Heimatbüchlein der Grafschaft Hohnstein im Kreise Ilfeld (Südharz)

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Textdaten
Autor: Wilhelm Vahlbruch
Titel: Heimatbüchlein der Grafschaft Hohnstein im Kreise Ilfeld (Südharz)
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Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Crimderode : Selbstverlag
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Rezension (1928)
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Eintrag in der GND: 361798105
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Editionsrichtlinien:
  • Noch nicht Korrektur gelesen.
  • Sperrschrift wird nicht wiedergegeben.
in Vorbereitung
Heimatbüchlein
der Grafschaft Hohnstein
im Kreise Ilfeld (Südharz)


Von
Wilhelm Vahlbruch


Crimderode 1927



Selbstverlag des Verfassers.
Druck von Theodor Müller, Nordhausen.


Zum Geleit

Trotz mancher Schwierigkeiten habe ich die Hohnsteiner Heimatkunde herausgegeben; denn auch dem Hohnsteiner tut es not, sein Interesse für seine schöne Heimat zu stärken und den Heimatsinn zu pflegen. Noch etwas anderes trieb mich zur Veröffentlichung. Ich kam vor fast 40 Jahren als Lehrer in die Grafschaft, und da fehlte mir im heimatkundlichen Unterrichte hinreichender Stoff. So geht es auch noch heute den nach hier versetzten Lehrern. Seit Jahren habe ich nun die Aufgabe, unsere Junglehrer in der pädagogischen Arbeitsgemeinschaft mit ihrer neuen Heimat bekannt zu machen. Im Aufträge dieser Arbeitsgemeinschaft habe ich nun den geschichtlichen Stoff in möglichster Kürze zusammengestellt. Als Quellen dienten mir Veröffentlichungen von Karl Meyer, Heineck, Heine, Kolbe und die Chroniken von Leopold, Bocke, Schmaling, Hoche u. a.

Beiträge lieferten mir Studienrat Kleinschmidt, Ilfeld, Rektor Brandes und Pastor Rasch in Niedersachswerfen, Hauptlehrer Böttcher, Urbach. Das Bild des Titelblattes schuf Fritz Teichmüller, Nordhausen. Allen Herren sei auch an dieser Stelle mein Dank zum Ausdruck gebracht. Ferner habe ich unserer Kreisverwaltung und dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für das freundliche Entgegenkommen, das mir erst die Drucklegung ermöglichte, zu danken.

Möchte das Büchlein seinen Zweck erfüllen.

Der Herausgeber.




„Was alles uns geschenkt vor Jahren,
Laßt uns der Nachwelt treu bewahren,
Und kann's nicht sein in Wirklichkeit,
Sei Schrift und Bild dazu bereit.“

„Dich Heimat, recht kennen und verstehn.
Dich schätzen, mit liebendem Auge sehn,
Drin wurzeln und wachsen zu festem Stand
Zum Wohle der Grafschaft am Südharzrand.“

Vom Gau zur Grafschaft

Schon in vorgeschichtlicher Zeit war unsere Gegend hier am Harzrand bevölkert. Die Bewohner, auf der untersten Stufe menschlicher Bildung stehend, sollen dem Keltenstamme angehört haben. In den langen Wintermonaten suchten sie Schutz in Höhlen. Funde in den Schuttanhäufungen der Einhornhöhle bei Scharzfeld geben uns von jenen Urbewohnern Kunde.

Bei Ausgrabungen fand man in der untersten Schicht zerschlagene Knochen von Höhlenbären und Menschen, doch nicht von Haustieren. Die damaligen Bewohner waren also ein Jägervolk, das noch keine Haustiere kannte. Außerdem wurden Holzkohlen, ungebrannte Topfscherben und zersprungene Steinwaffen gefunden. Daraus ergibt sich, daß schon zur sogenannten Steinzeit unsere Heimat bevölkert war. Das wird vor 4000 Jahren gewesen sein.

Später sahen sich diese Ureinwohner infolge geringerer Jagdergebnisse gezwungen, Tiere zu fangen und für sie zu sorgen, damit sie jederzeit Schlachtvieh hatten; dadurch ward das Jagdvolk zum Hirtenvolk. Aus steilabfallenden Höhen legte man feste Wohnsitze an; die leicht zugänglichen Seiten zur Höhe befestigte man durch Graben, Wall und Hecke. Aus dieser Wallanlage konnte das Vieh nicht ausbrechen, auch war man gegen Feinde und wilde Tiere geschützt. In einer Erdhütte oder Wohngrube hausten die Mitglieder der Familie. Solche umwallten Wohnstätten befanden sich z. B. auf der Harzburg (Braunsteinhaus), dem Schildberge bei Steigerthal, dem Spiegelberg bei Neustadt, dem Kohnstein (Kuxloch), dem Mühlberge (Faziusgraben).

In diese Gegend am herzynischen Urwalde drang vor ungefähr 2500 Jahren vom Norden her eine starke Schar von Neusiedlern. Es war ein Teil vom Stamme der Döringer oder Thüringer (Westgoten). Diese Neuankömmlinge ließen sich an Quellen und Bächen häuslich nieder und hatten bald die Ureinwohner unterjocht oder verdrängt. Nun bildete sich das Thüringerreich, von dem unsere Gegend die nördlichste Provinz war.

Als nach über 1000jährigem Bestehen das Königreich Thüringen eine fränkische Provinz wurde, weil das Frankenheer die Thüringer besiegt hatte, wurde auch auf dieses unterworfene Gebiet die fränkische Gaueinteilung übertragen. Und da erhielt unsere Gegend nach der mitten hindurchfließenden Helme den Namen Helmegau. Dieser war wohl 20 Kilometer breit und 50 Kilometer lang und reichte im Norden bis zum Ravensberge, im Süden bis Wallhausen, im Osten bis vor Benneckenstein und im Westen bis hinter Heringen. Der Helmegau grenzte im Norden an das Sachsenland. Ein breiter Waldstreifen, in dem kein Baum gefällt werden durfte schied hier Sachsen- und Frankenland. Ost werden wohl die kampflustigen Nachbarn durch den Grenzwald gedrungen sein und manch blutiger Streit wird hier stattgefunden haben.

An der Spitze unseres Gaues stand auch ein Gaugraf, der an den Malstätten der Leuten oder Hundertschaften Recht zu sprechen hatte und die Männer im Kampfe führte. Unser Gaugraf wird ein Hohnsteiner der älteren Linie gewesen sein. Der nach drei Seiten steil abfallende Porphyritfelsen „honstein“ schien schon in den ältesten Zeiten wie geschaffen zur Anlage eines festen Wohnsitzes, und dort wird sich der Edelste der Männer, ihre Führer, angebaut haben. Diese ersten Grafen von Hohnstein waren sicher schon Lehnsherrn der Thüringer Könige. Erst der Begründer der jüngeren Hohnsteiner Linie, Graf Konrad von Sangerhausen, baute den Hohnstein 1061 zum Schlosse aus und befestigte die Burg. Doch erst seinem Urgroßsohne, Graf Eilger II. von Ilgersburg, ward auf dem Fürstentage in Erfurt 1184 vom Kaiser Friedrich I. die Erlaubnis erteilt, den Grafentitel „von Hohnstein“ wieder zu führen.

Als Bonifazius die fränkische Provinz Thüringen bekehrte, ward auch in unserem Gau durch bischöfliche Sendboten vom Kloster Fulda, die von einer fränkischen Schutzschar begleitet wurden, das Christentum eingeführt. (Bischofferode — Rodung der Bischöflichen.) Für kurze Zeit unterstand in kirchlicher Beziehung unsere Gegend dem Bistum Erfurt, bis Bonifazius dieses Bistum auflöste und Thüringen zum Erzbistum Mainz legte.

Karl der Große sandte auch in den Helmegau seine Landmesser, die die Dorffluren zu vermessen und einzuteilen hatten. Dabei wurde Land für Kirche und Pfarre (Heiligenland) ausgeworfen, gemeinschaftlicher Besitz (Realgemeindeland, Markgenossenschaftswald) wurde festgestellt. Zehntland, Oedland und Grenzwald wurden als Königsgut erlärt. Dort wurden Königshöfe gegründet, die jetzt z. T. noch als Domänen und Rittergüter bestehen. Wege von einem Königshof zum andern wurden angelegt ober ausgebessert. So entstanden Königswege, Heerstraßen und Handelswege. Vom Königshof Nordhausen führte eine Straße nach Norden über Ellrich und Walkenried, eine andere nach Süden über Urbach nach dem Königshofe Wallhausen, eine dritte durch den Harz, der als Bannwald königliches Jagdgebiet war, nach dem Jagdschlösse Bodfeld, eine vierte über Steigerthal, Birkenmoor durch den Harz. Und gerade dadurch, daß sich diese Straßen beim Königshofe Nordhausen kreuzten, erschien die Lage dieses Hofes Heinrich I. sehr geeignet zur Anlage einer befestigten Stadt. Es wuchs im Laufe von 1000 Jahren das Reichsdörfchen bei dem Königs- Hofe Nordhausen zu der Stadt, die der Mittelpunkt unserer Gegend ist. i Schon 908, als der letzte Thüringer Herzog im Kriege gegen die Ungarn gefallen war, hatte der deutsche Kaiser Thüringen als erledigtes Reichslehen eingezogen. Den Helmegau sahen von einer Generation zur anderen die Hohnsteiner Grafen mehr und mehr als ihr Eigentum an; daher schob sich nach und nach an die Stelle des Namens „Helmegau“ die Bezeichnung „Grafschaft Hohnstein“. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts ist von Gauen nur selten noch die Rede.

Die Grafen mehrten ihre Grafschaft und rundeten sie ab durch Erbschaft und Heirat, durch Kauf und Tausch, daß ihre Herrschaft zuletzt Sondershausen, Clettenberg, Lauterberg, Wallhausen, Bleicherode, Artern, Ilmenau u. a. umfaßte. Aber durch Teilung 1373 in die Hohnsteiner Linien Clettenberg, Kelbra und Heringen und durch Verkäufe wurde der Besitz wieder kleiner. 1417 kaufte der Graf v. Stolberg den Hohnstein. 1593 starb der letzte Hohnsteiner Graf Ernst VII. in Clettenberg und wurde im Kloster Walkenried begraben. Nur an 20 Jahre war der Sachsenherzog Heinrich der Löwe Lehnsherr auch der Grafschaft Hohnstein gewesen. Infolge seiner Untreue gegen Friedrich I. nahm ihm dieser auch dieses Hoheitsrecht. So besaßen von 1180 bis 1420 die Hohnsteiner ihre Grafschaft als Reichslehen und unterstanden unmittelbar dem Reiche. 1420 hatte die Bitte des Herzogs von Braunschweig an den Kaiser Sigismund um Belehnung der Grafschaft Hohnstein Erfolg, da sein Vorfahr Heinrich der Löwe schon Lehnsherr gewesen war. Von 1428 ab besaß der Graf von Stolberg die Hohnsteiner Grafschaft nicht mehr als Reichslehn, sondern als Landeslehen von Braunschweig. Von 1598 bis 1635 war Stolberg das Lehen genommen. Der Herzog von Braunschweig zahlte an den Herrn von Schweinitz die an Stolberg geliehene Summe, für die die Grafschaft Hohnstein als Pfand galt. Zur Zeit des 30jährigen Krieges verwalteten das Amt Hohnstein Amtleute des Braunschweiger Herzogs, die auf der Burg Hohnstein wohnten, bis diese 1627 zerstört ward. (Vitztum von Eckstädt.) Erst 1635 erhielt Stolberg Amt Hohnstein zurück. (Ohne Ilfeld.) 1639 kam durch Erbschaft auch die Lehnshoheit über Hohnstein an Hannover. 1778 erhielt Hannover gegen Zahlung einer Abfindungssumme an den Grafen von Stolberg das Amt Hohnstein mit allen Rechten und Besitzungen (Güter). Erst 1822 bekam Stolberg das Amt wieder zurück bis auf Ilfeld. Das Amt Hohnstein wurde auch Amt Neustadt genannt, denn Neustadt war seit 1733 der Sitz einer Kanzlei, des Gerichts und des Hohnsteiner Konsistoriums. Es gehörte zur Landdrostekn Hildesheim. Seit 1850 hörten die Patrimonialgerichte in Sülzhayn, Werna, Crimderode und Bösenrode auf und wurden die Rechte dem Amtsgericht in Neustadt übertragen. 1866 wurde Hannover eine preußische , Provinz, und unsere Heimt als Kreis Ilfeld dem Regierungsbezirk Hildes heim unterstellt. Kanzlein und Gericht verlegte man nach Ilfeld. Unser Kreis Ilfeld besteht nun aus der alten Grafschaft Hohnstein und dem vormaligen Amte Elbingerode und umfaßt 273 Quadratkilometer (189 und 84).

1925 wurden in 2880 Häusern (2307 und 573) 4170 Familien (3000 und 1170) mit 18 356 Einwohnern (13 562 und 4794) gezählt. Nach der Zahl der Einwohner ist Ilfeld der kleinste der 17 Kreise des Regierungsbezirks Hildesheim.

Unsere Grafschaft Hohnstein, die einen Teil des hannoverschen Kreises Ilfeld bildet, ist aber nur ein Teil der alten Grafschaft. Der größere bildet jetzt den sächsischen Kreis Grafschaft Hohenstein, der rund 500 Quadratkilometer umfaßt und 65 Orte enthält mit 50 000 Einwohern. Auch Nordhausen gehörte zur alten Grafschaft. Als die Stadt aber 1882 über 25 000 Einwohner hatte, bildete sie einen Stadtkreis.

Die Hohnsteiner Grafen übten in der Stadt Nordhausen die Reichsvogtei und das Schulzenamt erblich aus. Als Reichsvogt gehörte mit zu ihren Aufgaben, die Stadt zu verteidigen und Gericht zu halten (die peinliche Halsgerichtsbarkeit). Die Hohnsteiner Reichsvögte hatten aber als ihre Vertreter Reichsschulzen zu ernennen, die auch die bürgerliche Gerichtsbarkeit mit ausübten. Als die Schwarzburger Linie bei der Teilung der Hohnsteiner Besitzungen 1356 die Stadtrechte mit erhielten, überließen die Grafen die Ausübung dieser Rechte dem Rate der Stadt gegen eine jährliche Abfindungssumme. 1595 sielen diese Rechte an den Kurfürsten von Sachsen, weil der letzte Schwarzburger gestorben war. Nun wurde der Stadt die Gerichtsbarkeit bis auf das Halsgericht überlassen, bei diesem sei der Graf von Hohnstein-Clettenberg zuständig. 1697 erhielt der Kurfürst von Brandenburg diese Rechte, die aber 1715 an Nordhausen gegen Zahlung von 50 000 Taler übertragen wurden. Wenn nun auch die Hohn- steiner Grafen die Stadt in ihrer Eigenschaft als Reichsvögte zu verteidigen hatten, so sind sie doch oft mit ihr in Fehde geraten. Um 1480 herum konnte sich die Stadt nur Ruhe und Frieden verschaffen, daß sie dem Grafen ein Jahresgeschenk von 60 Gulden zahlte.

Nordhausen hat sich in 1000 Jahren zum größten und bedeutsamsten Ort unserer Heimat entwickelt. Unser Kreis ist durch 3 Landstraßen, 3 Eisenbahnen und neuerdings durch Kraftverkehrslinien der Nordhäuser-Wernigeröder Eisenbahn mit der Stadt verbunden. Von 3 Seiten grenzt unser Kreis Ilfeld nachbarlich an die Stadtflur. Nordhausen ist für uns von größter Bedeutung. Unsere Jugend besucht vielfach die höheren Schulen der Stadt. Durch Vorträge, Theater und Konzerte bietet uns Nordhausen geistige Förderung und Genüsse. Die Stadt ist auch unser wirtschaftlicher Mittelpunkt; dort kaufen und verkaufen wir. Der Nordhäuser Handelskammer gehören unsere Kaufleute und Fabrikanten an. Unser Landgericht und unser Katasteramt befinden sich dort.

Anderseits bietet unser schöne Harz den Städtern Freude, Genuß und Erholung.

Unruhige Zeiten in der Heimat

Von der Empörung im Helmegau gegen die fränkischen Meßleute

Schon seit 250 Jahren gehörte unsere Heimat dem Frankenlande an als Karl der Große ein Flurgesetz erließ; danach hatten vorgebildete Landmesser die Stadt- und Dorffluren im Reiche zu vermessen. Jede Familie erhielt ihr Land zugeteilt, ferner wurde jedem Orte gemeinsamer Besitz (Realteile) ausgeworfen, auch Kirchen und Pfarren wurden Ländereien zugemessen. Trotzdem war noch so viel Grund und Boden vorhanden, daß dem Reiche noch ein Zehntel aller Fluren zufiel. Das Gesetz bestimmte auch noch, daß das Land ausgestorbener Familien, desgleichen der Grundbesitz der wegen Untreue gegen den Kaiser verurteilten Untertanen als sogenanntes Königsgut an das Reich fiel. Im Jahre 780 erschienen nun Karls Landmesser, denen zu Schutz und Hilfe ein Trupp Frankenkrieger zugeteilt war, auch im Helmegau, und zwar unter der Führung eines fränkischen Edlen, des Grafen Meginhard. Die Aufnahme bei dem Gaugrafen Hartrad war keine freundliche. Die Franken vermaßen nun ein Urdorf nach dem andern. Es blieben weite herrenlose Strecken und viele Hufen von Oed- und Unland als Reichsland übrig. Daher sah sich der fränkische Graf genötigt, neue Dörfer oder Güter zu gründen; das waren die Könkgsdörfer und Königsgüter. Der junge Graf Meginhard wohnte zunächst auf der Burg des finstern Gaugrafen und lernte die schöne Tochter desselben kennen und lieben. Bald bezog er ein neugegründetes Königsgut. Als er um die Hand der Grafentochter anhielt, wurde sie ihm verweigert; dadurch wurde das Verhältnis zwischen den beiden Grafen noch gespannter.

Auf einer Gauversammlung kam der Haß gegen die Franken zum Ausbruch. Der Gaugraf schürte noch die Flamme des Hasses. Von da ab merkte Graf Meginhard überall Widerstand von Seiten der Gauinsassen. Er sandte Botschaft nach Aachen, daß im Helmegau eine Empörung im Gange sei. Und als nach wenigen Wochen Kaiser Karl ein Heer nach hier sandte, wurde der Aufruhr erstickt, indem der Gaugraf mit den übrigen Häuptern der Verschwörung gefangen nach Kloster Fulda abgeführt wurde, wo sie streng bestraft wurden. Der Gaugraf soll geblendet und elend umgekommen sein. Seine Besitztümer wurden als Königsgut eingezogen. Der Frankengraf Meginhard heiratete die Grafentochter.

Von den damals gegründeten Königsgütern haben wir jetzt noch die Staatsdomänen in unserer Gegend (Berga, Salza, Woffleben u. a ). In jener Zeit sind wohl auch unsere meisten Orte gegründet.

Von den Kriegsgreueln der Reichstruppen in unserer Ortschaft

Der leichtsinnige Landgraf Albrecht von Thüringen, der auch Lehnsherr der Grafen von Hohnstein und Stolberg war, hatte sich von dem deutschen Kaiser Adolf im Jahre 1294 betören lassen und Thüringen an denselben verkauft. Als nun der Kaiser von den Lehnsträgern des erworbenen Landes den Treueid verlangte, wurde ihm der von den meisten Grafen des Landes verweigert, weil sie den Kauf für ungerecht und eines Kaisers für unwürdig hielten; denn der Entartete hatte das seinen Kindern gesetzmäßig zustehende Erbe verschleudert. Im Herbst 1294 zog nun des Kaisers Herr durch Thüringen, um die Herrn zu strafen und zum Lehnseide zu zwingen. So kam im Winter ein Heereshaufen auch in unsere Gegend, um die Grafen von Stolberg und Hohnstein für ihre Weigerung zu strafen. Auch die unschuldigen Untertanen der Grafen, die Bauern, hatten schrecklich zu leiden. Nachdem diese beraubt und mißhandelt waren, steckten die rohen Krieger die mit Stroh bedeckten Bauernhäuser an. Hunger und Kälte vergrößerten die Not der Bauern, die Schutz und Hilfe in benachbarten Dörfern suchten, die von den Raubscharen verschont waren. Der Raubzug ging von Bösenrode aus an Urbach, Leimbach, Petersdorf vorbei nach dem Hohnstein. Auf diesem Wege haben sie benannte Dörfer verschont, da es Reichsdörfer waren; aber 8 Dörfer haben sie dem Erdboden gleichgemacht, nämlich Tütchenwenden und Almenrode (bei Bösenrode), Wiersdorf und Ebersborn (bei Urbach), Rossingen, Wachsbach und Gumprechtrode (zwischen Leimbach und Petersdorf), Elbingen (bei Buchholz). Da endlich gebot ein kaiserlicher Befehl das Ende dieses grausigen Raubzuges; denn die Grafen waren bereit, den Lehnseid nicht länger zu verweigern. Nachdem das in der Weihnachtswoche in Nordhausen geschehen war, antwortete der Kaiser auf des Hohnsteiners Vorwürfe über das rücksichtslose Vorgehen des kaiserlichen Heeres: „Ich kann meine Krieger im Schubsack nicht mit mir führen.“

Von den Fehden der Hohnsteiner Grafen mit Nordhausen

Obwohl die Hohnsteiner Grafen als Reichsschulzen die Aufgabe hatten, die Stadt Nordhausen zu beschützen und zu verteidigen, lagen sie trotzdem öfter mit ihr in Fehde.

Als 1325 Markgraf Friedrich Nordhausen belagerte, ließ er das Altentor abbrennen und zog weiter, doch blieben u. a. auch die Truppen des Hohnsteiners vor Nordhausen zurück, um die Stadt noch mehr zu demütigen. Als die Belagerer in die Stadt einbrachen, wurden sie so zurückgeschlagen, daß sie abziehen mußten.

Vier Jahre später (1329) zog der Hohnsteiner mit seinen Leuten wieder vor Nordhausen und erbrach in finsterer Nacht das Altentor. In den Straßen wogte der Kampf. Unheimlich gellte das Sturmgeläut, das die schlafenden Bürger zum Kampfe rief. Erst in der Barfüßerstraße konnten sie den Eindringlingen mit solcher Gewalt widerstehen, daß stundenlang der Sieg hin und her schwankte und endlich die Feinde zurückgedrängt wurden. Die Frauen hatten sich am Kampfe dadurch beteiligt, daß sie kochendes Wasser aus den Fenstern auf die Feinde gegossen hatten.

Grollend und racheschnaubend kehrte der Graf auf den Hohnstein zurück. Ihm wurde 1342 das Reichsschulzenamt wegen Schädigung der Stadt genommen. Er ließ 1363 auf seinem Bergwalde, dem Kohnstein, an dessen Fuße eine Landstraße vorbeiführte, die kleine, aber feste Schnabelsburg erbauen. Nun konnte er die Wagenzüge der Nordhäuser Kaufherrn tüchtig brandschätzen. Gewahrte die Besatzung der Burg das Herannahen von Frachtwagen, so hatte sie nach dem Hohnstein hin ein Fahnenzeichen zu geben. Dann kam von dort Verstärkung. Dasselbe geschah, wenn die Rinderherde der Stadt im Steinfelde gehütet wurde. Durch dauernde Verluste wurde die Feindschaft zwischen Graf und Stadt immer großer.

Nach einigen Jahren kaufte Nordhausen die Besitzungen des Herrn von Salza, darunter auch den südlichen Teil des Kohnsteins. Diesem Kaufabschluß gegenüber erhob der Hohnsteiner Graf Einspruch mit der Begründung, daß er Lehnsherr der Salzaschen Besitzungen sei. Gleichzeitig nahm er Besitz von den betreffenden Gütern. Da wandte sich die Stadt beschwerdeführend an den Kaiser Karl IV., der den Thüringer Landgrafen beauftragte, die Streitsache auf friedlichem Wege zu begleichen. In einem Termine kam dann folgender Vergleich zustande: Der südliche Kohnstein wird der Stadt als Eigentum zugesprochen; daher kommt auch die dort stehende „Schnabilburg“ in städtischen Besitz; man soll aber dem Grafen dafür 1500 ℳ Silbers auszahlen.

Nach einigen Tagen wurde dem Grafen die erste Rate des Betrages vom Rate im Riesenhause gezahlt, und daran schloß sich ein glänzendes Gelage, daß der Graf erst gegen Morgen schwer bezecht mit seiner Begleitung heimritt. Doch wie ergrimmte er, als er an der Stelle der Schnabelsburg einen rauchenden Trümmerhaufen sah. Die schlauen Nordhäuser hatten während des nächtlichen Gelages ihre Stadtknechte hingesandt, die die gräfliche Besatzung der Schnabelsburg überredeten, daß sie von dannen zog. Kaum war der letzte Mann heraus, da zündeten die Nordhäuser die Burg, durch die ihnen seit 5 Jahren so mancher Aerger und Schaden bereitet war, an, daß sie völlig niederbrannte. Sie soll da gestanden haben, wo sich jetzt der Gasthof „Zum Schnabel“ erhebt.

Von den Verheerungen des Fleglerkrieges

Eine Linie der Hohnsteiner Grafen besaß die Grafschaft Heringen. Doch die meisten und besten Güter ihres Landes waren im Besitze des Walkenrieder Klosters. Da verlangte Graf Dietrich von Hohnstein-Heringen als Landesherr den 4. Teil der Jahreseinkünfte jener Klostergüter. Der Abt von Walkenried verweigerte natürlich solche Abgaben. Darauf zog der Graf mit seinen Knechten nach den einzelnen Klostergütern und ließ sie ausplündern. Der Abt beschwerte sich sofort bei dem Kaiser Ruprecht, und der befahl den 3 Reichsstädten Goslar, Nordhausen und Mühlhausen mit ihren Reichstruppen gegen den Heringer zu ziehen und ihn zu bestrafen. Diesen Straftrupp hatte der alte Graf Ulrich von Hohnstein-Kelbra zu führen. Nach kurzer Belagerung mußte diese wegen starker Verluste aufgegeben werden. Nun zog der Heringer – es war im Hochsommer 1406 – aber damals gegen die Klostergüter, die er jetzt von seinen Kriegsknechten auch in Brand stecken ließ. Erst im nächsten Jahre zog der Hohnsteier mit dem Reichsheere abermals gegen Heringen, ward aber wieder gezwungen, erfolglos abzuziehen. Dadurch sah sich der Abt in Walkenried genötigt, mit dem Heringer Grafen einen Vergleich einzugehen. Das geschah 1410 im Kloster Ilfeld. Danach erhielt der Graf den 4. Teil der Jahreseinnahmen.

Doch der unruhige Graf konnte ohne Fehde nicht leben. Weil er glaubte, er sei bei der Teilung der Hohnsteiner Besitzungen (1394) zu kurz gekommen, und weil sein Onkel das Reichsheer gegen ihn geführt hatte, verlangte er Recht und Rache. Bald suchte und fand er in den Scharen des Friedrichs von Heldrungen die nötige Unterstützung. Diese Truppe, die aus wohlbewaffneten Soldaten und aus Bauern, die mit Mistgabeln und Flegeln bewaffnet waren, bestand, kam aus einem Kriegsunternehmen und suchte neue Arbeit. Dieser Flegelrotte wegen wird die 1412 beginnende Fehde „Fleglerkrieg“ genannt.

Graf Dietrich hatte nun seine Leute durch die Fleglerrotte verstärkt, er drang in das benachbarte Gebiet und ließ des Onkels Dörfer bei Kelbra berauben und verwüsten; dann setzte er seinen Rachezug durch unsere engere Heimat, die doch auch dem Hohnstein-Kelbraer gehörte, fort und zerstörte Diemenrode und Crimderode bei Bösenrode, Grumbach bei Leimbach, Liebichenrode bei Steigerthal, Hunsdorf bei Buchholz, Tütschenrode bei Rüdigsdorf, Harzfeld, Günzdorf, Blicherode und Walerode bei Sachswerfen, Bettlershayn und Wülferode bei Appenrode. Danach belagerte er die Burg seiner Väter, auf der sein Feind und Onkel Graf Ulrich von Hohnstein-Kelbra wohnte. Durch Verrat gelang es den Belagerern, in finsterer Nacht in die Burg einzudringen und den alten Burgherrn gefangen zu nehmen, während der Sohn entkam. Seine Gemahlin soll ihn an einem Seil durchs Fenster hinabgelassen haben. Er eilte, nur mit einem Hemd bekleidet, nach dem Kloster Ilfeld. Der Abt gab ihm Kleider und ein Pferd, dafür wurde später dem Kloster das Dorf Königerode geschenkt. Der junge Graf floh nach Meißen zum Herzog von Sachsen und klagte den Heldrunger wegen Landfriedensbruch an. Ein sächsisches Heer eroberte bald Heldrungen, und der Herzog belehnte nunmehr den Grafen von Hohnstein-Kelbra auch mit der Herrschaft Heldrungen. Das geschah 1415. Friedrich von Heldrungen soll bald nach der Eroberung des Hohnsteines auf einem Raubzuge bei Mackenrode erstochen sein. Unsere zerstörten Dörfer wurden nicht wieder aufgebaut. Die nach den benachbarten Dörfern geflohenen Bauern siedelten sich dort an. Nur einige Kirchenruinen erinnern noch an die zerstörten Dörfer.

Von den Bauernunruhen 1525

Im Frühjahr 1525 fand die von Thomas Münzer in Mühlhausen gepredigte Forderung nach Freiheit von Frondiensten und Erlaß der Abgaben an Herrn und Klöster (12 Artikel) auch zu den schwerbedrückten Bauern unserer Heimat ihren Weg und wurde mit offenen Ohren und willigen Herzen ausgenommen. Ueberall rotteten sich Bauernscharen zusammen z. B. im Helme-, Wipper- und Zorgetale, bei Nordhausen, Ilfeld, Walkenried, Stolberg und Urbach, um Klöster, Kirchen, Pfarren, Schlösser und Gutshäuser zu plündern und Freiheiten zu erzwingen.

„Die wütenden Bauern ziehn durchs Land,
Raub ihre Sehnsucht… Es leuchtet der Brand
Der Dörfer und Schlösser die blutige Bahn,
Selbst Klosterfrieden hält sie nicht an.
Wohin sie sich wälzen, schreit Angst und Not,
Ihre Sensen mähn für den blassen Tod,
Auf geraubten Wagen geraubtes Gut
Zu üppigen Mahlen sie fahren in Hut.“ (Hollmann.)

Luther billigte den Aufstand nicht, sondern widerlegte die 12 Artikel und predigte in Wort und Schrift den Frieden.

Die Hauptrotte auf dem Eichsfelde führte der aus Stolberg stammende Thomas Münzer. Der Schäfer Arnold aus Bartholfelde sammelte die Bauern vom Südharzrande (Lauterberg-Scharzfeld), um sie dem Münzer zuzuführen. Zunächst wandten sie sich aber gegen Kloster Walkenried. Bel der Kunde vom Nahen der Bauern reichte der Abt seinen Mönchen einen Zehrpfennig und hieß sie nach den Klosterhöfen in den benachbarten Städten entweichen. Nun warf sich die von Haß und Habsucht gehetzte Rotte auf die verlassene Abtei, durchsuchte Zellen und Böden, Keller und Gewölbe, trieb mit den Heiligenbildern Mutwillen und berauschte sich am Klosterwein. Es gelang ihnen auch, den starken Turm niederzureitzen, wodurch das Gewölbe der herrlichen Kirche zerschmettert wurde. Die Grafen von Hohnstein begaben sich zu den Bauern und suchten die Verblendeten unter dem Scheine, als schlössen sie sich ihnen an, auf den richtigen Weg zurückzuführen, aber es gelang ihnen nicht.

Auch in unsern Dörfern erschienen Abgesandte Münzers mit der Aufforderung: „Stehet auf und brecht die Macht der Junker und Pfaffen, wie wir es in Walkenried begonnen haben.“ Schon kam die Kunde, daß auch Kloster Nikolausrode bei Urbach geplündert sei, wobei man Probst Holtegel aber nicht vorgefunden hätte. (Er hatte die Nacht in Urbach durchzecht.) Als auch die Nachricht von der Zerstörung des Klosters Himmelgarten sich verbreitete, rotteten sich die Bauern aus den Klosterdörfern Appenrode, Sachswerfen und Wiegersdorf zusammen und nahten sich unter Führung des Sachswerfer Ortsschulzen am Abend des 1. Mai dem Kloster Ilfeld. Doch die Mönche waren gewarnt und nach ihrem Klosterhof in Nordhausen geflohen. Nur Abt Mützefal hatte mit den Klosterschätzen, die auf Pferde gepackt waren, sich zur Burg Hohnstein gerettet, wo ihn der Burgvogt des Grafen von Stolberg gerne ausgenommen hatte. Aber sein Aufenthalt wurde den Aufrührern bekannt. Als sie das Kloster leer fanden, folgten sie ihm zum Hohnstein, und in der Frühe des nächsten Morgens erhob sich vielstimmiges Wutgeschrei zur Burg hoch. Der Burgvogt erwartete eine Belagerung der schwachbesetzten Burg und ließ sich gegen Abend in Unterhandlungen mit den Bauern ein, die dahin führten, daß sie endlich auf die Herausgabe des Abtes verzichteten, doch nicht auf die Klosterkostbarkeiten, die ihnen dann auch ausgeliefert wurden. Darauf zog der johlende Volkshaufen nach Neustadt hinunter, um den Sieg zu feiern. Der Anführer soll vorangegangen sein, das Abtinful auf dem Haupte und den silberbeschlagenen Abtsstab in der Hand, das Segenspenden des Abtes nachahmend. Auf dem Platze vor dem Rathause loderten bald Freudenfeuer; die Kostbarkeiten aus dem Kloster wurden verteilt, und dann begann ein Gelage, bis alles Volk bezecht am Boden lag.

Auch nach Stolberg wälzte sich am gleichen Tage ein Bauernhause zum Schlosse und verlangte vom Grasen Botho, daß er die von Münzer aufgestellten Artikel anerkenne und Erleichterungen seiner Untertanen gelobe. Obwohl der milde Herr ihrem Drängen zustimmte, stellten die Aufrührer Wachen um das Schloß. Da entwich er nachts über die Schloßmauer und eilte zu seinem Vetter nach Wernigerode. Als die Bauern am nächsten Morgen den Grafen zu sprechen verlangten und hörten, daß er geflohen sei, nahmen sie an seiner Stelle einige Angestellte als Geiseln mit und zogen zum Hauptherrn nach Walkenried.

Nach einigen Tagen lagerte dieses aus dem Hamsterberge bei Günzerode. Nach allen Orten der Umgegend waren Aufwiegler ausgesandt, und von allen Seiten strömte Volk heran. Lodernde Wachtfeuer gaben nachts den heranziehenden Bauern das Ziel an. Ihr nächstes Lager bezogen sie auf einer Wiese an der Flarichsmühle bei Wechsungen. Von da beabsichtigten sie nach Heringen zu ziehen zum Bauernheere Münzers. Doch in der Nacht erschien ein Bote mit der Nachricht, daß das große Heer bei Frankenhausen geschlagen sei. Da zerstob Arnolds Haufe in alle Winde.

Bald eilten die Fronboten des Stolberger Grasen in die Dörfer, um die Bauern, die sich an den Unruhen beteiligt hatten, nach Stolberg zum Gericht zu bestellen. Dort wurden die aufständischen Gemeinden mit Strafgeldern belegt, und zwar jedes Haus mit 5 Gulden. Ferner wurden die Anführer zum Tode verurteilt. So wurden auch die Schulzen von Sachswerfen und Wiegersdorf gehängt. Die Bestrafung der Hohnstein-Clettenbergschen Bauern fand in Schiebungen statt.

Aus der Geschichte unserer Orte

Sülzhain, die moderne Lungenheilstätte

An ber alten Kaiserstratze sollen ums Jahr 950 wendische Kolonisten das Dorf Sultzhain gegründet haben, und zwar einige Kilometer weiter nordwärts, wo jetzt noch eine Wiese am Fuße des Ehrenberges „Dorfstätte“ heißt.

Zur Pfarre, die 1557 gestiftet ist, gehört die nach einer ehemaligen im Unterdorfe belegenen Kapelle St. Salvatoris benannte Kolonie Heiland. Die der Jungfrau Maria geweihte Kirche ist 1714 renoviert; der Turm 1769 erbaut. In der Kirche befindet sich bemerkenswertes Schnitzwerk. Um 1400 war das Dorf dem Herrn v. Tettenborn belehnt. Sülzhain und Werna wurden 1477 von dem Stolberger Grafen für 400 Gulden zurückgekauft. Beide Dörfer kamen 1593 in den Besitz der Freiherrn v. Spiegel zum Desenberge. Vom Mittelalter bis 1880 wohnten auch jüdische Familien in Sülzhain. Es hat jetzt 800 Einwohner. Weil der Ort im Tale von Osten nach Westen liegt, hat er viel Sonne und wenig Nebel. 1896 hat die Knappschagtspensionskasse dort eine Lungenheilstätte errichtet. Jetzt sind mehr als 10 solcher Anstalten mit über 600 Kranken am Orte.

Werna, das altadelige Dorf

In einer Urkunde des Klosters Fulda wird 874 das an der alten Kaiserstraße belegene zehntpflichtige Dorf Uerina genannt. Früher war Werna zum Pfarrkirchdorf und Rittergut Wülferode eingepfarrt. Dann wohnte der Geistliche beider Gemeinden in Werna; doch seit 1570 ist Sülzhain der Pfarrort. Das Rittergut in Werna besaßen als hohnsteinsches Lehen von 1233 ab 300 Jahre hindurch die Ritter von Werna. Ihnen folgten die von Wurmb, von denen es 1593 die Freiherrn von Spiegel zum Desenberge kauften. Diese besaßen über Sülzhain und Werna bis 1850 die Patrimonialgerichtsbarkeit. 1642 hielt der schwedische General Graf Königsmark in Werna sein Winterquartier.

Appenrode, das erste evangelische Dorf unserer Heiamt

Lutrudis, die Gemahlin des Grafen Elger II. (und Tochter des Grasen Heseke) schenkte dem Kloster Ilfeld Villa und Pfarre Appenrode. Auch in der Bulle des Papstes Innozenz vom Jahre 1247, durch die er das Kloster Ilfeld in seinen besonderen Schutz nahm, ist Appenrode mit aufgezählt. Der Canonikus Johannes von Ilfeld schrieb 1300: Que commissa obtulit ecclesie nostre villam Appenrode cum parochia. Mit Appenrode wurde das eingegangene Pfarrdorf Bischoferode – seit 1752 Vorwerk und Rittergut – vereinigt. Der Pfarrer Hermann stiftete 1238 neben seiner Kirche ein Nonnenkloster, das durch Brand und Krieg so litt, daß es 1293 nach Nordhausen (Altendorf) verlegt, und, wo es im Bauernkriege zerstört wurde. (Das Gut Königerode schenkte 1417 der Graf von Hohnstein dem Kloster Ilfeld. Appenrode wurde 1412 durch Zuzug von Bauern, deren Gehöfte im Fleglerkriege zerstört waren, vergrößert. Die Bettlershayner haben noch ihre eigenartigen Sitten und Gebräuche. 1525 blieb dort der von Walkenried geflohene Mönch Johann Molhusen als erster evangelischer Prediger. 1600 = 45 Häuser. 1709 Rezeß mit Stolberg (Holzgerechtsame.) 1758 mußte der Ort an die Franzosen 690 Thaler zahlen. 1761 wurde der Schulze von den Franzosen verprügelt. 1763 mußte das Dorf zur Befreiung der Geiseln 830 Taler zahlen.

Niedersachswerfen, unser größte und gewerbereichste Ort

Sowohl auf dem Mühlberge als auch auf dem Kohnsteine sind vorgeschichtliche Wallburgen nachgewiesen. (Faziusgraben, Kuxloch.) Saxwerpian erhielt 1412 Zuzug von den Bauern, deren Dörfchen Bischofferode und Kapelle auf dem Johannisberge zerstört waren. Die Kirche in Sachswerfen erhielt seitdem den Doppelnamen: S. S. Johannes et Paulus. Sie ist 1869 neu erbaut. Zuerst ist der Ort 1208 in einer Urkunde genannt. Kloster Ilfeld besaß zu jener Zeit bereits eine Villa (Haus) in Saxwerfe. Die Ländereien der Pfarren von Crimderode, Salza und Bischofferode liegen im Steinfelde unter dem Namen Heiligenland nebeneinander. Auf dem Riewenhaupte tagte das Gaugericht. Dort verkaufte 1290 unter dem Vorsitz des Hohnsteiner Grafen der Ritter von Lupfershausen seinen Woffleber Besitz (Hof und Land) an das Kloster Ilfeld. Dort schenke der Graf sein Dörfchen Bischofferode dem Kloster Ilfeld (1331). 1502 fand aus dem Riewenhaupte die letzte Gerichtsverhandlung statt. Schon 1368 gab es unter dem Kohnsteine schon mehrere Kalkröstereien. 1525 wurde der Schultheiß als Anführer der Bauern mit 9 andern in Stolberg gehängt. 1546 wurde in Sachswerfen Lorenz Rhodomann geboren. Er ward später in Wittenberg Professor und hat seine Heimat in dem Buche „Ilfelder Hercynia“ besungen. 1709 war der Rezeß mit dem Grafen von Stolberg über Rechte und Pflichten der Einwohner. 1732 zogen 3000 Salzburger durch den Ort. 1728–1767 bestand dort eine Kupferhütte, in der das Kupfer aus den Bergwerken zwischen Harzungen und Buchholz verhüttet wurde. Die Franzosen erpreßten 1758 dem Orte 2063 Taler. 1760 fand ein Gefecht in Steinfelde statt. 1763 mußte das Dorf an Geiselgeld 2478 Taler aufbringen. 1806 Durchzug der Preußen und Franzosen. 1848 zogen viele Einwohner in den Harz, um Holz ohne Zahlung zu fällen, wobei ein Zusammenstoß mit Förstern und Wachtmeistern stattfand. 1869 Staatseisenbahn eröffnet. 1899 Harzquerbahn. 1800 hatte es 700 Einwohner. 1900 = 2200 Einwohner.

Rothesütte, eine beliebte Sommerfrische

Durch den Hohnsteinschen Forst, der 1645 bei der Teilung an die Grafen von Stolberg-Wernigerode fiel, führt die Straße von Nordhausen nach Benneckenstein. Auf der Höhe lag an einer roten Pfütze oder Sütte ein Viehhof. 1682 erlaubte der Graf, daß ein Holzhauer einen Gasthof in der roten Sütte eröffnete. 1705 ließ die gräfliche Kammer eine Ziegelei dort errichten und baute dann mehrere Häuser für ihre Holzhauer und 1713 einige für ihre Förster. Seit dieser Zeit wurden die Bewohner des neuen Dorfes Rothehütte geistlich versorgt von dem Pastor in Ilfeld, bis sie 1834 einen eigenen Pfarrer und einen eigenen Lehrer erhielten. 1800 hatte der Ort in 15 Häusern 85 Einwohner, 1900 = 250 Einwohner.

Sophienhof, unser jüngster Ort

Auf dem sogenannten Schmerplatze war schon vor dem 30jährigen Kriege ein Viehhof eingerichtet. Daneben wohnten der Viehhirte und ein Forstbeamter. Der unschöne Name wurde 1712 geändert, und zwar in Sophienhof (nach dem Vornamen der Gräfin von Stolberg-Wernigerode). Nun hat das Dörflein über 100 Einwohner. Es ist wie auch die Försterei Hufhaus nach Rothesütte eingepfarrt.

Ilfeld, der Sitz unserer Kreisbehörde

(Studienrat Kleinschmidt, Ilfeld.) Aus dem Dunkel der Vorzeit unserer Harzheimat taucht als historisches Zeugnis des römischen Geschichtsschreibers Tacitus Wort Hercynia auf als Bezeichnung eines großen deutschen Gebirgswaldes, der den Harz mit umfaßt haben mag. (Erst das Jahr 781 bringt die Erwähnung des deutschen Wortes Harz.) In den ersten Jahrhunderten mittelalterlicher Geschichte hat der Harz unter den deutschen Gebirgen die Bedeutung einer germanischen Außenfestung gegen die Slaven, wie er anderseits die Grenze bildet zwischen den cheruskischen Engern und Ostfalen einerseits und den suevischen Hermunduren, also zwischen den späteren Sachsen und Thüringern. Immer mehr wird der Oberharz SaHsen- land, der Unterharz Thüringergebiet. Hier bildet sich in der Folgezeit lenes große Thüringerreich (letzter Herrscher Irmsried, Schwiegersohn des großen Ostgotenkönigs Theodorich), dessen Sturz erst 531 durch den Sohn Chlodwigs Theuderich herbeigesührt wird. Waffenhilfe leisteten den Franken hierbei die Sachsen, die als Lohn dafür Nordthüringen, also den Harz erhielten. Der große Urwald des Harzes fiel als herrenloses Gut dem Fiskus zu, also im Anfang des 10. Jahrhunderts den Königen sächsischen Stammes. Bis auf jene Zeit, wenn nicht gar auf die davorliegende Karolingerzeit mögen in ihrer Entstehung zurückgehen die zweifellos sehr alten Jagdhöfe Hasselfelde, Bodfeld und unser Ilfeld. (Die alte Schreibweise ist in den Urkunden zumeist Meld, Phlefeld. Nun haben alle diese Jagdhöfe den Namen nach dem nächsten Fluß (vergl. Hassel, Bode), also dürste auch die älteste Burg (Ufeld) nach der Eule (oberes Steinmühlental) heißen und als Jagdhof nordwärts (vielleicht Giersberg) zu suchen sein. Bald durchziehen Heerstraßen den Harz, Pfalzen krönen die Randberge (Kyffhäuser, Nordhausers Goslar) und –besonders im Südosten sucht man durch „Feuerschwendung“ und Rodung Raum für Siedlung und Ackerland zu gewinnen. (Dörfernamen auf -schwende, -rode, -feld.) Dem Kriegsmann und Kolonisten tritt zur Seite der Mönch, besonders des Zisterzienser- und Prämonstratenserordens. Des Sachsenkönigs Heinrich Gemahlin Mathilde stiftete das Kloster Pöhlde bei Scharzfeld (dessen Annalen eine wichtige Geschichtsquelle darstellen).

1158 tauscht der Staufer Friedrich Barbarossa den ganzen Südwestharz gegen schwäbische Güter an den Welsen Heinrich den Löwen. Dadurch, daß beim Sinken der Kaisermacht viele Harzteile an Klöster und Fürsten vergeben wurden, kam schließlich der ganze Harz aus dem Besitz der deutschen Kaiser. Das ist die Entstehungszeit der Harzgrafschaften, insbesondere unserer Südharzer Grafschaften Honstein (1120) und Stolberg (1180).

Hier setzt die älteste Geschichte von Ilfeld ein. Ums Jahr 1100 erbauten im Bähretal die wohl in Thüringen beheimateten Bielsteiner Grafen auf dem Ilfelder Burgberg, der noch heute Mauerreste trägt, eine Burg und bezeichneten sich von da an als Ilburger in den Urkunden. Eine der ältesten berichtet von einer Mordtat des Edelgerus de Plveld an einem Enkel des bekannten Otto von Nordheim. Vielleicht zur Sühne besten errichtete Graf Elger, der erste dieses Namens, an der Stelle des späteren Klosters Ilfeld aus einem steinernen Pfeiler eine ewige Lampe zu Ehren der Jungfrau Maria, damit alle, die hier ihre Andacht bezeigten, in dem grauenvollen Walde kein Unglück erfahren möchten.

Auf diesen ersten Ilburger folgt 1160 sein Sohn Elger II., der durch seine Heirat mit Lutrudis von Orlamünde (1161) das schwiegermütterliche Erbe, die Burg Honstein, erwirbt und sich seitdem Graf von Honstein nennt. Glücklich heimgekehrt von einer im Gefolge Heinrichs des Löwen unternommene Wallfahrt ins heilige Land, stiftet er 1189 unterhalb seiner Burg nordwärts im Eingänge des Tals das Kloster Ilfeld Beatae Mariae Virginis und besetzte es mit Prämonstratensermönchen aus Pöhlde. Die erste Ausstattung des jungen Klosters bildeten das Vorwerk (Praedium) Espe, das Dorf (villa) O, die Harzburg und Frauenburg und das Dorf Appenrode. Der wohlerhaltene gemeinsame Grabstein des Stifter-Grafenpaares (einst in der 1218-23 erbauten Stiftskirche aufgestellt, nach ihrem Abbruch 1859 in der Krypta der 1860-80 neugebauten Klosterschule aufgestellt), bildet das älteste geschichtliche Monument Ilfelds.

Dreieinhalb Jahrhunderte hat dann das Mönchskloster Ilfeld, dem für kurze Zeit auch ein Frauenkloster Unter-Ilfeld zugesellt war, Bestand gehabt (bis 1546), wieder über dreieinhalb Jahrhunderte blüht seitdem die Klosterschule.

Im Schutze beider und stets mit ihnen auf Gedeih und Verderb verbunden ist der Flecken Ilfeld entstanden. Von 1385 datiert die Gründung, von 1423 die „Einung“ (Ordnung, Verfassungsstatut) des Dorfes Ilfeld. Als Fleckenskirche und Klosterkirche abgebrochen und für Stift und Flecken 1868 die neue Kirche eingeweiht wurde, empfing sie mit der Bezeichnung Georgs-Marienkirche die Namen beider, zugleich zum Gedenken an das letzte Hannoversche Königspaar Georg V. und Marie.

Sehr bald nach seiner Gründung erhielt das Ilfelder Marienkloster – noch heute zeigt eine über der Tür des Betsaals der Klosterschule befindliche Holzstatuette die Himmelskönigin mit dem Jesusknaben – viele Freiheiten und Ablasse, wodurch es an Gütern außerordentlich zunahm und über zahlreiche Kirchen Patronatsrechte ausübte. Dabei hat es freilich doch wohl nie die gewaltige Bedeutung des mächtigen Nachbarklosters Walkenried erreicht.

Vom 15. Jahrhundert an waren weltliche Oberherrn des Klosters und des Ortes nicht mehr die Grafen zu Honstein, sondern das altverwandte Geschlecht des Stolberger Harzgrafenhauses. Graf Botho hatte teils durch Erbrecht, teils durch Kauf das alte Honsteinsche Stammland erworben. Im Bauernkrieg litt Kloster Ilfeld nicht so schwer wie Walkenried. Immerhin hatten Abt und Konvent in den ersten Maientagen 1525 vor der Wut der Bauern nach Nordhausen flüchten mästen, während man in. Kostbarkeiten und die wichtigsten Besitzurkunden nach der Burg Honstein geschasst hatte, wo sie zum Teil in die Hände der „christlichen Brüder“ fielen.

Zwanzig Jahre darauf geschah die große Wendung für Kloster und Dorf Ilfeld. Nach schweren Seelenkämpfen entschloß sich Abt Thomas Stange mit seinem Konvent zur neuen, reinen evangelischen Kirche überzutreten. Aus den geöffneten Klosterpforten zogen die Mönche in die Ferne, wo sie zumeist ihr Brot als evangelische Pfarrer fanden, und Thomas Stange richtete auf den Rat Luthers und Melanchthons in den verödeten Gebäuden eine evangelische Klosterschule ein (in Luthers Todesjahr 1546). Anfangs versah der Abt mit zwei anscheinend wenig geeigneten Lehrern (ehemaligen Mönchen) den Schuldienst selbst. Nach wenigen Jahren aber erwies es sich als notwendig, einen Fachmann im Hauptamt anzustellen. Melanchthon empfahl auf Anfrage einen seiner besten Wittenberger Studenten, den damaligen Konrektor der Nordhäuser Lateinschule, für das schöne, aber sehr verantwortungsreiche Amt.

So wanderte denn am 30. Juni 1550[1] der Magister Michael Neander (Neumann), eines Handelsmannes Sohn aus Sorau, einsam fürbaß die Straße den Harzbergen entgegen. „Du taugest nicht in die Welt! Fort mit dir ins Kloster!“ hatte einst in seinem Unwillen der Vater prophetisch gerufen, als der Junge nicht einmal mit einem Packpferde fertig wurde. Nun, was den jungen Streiter Michael in Ilfeld erwartete, war noch etwas schwerer und schöner, als Waren, vergängliche Dinge, von Ort zu Ort und Mensch zu Mensch zu bringen. Ewigkeitswerte den Herzen der Jugend zu vermitteln, ihren Verstand auszubilden und sie durch Gewöhnung an Gehorchen und Dienen, zum Befehlen und Führen stark zu machen.

Als Neander 1595 hochbetagt, nach 45 Jahren Arbeit an der Ilfelder Klosterjugend, sich zum Sterben anschickte, gab er in der selbstverfaßten griechischen Grabschrift[2] gleichsam einen Rechenschaftsbericht über sein Wollen und sein Vollbringen. Es sind tiefernste Worte, passend zu dem leidgeprüften Mann auf dem alten Oelbild, Worte, die weit über dieses Einzelschicksal eines gottbegnadeten Lehrers hinaus Bedeutung behalten. Wir können die griechischen Verse etwa folgendermaßen verdeutschen:

„Leid und Lehre die Fülle gewährte der Dienst an der Jugend:
Hier nun lieg ich in Frieden, still meines Gottes gewiß.
Kämpfe brachte das Leben, viel Krankheit, unsägliche Mühen:
Christus, der ist mein Heil, Heil nur bringt der Tod.
Dank dir, Heiland auf ewig, dank dir, daß du mich Armen
Nahmst aus der Krankheit hinweg, heim aus der irdischen Qual.
Der du mein einziges Heil, einzig mein Sehnen nur bist.“

Der diese Worte schrieb, hat nicht nur zu leiden gehabt unter dem Mutwillen und dem Unfleiß mancher seiner Zöglinge, denen er in den langen Jahren seines Wirkens als einziger Lehrer gegenüber stand, sondern fast mehr noch unter den Bedrückungen und sogar Nachstellungen der stolzen und nach dem Kloster und seinen Liegenschaften lüsternen Grafen und Herrn seiner Nachbarschaft. Wie auf Albrecht Dürers berühmtem Bild der Ritter zwischen Todesdrohung und teuflischer Versuchung festen Blickes dahinreitet, so hat Neander als ein rechter Michael, eingedenk des Treugelöbnisses, das er dem sterbenden Abt Stange gegeben, aus dem ihm an- vertrauten Posten ausgehalten und schließlich des Klosters Rechtsansprüche stegreich bis zum Reichskammergericht durchgefochten. Ohne Neander gäbe es heute keine Klosterschule Ilfeld mehr!

Es ist erstaunlich, wie Neander, den die Geschichte der Erziehung als einen der vier großen humanistischen Rektoren jener Zeit preist, neben dieser ausgedehnten und schweren Verwaltungsarbeit, in all der Not und Pein erneuter Bauernunruhen, fünfmaliger Pest im Kloster, eigener Fiebererkrankungen und zunehmendes Gallenleiden noch so viele gelehrte Bücher zu schreiben vermochte, deren meiste die Klosterbibliothek noch birgt, und so treffliche Schüler heranzubilden, die seinen und seiner Schule Ruhm durch ganz Deutschland und darüber hinaus in Europa verkündeten!

Seinen größten Schüler, dem hochgelehrten Professor Laurentius Rhodomannus, der einst als armer Bauernsohn aus Sachswerfen Alumnus im Kloster geworden war, verdanken wir ein 439 Verse umfassendes, nochmals sehr berühmt gewordenes griechisch-lateinisches „Lobgedicht auf Ilfeld“ besten erste vier Verse in Uebersetzung also lauten:

„Ilfeld, liebliche Wohnung der frommen Musen, mein Ilfeld,
Freudvoll komm' ich, dein Lob in einfachen Weisen zu singen
und dankbar ein kleines Geschenk für alle die Wohltat darzubringen,
Womit du mich einst, den Jüngling, erfreutest.“

In der Folge hat die Klosterschule, zeitweise auch Pädagogium genannt, lange Zeit gebraucht, bis sie wieder die Blüte und Bedeutung wie unter Neander erlangte. Die Stürme der Gegenreformation und des dreißigjährigen Krieges verschonten auch das abseits von der Welt im stillen Waldtal verborgene Ilfeld nicht. Insbesondere brachte das Jahr 1629 durch das sogenannte Restitutkonsedikt eine tiefeinschneidende Veränderung: Der Prämonstratenserorden ließ mit Kroatenhilfe durch den Abt Nihusius das alte Chorherrenstift wieder einnehmen und jede evangelische Predigt im Flecken Ilfeld verbieten. Mannhaft wies Pastor Götting das Ansinnen zurück, sich dem Verbot zu fügen oder selbst katholisch zu werden und wich in diesem Konflikt zwischen „Glaube und Heimat“ ins Elend, nach Nordhausen. Aber nur zwei Jahre führte der Krummstab über Ilfeld das Regiment, dann veranlaßt des Schwedenkönigs Gustav Adolfs Sieg bei Breitenfeld die kaiserlichen Truppen und in ihrem Gefolge den Abt und seine Mönche zur Flucht. Seitdem ist der stiftungsmäßige evangelische Charakter der Klosterschule nie mehr angetastet worden, und mit der Schule ist der Flecken Ilfeld durch drei Jahrhunderte stets gut lutherisch gewesen.

Wohl aber ist in der Zusammensetzung der Schülerschaft in den letzten zwei Jahrhunderten eine wesentliche Veränderung vor sich gegangen, die fraglos hervorgerufen ist durch die Verlegung eines großen Teils des Ilfelder Stiftsvermögens an die 1737 gegründete Landesuniversität Göttingen. Hatten bis ins 18. Jahrhundert die zumeist aus bedürftigen Kreisen stammenden Schüler volle Freistellen gehabt, so strömten nun von der Mitte des 18. Jahrhunderts an in immer stärkerem Maße die Söhne des hannoverschen Adels oder begüterter Familien in die Schule ein. Durch sie erfuhr der Charakter der alten Neanderschule eine tiefgreifende Aenderung, so daß manche Jahrzehnte das Kloster als ein Mittelding zwischen Universität und Schule, die alma mater Ilfeldensis erscheinen lassen.

Als der Maler Ludwig Richter vor etwa 100 Jahren den Harz durchwanderte, sahen seine Augen noch die ganze Romantik und Waldeinsamkeit eines weitab vom Weltgetriebe liegenden, friedlichen und verträumten Erdenwinkels. Heute sieht unser Ilfelder Tal wesentlich anders aus. Seit 2½ Jahrzehnten durchfaucht mehrmals täglich das unentbehrliche Dampfroß der Harzquerbahn den Frieden der Täler und durchjagen die noch beweglicheren Kraftfahrzeuge die alte Harzstraße hinauf und hinunter, die von Nordhausen über den Harz hinweg Hasselfelde mit Blankenburg, Quedlinburg und Halberstadt oder über Benneckenstein mit Wernigerode verbindet – dieselbe Straße, auf der nach der Januar-Schlacht im Oktober 1806 die flüchtenden Preußen und in ihrer Verfolgung die Franzosen gezogen waren.

Heute ist das kleine Ilfeld mit seinen noch nicht 2000 Einwohnern auf dem Wege, in die Reihe der „aufblühenden Industrieorte einzurücken. War in der Vorkriegszeit die Industrie nur durch je eine Fabrik am Nord- und Südausgang des Ortes (Papierfabrik und Parkettfabrik) und ein Alabaster-Gipswerk vertreten, so hat die Inflationszeit mit ihrer manchmal etwas an die ungesunde Entwicklung der 70er Jahre gemahnenden rapiden Baulust der Inflationszeit nicht nur zwei Holzfabriken (Sägewerk, Talbrauerei und Faßfabrik) und ein neues großes Gipswerk erstehen lassen, sondern eine Zeitlang hatte es den Anschein, als wollte Ilfeld noch einmal „Bergstadt“ werden. Zwar ruht der Kupfer- und Eisenerzbau, der im 17. Jahrhundert gegründeten St. Johannishütte seit 1⅓ Jahrhunderten, und auch der Manganerzbau bei der idyllischen Försterei Braunsteinhaus lebte nur während des Krieges für kurze Jahre wieder auf. Weitaus Bedeutenderes aber schien sich oben im Ilfelder Tal zwischen Netzkater und Talbrauerei begeben zu wollen: Die Wiederaufnahme des einst vor Jahrzehnten als unrentabel eingestellten Steinkohlenbergbaues. Mit beinah amerikanischer Schnelligkeit entstanden Wohn- und Werkgebäude, Förderturm und Förderbahn, und das Puffen und Stoßen der Maschine durchdrang Tag und Nacht den Frieden der Wälder. Aber wie gewonnen, so zerronnen: Nachdem man das in seiner Lieblichkeit weithin berühmte und oft mit dem Bodetal verglichene Bähretal zum Teil arg verunstaltet, auf der einen Seite viel Hoffnungen und auf der anderen ebenso viel Verwünschungen hervorgerufen hat, ist heute die Mehrzahl der bergbaulichen Anlagen und aller Lärm des industriellen Betriebes wie ein Spuk verflogen und nur unschöne Trümmer erinnern an eine beinah ebenso unschöne Zeit.

Seien wir glücklich, daß die Schönheit und die Berühmtheit unserer Heimat in anderem beschlossen liegt als in großstädtischem Hasten und Lärmen. Worin unsere Pflichten gegen unsere Heimat und unser geliebtes deutsches Vaterland bestehen und wem wir zeitlebens unsere Dankbarkeit schulden, das sagt am schönsten ein Wort von Ernst Moritz Arndt aus der Zeit von Preußens Not und Wiederaufstieg:

„Wo dir Gottes Sonne zuerst schien, wo dir die Sterne des Himmels zuerst leuchteten, wo seine Blitze dir zuerst seine Allmacht offenbarten und seine Sturmwinde dir mit heiligem Schrecken durch die Seele brauseten, da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland.

Wo das erste Menschenauge sich liebend über deine Wiege neigte, wo deine Mutter dich zuerst mit Freuden auf dem Schoße trug und dein Vater dir die Lehren der Weisheit und des Christentums ins Herz grub, da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland.“

Wiegersdorf, das ans Kloster verkaufte Dorf

Wichardusdorf war in den ersten Jahrhunderten seines Bestehens ein Grafendorf. In einer Schenkungsurkunde vom Jahre 1240 wurde der Ort vom Hohnsteiner Grafen Wigradisdorp genannt. Doch die Stolberger-Grafen haben 1594 den Ort erstmalig Wiegersdorf geschrieben. Durch Kauf war es 1322 in den Besitz des Klosters Ilfeld gekommen, es war also seit jener Zeit ein Klosterdorf. Darum beteiligten sich seine Einwohner 1525 mit den Bauern von Sachswerfen und Appenrode an dem Aufstande gegen das Kloster, um weniger Abgaben und mehr Rechte zu erlangen. Ihre Rechte und Pflichten dem Grafen gegenüber wurden 1709 festgestellt. In Kriegszeiten hat der Ort schwer leiden müssen, daß die Bewohner off schutzsuchend in den nahen Harz flüchteten. 1848 trieben Freiheitsdrang und Teuerung die Einwohner, daß sie die Eichen des Lienbergs schlugen, um Holz und Lohe zu verkaufen. Infolge dieser Holzdiebstähle kam es zu einer kleinen Schlacht zwischen ihnen und den Osteröder Waldarbeitern, die der Förster anführte; aber die schlagfertigen Wiegersdörfer besiegten nicht nur diese, sondern auch die Ilfelder Bürgerwehr. Erst als der Ort mit einer Abteilung Jäger (Goslar) belegt wurde, kam es zum Friedensschluß, in dem sie erreichten, daß ihre Holzrechte (Beerenzettel, Laub, Leseholz) erweitert wurden.

Osterode, ein Hohnsteiner Burgort

Ascazerode hatte schon vor 1300 einen eigenen Pfarrer (Pleban). Von 1400 bis 1627 waren die Ortsgeistlichen zugleich Schloßkapläne der Burgkapelle auf Hohnstein. Die Bauern von Appenrode und Sachswerfen waren verpflichtet, den Schloßpfarrer mit ihren Pferden auf die Burg zu befördern. 1366 wurde das Grafendorf von Nordhäuser Söldnern in einer Fehde geplündert. 1417 kam es an Stolberg. 1533 predigte Michael Bock dort als erster evangelischer Pfarrer. 1758 von den Franzosen 670 Taler erpreßt. Als sich 1762 französische Jäger und Husaren gerade anschickten, das Dorf zu plündern, kam zufällig der Graf von Stolberg durchgefahren, der durch sein Eingreifen die Plünderung verhinderte. 1763 mußte es an Geißelgeld 686 Taler aufbringen. Früher verschafften sich die Einwohner durch Korbflechterei Nebenverdienste. Um 1600 hatte es 31 Häuser, um 1900 = 54. 1800 = 228 Einwohner. 1900 = 286 Einwohner.

Neustadt, der Hauptort der alten Grafschaft

  1. Seit 1926 begeht die Klosterschule diesen Tag als Neandertag durch eine Feier.
  2. Erst die dankbare Nachwelt hat dem treuen Mann den Wunsch erfüllt: 1925 bei der Feier seines 400. Geburtstages sind Neanders griechische Verse seinem Grabstein in der Andachtskapelle der Anstalt, der sog. Krypta, beigefügt und durch einen Zusatz ergänzt worden.