Das tausendjährige Nordhausen (Rezension von R. G.): Unterschied zwischen den Versionen

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{{idt2|25}}Nach einem kurzen Vorwort des Oberbürgermeisters von Nordhausen, Dr. Baller, beginnt das eigentliche Werk: das tausendjährige Nordhausen. Der erste Teil behandelt die „Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen bis 1802“ von Studienrat Dr. Hans Silberborth. In die Zeit bis zur Gegenwart und in Einzeldarstellungen, wie Kunst, Theater, Musik, Baudenkmäler, haben sich mehrere Verfasser mit längeren oder kürzeren Arbeiten geteilt.  
{{idt2|25}}Nach einem kurzen Vorwort des Oberbürgermeisters von Nordhausen, Dr. Baller, beginnt das eigentliche Werk: das tausendjährige Nordhausen. Der erste Teil behandelt die „Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen bis 1802“ von Studienrat Dr. Hans Silberborth. In die Zeit bis zur Gegenwart und in Einzeldarstellungen, wie Kunst, Theater, Musik, Baudenkmäler, haben sich mehrere Verfasser mit längeren oder kürzeren Arbeiten geteilt.  


{{idt2|25}}Natürlich kann auch die Kritik nur ein oder das andre dem besonderen Interesse zuständige Gebiet aus den reichen Darbietungen wühlen, und für Mühlhausen und seine Geschichtsblätter kommt in erster Linie die Frühzeit der Geschichte beider Reichsstädte in Betracht, die Zeit, wo sie ein ähnliches Geschick hatten oder durch dis äußere Politik verbunden waren. Das sind vor allem die ersten Jahrhunderte der Entwicklung der fränkischen Gründung Nordhausen. Hier konnten vielleicht neue Parallelen mit Mühlhausen, neue Ergebnisse erwartet werden, die auch für andre Stadtentwicklungen, ja für die Reichsgeschichte von höchster Wichtigkeit sind. Bis ungefähr 1250 reicht daher das allgemein historische Interesse an der Geschichte Nordhausens; von da an wird die Darstellung mehr oder weniger rein stadtgeschichtlich oder konzentriert sich ans Sondergebiete, wie sie jeder andern Stadt auch eigen sind, und setzt daher ein Spezialinteresse für Nordhausen voraus. Somit kommt für den vorliegenden kritischen Zweck nur ein Teil des Werkes von Dr. Hans Silberborth in Betracht.
{{idt2|25}}Natürlich kann auch die Kritik nur ein oder das andre dem besonderen Interesse zuständige Gebiet aus den reichen Darbietungen wählen, und für Mühlhausen und seine Geschichtsblätter kommt in erster Linie die Frühzeit der Geschichte beider Reichsstädte in Betracht, die Zeit, wo sie ein ähnliches Geschick hatten oder durch die äußere Politik verbunden waren. Das sind vor allem die ersten Jahrhunderte der Entwicklung der fränkischen Gründung Nordhausen. Hier konnten vielleicht neue Parallelen mit Mühlhausen, neue Ergebnisse erwartet werden, die auch für andre Stadtentwicklungen, ja für die Reichsgeschichte von höchster Wichtigkeit sind. Bis ungefähr 1250 reicht daher das allgemein historische Interesse an der Geschichte Nordhausens; von da an wird die Darstellung mehr oder weniger rein stadtgeschichtlich oder konzentriert sich ans Sondergebiete, wie sie jeder andern Stadt auch eigen sind, und setzt daher ein Spezialinteresse für Nordhausen voraus. Somit kommt für den vorliegenden kritischen Zweck nur ein Teil des Werkes von Dr. Hans Silberborth in Betracht.


{{idt2|25}}Im Vorwort gibt der Verfasser an, daß er 1925 nach dreijährigem Bemühen gerade vor dem Abschluß einer Verfassungsgeschichte der Stadt Nordhausen stand, durch die er in die innerpolitische Struktur und die rechtlichen Verhältnisse genauern Einblick gewonnen hatte; so glaubte er den Versuch wagen zu können, eine allgemeine Geschichte von Nordhausen für den ganz ungeheuern Zeitraum von tausend Jahren zu schreiben, eine Aufgabe, die ihm vom Magistrat zugedacht wurde. Trotz einiger Vertrautheit mit einem Teilgebiete Nordhäuser Lebens mußte er bald bei seinem Werke bemerken, daß sich Schwierigkeiten über Schwierigkeiten auftürmten. Denn außer wenigen gedruckten Chroniken, handschriftlichen Aufzeichnungen und einigen Forschungsergebnissen war kaum etwas vorhanden: kein Urkundenbuch, keine Darstellung des Lebens und Werdens der Stadt über eine auch noch so kurze Spanne Zeit. So weit der Verfasser.  
{{idt2|25}}Im Vorwort gibt der Verfasser an, daß er 1925 nach dreijährigem Bemühen gerade vor dem Abschluß einer Verfassungsgeschichte der Stadt Nordhausen stand, durch die er in die innerpolitische Struktur und die rechtlichen Verhältnisse genauern Einblick gewonnen hatte; so glaubte er den Versuch wagen zu können, eine allgemeine Geschichte von Nordhausen für den ganz ungeheuern Zeitraum von tausend Jahren zu schreiben, eine Aufgabe, die ihm vom Magistrat zugedacht wurde. Trotz einiger Vertrautheit mit einem Teilgebiete Nordhäuser Lebens mußte er bald bei seinem Werke bemerken, daß sich Schwierigkeiten über Schwierigkeiten auftürmten. Denn außer wenigen gedruckten Chroniken, handschriftlichen Aufzeichnungen und einigen Forschungsergebnissen war kaum etwas vorhanden: kein Urkundenbuch, keine Darstellung des Lebens und Werdens der Stadt über eine auch noch so kurze Spanne Zeit. So weit der Verfasser.  
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{{idt2|25}}Das heißt also, es herrschte ein völliger Mangel an Vorarbeiten für die verschiedensten Gebiete städtischen Lebens. Nach solchen Zugeständnissen ist der Verfasser selbst schuld daran, wenn der Kritik gleich zu Anfang des Studiums seines Merkes gewichtige Bedenken aussteigen. Denn nach nur dreijährigem Bemühen um nur ein Teilgebiet der Stadtgeschichte darf kein Autor sich die Darstellung einer fast tausendjährigen Geschichte zumuten, und dann noch innerhalb zweier kurzen Jahre. Ferner: das gänzliche Fehlen eines Urkundenbuches schließt für jeden Kundigen und ernst Strebenden die Möglichkeit einer gut fundierten Geschichtsschreibung aus. Endlich: der Mangel an wertvollen Einzeldarstellungen verstärkt die Unmöglichkeit, jetzt schon eine Geschichte Nordhausens zu schreiben, ganz wesentlich. Mit kurzen klaren Worten: auf so schwacher Basis durfte Nordhausens Geschichte – zum mindesten der an Quellen so schon armen ältesten Zeit bis ca. 1200, ja vielleicht des ganzen Mittelalters – überhaupt noch nicht geschrieben werden, ein Werk, das vor dem Forum der strengen Forschung bestehen muß. Ob daher des Verfassers Glaube an „die Gewinnung neuer Gesichtspunkte zur Grundlage für weitere Forschungen oder an die Förderung der Kenntnis vom Wesen und Wachsen des deutschen Bürgertums“ sich verwirklichen wird, ist zum mindesten fraglich.  
{{idt2|25}}Das heißt also, es herrschte ein völliger Mangel an Vorarbeiten für die verschiedensten Gebiete städtischen Lebens. Nach solchen Zugeständnissen ist der Verfasser selbst schuld daran, wenn der Kritik gleich zu Anfang des Studiums seines Merkes gewichtige Bedenken aussteigen. Denn nach nur dreijährigem Bemühen um nur ein Teilgebiet der Stadtgeschichte darf kein Autor sich die Darstellung einer fast tausendjährigen Geschichte zumuten, und dann noch innerhalb zweier kurzen Jahre. Ferner: das gänzliche Fehlen eines Urkundenbuches schließt für jeden Kundigen und ernst Strebenden die Möglichkeit einer gut fundierten Geschichtsschreibung aus. Endlich: der Mangel an wertvollen Einzeldarstellungen verstärkt die Unmöglichkeit, jetzt schon eine Geschichte Nordhausens zu schreiben, ganz wesentlich. Mit kurzen klaren Worten: auf so schwacher Basis durfte Nordhausens Geschichte – zum mindesten der an Quellen so schon armen ältesten Zeit bis ca. 1200, ja vielleicht des ganzen Mittelalters – überhaupt noch nicht geschrieben werden, ein Werk, das vor dem Forum der strengen Forschung bestehen muß. Ob daher des Verfassers Glaube an „die Gewinnung neuer Gesichtspunkte zur Grundlage für weitere Forschungen oder an die Förderung der Kenntnis vom Wesen und Wachsen des deutschen Bürgertums“ sich verwirklichen wird, ist zum mindesten fraglich.  


{{idt2|25}}Diese bisherigen bedauerlichen Feststellungen werden durch einige Einzelfälle leider noch verstärkt. Es ist unverständlich, wie der Verfasser eine Würdigung des Mühlhäuser Rechtsbuches in Nordhäuser Fassung unterlassen konnte. Es wird mit keinem Wort erwähnt, mit keiner Wendung gewertet, nicht einmal in die Verfassungsgeschichte, die – wie ausdrücklich bemerkt wird – vom Verfasser selbst herrührt, irgendwie einbezogen. Es ist ferner unmöglich anzunehmen, daß dem Verfasser die Schrift des Pros. Herbert Meyer in Göttingen unbekannt ist (Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, Deutschlands ältestes Rechtsbuch nach den altmitteldeutschen Handschriften herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von Herbert Meyer. Weimar, Hermann Böhlaus Nachfolger, 1923). Im Jahre 1923 ist sie erschienen und hat ganz neue Gesichtspunkte und Ergebnisse in der Rechtsgeschichte gezeitigt. Das überaus verdienstvolle Werk stellt Nordhausen mit seinem kostbaren Archivschatz an den gebührenden Platz. Daß der Verfasser auf Untersuchungen desselben Stoffgebietes durch Mitarbeiter des Mühlhäuser Archivs nicht eingeht, soll ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die betr. Artikel wurden in den Mühlhäuser Geschichtsblättern Jhrg. 25/26, 1926, Selbstverlag des Altertumsvereins, veröffentlicht; der Band erschien aber leider erst im Frühjahr 1927, zu einer Zeit also, wo es vielleicht dein Verfasser der Nordhäuser Stadtgeschichte nicht mehr möglich war, Rücksicht darauf zu nehmen. Das ist für Mühlhausen bedauerlich, weil der Nordhäuser Verfasser unbewußt einige wichtige Bemerkungen macht (siehe Artikel in diesem Bd.: Zur ältesten Geschichte Mühlhausens). Überhaupt ist die Angabe der benutzten Quellen zu knapp. So ist nicht zu ersehen, ob und wieweit der Verfasser die Literatur über das deutsche Königsgut im Mittelalter verwandt hat. Das muß bei Nordhausens Stellung zum Reich geschehen; die Darstellung kann so nur gewinnen.
{{idt2|25}}Diese bisherigen bedauerlichen Feststellungen werden durch einige Einzelfälle leider noch verstärkt. Es ist unverständlich, wie der Verfasser eine Würdigung des Mühlhäuser Rechtsbuches in Nordhäuser Fassung unterlassen konnte. Es wird mit keinem Wort erwähnt, mit keiner Wendung gewertet, nicht einmal in die Verfassungsgeschichte, die – wie ausdrücklich bemerkt wird – vom Verfasser selbst herrührt, irgendwie einbezogen. Es ist ferner unmöglich anzunehmen, daß dem Verfasser die Schrift des Pros. Herbert Meyer in Göttingen unbekannt ist (Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, Deutschlands ältestes Rechtsbuch nach den altmitteldeutschen Handschriften herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von Herbert Meyer. Weimar, Hermann Böhlaus Nachfolger, 1923). Im Jahre 1923 ist sie erschienen und hat ganz neue Gesichtspunkte und Ergebnisse in der Rechtsgeschichte gezeitigt. Das überaus verdienstvolle Werk stellt Nordhausen mit seinem kostbaren Archivschatz an den gebührenden Platz. Daß der Verfasser auf Untersuchungen desselben Stoffgebietes durch Mitarbeiter des Mühlhäuser Archivs nicht eingeht, soll ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die betr. Artikel wurden in den Mühlhäuser Geschichtsblättern Jhrg. 25/26, 1926, Selbstverlag des Altertumsvereins, veröffentlicht; der Band erschien aber leider erst im Frühjahr 1927, zu einer Zeit also, wo es vielleicht dem Verfasser der Nordhäuser Stadtgeschichte nicht mehr möglich war, Rücksicht darauf zu nehmen. Das ist für Mühlhausen bedauerlich, weil der Nordhäuser Verfasser unbewußt einige wichtige Bemerkungen macht (siehe Artikel in diesem Bd.: Zur ältesten Geschichte Mühlhausens). Überhaupt ist die Angabe der benutzten Quellen zu knapp. So ist nicht zu ersehen, ob und wieweit der Verfasser die Literatur über das deutsche Königsgut im Mittelalter verwandt hat. Das muß bei Nordhausens Stellung zum Reich geschehen; die Darstellung kann so nur gewinnen.


{{idt2|25}}In der gemischten Stilform der Schilderung – bald wissenschaftlich streng, bald volkstümlich phantastisch – liegt ein Mißverhältnis, das einen rechten Genuß nicht aufkommen läßt.
{{idt2|25}}In der gemischten Stilform der Schilderung – bald wissenschaftlich streng, bald volkstümlich phantastisch – liegt ein Mißverhältnis, das einen rechten Genuß nicht aufkommen läßt.

Version vom 9. November 2019, 22:58 Uhr

Textdaten
Autor: R. G.
Titel: Das tausendjährige Nordhausen
Untertitel:
aus: Mühlhäuser Geschichtsblätter, 1926/27, S. 241-243
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag:
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Mühlhausen
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: über Das tausendjährige Nordhausen
Digitalisat: Online
S p e r r s c h r i f t im Text wurde ignoriert
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
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 Magistrat der Stadt Nordhausen, Das tausendjährige Nordhausen, Nordhausen 1927.
 Der Magistrat von Nordhausen hat zur Tausendjahrfeier der alten ehemaligen Reichsstadt ein würdiges Denkmal gestiftet: die Geschichte der Stadt in zwei starken Bänden von zusammen über 1200 Seiten. Man hat keine Mühen und Kosten gescheut, um auch das Äußere des Werkes, Ausstattung und Buchschmuck, dem inneren Werte entsprechen zu lassen, den die Darstellung einer tausendjährigen reichsstädtischen Geschichte beanspruchen muß. Dafür soll dem Magistrat und der Bürgerschaft Nordhausens der uneingeschränkte Dank und die neidlose Anerkennung aller derer ausgesprochen werden, die ein solches Werk zu schätzen wissen und für die eigene Stadt schmerzlich entbehren und Ähnlichst wünschen.

 Nach einem kurzen Vorwort des Oberbürgermeisters von Nordhausen, Dr. Baller, beginnt das eigentliche Werk: das tausendjährige Nordhausen. Der erste Teil behandelt die „Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen bis 1802“ von Studienrat Dr. Hans Silberborth. In die Zeit bis zur Gegenwart und in Einzeldarstellungen, wie Kunst, Theater, Musik, Baudenkmäler, haben sich mehrere Verfasser mit längeren oder kürzeren Arbeiten geteilt.

 Natürlich kann auch die Kritik nur ein oder das andre dem besonderen Interesse zuständige Gebiet aus den reichen Darbietungen wählen, und für Mühlhausen und seine Geschichtsblätter kommt in erster Linie die Frühzeit der Geschichte beider Reichsstädte in Betracht, die Zeit, wo sie ein ähnliches Geschick hatten oder durch die äußere Politik verbunden waren. Das sind vor allem die ersten Jahrhunderte der Entwicklung der fränkischen Gründung Nordhausen. Hier konnten vielleicht neue Parallelen mit Mühlhausen, neue Ergebnisse erwartet werden, die auch für andre Stadtentwicklungen, ja für die Reichsgeschichte von höchster Wichtigkeit sind. Bis ungefähr 1250 reicht daher das allgemein historische Interesse an der Geschichte Nordhausens; von da an wird die Darstellung mehr oder weniger rein stadtgeschichtlich oder konzentriert sich ans Sondergebiete, wie sie jeder andern Stadt auch eigen sind, und setzt daher ein Spezialinteresse für Nordhausen voraus. Somit kommt für den vorliegenden kritischen Zweck nur ein Teil des Werkes von Dr. Hans Silberborth in Betracht.

 Im Vorwort gibt der Verfasser an, daß er 1925 nach dreijährigem Bemühen gerade vor dem Abschluß einer Verfassungsgeschichte der Stadt Nordhausen stand, durch die er in die innerpolitische Struktur und die rechtlichen Verhältnisse genauern Einblick gewonnen hatte; so glaubte er den Versuch wagen zu können, eine allgemeine Geschichte von Nordhausen für den ganz ungeheuern Zeitraum von tausend Jahren zu schreiben, eine Aufgabe, die ihm vom Magistrat zugedacht wurde. Trotz einiger Vertrautheit mit einem Teilgebiete Nordhäuser Lebens mußte er bald bei seinem Werke bemerken, daß sich Schwierigkeiten über Schwierigkeiten auftürmten. Denn außer wenigen gedruckten Chroniken, handschriftlichen Aufzeichnungen und einigen Forschungsergebnissen war kaum etwas vorhanden: kein Urkundenbuch, keine Darstellung des Lebens und Werdens der Stadt über eine auch noch so kurze Spanne Zeit. So weit der Verfasser.

 Das heißt also, es herrschte ein völliger Mangel an Vorarbeiten für die verschiedensten Gebiete städtischen Lebens. Nach solchen Zugeständnissen ist der Verfasser selbst schuld daran, wenn der Kritik gleich zu Anfang des Studiums seines Merkes gewichtige Bedenken aussteigen. Denn nach nur dreijährigem Bemühen um nur ein Teilgebiet der Stadtgeschichte darf kein Autor sich die Darstellung einer fast tausendjährigen Geschichte zumuten, und dann noch innerhalb zweier kurzen Jahre. Ferner: das gänzliche Fehlen eines Urkundenbuches schließt für jeden Kundigen und ernst Strebenden die Möglichkeit einer gut fundierten Geschichtsschreibung aus. Endlich: der Mangel an wertvollen Einzeldarstellungen verstärkt die Unmöglichkeit, jetzt schon eine Geschichte Nordhausens zu schreiben, ganz wesentlich. Mit kurzen klaren Worten: auf so schwacher Basis durfte Nordhausens Geschichte – zum mindesten der an Quellen so schon armen ältesten Zeit bis ca. 1200, ja vielleicht des ganzen Mittelalters – überhaupt noch nicht geschrieben werden, ein Werk, das vor dem Forum der strengen Forschung bestehen muß. Ob daher des Verfassers Glaube an „die Gewinnung neuer Gesichtspunkte zur Grundlage für weitere Forschungen oder an die Förderung der Kenntnis vom Wesen und Wachsen des deutschen Bürgertums“ sich verwirklichen wird, ist zum mindesten fraglich.

 Diese bisherigen bedauerlichen Feststellungen werden durch einige Einzelfälle leider noch verstärkt. Es ist unverständlich, wie der Verfasser eine Würdigung des Mühlhäuser Rechtsbuches in Nordhäuser Fassung unterlassen konnte. Es wird mit keinem Wort erwähnt, mit keiner Wendung gewertet, nicht einmal in die Verfassungsgeschichte, die – wie ausdrücklich bemerkt wird – vom Verfasser selbst herrührt, irgendwie einbezogen. Es ist ferner unmöglich anzunehmen, daß dem Verfasser die Schrift des Pros. Herbert Meyer in Göttingen unbekannt ist (Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch aus dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, Deutschlands ältestes Rechtsbuch nach den altmitteldeutschen Handschriften herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von Herbert Meyer. Weimar, Hermann Böhlaus Nachfolger, 1923). Im Jahre 1923 ist sie erschienen und hat ganz neue Gesichtspunkte und Ergebnisse in der Rechtsgeschichte gezeitigt. Das überaus verdienstvolle Werk stellt Nordhausen mit seinem kostbaren Archivschatz an den gebührenden Platz. Daß der Verfasser auf Untersuchungen desselben Stoffgebietes durch Mitarbeiter des Mühlhäuser Archivs nicht eingeht, soll ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die betr. Artikel wurden in den Mühlhäuser Geschichtsblättern Jhrg. 25/26, 1926, Selbstverlag des Altertumsvereins, veröffentlicht; der Band erschien aber leider erst im Frühjahr 1927, zu einer Zeit also, wo es vielleicht dem Verfasser der Nordhäuser Stadtgeschichte nicht mehr möglich war, Rücksicht darauf zu nehmen. Das ist für Mühlhausen bedauerlich, weil der Nordhäuser Verfasser unbewußt einige wichtige Bemerkungen macht (siehe Artikel in diesem Bd.: Zur ältesten Geschichte Mühlhausens). Überhaupt ist die Angabe der benutzten Quellen zu knapp. So ist nicht zu ersehen, ob und wieweit der Verfasser die Literatur über das deutsche Königsgut im Mittelalter verwandt hat. Das muß bei Nordhausens Stellung zum Reich geschehen; die Darstellung kann so nur gewinnen.

 In der gemischten Stilform der Schilderung – bald wissenschaftlich streng, bald volkstümlich phantastisch – liegt ein Mißverhältnis, das einen rechten Genuß nicht aufkommen läßt.

 Aber genug davon! Die Mühlhäuser Kritik erkennt die übergroßen Schwierigkeiten an und weiß Arbeit und Opfer zu würdigen, die der Verfasser noch dazu bei nicht ausreichenden Vorbedingungen übernommen hat. Es war ein Wagnis, eine Nordhäuser Geschichte zu schreiben, aber es ist geglückt: Nordhausen hat seine Geschichte, einen Vorzug, den manche andre Stadt mit viel günstigeren Grundlagen nicht aufzuweisen hat. Und wenn dies Werk dereinst hier verbessert, dort vervollständigt worden ist, wie sein Verfasser selbst hofft und wünscht, dann ist auch die Mühe nicht vergeblich gewesen.

  R. G.