100 Jahre Nordhäuser Museum: Unterschied zwischen den Versionen

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Aus theoretischen Abhandlungen der örtlichen Presse über das Museum wird deutlich, daß man bewußt begann, die mehr spontane Entwicklung zu lenken: das Museum sollte zu einer Bildungsstätte im Sinne der herrschenden Klasse werden.
Aus theoretischen Abhandlungen der örtlichen Presse über das Museum wird deutlich, daß man bewußt begann, die mehr spontane Entwicklung zu lenken: das Museum sollte zu einer Bildungsstätte im Sinne der herrschenden Klasse werden.
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Heute noch erhaltene, sorgfältig geführte Tätigkeitsberichte aus den Jahren 1884 bis 1894 vermitteln uns eine Vorstellung von der Arbeit im damaligen Museum. Unter dem Motto „Der Oolen Erbe laßt nich verderbe“ bemühten sich fünf Helfer aus den Kreisen des Bürgertums um die „Pflege des Instituts“. Neben der Beaufsichtigung der Besucher an dem einzigen Öffnungstage in der Woche beschäftigten sich die Herren mit Ordnen, Inventarisieren und Katalogisieren der Gegenstände. Die Arbeitsbedingungen waren äußerst bescheiden. So heißt es zum Beispiel in einem Tätigkeitsbericht, daß eine Ordnungsarbeit nur durchgeführt werden konnte, „da Herr Arnold einige Stearinlichte besorgt hatte“. Die Anzahl der Museumsbesucher scheint unterschiedlich gewesen zu sein. Besonders hervorgehoben wurden prominente Besucher und — vermutlich wegen ihrer Seltenheit — Gäste aus den unteren Schichten der Bevölkerung.
Heute noch erhaltene, sorgfältig geführte Tätigkeitsberichte aus den Jahren 1884 bis 1894 vermitteln uns eine Vorstellung von der Arbeit im damaligen Museum. Unter dem Motto „Der Oolen Erbe laßt nich verderbe“ bemühten sich fünf Helfer aus den Kreisen des Bürgertums um die „Pflege des Instituts“. Neben der Beaufsichtigung der Besucher an dem einzigen Öffnungstage in der Woche beschäftigten sich die Herren mit Ordnen, Inventarisieren und Katalogisieren der Gegenstände. Die Arbeitsbedingungen waren äußerst bescheiden. So heißt es zum Beispiel in einem Tätigkeitsbericht, daß eine Ordnungsarbeit nur durchgeführt werden konnte, „da Herr Arnold einige Stearinlichte besorgt hatte“. Die Anzahl der Museumsbesucher scheint unterschiedlich gewesen zu sein. Besonders hervorgehoben wurden prominente Besucher und — vermutlich wegen ihrer Seltenheit — Gäste aus den unteren Schichten der Bevölkerung.
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Wesentlich weniger Räume standen dem Museum nun zur Verfügung, und da es eine Selbstverständlichkeit War, alles zu zeigen, mögen die überfüllten Räume einem Raritätenkabinett geglichen haben. Im sogenannten „Waffenzimmer“ lagen laut Beschreibung blutrünstige Spontons, Dolche und Feuersteingewehre in friedlicher Eintracht neben „Hungerbrötchen“, Brandresten von Brotterode und Teilen von PerlmuttBeschlägen eines Kaiserbildes.
Wesentlich weniger Räume standen dem Museum nun zur Verfügung, und da es eine Selbstverständlichkeit War, alles zu zeigen, mögen die überfüllten Räume einem Raritätenkabinett geglichen haben. Im sogenannten „Waffenzimmer“ lagen laut Beschreibung blutrünstige Spontons, Dolche und Feuersteingewehre in friedlicher Eintracht neben „Hungerbrötchen“, Brandresten von Brotterode und Teilen von PerlmuttBeschlägen eines Kaiserbildes.
[[Datei:Ehemaliges Gymnasium Predigerstraße Nordhausen.jpg|thumb|Ehemaliges Gymnasium Predigerstraße — Museum in der Zeit von 1892-1906]]


Im „Ethnographischen“ Zimmer zeigte man Erzeugnisse und Erinnerungen, die dem Museum von Nordhäuser Söhnen nach ihrer „stolzen Rückkunft“ aus den Kolonien übergeben worden waren. Das Museum begann. — der allgemeinen Entwicklung folgend — auf die ihm spezifische Art, die Ziele der herrschenden Gesellschaftsordnung zu vertreten.
Im „Ethnographischen“ Zimmer zeigte man Erzeugnisse und Erinnerungen, die dem Museum von Nordhäuser Söhnen nach ihrer „stolzen Rückkunft“ aus den Kolonien übergeben worden waren. Das Museum begann. — der allgemeinen Entwicklung folgend — auf die ihm spezifische Art, die Ziele der herrschenden Gesellschaftsordnung zu vertreten.
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Die Museumsarbeit schien auch ohne neu eingesetzten Konservator einen befriedigenden Verlauf zu nehmen. Anfragen aus anderen Städten und Museen zeigten, daß das Museum einen guten Ruf hatte und man sich gern seiner Erfahrungen bediente.
Die Museumsarbeit schien auch ohne neu eingesetzten Konservator einen befriedigenden Verlauf zu nehmen. Anfragen aus anderen Städten und Museen zeigten, daß das Museum einen guten Ruf hatte und man sich gern seiner Erfahrungen bediente.
[[Datei:Schule am ehemaligen Friedrich-Wilhelm-Platz Nordhausen.jpg|thumb|Schule am ehemaligen Friedrich-Wilhelm-Platz — Museum in der Zeit von 1907-1934]]


Eine Eingabe Heinecks aus dem Jahre 1912 läßt ahnen, daß innerhalb der Einrichtung nicht alles so lief, wie es sollte. Die Stadt nahm dies zum Anlaß, um sich nach einer neuen Fachkraft für die Leitung des Museums umzusehen.
Eine Eingabe Heinecks aus dem Jahre 1912 läßt ahnen, daß innerhalb der Einrichtung nicht alles so lief, wie es sollte. Die Stadt nahm dies zum Anlaß, um sich nach einer neuen Fachkraft für die Leitung des Museums umzusehen.
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Version vom 8. August 2018, 11:41 Uhr

100 Jahre Nordhäuser Museum
Untertitel 1876-1976
Autor Verschiedene
Herausgeber Meyenburg-Museum Nordhausen
Erscheinungsjahr 1976
Umfang 15 Seiten : Illustrationen
 Im Bestand der Stadtbibliothek Nordhausen.
Stand: 7. August 2018
Digitalisat: [ PDF (4 MB)]

Inhaltsverzeichnis

Titel Autor
Das Naturalienkabinett des Pastor Lesser – ein Vorläufer des Nordhäuser Museums Annemarie Lappin
Von der „ambulanten Künstlerexistenz“ des Nordhäuser Museums Annemarie Lappin
Das Museum heute – wichtiger Bestandteil unserer Kultur Fischer
„Jugend im Museum“ Fischer
„Alte Musik im Museum“ Fischer
„Nordhäuser Blauköppe“ im Museum Martin Hesse

Das Naturalienkabinett des Pastor Lesser – ein Vorläufer des Nordhäuser Museums

Friedrich Christian Lesser in seinem Naturalienkabinett

Bei der Erwähnung des Namens Lesser mögen ältere Nordhäuser Bürger aufhorchen, und wenn sie schon nicht an die von ihm verfaßten „Historischen Nachrichten von der Kayserl. und des Heil. Rom. Reichs Freien Stadt Nordhausenn“ denken, so doch sicher an die „Lesser-Stiege“, das ehemalige Verbindungsstück zwischen Rautenstraße und Bahnhofstraße. Weniger bekannt dürfte sein, daß zu den geliebten Nebenbeschäftigungen dieses geistlichen Herrn die Naturwissenschaften gehörten. In 32jähriger eifriger Tätigkeit hatte er eine beachtliche Sammlung zusamengetragen, die systematisch nach den Gebieten „Mineralreich, Pflanzen- und Tierreich“ geordnet war. Es fehlten weder ein alphabetisch geordneter Katalog noch die dazuge hörende Bibliothek.

Mit welcher Hingabe er dieses „Hobby“ betrieb zeigt, daß er mit 388 Naturwissenschaftlern seiner Zeit im Briefwechsel gestanden hat und eine große Anzahl von gedruckten Schriften und Veröffentlichungen hinterließ. Außerdem war er Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften, unter anderem auch der „Kaiserl. Leopoldinischen Carolingischen Akademie der Naturforscher zu Halle“.

Naturalienkabinette des 18. Jahrhunderts sind ein Fortschritt im Gegensatz zu den Raritäten und Kostbarkeiten anhäufenden „Kunst- und Wunderkammern“ des Feudalismus. Ihre Systematik und übersichtliche Ordnung zeigen Anfänge wissenschaftlichen Wirkens. So ist also auch die Sammlung Lessers, die leider nach seinem Tode durch Verkauf in fremde Hände geriet und der Stadt nicht erhalten werden konnte, nicht nur ein Vorläufer unseres Nordhäuser Museums, sondern auch ein Meilenstein auf dem Wege der Entwicklung zum Museum.

Lappin

Von der „ambulanten Künstlerexistenz“ des Nordhäuser Museums

Ein Rückblick

Die politischen Ereignisse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten vielfach zu einer Rückbesinnung auf die Vergangenheit. Neuerwachte Heimat- und Vaterlandsliebe trieben unterschiedlichste Blüten. Eine davon war die Gründung von Kunst-, Geschichts- und Altertumsvereinen. Das damit verbundene Aufstöbern von „Alterthum“ mußte dazu führen, daß „Institute“ zu ihrer Aufbewahrung geschaffen wurden, die Zeit der Museumsgründungen begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Auch in Kreisen des Nordhäuser Bürgertums gab es interessierte Menschen, die sich Vereinen anschlossen. Zu ihnen gehörte Professor Ernst Günther Förstemann (gest. 1859), der unter anderem im „Nordhäuser Courier“ heimatkundliche Beiträge veröffentlichte, vor allem auch über „vorgeschichtliche Funde“, die bei der Vorbereitung zum Bau der Eisenbahnlinie Nordhausen — Sangerhausen zum Vorschein kamen. Urnen, die er aufoewahrt hatte, wurden schließlich Anlaß für die Gründung eines Museums in Nordhausen.

In den Archivunterlagen befindet sich das Schreiben eines Antiquarius Fischer aus dem Jahre 1869, in dem dieser darauf hinweist, daß es an der Zeit wäre „ein bescheidenes Plätzchen“ zu finden, „woselbst die hier gefundenen Alterthümer für immer eine würdige Aufnahme fänden.“ Gemeint waren die Förstemannschen Urnen und die „alten historischen Denkmäler von Nordhausen“ wie der „Aar“ von der Straße „Vor dem Vogel“ und die Zwingergruppe vom Töpfertor, die in einer verstaubten Ecke des Rathauses ein trauriges Dasein fristeten.

Erst 1872 kommt es zu einem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung, die Einrichtung eines „Städtischen Museums“ betreffend. Die um ein Gutachten befragte Schuldeputation schien allerdings nicht sehr angetan von dem Projekt, denn sie lehnte es ab, sich näher darüber zu äußern, da „die Anlegung eines Museums hauptsächlich nur von Gegenständen aus der hiesigen Gegend mit den Interessen der Schule weniger im Zusammenhang“ stünde.

Und doch war es ein Mann der Schule, der bereit war, seine Kraft für die Verwirklichung des Museumsgedankens einzusetzen.: der Oberlehrer Dr. Perschmann, Mitglied des neu gegründeten Nordhäuser „Geschichts- und Alterthumsvereins“. Dieser hatte 1872 gemeinsam mit dem Mediziner und Anthropologen Prof. Rudolf Virchow an Ausgrabungen in Höhlen des Südharzes teilgenommen. Ihm hatte Virchow seinerzeit Fundstücke übergeben mit der Forderung, „sie für ein demnächst zu gründendes Nordhäuser Alterthums-Museum aufzubewahren“.

Auf Dr. Perschmanns Anregung hin wurde die Museumsangelegenheit 1874 auf den Nordhäuser „Geschichts- und Alterthums-Verein“ übertragen. Er übernahm gern das Amt des „Conservators“ im zukünftigen Museum.

Das erste „Museumszimmer“ war ein Raum im Vorhaus der damaligen höheren Töchterschule in der Blasiistraße, der „gegenwärtig für Schulzwecke entbehrlich war“, weil er einen sehr kalten Fußboden hatte.

Die Stadt gewährte für die Einrichtung des Museums die Summe von 150 Talern (450 Mark). Da diese Summe trotz äußerster Sparsamkeit nicht gereicht hätte, unterstützten zahlreiche Bürger das Unternehmen durch Spenden und aktive Mithilfe beim Aufbau.

Am 29. September 1876 konnte die feierliche Übergabe an die Städtischen Behörden erfolgen. Durch das schnelle Anwachsen der Sammlung war man in kürzester Zeit gezwungen, sich nach einer neuen Bleibe umzusehen, und so begab sich das Museum auf Wanderschaft, ein Zustand, den es künftig des öfteren durchzumachen hatte. Ein Chronist späterer Zeiten sprach treffend von der „ambulanten Künstlerexistenz“ des Museums.

Seine nächste Station wurde das 1878 erbaute damalige Volksschulgebäude am Taschenberg, welches den Krieg überdauerte und uns heute als Institut für Lehrerbildung ein Begriff ist.

Bei der Wiedereinrichtung des Museums half ein Mann, dessen Name uns gegenwärtig noch durch ein nach ihm benanntes Feierabendheim und eine Straße vertraut ist: Hermann Arnold. Dieser vielgereiste Bürger und Brennherr widmete sich in seiner Freizeit dem Sammeln von Altertümern und Kunstgegenständen, wobei seine besondere Liebe den Muscheln und Schnecken galt, den Konchylien. Auch wurden unter seiner Leitung und mit seinen Mitteln erste Ausgrabungen im Gräberfeld auf dem Soolberg bei Auleben unternommen.

Unter aktiver Mitwirkung Arnolds konnte im Mai 1879 das „Städtische Alterthums Museum“ am Taschenberg seine Pforten öffnen. Bis zu seiner erneuten Umsiedlung wurden aus anfänglich 4 Räumen 17, die für Museumszwecke genutzt werden konnten. Die Sammlung, die Zeitgenossen als sehr reichhaltig einschätzten, bestand 1890 aus 22 000 Museumsexponaten.

Aus theoretischen Abhandlungen der örtlichen Presse über das Museum wird deutlich, daß man bewußt begann, die mehr spontane Entwicklung zu lenken: das Museum sollte zu einer Bildungsstätte im Sinne der herrschenden Klasse werden.

Heute noch erhaltene, sorgfältig geführte Tätigkeitsberichte aus den Jahren 1884 bis 1894 vermitteln uns eine Vorstellung von der Arbeit im damaligen Museum. Unter dem Motto „Der Oolen Erbe laßt nich verderbe“ bemühten sich fünf Helfer aus den Kreisen des Bürgertums um die „Pflege des Instituts“. Neben der Beaufsichtigung der Besucher an dem einzigen Öffnungstage in der Woche beschäftigten sich die Herren mit Ordnen, Inventarisieren und Katalogisieren der Gegenstände. Die Arbeitsbedingungen waren äußerst bescheiden. So heißt es zum Beispiel in einem Tätigkeitsbericht, daß eine Ordnungsarbeit nur durchgeführt werden konnte, „da Herr Arnold einige Stearinlichte besorgt hatte“. Die Anzahl der Museumsbesucher scheint unterschiedlich gewesen zu sein. Besonders hervorgehoben wurden prominente Besucher und — vermutlich wegen ihrer Seltenheit — Gäste aus den unteren Schichten der Bevölkerung.

In einer Eintragung vom 5. Januar 1888 heißt es zum Beispiel: „Am heutigen Tage war der Besuch des Museums ein recht lebhafter. Zumeist waren es Handwerker und Handarbeiter, die sich zum Theil mit ihren Frauen eingefunden hatten. Sie bekundeten ein lebhaftes Interesse für die Gegenstände und brachten sogar kleine Geschenke . . Inzwischen war die Neuordnung des Nordhäuser Stadtarchivs notwendig geworden. Die Stadt hielt es nicht für nötig, für diese ihr „ferner liegende Aufgabe“ bedeutende Geldopfer zu bringen. Da kam ihr sehr gelegen, als sich ein Helfer des Museums bereit erklärte, das Stadtarchiv zu ordnen. Es begann eine Personalunion zwischen Museum und Archiv, die bis in unsere Tage andauern sollte.

1888 war von einer „voraussichtlichen Dislocierung“ der Anstalt die Rede. Wieder war es eine Schule, die als neues Domizil in Frage kam: das ehemalige Gymnasium in der Predigerstraße. Nach der feierlichen Eröffnung 1892 setzte man große Hoffnungen auf steigende Besucherzahlen, da das neue Gebäude zentraler gelegen war.

Wesentlich weniger Räume standen dem Museum nun zur Verfügung, und da es eine Selbstverständlichkeit War, alles zu zeigen, mögen die überfüllten Räume einem Raritätenkabinett geglichen haben. Im sogenannten „Waffenzimmer“ lagen laut Beschreibung blutrünstige Spontons, Dolche und Feuersteingewehre in friedlicher Eintracht neben „Hungerbrötchen“, Brandresten von Brotterode und Teilen von PerlmuttBeschlägen eines Kaiserbildes.

Ehemaliges Gymnasium Predigerstraße — Museum in der Zeit von 1892-1906

Im „Ethnographischen“ Zimmer zeigte man Erzeugnisse und Erinnerungen, die dem Museum von Nordhäuser Söhnen nach ihrer „stolzen Rückkunft“ aus den Kolonien übergeben worden waren. Das Museum begann. — der allgemeinen Entwicklung folgend — auf die ihm spezifische Art, die Ziele der herrschenden Gesellschaftsordnung zu vertreten.

Als Öffnungstag war seit der Einrichtung des Museums der Donnerstag-Nachmittag beibehalten worden. Diese Regelung führte zu der Beschwerde eines Arbeiters in der Nordhäuser Presse im Jahre 1893. Da heißt es unter anderem: „Schreiber der Notiz ist im Besitz von einigen Alterthümern. Soll aber ein Arbeiter dem Museum Geschenke machen, das ihm und seinen Genossen in Wahrheit verschlossen ist, da es nur an einem Arbeitsnachmittag dem Publikum geöffnet wird?“ Dieser Beitrag, der in der bürgerlichen „Nordhäuser Zeitung“ erschien, war übrigens mit dem Vermerk versehen „ohne geistige Verantwortung der Redaktion!“

Es ist nur eine kleine Notiz, aber sie ist Ausdruck der Klassenwidersprüche, die innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung aufeinanderyrallten.

Um die Jahrhundertwende wurde das Museum durch das Ausscheiden des langährigen Conservators und Förderers Hermann Arnold aus seinem Amt schwer betroffen. Da an einen Ersatz für ihn kaum zu denken war, übernahm stillschweigend ein anderer Mitarbeiter des Museums dessen bisherige Aufgaben: der Lehrer Hermann Heineck. Dieser mußte nun das 25jährige Jubiläum des Museums vorbereiten und durchführen. Seine Jubiläumsschrift „Urkundliche Geschichte des Städtischen Museums“ ist auch für uns noch eine interessante Unterlage zur Geschichte des Museums.

1906 mußte das Museum erneut umziehen, da das Gebäude in der Predigerstraße für Schulzwecke gebraucht wurde. In der Schule am ehemaligen Friedrich-Wilhelm-Platz sollte das Museum nun längere Zeit bleiben dürfen. Das Stadtarchiv und die Volksbibliothek waren im gleichen Gebäude unterge'bracht. Mit 18 Räumen, die allein für das Museum vorgesehen waren, bestanden gute Voraussetzungen. Eine klare Gliederung in einzelne Abteilungen erleichterte dem Besucher das Verständnis. Erstmalig hören wir von einer naturkundlichen Abteilung.

Die technisch-organisatorischen Fragen waren geregelt, so war der neu eingestellte Hausverwalter sogar im Besitz einer Dienstordnung. Nach der Eröffnung 1907 kam es zur Gründung einer Museumsdeputation.

In Veröffentlichungen wurden die Ziele der Einrichtung klar formuliert: Das Museum sollte dazu beitragen, die Kenntnis der Heimat zu fördern, die Liebe zu ihr zu erwecken, um damit auch „ungemein wichtigen vaterländischen Interessen zu dienen“. Es war zum Heimatmuseum mit einer erzieherischen Funktion geworden, mußte sich zukünftig immer mehr zur Volksbildungsstätte entwickeln und als anerkannte Einrichtung des Überbaus mithelfen, die Ideologie der herrschenden Klasse zu verbreiten. Die Erweiterung der Öffnungszeiten (das Museum war bei freiem Eintritt täglich, außer montags zugänglich), bestätigt diese Tatsache.

Durch den Tod des Rentiers Arnold eröffneten sich dem Museum neue Möglichkeiten. Dieser hinterließ der Stadt nämlich nicht nur seine reichen Sammlungen, sondern auch sein gesamtes Vermögen in Höhe von 1 700 000 Mark, wobei er die Hälfte „zur Linderung der Leiden der Menschheit“ und die andere Hälfte „zum Bau, zur Ausstattung, Erhaltung und Erweiterung des Städtischen Museums nebst Bibliothek und Archiv“ bestimmte.

Durch den Bau des späteren „Arnold-Heimes“ wurde der eine Teil des Vermächtnisses erfüllt. Die endgültige Entscheidung für den geplanten Neu- bzw. Umbau des Museums ließ —* trotz Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs — lange auf sich warten. Krieg und Inflation taten das Ihrige. 1926 waren von der gesamten Stiftung für das Museum nur noch 1850 Mark als Unterhaltskostenzuschuß übrig geblieben.

Es ist falsch, anzunehmen, daß die Arnold-Stiftung dem Museum gar keinen Nutzen gebracht hat. Durch sie war erstmalig der Ankauf von Gegenständen in großem Maßstab möglich geworden.

Die Museumsarbeit schien auch ohne neu eingesetzten Konservator einen befriedigenden Verlauf zu nehmen. Anfragen aus anderen Städten und Museen zeigten, daß das Museum einen guten Ruf hatte und man sich gern seiner Erfahrungen bediente.

Schule am ehemaligen Friedrich-Wilhelm-Platz — Museum in der Zeit von 1907-1934

Eine Eingabe Heinecks aus dem Jahre 1912 läßt ahnen, daß innerhalb der Einrichtung nicht alles so lief, wie es sollte. Die Stadt nahm dies zum Anlaß, um sich nach einer neuen Fachkraft für die Leitung des Museums umzusehen.

Es war der Erfurter Stadtarchivar Prof. Dr. Alfred Overmann, der sich mit Zustimmung des Erfurter Magistrates bereit erklärte, die Ordnung, Sichtung und Ergänzung des Nordhäuser Museums zu übernehmen. Er widmete sich vor allem der kunstgewerblichen Abteilung und begann, die Wohnkultur des wohlhabenden Bürgertums von der Gotik bis zum Biedermeier darzustellen, eine Art Anschauungsunterricht in Stilkunde. Im Frühjahr 1921 konnte nach 8jähriger Arbeit dem Publikum die neugestaltete Kostbarkeit präsentiert werden.

Neben den 10 als Stilzimmer eingerichteten Räumen waren die anderen Abteilungen beibehalten und ebenfalls neu gestaltet worden. Nach der Eröffnung widmete die örtliche Presse zahlreiche Beiträge speziell den Stilzimmern. Man vertrat einstimmig die Meinung, Nordhausen könne auf diese Einrichtung stolz sein, keine Stadt in Mitteldeutschland habe Ähnliches aufzuweisen.

Lokalpatriotismus oder nicht — in. der Erinnerung der Bevölkerung leben diese Stilzimmer bis in unsere Tage als etwas einmalig Schönes. Mit dieser Neugestaltung hatte Overmann für die Stadt etwas von bleibendem Wert geschaffen.

Als sein Nachfolger übernahm 1923 Dr. August Stolberg die Leitung des Museums, seit 1926 sogar mit dem verliehenen Titel „Museumsdirektor“. Er war gebürtiger Nordhäuser, hatte Kunstgeschichte und Archäologie bei profilierten Wissenschaftlern studiert und interessierte sich sehr für Aeronautik und Grönlandforschung. Er hatte das Glück, dem Grafen Zeppelin bei einigen Fahrten als Meteorologe assistieren zu dürfen und an einer Grönlandexpedition teilnehmen zu können.

Mit viel Aktivität und Elan bemühte sich Stolberg darum, das Museum „unter die Leute zu bringen“. Er begann mit Sonderausstellungen und war der Initiator für historische Musemskonzerte. Trotzdem scheint das Museum nur einen geringen Teil der Bevölkerung ängesprochen zu haben.

1926 kaufte die Stadt das sogenannte „Beckersche Grundstück“, um dort die 10 Stilzimmer noch besser unterzubringen. Die intime Atmosphäre der Villa — unseres heutigen Meyenburg-Museums — war für die Stilzimmer wie geschaffen. Im Unterschied zum „Alten Museum“ am Friedrich-Wil- helm-Platz, wo die übrigen Abteilungen sich sehr ausbreiten konnten, nannte man dieses Gebäude bei der Eröffnung im Jubiläumsjahr 1927 das „Neue Museum“.

Trotz dieser ideal erscheinenden Lösung zeigte es sich in einigen Jahren, daß der Platz im „Alten Museum“ nicht ausreichte. Und wieder war das Nordhäuser Museum dazu verurteilt, zu wandern.

Es wurde ein äußerst komplizierter Umzug in den „Lindenhof“, einer Villa am Gehege, die heute vom Institut für Lehrerbildung genutzt wird. Die vorliegenden Artikel über die Eröffnungsfeierlichkeiten 1934 sind ein Spiegelbild des „Dritten Reiches“. Ausgerichtet auf Blut- und Bodenpolitik erklangen hochtrabende Worte über den deutschen Volksgenossen als Kulturträger. In diesem Sinne, zur Verbreitung der chauvinistischen und menschenfeindlichen Ideologie des Faschismus sollte das Museum wirksam werden.

Äußerlich gesehen konnte die Museums-Situation nicht besser sein: zwei der schönsten Grundstücke der Stadt standen zur Verfügung. Wie der greise Dr. Stolberg in seiner Eröffnungsrede meinte, sei die Idee Hermann Arnolds nun erfüllt.

Das neu eröffnete Gebäude wurde als „Lindenhof-Museum“ bezeichnet, während das „Neue Museum“ den Namen Michael Meyenburgs erhielt. Nachdem Dr. Stolberg sein Amt aus Altersgründen niederlegte, übernahm sein Sohn vorübergehend seine Nachfolge im Nebenamt.

Und dann begann der letzte und traurigste Abschnitt der „ambulanten Existenz“ des Museums. Der „Lindenhof“ wurde für militärische Zwecke gebraucht — man schrieb das Jahr 1938, die Vorbereitung des zweiten Weltkrieges war im Gange.

Es wurde kein anderer Ausweg gefunden, als kurzerhand die Stilzimmer aufzulösen und sie einzelnen Institutionen zur Verfügung zu stellen. Die Bestände des „Lindenhofes“ brachte man, so gut es ging, im „Meyenburg- Museum“ unter. In einem rechtfertigenden Pressebericht heißt es, daß die beiden großen Gebäude den Verwaltungsapparat der Stadt zu sehr belasteten und der „Lindenhof“ sowieso als Museum ungeeignet wäre. Überhaupt sollte ein Provinzmuseum nicht uferlos Abseitsliegendes Zusammentragen.

So wurde in kürzester Zeit die liebevolle und mühsame Arbeit vieler Jahrzehnte sinnlos zerschlagen. Diese Entwicklung ist ein Ausdruck der kulturfeindlichen Barbarei, wie sie nur ein nationalistisches Gedankengut hervorbringen konnte. Die „ambulante Existenz“ des Nordhäuser Museums war damit beendet.

Nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus übernahmen besonders die Nordhäuser Bürger ein trauriges Erbe. Unter den beschädigten Gebäuden der Stadt befand sich auch das Meyenburg-Museum mit einem allerdings immer noch reichen Bestand an Kulturgut.

Es galt in den ersten Jahren zunächst mit dem Vorhandenen zu arbeiten und — ausgehend von der neuen Aufgabenstellung der Museen — einen Anfang zu finden.

Durch die Mitarbeit vieler fleißiger Bürger, denen das humanistische Kulturerbe der Vergangenheit am Herzen lag und die der Gegenwart aufgeschlossen gegenüberstanden, entwickelte sich aus diesen Anfängen eine sozialistische Bildungsstätte.

Lappin