Die ehemalige Heinrichsburg in Nordhausen: Unterschied zwischen den Versionen
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Es ist hiernach also zweifellos, daß unter Heinrich I. 927 und 929 in Nordhausen eine Burg vorhanden gewesen ist. Die Spuren derselben sind in den Jahrhunderten derart verwischt worden, daß heute die allerwenigsten Bewohner unserer Stadt überhaupt noch eine Kenntnis von der Existenz einer solchen Burg haben, geschweige denn über ihre Lage irgend etwas wißen. Und deshalb gehört es vielleicht zu dem geschichtlich Interessantesten, was die Tausendjahrfeier uns bringen kann, daß wir über diese Burg und ihre Lage etwas Genaueres erfahren. Solange ich in Nordhausen wohne und lokalgeschichtliche Forschungen treibe, ist es mein eifrigstes Bemühen gewesen, die genaue Lage dieser „Heinrichsburg“ zu ergründen, und durch überraschende Entdeckungen der letzten zwei Jahre glaube ich in der Lage zu sein, dieselbe genau bestimmen zu können. | Es ist hiernach also zweifellos, daß unter Heinrich I. 927 und 929 in Nordhausen eine Burg vorhanden gewesen ist. Die Spuren derselben sind in den Jahrhunderten derart verwischt worden, daß heute die allerwenigsten Bewohner unserer Stadt überhaupt noch eine Kenntnis von der Existenz einer solchen Burg haben, geschweige denn über ihre Lage irgend etwas wißen. Und deshalb gehört es vielleicht zu dem geschichtlich Interessantesten, was die Tausendjahrfeier uns bringen kann, daß wir über diese Burg und ihre Lage etwas Genaueres erfahren. Solange ich in Nordhausen wohne und lokalgeschichtliche Forschungen treibe, ist es mein eifrigstes Bemühen gewesen, die genaue Lage dieser „Heinrichsburg“ zu ergründen, und durch überraschende Entdeckungen der letzten zwei Jahre glaube ich in der Lage zu sein, dieselbe genau bestimmen zu können. | ||
Die bisherigen Veröffentlichungen schwanken in ihren Angaben unsicher hin und her. Julius Schmidt sagt<ref>Julius Schmidt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Nordhausen 1888, S. 5, Z. 9.</ref>: „Der wahrscheinlichste Ort dürfte wohl am Rande des Abhanges zu suchen sein, der von der Steineberggasse durchschnitten wird.“" Er verlegt sie also vor die innere Stadtmauer an den Abhang der Kutteltreppe, indem er, unbekannt mit der Nordhäuser Mundart, irrtümlich die „am Steeneberg" genannte Wegbezeichnung als Steineberggasse wiedergiebt. Andere haben an die „Burg“ an der Hütergasse vor dem Rautentore gedacht. E. G. Förstemann gar ist geneigt<ref>Urkundliche Geschichte S. 4.</ref> an eine Burg aus dem Geiersberg, da, wo die Merwigslinde steht, zu denken und würde dadurch, entgegen seinen sonstigen klaren historischen Ergebnissen, die alte, endlich abgetane Mär von der Gründung der Stadt | Die bisherigen Veröffentlichungen schwanken in ihren Angaben unsicher hin und her. Julius Schmidt sagt<ref>Julius Schmidt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Nordhausen 1888, S. 5, Z. 9.</ref>: „Der wahrscheinlichste Ort dürfte wohl am Rande des Abhanges zu suchen sein, der von der Steineberggasse durchschnitten wird.“" Er verlegt sie also vor die innere Stadtmauer an den Abhang der Kutteltreppe, indem er, unbekannt mit der Nordhäuser Mundart, irrtümlich die „am Steeneberg" genannte Wegbezeichnung als Steineberggasse wiedergiebt. Andere haben an die „Burg“ an der Hütergasse vor dem Rautentore gedacht. E. G. Förstemann gar ist geneigt<ref>Urkundliche Geschichte S. 4.</ref> an eine Burg aus dem Geiersberg, da, wo die Merwigslinde steht, zu denken und würde dadurch, entgegen seinen sonstigen klaren historischen Ergebnissen, die alte, endlich abgetane Mär von der Gründung der Stadt Nordhausen durch den sagenhaften König Merwig aufs neue wieder stützen. Freilich will auch er viel lieber den Angaben des Cyriacus Spangenberg Glauben schenken, der in Nordhausen geboren ist und also der alten Tradition über den Standort noch näher gestanden hat. Spangenberg verlegt sie an den „Königshof“ und wird in dieser Annahme wesentlich durch den Namen her Ritterstraße bestärkt. Alle diese Mutmaßungen gehen fehl. Und Karl Meyer in seinen verschiedenen Veröffentlichungen hat schon Recht, wenn er dem zu Unrecht überholt geglaubten Lesser<ref>Historische Nachrichte von der Kayserl. und des Heil. Röm. Reichs freyen Stadt Nordhausen 1740, S. 167.</ref> folgt, der, obwohl ihm die Erforschung gerade auf diesem Gebiete aus leicht ersichtlichen Gründen schwer fiel, die alte „Kayserliche Burg“, wie er sie nennt, nach dem Domstifte zu sucht, wo an dem Ende der Bäckerstraße sich eine wüste Stelle befunden habe, an der noch Reste einer alten Mauer wahrgenommen worden seien und die im Volksmunde „Finkenburg“ genannt worden sei. Es handelt sich also nicht um die heutige Finkenburg, sondern um den heute mit Steinmauern neu aufgesührten Garten am ersten Hause der Nordseite der Bäckerstraße, wenn man zur heutigen Finkenburg geht. Meyer<ref>Aus Nordhausens Vorzeit 1910, S. 29.</ref> geht nun richtig darin noch über Lesser hinaus, daß er die Burg noch einen Schritt weiter nördlich auf dem Gebiete der heutigen Finkenburg sucht. Und es bleibt unbeschadet aller nachbesternden Kritik und späteren genaueren Feststellung doch etwas Richtiges an dem, was der Volksmund durch die Jahrhunderte erhalten hat. Daß aus der „Finklerburg“, wie sie eigentlich heißen müßte, im Volksmunde eine Finkenburg geworden ist, macht für die Richtigkeit der hinter ihr sich verbergenden Burg Heinrichs des Finklers natürlich gar nichts aus. Auch kümmert uns die Frage wenig, wann denn Heinrich zuerst der Finkler genannt worden ist, denn der Name Finkenburg ist eben erst aufgekommen, als er bereits der Finkler genannt wurde. Die Meinung freilich ist als völlig abwegig zu bezeichnen, als wäre die im Januar dieses Jahres niedergelegte und jetzt glücklicherweise wieder in ursprünglicherem Zustande aufgebaute Finkenburg selbst ein Bestandteil der ältesten Burg. Gerade die Bloßlegung der Fundamente bei ihrer jetzigen Niederlegung hat auch dem ungeübten Auge zeigen können, daß der über den Erdboden hinausreichende Teil über einem viel älteren Keller errichtet gewesen ist, der sich noch heute quer unter der Finkenburg hinzieht, der bei dem Bau des über ihm errichteten Gebäudes durch den Bogen aus Brandsteinen, der die Jahreszahl 1491 trägt, gesteift wurde und aus dem ursprünglich eine gerade jetzt wieder freigelegte Wendeltreppe noch oben führte, die mit der späteren mittelalterlichen Finkenburg gar nichts zu tun hatte, darum zugemauert und durch einen neuen Ausgang ersetzt wurde. | ||
Bestätigt dies alles auch die Ansicht Meyers, so geht doch auch er noch nicht weit genug, da er sich mit dem Gebiete der „sogenannten“ Finkenburg und den beiden angrenzenden Häusern (Domstraße 22 und 21), die mit der Fluchtlinie der Kranichstraße abschließen, begnügt, eine Annahme, die bei einer genauen Erforschung des Geländes schon scheitern muß. Doch ist soviel erreicht: Meyer hat fraglos erstmalig den Boden der alten Heinrichsburg betreten, nur noch nicht den ganzen Ort ihrer Lage gefunden. | Bestätigt dies alles auch die Ansicht Meyers, so geht doch auch er noch nicht weit genug, da er sich mit dem Gebiete der „sogenannten“ Finkenburg und den beiden angrenzenden Häusern (Domstraße 22 und 21), die mit der Fluchtlinie der Kranichstraße abschließen, begnügt, eine Annahme, die bei einer genauen Erforschung des Geländes schon scheitern muß. Doch ist soviel erreicht: Meyer hat fraglos erstmalig den Boden der alten Heinrichsburg betreten, nur noch nicht den ganzen Ort ihrer Lage gefunden. |
Aktuelle Version vom 21. März 2023, 21:23 Uhr
Die
ehemalige Heinrichsburg in Nordhausen
Sonderuntersuchung
über ihre Gründung, Entwicklung und Zerstörung
von
Otto Riemenschneider.
*
Einleitendes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem umfassenden Ueberblick über die tausendjährige Geschichte der Stadt Nordhausen, den Dr. Silberborth in den voraufgehenden Blättern dieser Festschrift gegeben hat, bitte ich den Leser noch einmal mit mir Rückschau zu halten auf die ersten Jahrhunderte des Entstehens und Werdens unserer Stadt. Bekanntlich hat Heinrich I., „der zweite Gründer Nordhausens“, wie Förstemann ihn mit Recht nennt, in der Urkunde vom 13. Mai 927 alle seine Erbgüter „quicquid haeredidtatis in Quitilingaburg, Palithi, Northusae ac Dudersteti hbuit, census item in villis Wafilieba et Gudisleiben sitis in pago Zurrega“ seiner Gemahlin Mathilde als Wittum angewiesen und zugeeignet.[1] In seiner Schenkung vom 16. September 929 wird dann unter Beiseitelassung des censns von Woffleben und Gudersleben außer den 927 genannten Burgen Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen und Duderstadt noch Grona bei Göttingen hinzugefügt und dann heißt es weiter: „mit den Burgen (civitatibus) und allem, was zu den genannten Orten gehört, welche wir überlassen als Eigentum mit Leuten, Knechten, Leibeigenen beiderlei Geschlechtes, Gebäuden, bebauten und unbebauten Ländereien, Wiesen, Feldern, Wäldern, Gewässern und Wasserläufen, Wegen und Unwegen, Ausgängen und Eingängen, Gefundenem und noch zu Findendem.“ Es ist hiernach also zweifellos, daß unter Heinrich I. 927 und 929 in Nordhausen eine Burg vorhanden gewesen ist. Die Spuren derselben sind in den Jahrhunderten derart verwischt worden, daß heute die allerwenigsten Bewohner unserer Stadt überhaupt noch eine Kenntnis von der Existenz einer solchen Burg haben, geschweige denn über ihre Lage irgend etwas wißen. Und deshalb gehört es vielleicht zu dem geschichtlich Interessantesten, was die Tausendjahrfeier uns bringen kann, daß wir über diese Burg und ihre Lage etwas Genaueres erfahren. Solange ich in Nordhausen wohne und lokalgeschichtliche Forschungen treibe, ist es mein eifrigstes Bemühen gewesen, die genaue Lage dieser „Heinrichsburg“ zu ergründen, und durch überraschende Entdeckungen der letzten zwei Jahre glaube ich in der Lage zu sein, dieselbe genau bestimmen zu können. Die bisherigen Veröffentlichungen schwanken in ihren Angaben unsicher hin und her. Julius Schmidt sagt[2]: „Der wahrscheinlichste Ort dürfte wohl am Rande des Abhanges zu suchen sein, der von der Steineberggasse durchschnitten wird.“" Er verlegt sie also vor die innere Stadtmauer an den Abhang der Kutteltreppe, indem er, unbekannt mit der Nordhäuser Mundart, irrtümlich die „am Steeneberg" genannte Wegbezeichnung als Steineberggasse wiedergiebt. Andere haben an die „Burg“ an der Hütergasse vor dem Rautentore gedacht. E. G. Förstemann gar ist geneigt[3] an eine Burg aus dem Geiersberg, da, wo die Merwigslinde steht, zu denken und würde dadurch, entgegen seinen sonstigen klaren historischen Ergebnissen, die alte, endlich abgetane Mär von der Gründung der Stadt Nordhausen durch den sagenhaften König Merwig aufs neue wieder stützen. Freilich will auch er viel lieber den Angaben des Cyriacus Spangenberg Glauben schenken, der in Nordhausen geboren ist und also der alten Tradition über den Standort noch näher gestanden hat. Spangenberg verlegt sie an den „Königshof“ und wird in dieser Annahme wesentlich durch den Namen her Ritterstraße bestärkt. Alle diese Mutmaßungen gehen fehl. Und Karl Meyer in seinen verschiedenen Veröffentlichungen hat schon Recht, wenn er dem zu Unrecht überholt geglaubten Lesser[4] folgt, der, obwohl ihm die Erforschung gerade auf diesem Gebiete aus leicht ersichtlichen Gründen schwer fiel, die alte „Kayserliche Burg“, wie er sie nennt, nach dem Domstifte zu sucht, wo an dem Ende der Bäckerstraße sich eine wüste Stelle befunden habe, an der noch Reste einer alten Mauer wahrgenommen worden seien und die im Volksmunde „Finkenburg“ genannt worden sei. Es handelt sich also nicht um die heutige Finkenburg, sondern um den heute mit Steinmauern neu aufgesührten Garten am ersten Hause der Nordseite der Bäckerstraße, wenn man zur heutigen Finkenburg geht. Meyer[5] geht nun richtig darin noch über Lesser hinaus, daß er die Burg noch einen Schritt weiter nördlich auf dem Gebiete der heutigen Finkenburg sucht. Und es bleibt unbeschadet aller nachbesternden Kritik und späteren genaueren Feststellung doch etwas Richtiges an dem, was der Volksmund durch die Jahrhunderte erhalten hat. Daß aus der „Finklerburg“, wie sie eigentlich heißen müßte, im Volksmunde eine Finkenburg geworden ist, macht für die Richtigkeit der hinter ihr sich verbergenden Burg Heinrichs des Finklers natürlich gar nichts aus. Auch kümmert uns die Frage wenig, wann denn Heinrich zuerst der Finkler genannt worden ist, denn der Name Finkenburg ist eben erst aufgekommen, als er bereits der Finkler genannt wurde. Die Meinung freilich ist als völlig abwegig zu bezeichnen, als wäre die im Januar dieses Jahres niedergelegte und jetzt glücklicherweise wieder in ursprünglicherem Zustande aufgebaute Finkenburg selbst ein Bestandteil der ältesten Burg. Gerade die Bloßlegung der Fundamente bei ihrer jetzigen Niederlegung hat auch dem ungeübten Auge zeigen können, daß der über den Erdboden hinausreichende Teil über einem viel älteren Keller errichtet gewesen ist, der sich noch heute quer unter der Finkenburg hinzieht, der bei dem Bau des über ihm errichteten Gebäudes durch den Bogen aus Brandsteinen, der die Jahreszahl 1491 trägt, gesteift wurde und aus dem ursprünglich eine gerade jetzt wieder freigelegte Wendeltreppe noch oben führte, die mit der späteren mittelalterlichen Finkenburg gar nichts zu tun hatte, darum zugemauert und durch einen neuen Ausgang ersetzt wurde. Bestätigt dies alles auch die Ansicht Meyers, so geht doch auch er noch nicht weit genug, da er sich mit dem Gebiete der „sogenannten“ Finkenburg und den beiden angrenzenden Häusern (Domstraße 22 und 21), die mit der Fluchtlinie der Kranichstraße abschließen, begnügt, eine Annahme, die bei einer genauen Erforschung des Geländes schon scheitern muß. Doch ist soviel erreicht: Meyer hat fraglos erstmalig den Boden der alten Heinrichsburg betreten, nur noch nicht den ganzen Ort ihrer Lage gefunden. Im folgenden soll nun der Versuch gemacht werden, die Lage der alten Heinrichsburg auf Grund eigener eingehender Forschungen zu bestimmen. Dabei bleibt sich freilich der Verfasser vollbewußt, daß damit noch keineswegs das letzte Wort in dieser Frage gesprochen ist. Vielmehr werden jetzt erst die Fachgelehrten, die Bau- und Kunstsachverständigen ans Werk gehen müssen, um all die noch schwebenden Fragen zu lösen und endgültige Arbeit zu leisten. Am Kreuzungspunkt uralter Heerstraßen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wer die alte Heinrichsburg sucht, dem bieten sich drei Wege, aus dem er sie finden kann. Er kann durch Erforschung des urkundlichen Materials und seiner literarischen Verarbeitung zu wertvollen Ergebnissen gelangen. Dieser Weg ist so gut wie verschlossen. Denn außer dem im obigen aus den bisher veröffentlichten Chroniken der Stadt Angegebenen ist so gut wie nichts mehr vorhanden. Es bleibt ihm deshalb nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen für das, was im Schoße der Erde verborgen ruht, und er wird sich glücklich preisen können, wenn er durch Funde, die ihm zu unwidersprechlichen Zeugen werden, in die Lage versetzt wird, seine Vermutungen und Entdeckungen zu beweisen. Aber er wird auch – und diese Arbeit wird seinen eben genannten Forschungen vorausgehen müssen, damit er in der Lage ist, den Spaten an der richtigen Stelle anzusetzen – sich das Gelände, das er erforschen will, von außen ansehen, um zu erkennen, wo denn überhaupt eine Burg gestanden haben kann. Denn die Berge sind es schließlich noch allein, die in den Jahrhunderten ihr Aussehen und ihre Lage so gut wir gar nicht verändert haben. Wer nun das Panorama von Nordhausen, das an sich schon wert ist, von Kennern und Freunden unserer Stadt aufmerksam betrachtet zu werden, einmal vom Holungsbühel oder von der Höhe vor Herreden aus prüfend überblickt, dem wird sich die eigentümlich gestaltete Höhe um den Dom herum als die für eine Burganlage geeignetste Stelle ohne weiteres darbieten. Das steil abfallende Gelände geht hier am schnellsten in die Tiefe und bietet so an dieser Stelle eine noch viel natürlichere und gesichertere Befestigung, als etwa weiter südlich am Neuen Wege und am Primariusgraben, der ja gerade im 15. Jahrhundert wegen seiner Gefährdung eine vorgelagerte zweite Mauer erhielt. Und wer nach diesem Blick aus weiter Ferne etwa durch den Grimmel oder von der Hohnsteiner Straße her zum Burggelände kommt, dem ersteht unwillkürlich, wenn anders er zu schauen und nicht bloß zu sehen vermag, das Bild einer Burg, die seine kühnsten Erwartungen übertrifft.[6] Und genau an diese Stelle weist uns nun auch eine andere Betrachtung, die wir gleichfalls nur von draußen anstellen können. Zweifellos zutreffend hat Karl Meyer in seiner schon erwähnten Schrift: Aus Nordhausens Vorzeit 1910 den fränkischen Reichshos Nordhausen vom Jahre 786, mit seiner anliegenden Siedlung in Jahrhunderten „Altnordhausen“ genannt, auf Grund der ihm zugänglich gewordenen neueren Literatur und eigener Forschungen richtig bestimmt. Genauere Feststellungen, die in Einzelheiten von seinen Ergebnissen abweichen, wie z. B. die Lage des Hauptgebäudes zwischen dem heutigen Frauenberger Kloster und der Frauenberger Kirche, werden das Verdienst Meyers nicht zu schmälern vermögen. So verdanken wir ihm aus diesen Forschungen vor allem auch die genauere Bestimmung der alten Heerstraßen, an denen Nordhausen einst gegründet wurde. Aber gerade die genaue Kenntnis dieser Heerstraßen ist eine unerläßliche Vorbedingung für die Erreichung unseres Zieles. Am Reichshofe kreuzten zwei alte Heerstraßen. Und Karl der Große ließ ja an solchen Kreuzungspunkten seine Reichshöfe anlegen. Die eine kam vom Westen über Seesen, Herzberg, Pöhlde, Osterhagen , Nixei, Clettenberg, Gudersleben, Woffleben um den Kohnstein an Salza vorbei zum Reichshof und ging von da über Sundhausen, Uthleben, Heringen, Auleben, Kelbra, Tilleda weiter in den Osten hinein. Die Namen der Orte an dieser Heerstraße sind dem, der mit der Geschichte der Besiedlung unserer Gegend vertraut ist, lehrreich genug. Es sind die ältesten Orte unserer engeren Heimat. – Die andere Heerstraße, die vom Süden her kommt (Meyer sagt von Italien her) geht über Immenrode und den Straußberg herunter in gerader Linie über den Rüxlebener Zoll, an Hain vorbei, zwischen Großwerther und Steinbrücken hindurch, bei der Rodebrücke über die Helme. Sie erreicht beim Eingang des Steinbrückerweges die erste Heerstraße, führt auf dieser bis zum Reichshof und geht dann nordwärts den Ammerberg hinauf über Steigerthal und Buchholz als alte Pvststraße westlich der Nordhäuser Talsperre über Birkenmoor, Stiege über den Harz nach Wernigerode und von da über Braunschweig nach Bremen. An diesen Heerstraßen erkennen wir erst die volle Bedeutung der Gründung des Reichshofes Nordhausen durch Karl den Großen. Wer nun aber die Heerstraßen der späteren sächsischen, salischen und staufischen Kaiserzeit aufmerksam verfolgt, der macht eine überraschende Entdeckung. Drei Heerstraßen, an denen Nordhausen auch noch liegt, sind noch nicht genannt. Die eine kommt von Harzburg (bzw. in einer Seitenlinie von Goslar) bekanntermaßen als Kaiserweg über den Harz, biegt aber zum mindesten östlich von Zorge von dem bisher als Kaiserweg bezeichneten Wege ab und geht südlich von Zorge über die heutige Straße den Berg hinauf in fast gerader Linie über das Brandhai und kommt als „hohe Straße“ südlich von Sülzhayn aus der Höhe über Werna, an der Kelle und dem 1290 „wegen Unsicherheit an der Heerstraße" nach Nordhausen verlegten Nonnenkloster Bischoserode vorüber auf die alte Heerstraße nach Woffleben und dann weiter nach Nordhausen. Die zweite führt von Nord- Hausen über den Reichshof an Bielen, Urbach und Görsbach vorbei durch Bösenrode über Rosperwende, Roßla, Bennungen nach Wallhausen. Die dritte aber führt vom Grimmel über den Holungsbühel Hesserode, Groß- wechsungen, Mitteldorf, Oberdorf, Lipprechterode, Kleinbodungen nach dem Königshvfe Duderstadt. Dem aufmerksamen Forscher kann es nicht entgehen, daß der Schnittpunkt dieser drei Heerstraßen, die sächsische Königshöfe und Burgen miteinander verbinden, nicht am Reichshofe liegt, sondern am Grimmel, d. h. aber da, wo wir den Zugang zur „Heinrichsburg“ zu suchen haben. Und nun erst kommt die Bezeichnung „Grimmel“, die sich über die Jahrhunderte in unserer Stratzenbezeichnung erhalten hat, zu ihrer eigentlichen uralten Bedeutung.[7] Denn „Grim“ bedeutet Helm, in übertragenem Sinne „Burg“. Und der alte Name der heutigen Kaisermühle ist ja Grimm-Mühle, zu der der Grimmel führt. Ueber der Grimm-Mühle aber lag die „Grim“, d. h. die Burg, die wir suchen und die wir heute noch sehen können, wenn wir uns die Augen dafür öffnen lasten, etwa wie das Bild im Magistratssitzungszimmer, von Franz Gebhard Stolberg 1674 gemalt, uns zeigt, von dem das angefügte Bild eine Teilansicht uns bringt. Nun aber ist es auch klar, daß der alte Mühlgraben, über besten Entstehung wir bisher nichts zu wissen glaubten, uns urkundlich seine Entstehung erzählt. Denn, daß die Klostermühle und die Martinimühle später erst ihre heutigen Namen angenommen haben, als das Kloster und das Martinistift auf dem Grund und Boden des alten Reichshofes in den Jahren 1200 und 1389 errichtet worden sind, daß sie früher Reichsmühlen gewesen waren, und also der Mühlgraben schon 786 mit dem Reichshof angelegt sein müsse, hatte auch ohne urkundliche Belege Meyer schon richtig vermutet. Jetzt bei der Grimmühle oder Burgmühle können wir einen urkundlichen Beleg aus dem Jahre 929 wenigstens beibringen. Denn bei dem, was Heinrich' I. seiner Gemahlin alles übereignet (siehe S. 603) werden auch „Master und Wasterläufe“ genannt. Unter Wasterläufen (aquarunr deeurslbus, d. h. Ableitungen der Master) ist nichts anderes zu verstehen, als die die Mühlen treibenden Wasterläufe, wie wir sie außer in Nordhausen heute auch in Wallhausen und Quedlinburg noch sehen können und wie sie wohl zu jeder rechten Burganlage gehören. Daß der Mühlgraben außerdem noch dazu diente, die Teiche zu speisen, die als natürliche Befestigung der Burg dienten (vergl. die als Wasserburg angelegte Wiedigsburg), sei nur nebenbei erwähnt, ist aber für unsere Frage nach der Auffindung der Heinrichsburg gleich bedeutungsvoll. Aus der Geschichte der Burgengründungen Heinrichs I.[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wir sind mit diesen Ausführungen schon mitten hineinversetzt in die geschichtlich so interessante Zeit der Burgengründung Heinrichs I. Doch wird es nötig sein, erst noch einige allgemeine Betrachtungen vorauszuschicken, damit wir auch für seine Nordhäuser Gründung das rechte Verständnis gewinnen. Daß Heinrich der „Städtegründer“ in dem Sinne gewesen sei, daß er, wie wir es vielleicht noch in unserer Jugend gelernt haben, überall in deutschen Landen habe Städte anlegen lassen und dadurch der Schöpfer eines neuen Deutschland auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiete geworden sei, ist natürlich eine Ansicht, die als völlig unzutreffend zurückgewiesen werden muß. So einfach und leicht lagen die Dinge damals nicht. Das junge aufstrebende Deutsche Reich hatte auch damals schon gegen ernste drohende Gefahren vom Osten her zu kämpfen. Und in Sicherung des Landes gegen die nachdrängenden Scharen der slavischen Völker bestand in jenen Jahrhunderten ein wesentlicher Teil aller staatsmännischen Arbeit der deutschen Könige und Kaiser. In dem Rahmen dieser Sicherungspolitik ist nun im wesentlichen auch das anzusehen, was Heinrich I. in jenen Jahren seiner Burgengründung geschaffen hat. Es besteht dabei keine Gefahr, daß er deshalb in der Achtung und Liebe, die ihm das deutsche Volk zu allen Zeiten entgegengebracht hat, irgendwie Schaden litte. Im Gegenteil. Je tiefer wir mit historisch geschultem Auge in die Kämpfe und Nöte jener Zeit Hineinblicken und die Entschlossenheit und Tatkraft gerade dieses Herrschers bewundern können, um so mehr kommt uns der Gedanke, ob nicht gerade Heinrich, obschon er nicht den äußeren Erfolg aufzuweisen hat wie sein Sohn, der mit Recht ob seiner Erfolge den Namen des Großen in der Geschichte trägt, der Größere von beiden gewesen ist. Und wie Otto der Große auf Heinrichs Taten aufbauen konnte, so dürfen wir nicht vergessen, daß auch Heinrich erst wieder das Erbe eines bedeutenden Vaters, Ottos des Erlauchten, des ruhmreichen Sachsenherzogs angetreten hat. Für uns steht hier nur noch eine Frage zu beantworten: Ist schon Otto der Erlauchte im Besitze der Länder südlich des Harzes gewesen oder ist erst Heinrich in ihren Besitz gelangt? Die Beantwortung dieser Frage hängt wesentlich von der anderen ab: Ist Otto der Erlauchte schon Herzog von Thüringen gewesen? Ich glaube diese Frage verneinen zu dürfen. Aus folgenden Gründen: Im Jahre 908 fiel Burchhard, der thüringische Herzog, im Kampf gegen die Ungarn. Im Jahre 909 feierte Herzog Heinrich auf seiner Burg Wallhausen seine Vermählung mit seiner zweiten Gemahlin Mathilde, einer Enkelin des Sachsenherzogs Widukind, die damals im Kloster zu Herford in Münsterer Lande erzogen wurde. Am Hochzeitstage schenkte er ihr nach damaliger Sitte die Burg Wallhausen als Morgengabe. Daß er diese Schenkung 915 wieder zurücknahm, kann nur damit Zusammenhängen, daß er ihr die inzwischen schon bewohnbar gewordene neue und schönere Burg Nordhausen an deren Stelle schenkt und dadurch wird es nun auch verständlich, daß 915 in Nordhausen die Geburt ihrer Tochter Gerberga erfolgte, während sie 912 in ihrer Burg Wallhausen ihren ersten Sohn Otto, später der Große genannt, geboren hatte. Daß aber die Herzogin – und vollends 920 bei der Geburt ihres Lieblingssohnes Heinrichs die Königin – in einem unscheinbaren unbefestigten Hause ihrer Niederkunft entgegengesehen haben solle, wo in leicht erreichbarer Nähe die wohlbefestigte Burg Wallhausen war, erscheint gänzlich ausgeschlossen. Schon diese geschichtlich feststehenden Tatsachen können uns zu klaren Schlüssen führen, daß nämlich Heinrich und nicht Otto der Erlauchte der Besitzer von Nordhausen gewesen ist. Otto der Erlauchte aber, der noch 911 als Herzog der Sachsen die ihm angebotene Königskrone ausschlägt und 912 in Wallhausen, ½ Jahr nach der Geburt Ottos des Großen, wenn auch in hohem Alter, doch überraschend stirbt, erscheint auch damals nicht als der Besitzer von Wallhausen, sondern als seines Sohnes Gast, ebenso wie seine Mutter Oda, die noch ihren Urenkel sah und 7 Monate nach seiner Geburt 913 im Alter von 107 Jahren starb.[8] Das einzige, was dagegen zu sprechen scheint, das quiequick cha-areckitLlis in den Schenkungsurkunden Heinrichs I. von 927 und 929 erklärt sich leicht, wenn man bedenkt, was oft übersehen worden ist, daß Heinrich I. mit Burchhard, dem 908 gefallenen Thüringer Herzog, Geschwisterkind ist (consobrinus).[9] Daraus geht also deutlich hervor, daß Heinrich 908 Herzog von Thüringen wurde und in das Erbe seines Vetters eintrat, während sein Vater Otto auch als Sachsenherzog noch immer der mächtigste Mann in Deutschland blieb, dem man 911 die deutsche Königskrone anbieten konnte, während Heinrich schon 908 Herzog von Thüringen war und erst 912 in das Erbe seines Vaters trat und dann 919 mit noch größerer Macht ausgestattet als sein Vater der aussichtsreichste Kandidat für den deutschen Königsthron wurde. Von hier aus aber fällt erst recht ein Helles Licht auf die Burgengründungen Heinrichs I. Schon der Bischof Liudbrand von Cremona läßt in seinem Buche von der Vergeltung (geschrieben 958) zum Jahre 919 den Ungarn ihren Entschluß, den neu erwählten König Heinrich in seiner Heimat anzugreifen, dadurch begründen, daß das Gebiet der Sachsen und Thüringer leicht auszuplündern sein würde, da es weder durch hohe Gebirge geschützt, noch mit festen Städten versehen sei.[10] 924 schließt Heinrich aber den bekannten Vertrag mit den Ungarn, der seinem Lande einen 9jährigen Waffenstillstand sichert. Die Zeit dieses Waffenstillstandes benutzte Heinrich nun, um in eifriger Tätigkeit allenthalben die auch von ihm klar erkannte Schwäche seines Landes zu beseitigen. Jetzt erst wird die Nachricht Widukinds von Corvey in seiner Sachsengeschichte[11]
Man liest es immer wieder, daß Heinrich urkundlich nachweisbar nur verschwindend wenige Burgen in jenen Jahren habe Herstellen lassen. Meist wird immer nur Merseburg, vielleicht noch Tangermünde genannt. Dem ernstlich Suchenden aber erschließt sich das Auge für mehr. Das Vordringen der östlichen Völker bildete in jenen Jahrhunderten eine ernste Gefahr für das werdende Deutschland und alle machtvollen Fürsten von Karl dem Großen an haben die Sicherung der Ostmark ihres Reiches als eine ihrer wichtigsten Aufgaben angesehen. So hat sich schon nach dem Plane Karls des Großen eine Sicherungslinie von der Eider bis zur Etsch hingezogen. Elbe und Saale waren in unserer Zeit in Mitteldeutschland die zu sichernde Grenze, bis Markgraf Gero unter Otto dem Großen die Grenze weiter nach Osten verschob. Wer nun heute diese Sicherungsgrenze einmal nach Städten absucht, die in diesen Jahren Tausendjahrfeiern gehalten haben oder halten werden, und diese Städte aus ihre ehemaligen Burganlagen ansieht, dem wird sich die Bedeutung dessen, was Widukind von Corvey auszuführen als „über seine Kräfte“ gehend angibt, in einem ganz anderen Lichte ansehen lernen. Eins ist mir jedenfalls bei diesem Suchen klar geworden: In dem großen Befestigungsgürtel bildet unsere Gegend um den Harz als der Wohnsitz des Herrscherhauses den Mittelpunkt und darum die gefährdetste Stelle. Darum kann es uns nicht wundernehmen, wenn gerade in unserer Gegend die Burgen dichter beieinander liegen als anderwärts. Wallhausen, Allstedt und Merseburg sind die Burgen, die noch um 900 als die eigentlichen alten Kaiserpfalzen genannt werden. Und wenn auch Wallhausen vielleicht wegen seiner militärisch allzu ungesicherten Lage schon früh von Heinrich I. als eigentlicher Stützpunkt seiner Hausmacht aufgegeben worden sein mag, so ist es mir heute zweifelsfrei, daß gerade die Orte, die in den Urkunden von 927 und 929 genannt werden, solche sicheren Stützpunkte sind, die er damals hat neu anlegen oder stärker befestigen lassen. Und gerade aus der Tatsache, daß 929 eine zweite Urkunde nötig wurde und diese zweite Urkunde außer den Burgen Quedlinburg, Nordhausen, Pöhlde und Duderstadt noch Grona nennt, scheint mir hervorzugehen, daß die Burgen eben in der Reihenfolge ihrer Fertigstellung in die Hausmacht des Königs bzw. in das Eigentum der Königin übergingen. Daß die Burgen aber als Teile der werdenden Hausmacht anzusehen sind und nicht freies Privateigentum der Königin werden, geht aus dem Wortlaut der Urkunde von 929 klar hervor, in der es heißt:
Wie sehr gerade Heinrich und vor allem seine Gemahlin Mathilde in der 32jährigen Zeit ihres Witwenstandes an dieser Burg Nordhausen gehangen hat, wird später noch ausgeführt werden müssen. Die Lage der Heinrichsburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach diesen geschichtlichen Erinnerungen bitte ich nunmehr dem Werdegang meiner Forschungen zu folgen und mit mir das Auge zu üben für das, was im Schatze der Erde vergraben ruht; denn dieser Weg allein führt uns zum Ziel. Dabei kommen die überraschendsten Ergebnisse oft da zu Tage, wo man am wenigsten auf sie gerechnet hat. Es war in den Märztagen des Jahres 1925, als ich mit einigen Herren in den Kellerräumen des Logengebäudes umherging und in den tiefsten Keller hinabstieg. Da hatte ich plötzlich das Gefühl: hier stehst du auf uralt historischem Boden. Und mein Empfinden hat mich nicht betrogen. Der Keller liegt mit seiner Sohle etwa 6 Meter unter der Erdoberfläche. Meine Bitte, hier weitere historische Forschungen anstellen zu dürfen, wurde gern gewährt. Das Ergebnis lege ich im folgenden vor. Bei dem Durchbruch, der von diesem Keller 1, wie er auf dem angefügten Lageplan bezeichnet ist, nach Westen hin erfolgte, wurden zwei Mauern durchstoßen. Die äußerste, 1,80 Meter dick, liegt in der Fluchtlinie der heutigen Stadtmauer und schließt den sogenannten Kaiserturm nach Osten ab. Sie gehört also noch zu den heute noch sichtbaren Befestigungen der ganzen Anlage. Wann sie erbaut ist, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Doch ist sie fraglos jünger als die übrige Ummauerung, wie an dem vorspringenden Eckpfeiler, der die sog. Stolbergsruhe trägt, deutlich zu erkennen ist. Die zweite Mauer liegt 4 Meter westlich, unter dem heutigen Logengebäude. Sie ist 1 Meter dick, offensichtlich aus viel älterem Material erbaut als die erste, geht quer unter dem Logengebäude hin und liegt genau in der Fluchtlinie der an der Kegelbahn hinter dem Dome hinführenden Stadtmauer. Diese Mauer ist offenbar der Rest einer ältesten Ummauerung, vor die dann später der Kaiserturm mit den beiden Mauerstüüen nach Norden und Süden als Mauerumgang oder testudo vvrgelegt worden ist, wie wir sie an anderen Befestigungen, etwa denen der Stadt Rothenburg ob der Tauber heute noch sehen können. Dieser Kaiserturm, genau über der unten am Mühlgraben liegenden Grimm- oder Kaisermühle, ist heute noch das stärkste Stück der ganzen Befestigungsanlage und zeigt uns, daß hier trotz des gerade an dieser Stelle steil ansteigenden Berges aus besonderen Gründen eine besonders starke Befestigung notig gewesen sein muß. Das Folgende wird zeigen, warum das geschehen mußte. Diese Funde, die in mir zunächst nur die dunkle Ahnung von einer Burg besonderen Gepräges aufkommen ließen, veranlaßten mich nun, meinen Blick weiter zu richten. Ich nahm zunächst den mir schon vorher bekannten Keller unter der sogenannten Finkenburg in Augenschein (Keller 2) und dann den alten Keller unter dem Hintergebäude des heutigen katholischen Gemeindehauses (Keller 3). Diese beiden Keller, in Form und Gestein genau wie Keller 1, stehen rechtwinklig zueinander, Keller 1 parallel zu Keller 2. Die Diese Funde, die in mir zunächst nur die dunkle Ahnung von einer Burg besonderen Gepräges aufkommen ließen, veranlaßten mich nun, meinen Blick weiter zu richten. Ich nahm zunächst den mir schon vorher bekannten Keller unter der sogenannten Finkenburg in Augenschein (Keller 2) und dann den alten Keller unter dem Hintergebäude des heutigen katholischen Gemeindehauses (Keller 3). Diese beiden Keller, in Form und Gestein genau wie Keller 1, stehen rechtwinklig zueinander, Keller 1 parallel zu Keller 2. Die Größe dieser drei Keller ist verschieden.
Im Keller der Finkenburg ist deutlich erkennbar, daß im Süden, wahrscheinlich wieder, um den darüber neu errichteten Neubau zu stützen, eine Querwand aus Brandsteinen gezogen ist, die eine Ecke des Kellers abschneidet (vergl. das aus Seite 605 Gesagte). Und während der Keller der Finkenburg direkt unter der Erdoberfläche liegt, ist über den beiden anderen eine Erdschicht von etwa 3 Meter Höhe festgestellt worden. Indessen ergibt eine auch nur oberflächliche Untersuchung, die sowohl vom tieferliegenden Hose der Finkenburg wie von dem mit diesem in einer Höhe liegenden Berggarten der Loge aus mit Leichtigkeit anzustellen ist, daß alle drei Keller in derselben Höhenlage liegen, d. h. aber, daß das ganze Gelände zunächst des Logengebietes und weiterhin des ganzen Burggebietes in einer Höhe von etwa 3 Meter aufgeschüttet worden ist. Eine Ausgrabung über Keller 1 hat ergeben, daß die darüberliegende Schicht aus Brandschutt und Humusboden, auf keinen Fall aus gewachsenem Boden besteht. Auch in der Nähe von Keller 3 wurde gegraben und es ergab sich, daß auch hier in einer Tiefe von 3 Meter noch Steine gesunden wurden, wie sie als Kieselsteine im Zorgebett und im Behretal gesunden werden, also auf keinen Fall an ihrer ursprünglichen Lage sich befanden. Diese Beobachtung ist darum so wichtig, weil sie zur Auffindung der Burgreste die wichtigsten Fingerzeige bietet. Woher so viel Brandschutt kommt, ist bei den vielen Bränden, von denen gerade Nordhausen in den Jahrhunderten heimgesucht worden ist, nicht verwunderlich, findet doch auch sonst der Erforscher Nordhausens unter Tage und über den zahlreichen tiefliegenden Kellern Bauschutt und aufgeschüttetes Gelände in Menge. Und die Domherren, die ja in Jahrhunderten die Herren dieses Geländes gewesen sind, werden schon gewußt haben, warum sie das Gelände auf- schütten ließen. Man mag sich nur einmal im Logengarten drei Meter tiefer denken und die hohen Mauern sehen, die jetzt kaum noch zu Befestigungszwecken dienten, und man wird die Sehnsucht nach Licht und Lust und Freiheit fühlen, die man heute auf Stolbergsruhe schon so wundervoll genießen kann. Aber ich glaube, es liegt noch eine andere Absicht zu Grunde. Man hat mit kluger Berechnung und mit großer Beharrlichkeit alle Spuren der alten Burg zu beseitigen gesucht, eifrig bemüht, eine einheitliche Stiftsanlage in Jahrhunderten zu schassen. Und es ist ihnen fast gelungen. Der im Januar dieses Jahres erfolgte Abbruch der Finkenburg hat durch die Bloßlegung der Fundamente bis auf die Deckenwölbung der Keller noch besonders wertvolle Aufschlüsse gebracht. Auch über den Kellern der Finkenburg ist Brandschutt und aufgeschütteter Boden bis zur Höhe von 1,20 Meter festgestellt worden. Die Querlage des Kellers ist hier zweifelsfrei festgestellt. Auch der kleine Keller unter dem Seitenflügel an der Wassertreppe läuft dem großen Keller parallel. In derselben Richtung wie der große Finkenburgkeller liegt nun aber auch der unter dem Hause Domstraße 22 befindliche Keller, der mit dem der Finkenburg in derselben Höhenlage sich befindet. Gerade an diesem Hause Domstraße 22, das noch etwa 1,50–2 Meter höher auf älteren steinernen Fundamenten von der Art der alten Finkenburg ausgebaut ist, und an seinem Keller kann man deutlich erkennen, daß es sich unter dem Hause um alte Ueberreste ganz offenbar der Heinrichsburg handelt. Wenn man vollends von der Pfaffengasse herkommend die Richtungslinie der alten bloßgelegten Fundamente über den Keller des Hauses 22 hinaus verfolgt, kommt man in der Fluchtlinie dieser Keller genau zu der Westseite der Domtürme. Gerade aber auch zwischen den Fundamenten des Hauses Nr. 22 kann man deutlich erkennen, daß hier bis zu einer Höhe von etwa 4 Mtr. Kies und Bauschutt aufgefüllt worden ist, um dann auf den so aufgefüllten Fundamenten das darüberstehende Haus zu errichten. Aehnlich ist es dann auch in den Häusern 20 und 21 zu finden. Doch gehen wir nun in unseren Beobachtungen einen Schritt weiter. Wer den Hof der Knabenmittelschule betritt, sieht auf den ersten Blick, daß der Schulhof allmählich ansteigt, er ahnt aber wohl kaum, daß unter diesem ansteigenden Berge sich der Rest eines tausendjährigen Gebäudes befindet. Unter der mit einer Zementplatte belegten Stelle befindet sich nämlich der Keller der 1899 hier abgebrochenen Propst ei des ehemaligen Chorherrenstiftes zum heiligen Kreuze (flehe das Bild). Dieser Keller, von 22,80 Meter Länge, 6,75 Meter Breite und an der höchsten Stelle 3 Meter Höhe schließt nach oben in einem Rundbogengewölbe ab, das in der Mitte von einer Reihe von 8 Säulen bzw. Pfeilern von 65 Zentimetern im Geviert getragen wird. Dieser Keller ist ursprünglich nicht Keller gewesen, wie aus den Fenstern im Süden und Westen und an der Tür im Norden deutlich zu erkennen ist. Auch das ehemals darüber befindliche Gebäude (stehe Bild) zeigt deutliche Spuren davon, daß es früher ein Teil eines größeren Ganzen gewesen ist. In der Westrichtung dieses Kellers 4 befindet sich schließlich noch ein 5. Keller von 3 Meter im Geviert und 4 Meter Tiefe, der sogenannte Eiskeller der Loge. Wer in diesen Keller hinabsteigt und die Rundbogen ehemaliger Türen und Fenster betrachtet, der wird den Eindruck nicht los, als könne einmal in diesem Keller, der ja auch nie Keller gewesen ist, ein Treppenhaus aus Stein oder Holz in die Höhe geführt haben. Alle diese Keller (1–5) liegen in derselben Orientierung, die von der Nordsüd- bzw. Ostwestlinie der Windrose um etwa 6 Grad abweicht. Diese Abweichung von der Normalorientierung ist nun der zweite Schlüssel für das Auffinden der alten Burg. Verbinden wir nämlich alle Keller, die wir gefunden haben, miteinander durch gerade Linien, so kommen wir zu einem Gebäude bzw. zu einem Gebäudekomplex von 45 Meter Breite im Norden, 90 Meter Länge, d. h. 2 x 45 Meter im Westen bis über den Keller 1, und 135, d. h. 3 x 45 Meter Länge im Osten bis über den Keller 2 der Finkenburg. In dieser Orientierung liegt nun genau zwischen Keller 5 und Keller 1 das alte Kapitelgebäude des ehemaligen Chorherrenstiftes, das bei näherer Betrachtung noch in der Westwand des heutigen Domes weitergeht, ja in den Grundmauern an einer Stelle wenigstens noch darüber hinaus erkennbar ist. In seiner äußersten Fortsetzung nach Süden hat es über dem Keller 1 im Logengarten gestanden, wo es ganz deutlich auf dem Bilde von 1674 noch zu erkennen ist. Es muß dieses dasselbe gewesen sein, das 1810 als Nebengebäude zur Stiftskurie 20 mit dieser an die Freimaurerloge verkauft und dann bald von dieser abgebrochen worden ist. Ein Grundriß desselben befindet sich bei den Akten der Loge. Eine genaue Untersuchung dieses alten Kapitelgebäudes ergibt nun mit überzeugender Deutlichkeit, daß auch dieses alte Kapitelgebäude mit seiner südlichen Fortsetzung nichts anderes als ein Teil der alten Heinrichsburg gewesen sein kann. Daß auf dem Bilde von 1674 das Dach des Kapitelgebäudes viel größer als das der südlichen Fortsetzung im Logengarten ist, erklärt sich daraus, daß das erstere, nachdem es 1460 die viel höhere gotische Fassade des Kreuzganges erhalten hatte, auch ein dementsprechend größeres Dach haben mußte, was ja auch an dem Gestein deutlich erkennbar ist. Wenn wir nun auch noch im Osten von der Nordstecke des Propsteikellers (4) aus bis über den Keller (2) der Finkenburg die gerade Linie ziehen, so machen wir die überraschende Entdeckung, wovon man sich sogar schon mit bloßem Auge durch einfache Visierung von der Nordostecke des Propsteikellers über Tage überzeugen kann, daß die beiden Türme des Domes genau mit dieser Linie abschneiden, also nicht in der Nordsüdlinie der Windrose, sondern in derselben Winkelabweichung von ihr um etwa 6 Grad liegen wie der ganze bisher gefundene Grundriß der Burg. Das bedeutet aber zunächst die Vermutung, daß auch die Türme Teile der alten Burg gewesen sind. Diese Vermutung steigert sich durch die weiteren Beobachtungen zur Gewißheit. Zunächst liegt die sogenannte Krypta zwischen diesen Türmen bei genauerer Untersuchung nicht gradlinig unter dem heutigen Hohen Chor, sondern mit derselben Winkelabweichung wie die Türme liegt auch sie quer unter dem Chor. Diese Krypta aber ist bei näherer Betrachtung gar nicht Krypta, sondern Befestigungsteil der Burg. Auch dafür glaube ich den Beweis antreten zu können. Die bisherige Annahme, die wohl im wesentlichen auf einem kunsthistorischen Urteil über die Säulen beruht, setzt diese Krypta in die Zeit um 1050. Das dürfte für die Säulen zutreffen. Aber dem aufmerksamen Beschauer wird es nicht verborgen bleiben können, daß die Säulen nicht mit dem ursprünglichen Bau Zusammenhängen, sondern erst später eingesetzt worden sind. Die ursprüngliche Halle mit den Schießscharten und dem Verschluß der Deckenwölbung der beiden Nebenkapellen in den Türmen, an die die beiden Nebenabsiden nur von außen angebaut sind, macht an sich nicht den Eindruck eines gottesdienstlichen Raumes. Dazu aber kommt noch, daß der ganze Bau des hohen Chores mit seinen romanischen Verzierungen schon 1267 eingeweiht worden ist, während der erste Altar in der südlichen Turmkapelle erst 1318 geweiht wird, und zwar, wie es in einer Urkunde des Domstiftes aus dem Jahre 1322 (dem liber feodalis) heißt, als primum altare in nova besilica contra orientem. Auch daraus geht unseres Erachtens zweifellos hervor, daß diese Räume ursprünglich anderen, als gottesdienstlichen, d. h. aber militärischen Zwecken gedient haben.[13] Wer aber den hohen Chor aus dem Jahre 1267 und die Türme von außen betrachtet, macht die Beobachtung, daß die Türme von unten an bis zur Höhe des Chorgebäudes erneuert, d. h. aber bei näherer Untersuchung zur Angleichung an den neuen Bau des sogenannten Langhauses nur mit denselben Steinen verblendet worden sind. Die Türme mit ihrem in der Höhe sichtbaren verwitterten Gestein gehen also in Wirklichkeit bis zum Erdboden herab, wovon man sich übrigens auch im Inneren durch Augenschein überzeugen kann. Wenn wir nun vollends noch hören, daß 1760–1762 ein Kreuzgang im Osten von der Propstei nach den Türmen hin abgebrochen worden ist und die vorgekragten Steine an den beiden ersten Strebepfeilern des heutigen neuen Domes erkennen laßen, daß man schon bei ihrem Bau daran gedacht haben muß, hier einen eben solchen Gotischen Kreuzgang im Osten anzubauen, wie wir ihn heute noch im Westen sehen, so ist, wie mir scheinen will, der Beweis schlüssig gebracht, daß Türme mit Krypten, Ostkreuzgang, Propstei und Westkreuzgang, in einer Orientierung liegend, Teile der alten Burg gewesen sind. Dieselbe Fortsetzung aber dieses östlichen Flügels über die Türme nach Süden hin zur heutigen Loge und zur Fintenburg, wie im Westen über den Keller 1 hin, brauchen wir nicht nur zu vermuten, sondern wir finden noch heute Reste davon in den Grundmauern der Logengebäude an dieser Seite und Andeutungen an der Südostseite des Domes. Man muß freilich dazu im Innern des südlichen Turmes emporsteigen und das Burggelände von dem südlichen Turmfenster aus in Augenschein nehmen. Wie sich südlich von den Logengebäuden bis zur Finkenburg die Bauten über Tage gestaltet haben, wird sehr schwer zu sagen sein, da durch die Neubauten jede Spur über Tage verwischt worden ist. Doch will es mir scheinen als wäre dieser südöstliche Flügel vielleicht durch eine Einfahrt etwa in der Verlängerung der Kranichstraße von dem Hauptkomplex der Burg getrennt gewesen. Vielleicht, daß in diesem abgetrennten Teile ursprünglich ein Teil des Gefolges untergebracht gewesen ist. Wollen wir uns nun ein Bild von der gesamten bisher entwickelten Burg machen, die vom Norden aus der Tiefe des heutigen Propsteikellers sich erhebt und dann in zwei Flügeln im Westen und Osten nach Süden sich erstreckt, auf der höchsten Erhebung, wie das ja auch anderwärts üblich ist, die stolz gen Himmel ragenden Türme tragend, so müssen wir noch ein Mal auf den Friedhof der katholischen Gemeinde in den Raum des heutigen Kreuzganges treten. Hier sehen wir die Reste eines älteren romanischen Kreuzganges, der sich in den Rundbogen noch an der von der ehemaligen Propstei 1899 durch den Geschichts- und Altertumsverein vor der Vernichtung bewahrten Mauer erkennen läßt und der zweifellos auch an der 1760 gefallenen Ostseite sich hingezogen hat. Ein Bau von ungeahnter Größe, ein Bild von malerischer Schönheit entrollt sich vor unserem geistigen Auge. Um aber zu völliger Gewitzheit zu gelangen, datz es kein leeres Phantasiegebilde ist, das wir da entworfen haben, müssen wir noch einen Blick aus das Gestein werfen, aus dem der Bau errichtet worden ist. Wir haben gelesen, datz es weder in karolingischer, noch in sächsischer Zeit Steinbauten überhaupt, sonderlich aber in solchem Ausmatze gegeben haben könne. Die Möglichkeit wird wohl nicht ernstlich bestritten werden können, angesichts der Tatsache, daß wir auch auf deutschem Boden große und erhabene Steinbauten sogar aus viel älterer Zeit besitzen. Es wird wohl immer noch auf die Gegend mit ihrer Bodenbeschaffenheit und der Bearbeitungsmöglichkeit der Steine selbst ankommen. Und der schon aus allernächster Nähe leicht heranzuschaffende Kalkstein unserer Gegend setzt auch der Bearbeitung nicht allzu große Schwierigkeit entgegen. Wenn wir aber schon früh lesen, daß die Bewohner der Reichsdörfer alljährlich zu Pfingsten von jedem Pfluge ein Fuder Steine zum Bau der Stadtmauer zu liefern hatten, darunter Ryterode (bei Großwerther) 4, Steynsee 4, Wenigenwechsungen 9, Hefserode 4, Hörningen 6, Sundhausen 24, Hochstedt 8, Herreden 4 Fuder, und wenn wir diese Nachrichten mit den musterhaften Anordnungen Heinrichs I. über den Bau von Burgen vergleichen, so stehe ich nicht an, auch ohne urkundlichen Beleg, Aehnliches schon aus noch früherer Zeit anzunehmen. Zugleich aber glaube ich, aus der Lage der genannten Orte auf das damals verwendete Gestein schließen zu dürfen. Wir müssen nämlich wissen, welche Gesteinsarten in unserer Gegend vorhanden und zum Bau verwendet worden sind. Nirgends können wir das anschaulicher haben, als auf dem Friedhofe neben dem Dome. Der gotische Neubau und der fast gleichzeitige gotische Kreuzgang im Westen, vor dem Kapitelgebäude besteht aus Nixeier Dolomit, der romanische hohe Chor im Osten samt dem Unterbau der Türme bis zur Höhe des Hohen Chorgebäudes aus Rüdigsdorfer sogenannten Glaseköpfen, die übrigens auch dem Steigerthaler Steine täuschend ähnlich sind. Das übrige aber, sowohl das Kapitelgebäude wie die Mauer der Propstei, wie endlich auch und vor allem die alten Türme, wie sie über der Verblendung mit dem Rüdigsdorfer Stein in der Höhe sichtbar werden und im Innern bis zum Erdboden herunterkommen, besteht aus einem Stein, den die hiesigen Bauleute noch heute den Wertherschen Stein nennen, der in seiner Verwitterung zwar dem Sandstein ähnlich sieht, der aber doch, wie eine chemische Untersuchung ergeben hat, Kalkstein ist. Und wo wir nun hinkommen, ich erinnere besonders an den Propsteikeller, wo sich wegen der Feuchtigkeit der Stein noch am leichtesten erkennen läßt, da haben wir es mit diesem sogenannten Wertherschen Steine zu tun. Beachten wir nun noch die Lage der genanten steknliefernden Orte (vielleicht auch, daß das bisher so schwer befriedigend erklärte Steinbrücken von den Steinbrüchen seinen Namen hat, aus denen Sundhausen alljährlich 24 Fuder Steine zu liefern hatte), so ist es für mich mehr als wahrscheinlich, daß die ganze Burg Heinrichs I. im wesentlichen aus diesem Steine erbaut worden ist, und überall, wo wir auf eben diesen Stein treffen, wie z. B. auch an den ältesten Teilen der Nikolaikirche, können wir darum auf das früheste Entstehen dieser Gebäude schließen. Für unseren Zweck aber genügt es, auch hiermit nachgewiesen zu haben, daß alles, was wir bisher als Teile der alten Burg angenommen haben, einheitlich aus diesem Steine erbaut worden ist. Doch find wir damit noch nicht zum Abschluß unserer Untersuchungen gekommen. Wir haben bisher nur den eigentlichen Pallas, die spätere Kaiserpfalz, nachgewiesen. Die Burg selbst ist damit noch nicht umschrieben. Wo sind die Grenzen der Burg und vor allem, wo ist der Aufgang und der Eingang zur Burg? Wir gehen auch jetzt wieder von den alten Heerstraßen aus. Denn von dort aus müssen wir doch zweifellos am zuverlässigsten den Zugang finden. Ich erinnere daran, daß die sächsischen Heerstraßen von Harzburg, Duderstadt und Wallhausen aus an der Grimmelbrücke zusammenstießen. Von hier aus muß deshalb auch der Zugang zur Burg zu finden sein. Der Grimmel war der einzige zwischen den Teichen hinführende erhöhte Weg. Dieser aber führte, da der Neue Weg erst 1289 von dem Walkenrieder Kloster als Zugang zu dem damals erbauten Walkenrieder Hof angelegt worden ist, allein zu der durch ein befestigtes Tor gesicherten Grimm- oder Kaisermühle. Von hier aber führte derselbe Weg weiter, wieder durch ein befestigtes Tor, besten Spuren heute noch zu erkennen sind, die heutige Elisabethstraße hinauf an der äußeren Burgmauer entlang, bog da, wo das 1873 abgebrochene sogenannte Aeußere Barfüßertor stand, um und gelangte dicht vor dem Eingang zur Domstraße an das sogenannte alte Tor, die valva antiqua der alten Heinrichstadt, nach dem in Jahrhunderten noch dieser Teil der Oberstadt das Altentorviertel genannt wurde.[14] Dieses Tor ist 1800 abgebrochen worden und die anliegenden Häuser (Barfüßerstraße Nr. 11,12,13) werden noch 1804 „auf dem Alten Tore“ genannt. An dieser Ecke in der Domstraße sehen wir noch heute ein Tor, besten gotischer Spitzbogen den Kundigen die romanische Urform erkennen läßt. Dieses Tor halte ich für das Eingangstor zur Unterburg. Hier mögen, wo heute noch ehemalige Stiftskurien stehen, die Dienerschaft und ein Teil der Besatzung Unterkunft gefunden haben. Von hier ging es den Berg hinan bis dahin, wo wahrscheinlich zwischen dem späteren Propsteigebäude und dem Kapitelgebäude der Eingang in die eigentliche Oberburg gewesen sein mag. Noch ein zweiter Eingang ist nachzuweisen. Aber während der eben beschriebene Weg als die Fahrstraße anzusprechen ist, handelt es sich jetzt um einen Fuß- vielleicht auch Reitweg. Auch er geht von der Burgmühle aus, in seinen Anfängen noch erkennbar an der Erhöhung, die uns heute mehr wie ein Bürgersteig anmutet, die aber alle Zeichen eines alten Burgweges an sich trägt. Unmittelbar an der Wassertreppe scheint er durch ein Tor in den Burggarten geführt zu haben. Oben aber, genau über diesem Tor ist heute noch in der Stadtmauer zwischen den beiden Strebepfeilern der Eingang in den oberen Burghof zu sehen, seit wenigstens 100 Jahren freilich durch das Gartenhaus verdeckt, das die Domherren hier zur Verdeckung auch dieses Zeugen vergangener Zeiten erbaut haben. Zwei Stellen im Burggelände bedürfen noch einer näheren Untersuchung. Die eine im Süden, die andere im Norden. Im Süden führt die Wassertreppe hinunter zum Mühlgraben, bzw. wie der erhöhte Randweg unter der äußeren Mauer vermuten läßt, zur Burgmühle. Diese Wassertreppe, ursprünglich als verdeckter Durchgang wie heute noch die Kutteltreppe erbaut, wurde gesichert durch die „Rose“, einen fünfeckigen starken Turm, der auf dem Bilde von 1674 noch in seiner vollen Größe zu sehen ist und an dessen Resten mit ihren besonders reichen Verzierungen, wie sie keiner der erhaltenen Stadtbefestigungstürme aufzuweisen hat, man heute noch erkennen kann, daß er ein Teil nun eben einer Königsburg gewesen sein muß. Er ist 1769 abgebrochen worden. Aus der anderen Seite wurde die Wasserpforte durch den noch erhaltenen Rundturm geschützt. Auf dem Bilde von 1674 sehen wir rechts von diesem etwas weiter zurückliegend noch einen dritten Turm (Nr. 10), der dem ganzen Bilde nach einen Abschluß des gesamten, jetzt gefundenen Burggeländes zu bilden scheint. Dieser Turm kann nur in dem Garten an dem letzten Hause der Nordseite der Bäckerstraße gestanden haben und ist dann derselbe Turm, von dem zu Lessers Zeiten noch Ueberreste aus der wüsten Stelle gefunden wurden (vergl. Seite 604) und der jener Stelle seit alters den Namen Finkenburg eingetragen hat. Noch heute hat man das Gefühl, daß an dieser Stelle ein Tor gestanden haben müsse. Ist das richtig, dann würde sich meine seit langem gehegte Vermutung bestätigen, daß hier die alte Königsburg beginnt. Dann würde aber auch die Wassertreppe nicht, wie heute, ein Zugang zur Stadt sein, sondern, was nach allem auch das Wahrscheinlichste ist, unmittelbar in die Burg geführt haben und somit für die Burgbewohner die nächste Verbindung mit der Burgmühle gebildet haben, während der oben beschriebene Aufgang durch den Burggarten und die Eingangspforte in der Stadtmauer eben nur für die im Hauptpallas wohnende Herrschaft dagewesen ist. All diese Beobachtungen aber machen es verständlich, warum gerade hier an der Wassertreppe so starke Befestigungen nötig wurden. Im Norden der Burganlage, jenseits des „alten Tores“ wartet unser ein noch schwereres Problem. Daß mit dem alten Tore die Anlage nicht abgeschlossen gewesen sein kann, ist ohne weiteres klar. Eine genauere Untersuchung dieser Gegend aber ergibt, daß der obere Mauergang, der unter der heutigen Turnhalle der Mittelschule herführt, unter der vom äußeren Barfüßertore den Berg hinausführenden inneren Stadtmauer hindurchgeht und dort den sogenannten ersten Befestigungsturm bildet, der nur noch in den Grundmauern erhalten ist. Diese Feststellung führt aber zu der Erkenntnis, daß auf dieser natürlichen Erhöhung (in der Burgenkunde Bergnase oder Nydecke genannt) eine alte Ummauerung zur Sicherung des Eingangs durch das alte Tor gewesen ist. Wo diese Mauer nach Osten weitergesührt hat, ist heute nicht mehr mit Sicherheit zu sagen. Doch scheint mir die ganze südliche Maueranlage des Spendekirchhofes irgendwie mit dieser Befestigung zusammenzuhängen. Dann aber erhält die Vermutung wieder neue Nahrung, daß das durch dieses Gemäuer führende Gäßchen nicht Mönchsgäßchen geheißen hat, wie der verstorbene Rechnungsrat Riemenschneider nachzuweisen versucht hat, sondern, wie auch der Volksmund sagt, Münzgäßchen heißt, wird doch der dort stehende Mauerrest, der im Innern, also in seinem ältesten Teile, den Wertherschen Stein aufweist und genau in der Orientierung der gesamten Burganlage liegt, noch heute „Münze" genannt. Daß an dieser Stelle das Franziskanerkloster gewesen ist und die Reste mit diesem Zusammenhängen, ist kein Beweis dagegen. Denn wir können, wie vielerorts, so auch in Nordhausen (vergl. Domstist), Nachweisen, daß die Klöster auf Stiftungen von fürstlichen und königlichen Personen beruhen, und die Klöster darum meist auch auf deren Grund und Boden errichtet wurden. Also gerade, weil hier das Franziskanerkloster gestanden hat, möchte ich annehmen, daß hier alter Boden, der zur kaiserlichen Burg gehörte, gewesen ist. Damit hätten wir nun das Gebiet umschrieben, auf dem die ehemalige Heinrichsburg gelegen hat und eine Burganlage gesunden, wie wir sie gewiß nie vermutet haben. Dennoch sind wir noch nicht am Ende. Eine solche Burganlage mit einer beträchtlichen Menschenansammlung hatte natürlich auch für ihre Bewirtschaftung bedeutende Anforderungen. Zu ihrer Befriedigung wurden überall in die Nähe der Burgen Wirtschaftshöfe angelegt. So können wir noch in Wallhausen und Quedlinburg, um nur die nächsten in unserer Gegend zu nennen, feststellen, daß unten im Tale, wohin die Mühlgräben hingeleitet wurden, sogenannte Königshofe angelegt wurden, während die befestigte Burg sich in dem höher gelegenen Berggelände befand.[15] Ja, selbst bei dem Jagdschloß Bodsfelde im Harz, dem Lieblingsjagdschloß Heinrichs, kennen wir im Tale der Bode heute noch den Königshof. Bei uns in Nordhausen ist es durch die natürliche Beschaffenheit des bergigen Geländes einfach gegeben, daß auch der Wirtschaftshof in das Berggelände gelegt wurde, während unten im Tale nur die durch Türme und Tore geschützten Mühlen von dem Mühlgraben gespeist wurden. Dieser Königshof hat zweifellos da gelegen, wo sich noch bis aus unsere Tage der Name als Straßenbezeichnung erhalten hat. Eingehende Untersuchungen unter Tage, die schon begonnen haben, werden auch hier zweifellos zu noch befriedigenderen Ergebnissen führen. Heute sei nur soviel gesagt, daß unter dem Hause Königshof Nr. 15 sich alte Keller befinden, die in Form und Material denen der Burg ähnlich sind. Andere sind vor Jahrzehnten schon unter dem Platze des heutigen Königshofes bloßgelegt worden. Auch hier legt die Lage des Dominikanerklosters den Gedanken nahe, daß auch dieses auf altem kaiserlichen Grund und Boden errichtet worden ist. Und vollends zeigt die Kuttelpforte mit ihrem interessanten befestigten Bergaufgang von dem Anfang des Lohmarktes, am Ende der Neustadtstraße, an, wo noch in viel späterer Zeit ein Tor gestanden hat, wie hier ganz ähnlich wie am Grimmel und an der Wasserpforte, die zweite Mühle und der Eingang zum Königshof gesichert worden ist. Dieses ganze Gebiet nun, aus der Höhe gelegen, mußte natürlich bei dem bevorstehenden Einsall der Ungarn, der nicht zu vermeiden war, genügend gesichert sein. Und ob es auch fraglich ist, daß in solch großem Ausmaß, wie wir es heute sehen, eine Ummauerung damals schon möglich war, so will es mir doch scheinen, daß damals wohl in irgend einer Form die Mauern um dieses Gebiet gelegt worden find, die das Gebiet der heutigen Nikolaigemeinde umschließen, von der Wassertreppe an, dem Zug der heutigen Stadtmauer entlang, am Primariusgraben vorbei (die zweite Mauer ist erst 1459 erbaut worden) bis zum inneren Rautentore und von hier hinter der Ostseite der Rautenstraße hinauf, quer über den Kvrnmarkt, wo um 1900 noch ein Stück von einer Doppelmauer bloßgelegt worden ist, quer über den Pferdemarkt, wo gleichfalls vor Jahren ein Stück vor dem Hauseingang der Mohrenapotheke festgestellt wurde, in noch nicht sicher bestimmter Führung hinab zum Spendekirchhof. Daß diese erste Mauer um die Oberstadt nicht mit der heutigen stolzen, an der die Jahrhunderte dauernd gebessert haben, identisch ist, ist klar. Doch ergibt sich auch bei viel bescheidenerem Ausmaß der Ummauerung, ein Werk, das dem Unternehmungsgeist und der Tatkraft dieses machtvollen Herrschers alle Ehre macht. Es ist aber zugleich verständlich, daß Heinrich diese seine so stattlich erstellte Burg seiner Gemahlin an Stelle der früher geschenkten Burg Wallhausen schenkte und daß die Herzogin und später die Königin in dieser also machtvoll gesicherten Burg zweimal ihrer Niederkunft entgegensah und Nordhausen, wie wir noch 965 aus ihrem eigenen Munde hören, ihr sehr am Herzen lag. Aus der Geschichte der Burg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Damit sind wir schon in die Geschichte der Burg eingetreten. Ihren ersten Dienst nächst der Begründung des Familienglückes ihres Gründers hat die Burg, ohne daß die Blätter der Geschichte je etwas davon berichtet haben, im Jahre 933 geleistet. Denn ob nun bei Riade oder, wie Meyer annimmt, bei Jechaburg die entscheidende Vernichtungsschlacht gegen die Ungarn geschlagen worden ist, sicher ist, daß sie ihre schon 919 geäußerte Absicht (vergl. Seite 612), Heinrich in seiner Heimat anzugreifen, 933 in die Tat umgesetzt haben. Der entscheidende Stoß scheint gegen unsere Harzgegend geführt worden zu sein. Und damals mag sicher ein buntbewegtes Kriegsleben sich in unserer Burg entwickelt haben. Daß die Schlachten nicht bis an die Tore unserer Stadt getragen worden sind, wird gewiß niemand weder heute noch damals beklagt haben. Aber daß das befestigte Nordhausen damals bestand, ist ein Beweis der Weitsicht und der Tüchtigkeit seines Gründers. Und danken wollen wir darum auch heute dem machtvollen Begründer unserer Stadt, daß er durch seine Entschlossenheit und Tatkraft schon damals in schwerer Zeit der werdenden Stadt und dem gefährdeten Lande ein machtvoller Beschützer war. Wie oft Heinrich selbst in seiner Burg geweilt hat, Residenzen, d. h. dauernde Wohnsitze, konnten die damaligen Herrscher ja nicht haben, ist urkundlich nicht zu erweisen. Daß er oft hier geweilt hat, ist gewiß. Denn Nordhausen ist fraglos neben Quedlinburg der Lieblingssitz der Königin Mathilde gewesen. Und das Bild eines friedlichen und fröhlichen Familienlebens inmitten der Kinderschar um die fromme Königin, unter der wir den Heranwachsenden ersten deutschen Kaiser aus sächsischem Geschlecht und die beiden ersten uns bekannten Kinder unserer Stadt, Gerberga, die spätere Königin von Frankreich, und Heinrich, den nachmaligen Herzog von Bayern sehen, können wir uns in Burg und Stadt Nordhausen nach Herzenslust ausmalen. Wo die beiden jüngsten Kinder, Bruno (geboren 924) und Hedwig geboren sind, wird wohl nur ein glücklicher Zufall einmal ergeben. Wir erfahren aus Widukinds Sächsischer Geschichte nur folgendes:
Und nach dem Tode des Königs 936 entwickelte sich erst das Leben der frommen Königswitwe, wie es der Verfasser der vitu Llnttiilckis, ein Nordhäuser Mönch soll es gewesen sein, auch in unserer Stadt so anschaulich zu-schildern weiß, bis sie am 22. Dezember 967 Nordhausen verkästen Hat, nur um am 14. Februar 968 bei der Gruft ihres Gemahls in Quedlinburg zu sterben. Hier in Nordhausen mag es gewesen sein, wo sie, wie ihr Chronist erzählt, einen Boten aussandte, wenn sie draußen auf der Landstraße einen Bettler sah, um ihm ihre Gaben zu senden; wo rings im Lande sie die Vöglein speisen ließ, damit auch die gefiederte Sängerschar unter dem blauen Himmelszelt an der Liebe Gottes in der Menschenbrust teilhätte. Und hier in der Nordhäuser Burg mag es gewesen sein – um das Lieblingsbild der Heiligen der katholischen Kirche zu vollenden –, wo sie in der Kapelle, dicht neben ihrer eigenen Kemenade, ganze Nächte vor dem Altäre in frommem Gebete zugebracht hat, während sie die frommen Frauen ihres Stiftes im Gang oder in ihrem eigenen Gemach Hymnen zum Preise Gottes singen ließ. Denn hier hat sie schließlich das letzte ihrer frommen Werke vollbracht und im Jahre 962 ein Stift frommer Frauen gegründet, nachdem sie schon kurz nach dem Tode ihres Gemahls ein gleiches in Quedlinburg und später ein Mönchskloster in Pöhlde gegründet hatte. Dieses Frauenstift – ein Kloster ist es nie gewesen, sondern ein freiweltliches Stift adliger Damen –, zu besten erster Aebtistin sie ihre treue Dienerin (Hofdame) Richburg machte, legte sie in suburbio, d. h. nicht Vorburg, wie Meyer meint, oder gar Vorstadt, wie Julius Schmidt gänzlich irrtümlich annimmt, sondern Unterburg, wie wir nun nach genauer Kenntnis der Burganlage sagen müssen. Denn unten in der Burg, da wo heute noch die ehemaligen Stiftskurien 7,8,9 stehen und die frühere Dechanei auf dem Bilde von 1674 links vom Kapitelgebäude noch zu sehen ist, haben die wenigen Stiftsdamen – es sind niemals mehr als 11 gewesen –; jede in einer eigenen Stiftskurie gewohnt. Die Aebtissin Richburg wird natürlich in der Pfalz selber wohnen geblieben sein und auch der Propst, den dies Stift bald erhielt, wird gewiß schon frühzeitig in den Flügel des Schlosses gezogen sein, der dann später vollends Propsteigebäude wurde. Für dieses Stift trug Mathilde so rührende Sorgfalt, wie wir aus dem hinlänglich bekannten Abschied der Königin von ihrem Sohne Otto dem Großen 965 zur Genüge kennen.[16] Ihm schenkten fast alle deutschen Kaiser der nachfolgenden Zeit, von Otto dem Großen an, wertvolle Gaben: Otto II. z. B. 974 Münze, Markt und Zoll, die dem Stifte eine große Einnahme und eine bedeutende Macht in die Hände gaben, so daß man mit Recht sagen kann, daß Nordhausen in Jahrhunderten vom Stifte aus regiert worden ist. Otto II. schenkte ihm auch das große Gut Vogelsberg in der Nähe von Cölleda, das 837 Jahre im Besitze des Stiftes geblieben ist, bis es 1810 bei der Auflösung des Stiftes an den Staat fiel. Friedrich Barbarossa gar schenkte seiner geliebten Aebtissin Cäcilie 1158 das ganze kaiserliche Burggelände mit allen Besitzungen in und um Nordhausen. Eine Schenkung, die zeigt, zu welchen Ansehen sich das Stift damals emporgearbeitet hatte. Eine Schenkung, die freilich 1220 wieder zurückgenommen wurde, nachdem das Frauenstift unter dem Propste Theoderich von Honstein und auf seine Veranlassung in ein weltliches Chorherrenstift umgewandelt worden war. Wenn wir auch leider sonst nicht mehr viel von dem Frauenstifte erfahren, weil keinerlei Asten von ihm auf uns gekommen sind, so können wir uns doch schon hiernach ein Bild von dem machen, wie es in den 258 Jahren seines Bestehens auf der Burg ausgesehen hat. Erst aus den päpstlichen Urkunden von Honorius III. 1221 und Gregor IV. 1235, welche die von Kaiser Friedrich II. angeordnete Umwandlung des Mathildischen Frauenstiftes in ein Domherrenstift bestätigen, erfahren wir, daß die Inhaberinnen ganz nach der Art und Regel weltlicher Kanoniker lebten und sich Kanonissen (Stiftsdamen) oder auch sonores (Schwestern) nannten. Sie wohnten nicht in einem gemeinschaftlichen Hause (Kloster), sondern jede hatte ihr Haus (curia.) für sich. An ihrer Spitze stand die Aebtissin. Die geistlichen Angelegenheiten leitete ein Propst (praepositus). Die weltlichen Angelegenheiten lagen in der Hand von Laien. Alles stand unter der Aebtissin. Als solche Aebtissinnen sind uns bekannt geworden: 1. die schon erwähnte Richburg (962–1007). 2. Bia (1016; 1018). 3. Bertha. 4. Hedwig nach 1100. 5. Beatrix um 1150 und 6. Caecilia um 1158. Unter dieser letzten bekannten Aebtissin Caecilia scheint das Stift seine Glanzzeit gehabt zu haben. Nach 1180 kam sein schneller Verfall.[17] Lieber den Namen unseres Stiftes sind interessante Feststellungen gemacht worden. Das ursprüngliche Stift der Königin Mathilde war der heiligen Jungfrau Maria, Johannes dem Täufer und dem Märtyrer Eustachius geweiht. Noch 1016 oder richtiger 1017 wird in einer Bestätigungsurkunde Heinrichs II. gesagt: monasterio apud Northusen in honore sancte deigenetricis Mariae et S. Joannis baptistae ea beati martiris Eustachii ab attava nostra beate memorie regina Mathilda constructo. Aber schon nach 1040 scheint der Name zum heiligen Kreuz (sanctae crucis) aufgekommen zu sein. Dieses hängt mit folgender Begebenheit zusammen, die auch durch Angaben im Sächsischen Chronisten bestätigt wird: Die Markgräfin Hidda, die Mutter des Grafen Esico von Ballenstedt (gestorben zirka 1059) und die Gemahlin Adalberts von Ballenstedt, des Stifters des Klosters Thankmarsfelde im Selketale, das später wegen des rauhen Klimas nach München-Nienburg an der Saale verlegt wurde, brachte im Jahre 1040 dem Kloster Nienburg das heilige Kreuz (d. h. ein Stückchen vom Holze des heiligen Kreuzes) von Jerusalem mit, wohin sie eine Wallfahrt unternommen hatte.[18] Diese Hidda liegt im Dom zu Nordhausen begraben. Ihr Grabstein war 1530 noch im Nordhäufer Dome vorhanden.[19] Es ist deshalb anzunehmen, daß sie diese Wallfahrt in das heilige Land nach dem Tode ihres Mannes unternommen hat und dann als Stiftsfrau in das Nordhäuser Frauenstift eingetreten ist. Dann aber ist es so gut wie selbstverständlich, daß auch das Nordhäuser Frauenstift ein Stück vom heiligen Kreuze erhalten hat, worauf dann die Stiftskirche dem heiligen Kreuze geweiht worden ist, nach dem sie noch heute ihren Namen trägt. Während diese Entwicklung drunten von der Unterburg aus allmählich sich vollzog, erlebte die Oberburg manch glanzvollen Tag, von denen wir einige gern der Vergessenheit entreißen mochten. Fast alle Kaiser der nachfolgenden Zeit bis auf Adolf von Nassau, der 1294 als letzter die Burg betreten hat, haben längere oder kürzere Zeit hier verweilt, wie droben in der Geschichte Nordhausens von Dr. Silberborth gewiß schon näher ausgesührt worden ist. Und wir dürfen uns das bei diesen kaiserlichen Besuchen sich entwickelnde Leben in allen Farben mittelalterlichen Gepränges ausmalen; waren es doch jedesmal Glanztage für die Burg und die Stadt, wenn wieder einmal ein deutscher Kaiser in ihren Mauern Einzug hielt. Das Bild, das Professor Looschen mit feiner Anpassung an die damalige Zeit im Stadtverordnetensitzungssaale gemalt hat, wie Kaiser Otto im Jahre 965 zum letzten Male rührenden Abschied von seiner frommen Mutter vor der Tür des Domes nimmt, kann uns schon in bescheidenen Grenzen eine Vorstellung geben, wie es in jenen Tagen in der Kaiserburg hergegangen sein mag. Aber noch viel glanzvollere Tage hat die Burg gesehen. Hat doch in den schweren und für Thüringen besonders stürmischen Zeiten Heinrichs IV., in denen die Spatenburg bei Sondershausen, die Hasenburg bei Großbodungen und die Sachsenburg bei Bad Sachsa im Kampf gegen die aufrührerischen Thüringer Fürsten erbaut und zerstört worden sind, in der Woche nach Pfingsten (21. bis 27. Mai 1105) in der villa regia Northusen auf Veranlassung des päpstlichen Legaten, des Bischofs Gebhard von Konstanz und des Erzbischofs Ruthard von Mainz, eine Synode der päpstlichen Partei stattgefunden, auf der der von seinem Vater abgefallene Sohn, der spätere Heinrich V., in Person erschien und feierliche Versprechungen unter Anrufung Gottes ablegte, woraus die Versammlung ihm zufiel. Der Chronist erzählt davon: „Die versammelte Menge glaubte den heuchlerischen Worten und war aufs tiefste bewegt. Inbrünstig betete man für die Sinnesänderung und Bekehrung des alten Kaisers und für das Glück seines trefflichen frommen Sohnes. Der Bittruf: Kyrie eleison durchdrang immer von neuem die Luft. Darauf fielen die vom Kaiser Heinrich IV. eingesetzten Bischöfe Udo von Hildesheim, Heinrich von Paderborn und Friedrich von Halberstadt ihrem Metropolitan, dem Erzbischöfe Ruthard von Mainz, und dem jungen König Heinrich V. zu Füßen und erklärten ihre Unterwerfung.[20] Hundert Jahre später, am 15. August 1207, hielt König Philipp hier einen Hoftag ab und ließ unter Vermittlung der päpstlichen Legaten Verhandlungen mit seinem Gegenkönige Otto IV., der sich in der Harlingeburg bei Goslar befand, führen, um ihn zur Niederlegung der Krone zu bewegen. Die Verhandlungen scheiterten an der Hartnäckigkeit des Welfen. Von diesem feierlichen Hoftag sei noch eins erwähnt, was die Bedeutung dieses Hoftages in noch helleres Licht rückt. Es erschienen damals in Nordhausen Abgesandte des Patriarchen von Jerusalem und in eigener Person die Großmeister des Tempelherrn und des Johanniterordens, schilderten die traurige Lage der Christenheit im Morgenlande und riesen das Abendland um Hilfe zur Befreiung des heiligen Grabes auf, die ihnen damals zugesagt wurde. Diese Erinnerungen sollen nur erwähnt werden, um zu zeigen, was für ein Heer von Fürsten, Geistlichen und Gefolgen sich zu Zeiten in unserer Stadt versammelte, und wie es damals in Burg und Stadt Nordhausen zugegangen sein mag. Und daß nicht nur schwere politische und kirchliche Fragen in diesen Tagen erörtert wurden, dafür noch zwei Belege: Wenige Jahre später hatte das Blatt sich für Otto IV. zu seinen Gunsten geändert und er suchte seine Macht dadurch zu befestigen, daß er sich mit der jungen Tochter Philipps von Schwaben, Beatrix, verlobte. Die Hochzeit fand am 7. August 1212 in Nordhausen statt. Selbstverständlich kann diese Hochzeit nur in der Kaiserburg gefeiert worden sein. Und die Burgkapelle, denn von einem Dom kann damals, wie wir noch hören werden, keine Rede sein, muß, um die zahlreichen Gäste aufnehmen zu können, nicht gar zu klein gewesen sein. Daß auf diese fröhliche Feier schon nach wenigen Tagen durch das plötzliche Ableben der jungen Königin die Schatten des Todes fallen würden, konnte natürlich in den Tagen der Festesfreude niemand ahnen. Mit solchen Festen und Versammlungen waren in der Regel auch feierliche Veranstaltungen und Belustigungen mit mächtigem Gepränge verbunden. Und mancher Ritter in prächtigem Turnier in den Sand geworfen, mag unmutig zur Seite getreten sein, mancher aber, dem Glück und männliche Ritterlichkeit hold waren, mag sich von der Kaiserin, oder wer sonst als Preisrichterin ausersehen gewesen sein mag, den wohlverdienten Lohn haben geben lasten. So hören wir in den Annalen unserer Stadt noch 1263 von einem solchen Ritterturnier, das noch nach Jahrhunderten zu den glanzvollsten Veranstaltungen gezählt wird, die Nordhausen je gesehen hat. Die Zerstörung der Burg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aber nicht nur ernste stille Feiern andachtsvoller Menschen, nicht nur weltbewegende Beratungen geistlicher und weltlicher Führer des Volkes und nicht nur festfrohe Tage einer stets zum Feiern bereiten Menge hat unsere Burg gesehen, sie weiß auch von ernsten schweren Tagen zu erzählen, wo wilder Kriegslärm erscholl, die Glocken Sturm und Feuer läuteten. Hie Welf! hie Waibling! so geht in Jahrhunderten der Kriegsruf durch die deutschen Lande. Unter dieser unseligen Spaltung deutschen Geistes hat auch unsere Burg und unsere Stadt schwer zu leiden gehabt. Der mächtigste Gegner Friedrich Barbarossas, von seiner Burg in Osterode, wo er oft geweilt hat, das Banner seines Geschlechtes weit hinaus in die Lande tragend, war Heinrich der Löwe. Ihn hatte Kaiser Friedrich 1169 zum Schutzvoigt über Burg und Stadt Nordhausen gemacht. Als er im Kampf mit seinem Vetter 1180 in die Reichsacht erklärt worden war, rächte er sich bitter, indem er verwüstend und brennend durch des Kaisers Lande zog. Von Goslar kam er über Nordhausen und zog gegen Mühlhausen. Damals wurde unsere Stadt zum ersten Male ein Raub der Flammen. Das Cronicon mont. Seren. aus dem Jahre 1180 sagt darüber: „castrum Northusen et monasterium sanctimonialium in eo situm igne consumtum est.“ Und das Chronicon Sampetrinum Erfordense 1180 fügt hinzu: „unde et villam regiam Northusin incendit“ Das Chronic. Slavor. aber sagt, freilich irrtümlich vom Jahre 1181: „adveniente autem Maho dux cum expeditione itravit Thuringiam et exussit civitatem, quae dicitur Koniges Northusen.“ D. h. im Anfang des Mai 1180 zerstörte Herzog Heinrich der Löwe die Civitas, bzw. die Villa regia Nordhausen, wobei das castrum (Burg) mit dem monasterium sanctimonialium (das Kloster, richtiger Stift der heiligen Frauen) in ao situva (welches in ihr gelegen ist). Diese Nachricht ist mir besonders deshalb von Bedeutung, weil dadurch die Lage des Stiftes innerhalb der Burg zweifelsfrei nachgewiesen ist, aber dann erkennen wir aus ihr auch, daß der erste und wichtigste Punkt für den Angriff Heinrichs die befestigte Burganlage gewesen ist. Welch Schrecken damals durch die Stadt gegangen ist, erkennt der Kundige noch heute daran, daß nichts sich dem Gedächtnis der Bewohnerschaft Nordhausens in den Jahrhunderten so tief eingeprägt hat wie diese furchtbare Zerstörung der Stadt durch den damals mächtigsten Fürsten im Lande nach dem Kaiser. Und es ist darum eine der wichtigsten Erinnerungen aus der Geschichte der Stadt, die sie im Stadtverordnetensitzungssaale neben dem Bilde von Otto dem Großen mit seiner Mutter Mathilde rechts und links in den Bildern Heinrichs des Städtegründers und Heinrichs des Städtezerstörers hat anbringen lasten. Sagt der Chronist auch, daß die zerstörte Burg bald wieder aufgebaut worden ist, so hat diese Zerstörung bald noch viel nachteiligere Folgen gezeitigt. Schon in dem unseligen Streit gegen den unglücklichen Hohenstaufen Heinrich IV. (1056–1106), in dem die Kirche mit fast allen Bischöfen und Erzbischöfen aus Befehl des Papstes entschlossen auf die Seite des Papstes trat (1077 Canossa), hat Nordhausen viel zu leiden gehabt, seitdem es sich auf die Seite der von der Geistlichkeit aufgewiegelten thüringischen Fürsten gestellt hatte, und hat erst Ruhe gefunden, bis es sich dem Kaiser wieder angeschlossen hatte.[21] Schwerer noch wurden die Bedrückungen und Kriegsnöte, als es in dem Kampfe zwischen Welfen und Hohenstaufen um 1200 wieder nicht wußte, auf welche Seite es treten sollte. Seinem Herzen nach stand es auf Seiten des Hohenstaufen, aber Otto IV. rückte 1199 gegen die Stadt vor, belagerte sie und eroberte sie nach hartnäckigem Widerstande. Eine plattdeutsche Reimchronik schildert diese Kämpfe ausführlich, wie endlich die durch viele Stürme erschöpften Bürger die Hoffnung auf Ersatz verloren und sich unter der Bedingung, an Leib und Seele unverletzt zu bleiben, an Otto ergaben, wie nun der König fröhlich mit den Besten seines Heeres Einzug in die Veste hielt und die Bürger sich huldigen ließ, wie er endlich, nachdem er mit den Fürsten und Herren einen Hoftag gehalten hatte, hinwegzog gegen Goslar, welches er um Weihnachten belagerte. Ob 1202 bzw. 1206 noch einmal eine solche Belagerung stattgefunden habe, oder ob die Erzählungen nur Dubletten von 1199 sind, wird wohl nie ganz klargestellt werden.[22] Jedenfalls sind diese schweren Kämpfe die Veranlassung gewesen, daß die Befestigungen der Stadt nicht nur erneuert, sondern wesentlich erweitert wurden. In alledem schon damals können wir erkennen, wie die Befestigungen aus der Burg von Jahrhundert zu Jahrhundert verbessert wurden, so daß es verständlich ist, daß wir heute wohl an keiner Stelle die ursprünglichen Mauern mehr sehen können, es sei denn, daß wir bei Erneuerungsarbeiten oder durch zufällige Bloßlegungen gelegentlich noch einmal auf alte Mauerreste stoßen. Nach den Kriegs- und Sturmzeiten dieser Jahre läuteten die Glocken schon bald wieder Feuer. Nachdem kaum die erweiterten Mauern hergestellt und die Petri- (1220) und eben erst die Blasiikirche 1234 dem Machtbereich des 1220 umgewandelten Domherrenstiftes angegliedert worden waren, brach am 3. Januar 1234 ein Schadenfeuer aus, das den größeren Teil der Stadt in Asche legte, wobei die Kirche zum heiligen Kreuz und auch die des Franziskanerklosters auf dem heutigen Spendekirchhofe ein Raub der Flammen wurden. Dies ist die Veranlassung, daß – freilich erst 1260-–1267 – eine nova basilica im Gelände der Burg errichtet wurde, zu der der Papst 1260 in einem Ablaßbrief aufrief und die 1267 feierlich geweiht wurde. Es ist dies zweifellos der heute noch stehende hohe Ehor zwischen den beiden Türmen, die damals (vergl. Seite 618) bis zur Höhe dieses Langhauses mit denselben Steinen verblendet worden. Ob diese Kirche an der Stelle der alten 1234 abgebrannten Burgkapelle gestanden hat, ist nicht sicher, läßt sich aber bei der Lage der Türme schon vermuten. Nur hat diese Kapelle aus den oben angegebenen Gründen nicht mit der erst später als Krypta eingerichteten unteren Kapelle in Verbindung gestanden, sondern wird ohne Verbindung über ihr gelegen haben. Als nach der „Kaiserlosen der schrecklichen Zeit“ 1273 Rudolf von Habsburg auf den Schild erhoben worden war, hörten die Schwierigkeiten, die auch Nordhausen mit den Kaisern hatte, nicht aus. Es war die Macht der Bürger im Steigen, und auch die Nordhäuser sahen in ihrer Burg eine Zwingburg kaiserlicher Macht. In einem Streit mit dem Kaiser haben deshalb die sich ihrer Selbständigkeit bewußt werdenden Bürger die Burg im Jahre 1277 selbst zerstört. Kaiser Rudolf tat sie deshalb in des Reiches Acht und diese haben sie getragen, bis er sie 1280 auf dem Tage zu Erfurt wieder zu Gnaden annahm. „Seit jenen Tagen, so schreibt der Chronist, ist die Burg nicht wieder aufgebaut worden.“ Das ist gewiß richtig. Aber ein ganz falsches Bild gibt es doch, wenn man meint, daß die Burg damals vollständig vom Erdboden verschwunden wäre. Weder hat Heinrich der Löwe sie bis aus den Grund zerstört, sonst hätte sie nicht alsbald wieder aufgebaut werden können. Noch haben die Bürger sie 1277 bis aus die Grundmauern abgetragen. Sie werden vielleicht nur den nach der Stadt zu gelegenen Teil, wo die heutige Finkenburg steht, zerstört haben, so daß dann später die hier stehende Finkenburg und noch später die anliegenden Häuser haben errichtet werden können, die uns heute das Wiederauffinden der alten Burganlage an dieser Stelle so sehr erschweren. Dagegen haben die übrigen Teile der Burg noch lange bestanden, ja bestehen z. T. noch heute. Und es wird zu den wichtigsten weiteren Forschungen gehören, nachzuweisen, wie sich die erhaltenen Teile weiter gestaltet haben. Im Jahre 1307 hat König Albrecht durch Urkunde vom 12. August[23] die beim Domstift St. Crucis gelegene Hofstätte in Nordhausen den Deutschordensbrüdern in Wallhausen geschenkt. Gleichzeitig schenkte er ihnen übrigens auch die Kirche des in der Stadtslur gelegenen Dorfes Niedersalza, deren Ruinen noch vor Jahrzehnten in der Nähe des Bahnübergangs bei Kerstings Mühle wahrgenommen werden konnten. Am 28. November 1307 schloß der Provinzialkomthur des Deutschritterordens, Gottfried von Körner, mit der Stadt Nordhausen einen Vertrag, dahingehend, daß er von den auf der Stelle der zerstörten Reichsburg (imperialis curiae ibidem) erbauten drei Höfen zwei derselben an den Nordhäuser Bürger Heino de Ellrich (Stolberg dictus) verkaufte, davon er als Jahreserbzins drei Pfund Wachs geben sollte. Der dritte Hof sollte ein Deutschordenshof bleiben. Würde der Deutschritterorden Wein in dasselbe einlegen, so wollte er keinen Schank darin treiben, und so er Getreide darin aufschütten würde, so wollte der Deutschritterorden es damit wie die anderen Bürger halten. Lange scheint der Orden diesen Hof nicht behalten zu haben. Wann er ihn freilich wieder verkauft hat, ist noch unbekannt. Doch spielen diese drei Häuser auch späterhin noch eine Rolle. 1490 z. B. war der eine Hof, vermutlich die Finkenburg, und zwar das jetzt wieder hergerichtete Gebäude, Eigentum des Nordhäuser Bürgers Hermann Werther. Dieser hat es an den Domvikar Heinrich Gutmann auf besten Lebenszeit verkauft. Von 1527—1540 wohnte in dem vor dem fünfeckigen Festungsturme, Rose genannt, an der Wastertreppe gelegenen Haus e, also in der Finkenburg der Domvikar Johann Fehrer.[24] Wichtiger als dieses ist mir ein anderes Gebäude. Im Jahre 1315 erkaufte das Domherrenstift lediglich zur Erweiterung seines Friedhofes das dem Bürger Lamphord gehörige Haus.[25] Bedenken wir, daß die Entwickelung des Stiftes von 962 an von der Unterburg allmählich nach der Oberburg gegangen ist, daß 1267 erst das heute noch stehende Langhaus des hohen Chores geweiht worden ist, daß in jenen Jahren erst die ersten Altäre in der Krypta gestiftet wurden (vergl. Seite 618), so kann eine Erweiterung des Friedhofes nur auf der Südseite des Domes, Stists- kurie 20, mit ihrem westlichen Anbau gewesen sein. D. h. aber dieses Haus, eins jener drei Bürgerhäuser, ist wenigstens in seinem westlichen Anbau, wie wir schon auf Seite 617 nachgewiesen haben, ein Rest der alten Kaiserburg, derselbe, der 1810 in den Besitz der Loge übergegangen ist und dann bald von dieser abgebrochen wurde, um mit seinen Steinen den schönen Logentempel am Kaiserturme zu erbauen. Bis in das 18. Jahrhundert hinein[26] hat sich der Name „Kaiserstuhl" erhalten, an dem der Reichsvogt (advocatus) Gericht gehalten hat. Die Gefangenen wurden in dem starkbefestigten Turme an der Wassertreppe, der „Rose", bewacht und auf einer eigens dazu angebrachten Brücke dem Vogte zur Aburteilung zugeführt. Dieser Kaiserstuhl, den Meyer in die Finkenburg verlegt, kann meines Erachtens nur das heutige Kapitelgebäude bzw. seine südliche Fortsetzung gewesen sein. Darin bestärkt mich eine Nachricht bei Lesser. Seite 353 erzählt er in seiner Unglückschronik, daß im Jahre 1670 der Sohn des Stadtsekretarius Johann Günther Wiegand (1670) in dem großen Turme hinter dem Dome bei dem Kaiserstuhle abstürzte und den Hals brach. Damit glauben wir, den Beweis erbracht zu haben, daß die drei über den Deutschritterorden in Privathände übergegangenen Häuser Reste der alten Kaiserburg gewesen sind und auf dem für die Burg erwiesenen Gelände gelegen haben. Damit wären auch die drei seit 1307 immer wieder genannten Bürgerhäuser, deren Auffindung bisher so viel Mühe machte, im Burggelände selbst nachgewiesen. Wie sich die weitere Gestaltung der Burganlage auf dem nach Süden anwachsenden Gebiete des Domherrenstiftes gestaltet hat, ist deshalb schwer zu sagen, weil die Akten des Stiftes, die ehemals in bester Ordnung waren und deren wertvoller Bestand noch 1808 durch den letzten Dechanten Ebel bezeugt wird, im Dreißigjährigen Kriege und bei der Aushebung des Stiftes 1808 bis 1811 zerstreut oder abhanden gekommen ist.[27] Dennoch glaube ich folgendes als geschichtlich feststehend Mitteilen zu können: Eine der markantesten Persönlichkeiten des Stiftes ist der schon erwähnte Propst Theodoricus, Gras von Honstein, der von 1208—1220 als Propst der Frauenabtei urkundlich erwähnt wird, der vielleicht aus sehr ehrgeizigen Gründen die Umwandlung des Frauenstiftes in ein Chorherrenstift erfolgreich betrieb und der dann als Propst des Stiftes noch bis 1237 erscheint. Unter diesem tatkräftigen und unternehmungslustigen Manne ist 1234 die alte Burgkapelle abgebrannt. Von ihm gehen daher offenbar auch die Pläne der weiteren Entwicklung aus. Bei seinen guten Beziehungen zu geistlichen und weltlichen Fürsten, ja zum Kaiser selbst, ist es ihm gewiß ein Leichtes gewesen, das nördliche Gebäude als Propsteigebäude zu erhalten, das es dann bis zur Auflösung des Stiftes geblieben ist. Als dann 1260—1267 die nova basilica, d. h. der heute noch stehende romanische hohe Chor gebaut wurde, ist sicherlich der weiter nach Süden gehende Bau der Burg niedergerissen worden, um den Dom freier bauen zu können und gleichzeitig auch Raum für die Anlage eines Friedhofes um die Kirche herum zu gewinnen. Die nördlich der Basilika stehenden Burgbauten bis an die Türme heran, blieben stehen, weil sie sich gut als Kreuzgang benutzen ließen, in denen rings die vielen Altäre, die wir heute vergeblich suchen, untergebracht wurden. Im Jahre 1315 wurde dann (vgl. S. 634) das Haus des Bürgers Lamphord zur Erweiterung des Friedhofes angekauft. Da seit 1294 bekanntlich kein deutscher Kaiser die Burg wieder besucht hat und deshalb auch das Interesse an ihr schwand, so hatte das Domherrenstift leichtes Spiel, auf dem Grund und Boden sich weiter auszudehnen. So wurde der Gedanke verständlich, schon im 14. und vollends 15. Jahrhundert, einen großen, nunmehr gotischen Anbau an das romanische Langhaus anzubauen, was dann schließlich seit 1460 in der heutigen Form zur Ausführung kam. Jetzt fiel auch der Säulenumgang vor dem Kapitelgebäude und machte dem heutigen gotischen Umgang Platz, der fraglos, wie schon erwähnt und an den ersten beiden Strebepfeilern an der Nordostecke des Domes erkennbar ist, am östlichen und nördlichen Flügel weitergebaut werden sollte, ein Plan, der dann infolge der Wirren des Bauernkrieges und der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse infolge der Reformation nicht zur Ausführung gekommen ist. Dadurch aber ist es auch zu erklären, daß wir heute noch die vielen Reste des alten romanischen Baues der alten Burganlage so deutlich erkennen können. Denn, daß es ein Torso ist, das wir heute im Dom und seinen Nebengebäuden sehen, ist jedem klar, der sich etwas eingehender mit diesem nun erst recht historisch interessanten Bauwerk befaßt. Jetzt wird es durchaus verständlich, wie bei den verschiedenen Bauperioden des Domes, der ja Jahrhunderte unvollendet geblieben ist, bis er um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Eingreifen der preußischen Regierung und aus deren Kosten fertiggestellt worden ist, die bei der Burganlage geübte Orientierung, die sich eben dem Gelände anpaßte, allmählich die Ostwestorientierung der Windrose, die bei jedem kirchlichen Bauwerk die Regel ist, eingeholt wurde, deren allmähliches Werden wir nachprüfen können, wenn wir die Türme mit der Krypta, den Bau von 1260,67 und das gotische Schiff miteinander vergleichen. Besonders mache ich dafür auf die Südostecke des gotischen Schiffes und den Nordwesteingang zur Kirche unter dem Kreuzgang aufmerksam, wo an den Ansatzstellen der Neuorientierung die Abweichung schon mit bloßem Auge wahrzunehmen ist. Seitdem dann 1760/62 der Ostumgang des Kreuzgangs gefallen ist und 1899 das ehemalige Propsteigebäude abgebrochen wurde, um für den Spielplatz der Knabenmittelschule Raum zu schaffen, und damit diese Zeugen einer alten Zeit der nie stillstehenden Entwicklung zum Opfer gefallen sind, stehen Dom und Nebengebäude mit allem, was die neue Zeit Altes gelassen und Neues hinzugefügt hat, vor unseren Augen da. Rückblick und Ausblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Damit ist der Rundgang, den wir gleichsam nur im Fluge durch die Geschichte unserer tausendjährigen Stadt an diesem einen Punkte ihrer Entwicklung gemacht haben, beendet. Er hat uns, wie ich annehmen darf, neben manchem Alten, was wir schon wußten, doch auch das Auge für viel Neues geöffnet, so daß auch der Kundige manches gesehen haben wird, was er in dieser Beleuchtung noch nicht betrachtet hatte. Er möge es hinnehmen, wie es gegeben ist, als eine Dankesgabe, die der Verfasser dieser Zeilen der tausendjährigen Stadt für das, was er in seiner nun zwölfjährigen Amtstätigkeit in ihr und von ihr an tiefen und tiefsten Anregungen seines Lebens empfangen hat, zu ihrem Jubiläum darbringt. Er weiß es vielleicht am besten, daß das endgültige Wort in dieser Frage, die über das rein Ortsgeschichtliche weit hinausgeht, hiermit noch lange nicht gesprochen ist, und er wird sich über jede Gabe, die zur Lösung dieser Frage beigebracht werden wird, herzlich freuen. Auch auf heftige Kritik ist er gefaßt. Er wird sich auch über sie freuen, wenn sie nur von dem einen Bestreben getragen sein wird, das seine eigenen Forschungen beflügelt hat, der Wahrheit und der klaren Erkenntnis vergangener Dinge zu dienen. Denn nur aus der klar erfaßten Erkenntnis der Vergangenheit können wir für Gegenwart und Zukunft lernen. Eine Frage sei darum noch berührt, die der Erwägung gerade an dieser Stelle wohl wert ist. Wie kommt es denn, daß die Burg, die einmal doch eine bedeutende Rolle gespielt haben muß, so bald verschwunden ist, daß in Jahrhunderten fast jede Spur von ihr verloren gegangen ist? Die Antwort auf diese Frage ist mir klar.
Und nun noch ein Wort für unsere Stadt. Nordhausen ist so reich an geschichtlichen Erinnerungen wie kaum eine zweite unserer geschichtlich so sehr interessanten Städte am Harz und in Mitteldeutschland. Und nicht nur solche Erinnerungen sind es, die in den Schätze der Museen und in den Folianten der Bibliotheken vergraben sind, sondern die — ich möchte sagen — auf der Straße liegen und in den Steinen der Häuser zu uns reden. Den Blick hierfür an einem Teile geöffnet zu haben, wird für mich der schönste Lohn dieser Untersuchungen sein. Das Auge aber immer wieder für diese historischen Schönheiten zu üben und üben zu lehren, ist die Pflicht und Ausgabe aller Kenner dieser Schätze. Schon Friedrich Christian Lesser, „der Chronist von Nordhausen", sagt in seiner Schrift über das Leben des Laurentius Süße: „Ich habe immer die Meinung gehegt, es sei unanständig, in der Erkenntnis der Geschichte auswärtiger Dinge daheim und einheimischer ein Fremdling zu sein.“ Ob wir nun auf die Höhe des Geiersberges steigen, wo dicht bei der sagenumwobenen Merwigslinde vielleicht eine Kultstätte heidnischer Germanen gewesen ist, sicher in geschichtlich erkennbarer Zeit christlicher Gottesdienst gehalten wurde und festsfohe Tage unsere Vorväter in fröhlichen Stunden versammelt haben, oder ob wir hinüberwandern zur Höhe des Petersberges, wo in Jahrhunderten des Mittelalters die Grafen von Clettenberg das Gaugericht über den Helmegau ausübten, und wo gewiß in Erinnerung an die Schwertgewalt Zius und die Lösegewalt Donars den Apostelfürsten mit dem Schlüssel (Petrus) und dem Schwerte (Paulus) Nordhausens höchstragende Kirche erbaut worden ist. Mit Ehrfurcht und Ergriffenheit werden wir von dort hinausschauen in die Lande und in schweigender Verehrung die Wege des ewigen Gottes in den Jahrtausenden überdenken. Wenn wir aber dann von dort hinabsteigen zu der Frauenbergkirche, in ihren Grundlagen dem ältesten Denkmal aus historischer Zeit, dann werden wir über den Ruinen des alten Reichshofes längst vergangener Tage keimender Hoffnung deutschen Geistes und deutscher Kraft nachsinnen. Unser Herz aber wird höher schlagen, wenn wir in den Tagen der Tausendjahrfeier unserer Stadt die alte Köngs- und Kaiserburg vom Grimmel her an St. Elisabeth vorbei zum Barfüßertore hinauf umwandern und dann in den ehrwürdigen Frieden des katholischen Domes mit seinen Gräbern im Hofe des schattigen Kreuzganges eintreten oder gar in den stillen Frieden des schattenspendenden Logengartens kommen und von Stolbergs Ruhe oder von dem Mauerumgang des altehrwürdigen Kaiserturmes aus hinein in die Lande, hinaus zum sternklaren Himmel schauen. Und wenn unsere Seele eingestellt ist auf den Zauber dieses eigen schönen Ortes, wenn wir es verstehen, die Geister mit dem Zauberschlüssel zu wecken, die hier schlummern in tausend und abertausend Jahren, was werden sie uns erzählen von alle dem, was diese Stätten alles erlebt und was die Menschen von dieser Höhe alles gesehen haben? Dort grüßt von Lahras Höhe, von der Asenburg und vom Rabensberge her, den wir gerade noch über dem Rücken des Kohnsteins hervorleuchten sehen, Urväter Glaube, wie er von allen Höhen in züngelnden Flammen zum Himmel gelodert ist. Dort grüßen in der Nähe, ganz unten im Tale die alten Heerstraßen, auf denen schon in ältesten Zeiten die Völker gewandert sind, bis sie in fernem Westen neue Heimstätten oder das Grab gefunden haben, wo in geschichtlich bekannter Zeit Herzöge, Könige und Kaiser mit heerstarker Macht hin- und hergezogen sind, um hier gastlich zu rasten oder in weiter Ferne neue Taten zu tun. Dann fangen diese Mauern, auf denen wir stehen, und die uns rings umgeben, zu reden an, von alledem, was sie gesehen, von stolzer Könige Taten, von frommer Frauen tugendsamer Sitte. Ergriffen werden wir lauschen, uns in den Geist vergangener Zeiten versenken, aber nicht, um in ihm zu verharren, sondern um hinauf zu schauen zu den Sternen, und dem ewig großen Schöpfer aller Dinge zu danken für das, was er den kleinen Erdenbürgern ausgebaut hat, daß sie in Menschen- und Weltgeschehen seine Taten schauen lernen und sich von ihm stärken lassen, auch in schicksalsschwerer Zeit nicht zu verzagen, sondern glaubensfroh und tatenstark mitzuarbeiten an dem Wiederaufbau deutschen Geistes und deutschen Wesens.
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