinaus, als wenn der Donner sie herausschlüge, und in zwei Stunden war kein einziger mehr von ihnen in der Stadt.“ Die Einwohnerschaft aber, von diesen Gästen befreit, erwartete ausgeplündert und bangen Herzens die Schweden.

Statt ihrer zog schon am 8. Februar die ganze kaiserliche Armee unter dem Generalfeldmarschall von Götze, mehr als 30000 Mann, von der Weser heran und hauste beim Durchmärsche fürchterlich. Die Bewohner der Umgebung waren z.T. vor ihr in die Stadt geflüchtet; selbst die Regierung der Grafschaft Honstein, die schon im Jahre 1633 zeitweilig ihre Geschäftsräume in Nordhausen bezogen hatte, verlegte ihren Sitz wieder in die Stadt. Die Einwohnerzahl war also fast auf das Doppelte gestiegen. Und nun kam die kaiserliche Armee und legte ihre Stäbe und die Lazarette in die Stadt. In jedem Brauhause lagen 30, in jedem Hintersättierhaus bis zu 20 Mann. Götze selbst schlug sein Quartier auf dem Rathause auf und amtierte in der sogenannten grünen Stube. Neben diesen Kosten für die Einquartierung mußte die Stadt 22000 Brote zu 3 Pfund an die in den Ortschaften liegenden Soldaten schicken.

Und kaum war diese Sintflut vorüber, da kam als Nachzügler der Oberst von Spork mit einigen hundert Mann und verlangte Verpflegung. Nordhausen konnte niemanden mehr verpflegen. Da begann die regelrechte Plünderung. Zunächst mußten die Vorstädte dran glauben, dann machten sich die Soldaten an das Töpferviertel, plünderten und schändeten Frauen, schließlich wurden sogar die Kirchen erbrochen, die Pfarre vom Frauenberge ward ausgeraubt. Als die Soldaten nichts mehr über der Erde fanden, wühlten sie unter der Erde und rissen die Messingröhren der beiden Wasserleitungen heraus. Da war aber auch das Maß voll. Die Bürger rotteten sich den paar hundert Soldaten gegenüber zusammen, leisteten mit der Waffe in der Hand Widerstand, und der zuchtlose Haufe, dem es mehr aufs Plündern als auf blutige Köpfe ankam, ergriff endlich die Flucht. Die Kirchen wenigstens hatte man vor der Ausplünderung bewahrt.

Seitdem fühlten sich kleinere Abteilungen nicht mehr sicher in der Stadt. Als im April 1637 wieder 2 Kompanien erschienen, wurden sie gezwungen, über die Verpflegung mit dem Rate zu verhandeln und gemeinsam mit den Bürgern die Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Bürger gingen mit den Soldaten gemeinsam Patrouille und stellten Posten, griffen randalierende Soldaten auf und steuerten dem herrenlosen Gesindel, das sich in Scharen in der Stadt herumtrieb. Darunter befand sich manch ein Bauer, der früher redlich sein Land bestellt hatte, nun aber, völlig verarmt, zum Landstreicher geworden war.

Eine neue Kontribution von 7000 Talern konnte die Stadt nicht mehr leisten, und als der Rat aus Furcht vor Repressalien das Letzte aus den Bürgern herausholen wollte, wandten sich viele in den Harz oder nach Stolberg und ließen ihre Häuser verödet stehen. Da aber die Lasten für die Zurückbleibenden dadurch desdo größer wurden, mußte der Rat befehlen, daß jeder bei Verlust des Bürgerrechts in der Stadt ausharren solle.[10]

Bittschriften an den Kurfürsten von Sachsen, der immer recht lau war, hatten keinen Erfolg; jetzt versagten selbst die Eingaben an den Obersten des Niedersächsischen Kreises, den Herzog von Braunschweig-Lüneburg, der der Stadt schon manchen guten Dienst geleistet hatte.

Diese Not des Jahres 1637 steigerte sich noch in den beiden folgenden Jahren. Unsäglich litt das flache Land, Schwerstes hatte aber auch Nordhausen zu tragen. Nachdem man in den Vorjahren Geschmeide und Gold hingegeben hatte, mußten jetzt die für die Ausübung des Handwerks notwendigsten Gerätschaften ausgeliefert werden. Die Brauherrn mußten ihre kupfernen Braupfannen abgeben, 50 Zentner Kupfer wurden an die Juden nach Osterode hin verkauft, die in diesen schlechten Zeiten, wie immer, die besten Geschäfte machten. Die der Stadt auferlegte Kontribution konnte nicht mehr geleistet werden. Man gab hin, was man noch hatte, und darüber hinaus ging es eben nicht. Nur noch Gebrauchsgegenstände, Sättel, Stiefel, Decken konnten zur Verfügung gestellt werden. Viele Einwohner flüchteten trotz Ratsgebots wieder nach Stolberg und Heringen. In der Oberstadt standen 177, in den Vorstädten 223 Häuser leer.

Der Heuschreckenschwarm der Kaiserlichen hatte alles verzehrt und alles verwüstet. Die Ländereien waren nicht mehr bestellt worden. 1639 brach deshalb eine Hungersnot aus: Fleisch war kaum vorhanden, und Körnerfrüchte ebensowenig; man war gezwungen, Kleie und Haferbrot zu essen.

Nordhausen ging es in jenen Tagen fast ebenso schlimm wie im Kohlrübenwinter 1916 und 17. Vor einem einzigen blieb Nordhausen damals in allem Unglück bewahrt: Die Pest, die im Gefolge des Krieges Deutschland wiederum heimsuchte und der 1639 auch Martin Opitz, noch jung an Jahren, erlag, hielt sich fern von unsern heimatlichen Gauen, so daß wenigstens keine Menschenopfer zu beklagen waren.

Und nun ward es endlich besser; in den letzten 8 Jahren, der vierten Periode des Krieges für Nordhausen, kehrten erträgliche Zustände zurück. Schweden nahm wieder Besitz von den Gegenden am Südharzrande, und mit ihnen, da den Schweden an der Freundschaft des Niedersächsischen Kreises lag, ließ sich verhandeln. Jetzt wurde auch wieder der Einspruch Herzog Georgs von Braunschweig- Lüneburg wirksam; zu starke Belastungen wurden dadurch unterbunden. Freilich, den Reichstag zu Regensburg im Jahre 1640 konnte Nordhausen noch nicht beschicken, er brachte auch noch nicht den heißersehnten Frieden, aber die Leute kehrten doch in ihre Häuser zurück, griffen wieder zu Schraubstock und Ahle und bestellten wieder die Äcker. Mancher einstmals wohlhabende Brauherr mag auch einmal wieder das an heimlichem Orte vergrabene Geschmeide ausgegraben, überprüft und gefunden haben, daß immer noch ein Sümmchen zur Verfügung stand, mit dem man von den Juden neue Kupferkessel kaufen konnte. Zwei Kompagnien lüneburgische Truppen, deren Verpflegung die Stadt allerdings übernehmen mußte, sorgten für Ordnung, und ihre Anwesenheit zeigte etwa einrückenden Schweden, daß sie in Freundesland waren. Auch die Stadt selbst errichtete eine Kompagnie Stadtsoldaten von etwa 100 Mann. Diese Einrichtung blieb auch noch nach Beendigung des großen Krieges bestehen, allerdings wurde die Zahl der Truppen stark herabgesetzt.

Das fruchtbare Land, das schon immer eine bedeutend zah reichere Bevölkerung, als vorhanden war, ernähren konnte, lieferte den dezimierten Menschen guten Ertrag; die Wunden klafften zwar noch weit, aber sie entzogen dem Körper doch nicht mehr so viel Blut. Man lenkte allmählich in alte Bahnen ein.

Schon im Jahre 1640 konnte Nordhausen an verschiedene friedliche Aufgaben herangehen. So war in der Nachbarstadt Mühlhausen ein Zwist ausgebrochen zwischen den vornehmen Geschlechtern und den übrigen Bürgern wegen der Umlegung der einzelnen Kriegsabgaben. Offenbar hatten die Ratsherrn ihre Machtbefugnisse und ihren Einblick in die Geschäfte mißbraucht und bei den Heereslieferungen nicht jeden nach Vermögen gleichmäßig besteuert. Das kam, Wie wir im folgenden Kapitel noch zeigen werden, auch in Nordhausen vor, aber die Ratmannen gingen hier in Nordhausen nicht so ungeniert vor wie in dem seit alter Zeit aristokratischeren Mühlhausen. Schließlich wurde der Unwille über die ungerechte Belastung so groß, daß sich die Bürgerschaft beim Kaiser beklagte, und dieser beauftragte den Erzbischof von Mainz und die Stadt Nordhausen, einen Ausgleich zu finden. Nordhausen stellte seinen Dienst, um der Schwesterstadt den inneren Frieden zu bringen, gern zur Verfügung. Es kam in Eisenach zu Verhandlungen, und am 27. Juni 1641 konnten der Syndikus Michaelis von Nordhausen und der Ratsherr Stange einen Vergleich unterschreiben.

Auch eine neue, von dem Rektor der großen Schule Girbert ausgearbeitete Schulordnung kam schon im Jahre 1640 heraus. Dieser tüchtige Pädagoge hatte es selbst unter den Drangsalen der dreißiger Jahre verstanden, die gänzlich heruntergekommene Schule neu auszubauen, und krönte nun gleich nach der Entlastung von der Soldateska sein Organisationswerk mit dieser Schulordnung. In den Jahren 1641 und 1642 konnte er sogar die Schüler wieder Schauspiele einstudieren und sie in der Öffentlichkeit zur Aufführung bringen lassen, und im Jahre 1643 wagte er sich an eine ganz moderne englische Komödie, deren Witz und Geist allerdings so wenig von den regierenden Herrn und besonders den Geistlichen verstanden wurde, daß der Rektor um ihretwillen sein Amt verlassen mußte. Nordhausen brachte sich dadurch engstirnig selbst um einen der besten Köpfe der Stadt.

1641 gab der Rat auch eine neue Kindtaufordnung bekannt, 1643, nachdem sich das Braugewerbe erholt hatte, eine neue Brauordnung. Ja, wie friedlich die Zeiten allmählich wurden, erkennt man am besten daran, daß sich im Jahre 1645 der Nachfolger Girberts, Rektor Johann Günther Hoffmann, beim Rate darüber beklagen konnte, daß der Rittmeister Bergheuer und seine honsteinsche Polizeitruppe der Nordhäuser Schule für ihren Maiengang nach dem Konsteine den Weg durch Salza sperrten. Bergheuer versuchte mit diesem Verbot einen Druck auf Nordhausen auszuüben, da die Stadt an ihren Toren eine bisher nicht übliche Akzise von 6 Pfennig auf jeden aus der Grafschaft eingeführten Scheffel Getreide gelegt hatte, um den Stadtsäckel wieder etwas zu Kräften zu bringen. Der Rat gab dem Ansuchen seines Rektors auch statt und beschwerte sich bei der honsteinschen Regierung über dieses Vorgehen des Rittmeisters. Die Erhebung des Scheffelgeldes an den Toren sei kein neuer Zoll, sondern ein „Dankpfennig“, den die Grafschaft der Stadt Nordhausen doch herzlich gern gönnen sollte, da Nordhausen der Landschaft in den letzten Jahren durch bereitwillige Unterstellung ihres Mobilars und durch Aufnahme ihrer Bewohner vielfach gute Dienste geleistet habe, obgleich sie selbst dadurch nicht selten in Ungelegenheit gekommen sei. Daraufhin gab dann die honsteinsche Regierung den Spaziergang auch frei, und die Schüler konnten an drei Tagen in der Woche vor Pfingsten im Kohnstein unbehelligt nach altem Brauch ihre Maien schneiden.[11]

Daß trotz dieser Wendung zum Besseren im Jahre 1641 die Rotleimmühle ausgeplündert wurde, daß die Stadt noch erhebliche Zahlungen leisten mußte, z. B. für die Küche des Erzherzogs Leopold Wilhelm nach Frankenhausen hin, daß auch das unruhige Hin und Her der sich bekämpfenden Heere nicht ganz aufhörte und mehrfach die Kaiserlichen die Schweden in der Herrschaft über die Stadt ablösten, konnte nicht ausbleiben. Noch war der Friede nicht geschlossen; für ein im Kriegszustände befindliches Land war jedenfalls die Lage erträglich.

Im allgemeinen hatten auch weiterhin die Schweden die Oberhand, und mit denen ließ sich auskommen. Manches Gute hat in diesen vierziger Jahren der schwedische General Königsmarck, der den Oberbefehl in den Harzgegenden führte, für Nordhausen getan. Freilich, wenn die Stadt die auf sie fallenden Kontributionen nicht zahlte, griff er scharf durch, wie z. B. 1644 ein Restbetrag von 2000 Talern, welche die Stadt schuldig geblieben war, ohne weiteres durch Exekution eingezogen wurde. Doch gab er in demselben Jahre dem Obersten Hans Heinrich von Ende, der mit seinem Regimente in Nordhausen und den Ämtern Heringen und Honstein einquartiert wurde, den gemessenen Befehl, „mit guter Disziplin und Schonung vorzugehen, damit der Vorrat auf unbestimmte Zeit reiche“. Und als der Oberst von Ende dennoch, und zwar für sich persönlich, Erpressung versuchte, schrieb ihm Königsmarck mit aller Deutlichkeit, er erhebe in Nordhausen mehr als seine Order laute und stecke das Erhobene in die eigene Tasche. Er scheine die guten Tage in Nordhausen nicht ertragen zu können und lieber bei der Armee Hunger und Kummer leiden zu wollen. Er solle für sein Regiment statt für sich sorgen.

So kam man denn ganz leidlich bis ins Jahr 1647, wo noch einmal gegen den Willen des Oberstkommandierenden ein schwedischer Offizier sich schlimme Ausschreitungen gegen die Stadt erlaubte. Anfang dieses Jahres nahm Oberstleutnant Kannenberg mit seinen Truppen in Nordhausen Quartier und trieb es so arg, daß noch einmal 2000 Bürger nach Stolberg flüchteten. Kannenberg war es auch, der den Nordhäuser Roland umzulegen versuchte, indem er befahl, die Füße des Standbildes zu durchsägen. Da aber im Innern eiserne Schienen gezogen waren, mißlang diese von den Nordhäusern als größte Freveltat angesehene Schändung. –

Um hier am Schluß des gewaltigen Krieges noch einmal einen Einblick in die Not der Bevölkerung in jenen Tagen zu geben, mögen hier ein paar Zeilen aus der Stoibergischen Chronik des Zeitfuchs in unserer heutigen Sprache stehen: „Die Nordhäusischen streifenden Parteien – nämlich die in Nordhausen einquartierten Schweden – plünderten in Neustadt am 13. Februar 1647. Das gleiche Schicksal schien Stolberg bevorzustehen, doch die Streifschar wurde am folgenden Tage mit blutigen Köpfen abgewiesen, obwohl von den Einwohnern nicht mehr als 30 Widerstand leisteten, die Zahl der Soldaten aber mindestens 60 betrug. Stolberg gab immer her zur Verpflegung der in ihm einquartierten Schwadron Dragoner. Als aber eine böse Nachricht nach der anderen kam, wie die auf Furage befindlichen Soldaten bald dieses, bald jenes Dorf geplündert hätten, zog die Landbevölkerung in hellen Haufen nach Stolberg hinein, so daß sich auch hier unter alt und jung ein großer Schrecken verbreitete und alle Gassen voll Klagens und Weinens waren. Stempeda hielt sich tapfer und jagte die streifenden Soldatenhaufen mit Gewalt davon. Die Kriegsvölker aber zu Nordhausen führten sich so gottlos und tyrannisch auf, daß es nicht zu beschreiben, und hätten es Heiden und Türken nicht ärger treiben können.“[12]

Sobald jedoch Königsmarck von diesem schändlichen Treiben seiner offenbar hungrigen Soldaten hörte, kam aus Halberstadt der Befehl „daß niemand von der schwedischen Armee sich unterstehen solle, die Untertanen in dem Stifte Halberstadt zu turbieren“.

Noch einmal, am 2. Januar 1649, noch nach dem Friedensschluß mußte Nordhausen 1150 Taler Kontribution zahlen. Am 21. März 1649 lernte dann Nordhausen den General Königsmarck selber kennen. Er hielt hier auf der Durchreise an, nahm eine Mahlzeit ein und fuhr dann gen Stolberg weiter. Man kann sagen, dieser große schwedische General war der letzte Soldat, den Nordhausen im Dreißigjährigen Kriege in seinen Mauern gesehen hat. Voll Ehrfurcht und mit einigem Herzklopfen mag ihn die Bürgerschaft empfangen haben; mit einem Seufzer der Erleichterung mag man wieder ans Tagewerk gegangen sein, als sich die Pforten des Töpfertores hinter dem davonrollenden Wagen geschlossen hatten. Der Kriegsgott war auf und davon.[13]

Am 24. Oktober 1648 war der Doppelfriede zu Osnabrück und zu Münster geschlossen worden. Beide Friedensinstrumente unterzeichnete gemeinsam für die Freien Reichsstädte Lübeck, Goslar und Nordhausen der Lübecker Syndikus David Gloxinus.[14]

Für Nordhausen selbst beließen die Friedensverträge alles beim alten; doch war in religiöser Beziehung ganz allgemein dadurch ein großer Fortschritt erzielt, daß nicht nur die Calvinisten neben den Katholiken und Lutheranern als gleichberechtigte Glaubensgenossen anerkannt wurden, sondern daß nunmehr der Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens überwunden war, daß der Landesfürst den Glauben der Untertanen bestimmte. Mit kleinen Einschränkungen war – wenigstens auf dem Papiere – fortan jedem Deutschen Religionsfreiheit gewährt.

Doch war für Nordhausen fernerhin noch wichtig der § 2 des Osnabrückschen Friedens. Durch diesen Paragraphen erhielt nämlich der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, damals erst 28 Jahre alt und noch nicht der „Große Kurfürst“, das Bistum Halberstadt, zu dem auch ein Teil der alten Grafschaft Honstein, nämlich die Ämter Klettenberg und Lohra, gehörten. Am 6. Oktober 1649 erfolgte die Übergabe dieser Landschaften an Brandenburg, und am 12. Oktober wurden sie tatsächlich in Besitz genommen. Damit wurde Nordhausen nächster Nachbar von Brandenburg-Preußen, und seine Schicksale mußten nunmehr auch von diesem Staate beeinflußt werden.

Von allen größeren Staaten bestanden ja die meisten Bindungen zwischen Nordhausen und Kursachsen, und Sachsen sah, jetzt im Zeitalter des Absolutismus, die Freie Reichsstadt eigentlich schon als seine sichere Beute an. Schon im 16. Jahrhundert hatten die Kurfürsten mehrfach schüchtern versucht, ihre Schutzrechte über Nordhausen zu landesherrlichen auszubauen; seit dem Prager Frieden vom Jahre 1635 nannte sich der Kurfürst gar hin und wieder „Landesherr“ von Nordhausen. Um diesen Ansprüchen gegenüber einen Rückhalt zu haben, schloß sich Nordhausen besonders während des Krieges immer mehr an den Niedersächsischen Kreisobersten, den Herzog von Braunschweig-Lüneburg, an, und auch dieser machte sich Hoffnungen auf die Reichsstadt. Zu diesen beiden Bewerbern kam jetzt das landhungrige und ehrgeizige Brandenburg als Dritter. – Die freireichsstädtische Sonne, die schon lange ihren Höhepunkt überschritten hatte, leuchtete nur noch matt am Abendhimmel.

Doch hier am Schlüsse dieses Abschnittes, der vom Werden und Wachsen der Reformation und von Kummer und Kämpfen um Glaubensdinge handelte, ziemt es nicht, einen politischen Ausblick zu tun, sondern von der Stimmung der Menschheit am Ende des großen Krieges zu sprechen, dieser Menschheit, für welche die religiöse Überzeugung im Vordergründe des Interesses stand.

Erst am 2. September 1650 beging Nordhausen sein Friedens-und Freudenfest. Am Abend vorher wurde um 4 Uhr in allen Kirchen eine feierliche Vesper gelesen, dann wurde von 4-5 Uhr mit allen Glocken geläutet, und wir freuen uns am meisten darüber, daß in den Klang der Glocken von St. Nikolai und Blasii und Petri und wie sie alle heißen, einträchtig einstimmten auch die Glocken des katholischen Domes. Die rein menschliche Freude über den Frieden hatte die Gegensätze der Konfessionen überbrückt.

Die Feier am Morgen des eigentlichen Festtages begann die Nordhäuser große Schule, das Gymnasium. Da standen am frühsten Morgen, wo eben die Sonne im Osten der Aue aufgegangen war, die jungen Chorsänger und Musiker auf einer Bühne, die der Rat in der Nähe der Schule am Primariusgraben hatte aufschlagen lassen, und schmetterten ihre Dankeslieder in den jungen Tag hinaus und hinein in das weite schöne Land zu ihren Füßen. Um 6 Uhr trat dann die ganze Schule an, und die Bürger ließen es sich nicht nehmen, auch ihre kleinen, noch nicht für die Schule reifen Kinder zum Mitmarschieren zu schicken. Die kleinen Kinder und Schüler hatten weiße Hemden übergezogen, grüne Zweige in der Hand und Kränze auf dem Haar, die größeren marschierten in ihrem schönsten Sonntagsstaat und mit der nur ihnen eigenen, unnachahmlichen Würde daher. So ging es unter Gesang auf den Markt vor das Rathaus. Hier wurde ein Danklied angestimmt, und dann zogen, nach einem Umgang um die Nikolaikirche, die einzelnen Klassen in die für sie bestimmten Kirchen zum Festgottesdienst. Diesem legte der Pastor primarius Emdenius den Text des 85. Psalms zu Grunde, und solange alljährlich am 2. September in Nordhausen das Friedensfest begangen wurde, wählten fortan die Pfarrer immer diesen Psalm.

Um 12 Uhr mittags wurde dann von 4 Kirchtürmen herabgeblasen, und zwar so, daß ein Turm immer dem anderen antwortete, um 1 Uhr war zum zweiten Male Gottesdienst, dann wurde von 4-5 nochmals mit allen Glocken geläutet und endlich um 6 Uhr wieder von den Kirchtürmen geblasen und das Tedeum gesungen.

Von ganzem Herzen mögen damals nach Beendigung des Krieges auch die Nordhäuser das Danklied Martin Rinckarts gesungen haben, und für jeden von ihnen wird es nicht nur Lippenlaut gewesen sein, sondern heiliger Herzensklang, wenn der Pfarrer am Altäre die Verse aus dem 85. Psalme sprach:

„Herr, erzeige uns deine Gnade und hilf uns!
Ach, daß ich hören sollte, was Gott der Herr redet;
daß er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen,
auf daß sie nicht auf eine Torheit geraten!
Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten,
daß in unserem Lande Ehre wohne;
daß Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen;
daß Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue,
daß uns auch der Herr Gutes tue,
und unser Land sein Gewächs gebe;
daß Gerechtigkeit fürder vor ihm bleibe
und im Schwang gehe.“




  1. Vergl. G. Schmidt, Zeitschrift des Harzvereins 1869, 155 ff.
  2. Filter, unter Za 2b im Nordh. Archiv
  3. Frommann VI, 175.
  4. v. Mülverstedt, Die Nordhäuser Münzen aus dem neueren Zeitalter, Zeitschr. des Harzvereins 1870, Festschrift, 30 ff. Die Schrift enthält hier und da schiefe Darlegungen, v. Posem-Klett, Sachsens Münzen im Mittelalter I, 158 ff. Lpg. 1846.
  5. Vergl. Frommann II. In den Akten wird die Schuld des Rates verschleiert.
  6. Frommann IX. Vergl. Zeitfuchs, Stolbergische Kirchen- und Stadt-Historie 1717, 261 f.
  7. K. Meyer, Die Burg Honstein, 56 f.
  8. Zeitfuchs, a. a. O. 273.
  9. Vergl. Förstemannsche Chronik, S. 227.
  10. Vergl. Zeitfuchs, a. a. O., 295.
  11. Die Nachricht war mir bei meiner Geschichte des Gynasiums entgangen. Frommann I. 610. Filter, Z a, 3 a.
  12. Zeitfuchs, a. a. O. 310.
  13. Benutzte Quellen sind im wesentlichen Frommann, IX, und Filter Z a 3 a. Förstemanns Chronik bringt eine genaue Aufzählung der einzelnen Kriegshandlungen. Nur zum Jahre 1640 mußte eine Berichtigung eintreten.
  14. Nomine Rei publicae Lübecensis, eiusdem Syndicus David Gloxinus. Idemque nomine civitatum Goslar et Nordhausen.