Zur Geschichte der Nordhäuser Luftfahrt

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Autor: Heinz Sting
Titel: Zur Geschichte der Nordhäuser Luftfahrt
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aus: Nordhausen-Harz und Goldene Aue
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Erscheinungsdatum: 1974
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Zur Geschichte der Nordhäuser Luftfahrt


Vor einigen Jahren wurde in den „Nordhäuser Nachrichten“ ein Aufsatz über die Ballonfahrt in Nordhausen gebracht, um einen ersten Beitrag zur Geschichtsschreibung über die Luftfahrt in unserer Stadt zu liefern, die sich frühzeitig auch diesem Bereiche zugewandt hat. In der früheren Geschichtsschreibung ist darüber nur wenig zu finden. Dies trifft auch auf das zur Jahrtausendfeier 1927 erschienene zweibändige Werk des Magistrats zu. Es enthält keine geschlossene Darstellung zu der schon damals in Nordhausen bedeutsamen Luftfahrt, sondern lediglich einige verstreute Hinweise. So werden die Errichtung einer Fliegerschule im Jahre 1917 (S. 268) und die Anlage eines Notlandeplatzes auf dem früheren Flugplatz alsbald nach dem 1. Weltkrieg (S. 344) erwähnt. Auf Seite 269 lesen wir einige Sätze darüber, daß am 4. Juli 1909 die feierliche Taufe des Luftballons „Nordhausen“ durch Oberbürgermeister Dr. Contag erfolgte und vom 3. - 7. Juli 1911 auf Sundhäuser Gelände der Familie Schreiber Nordhäuser Flugtage stattgefunden haben. Außerdem hören wir, daß am 9. Juli 1913 ein Zeppelin-Flugzeug die Stadt überfliegt und genaue 3 Wochen später, am 30. Juli, Nordhausen Flugstützpunkt wird.

Unsere Darstellung, die einen Gesamtüberblick über die Teilnahme der Nordhäuser Bürgerschaft an der Luftfahrt geben soll, sei mit der Erinnerung daran begonnen, daß es bereits im Jahre 1892 eine Luftballonfahrt ab Nordhausen gegeben hat. Am 31. Juli sollte erstmalig der Ballon „Meteor“ des Luftschiffers Paul Feller aufsteigen. Eine Riesenmenge hatte sich im Gehege eingefunden. Obwohl schon seit morgens der Ballon mit Luftgas gefüllt war, konnte er erst abends abgelassen werden. Unter lautem Jubel der geduldig ausharrenden Menge stieg der „Meteor“ pfeilschnell in die Höhe und schwebte über der Stadt. Dann trieb ihn der Wind nach dem Kyffhäuser zu, doch schon in der Nähe von Heringen landete der kühne Luftpilot. Er zeigte sich dann dem noch zum Konzert im Gehege versammelten Publikum.

In den Jahren kurz vor 1910 gab es in unserer Stadt bereits einige Konstrukteure, die zu ihrem Privatvergnügen Flugmaschinen bauten. Gleichzeitig fand die Ballonfahrt unter der Bürgerschaft zahlreiche Freunde, so daß eine Ortsgruppe des Sächsisch-Thüringischen Vereins für Luftfahrt gegründet werden konnte. So kam es im Jahre 1909 zu einem ersten Ballonaufstieg, der auf dem Neumarkt unter gewaltiger Beteiligung der Bevölkerung als Zuschauer stattfand. Ich kann mich dieses Vorgangs noch erinnern, weil meine Eltern damals im Hause Neumarkt 10 wohnten und mich mein Vater zu dem abgesperrten Platz des Ballonaufstiegs führte, der auf dem Drittel des riesigen Neumarktgeländes stattfand, das an die Häuserreihe Gärtnerei Bundesmann - Gastwirtschaft „Zur Gartenlaube“ angrenzte. Schon im gleichen Jahre erwarb der Verein den Ballon „Nordhausen“, dessen Taufe Oberbürgermeister Dr. Contag vornahm

Zur Geschichte des Freiballons „Nordhausen“ gehört auch ein schwarzer Tag, dessen im zweibändigen Werk „Das tausendjährige Nordhausen“ (1927) keinerlei Erwähnung getan wird. Am ersten Osterfeiertage des Jahres 1911 fand ein „nationales Ballonwettfliegen“ in Dresden statt, zu dem der Königlich-Sächsische Verein für Luftfahrt eigeladen hatte. Auch der Ballon „Nordhausen“ meldete sich zum Wettbewerb, der eine Ziel- und eine Weitfahrt umfaßte. Führer des Ballons war Hauptmann von Oidtmann, der mit der „Nordhausen“ schon manche erfojg-reiche Fahrt gemacht hatte, darunter eine 22stündige über 970 km nach Serbien. Der Osterfeiertag brachte ungünstiges Flugwetter mit einem kräftigen Westwind, der über den Aufstiegsplatz besonders heftig wehte, als man mittags mit dem Füllen der 6 für die Zielfahrt bestimmten Ballons begann. Während vier Ballons infolgedessen auf den Aufstieg verzichteten, entschlossen sich „Rübezahl“ und „Nordhausen“, die Fahrt zu wagen. „Rübezahl“ kam glatt ab, „Nordhausen“ aber hatte nur eine kurze Schreckensfahrt, weil der Korb mit vier Insassen auf ein Dach eines Hauses der nahen Dresdner Gasanstalt geschleudert wurde, dort hängenblieb und sich das Gas in der Hülle entzündete. Während die übrigen drei Beifahrer mit leichteren Verletzungen davonkamen, erlag Hauptmann von Oidtmann sechs Tage später einem schweren Schädelbruch. Dieser harte Schlag entmutigte die Nordhäuser nicht. Vier Wochen später, am 13. Mai 1911, stand ihr Ballon eines Abends zu neuem Aufstieg auf dem Neumarkt bereit und landete nach 13stündiger Fahrt glatt in der Nähe von Bremen.

Obwohl der Motorflug damals noch in frühester Entwicklung war, gelang es dem Verein, im Einvernehmen mit den städtischen Behörden Anfang Juli 1911 die Nordhäuser Flugtage durchzuführen. Teilnehmer waren die bekanntesten deutschen Flieger. Einen von ihnen habe ich später kennengelernt, als ich Anfang der 30er Jahre im Berghotel „Platterhof“ auf dem Obersalzberg oberhalb von Berchtesgaden wohnte. Es war der damalige Inhaber dieses Hauses, Herr Büchner, der sich nun einer mächtigen Leibesfülle erfreute, die ihm 1911 wahrscheinlich nicht den Einstieg in das Flugzeug gestattet hätte. Noch nach 20 Jahren sprach er begeistert von seinem Fluge, der ihn in 35 Minuten über den Harz nach Halberstadt gebracht hatte. Nach der Landung hatte er, entzückt vom Anblick des Gebirges, immer wieder gerufen: „Dieser Flug war der herrlichste meines Lebens!“

Die Errichtung eines Flugstützpunktes Nordhausen im Jahre 1913 dürfte nicht zuletzt die Folge jener aktiven Anteilnahme der Bürgerschaft gewesen sein. In enger Zusammenarbeit von Stadt- und Heeresverwaltung wurde der Platz bei einer Ausdehnung von etwa 500 m Länge und Breite mit einer Flugzeughalle nebst Signalturm angelegt, die bis zu 3 Maschinen aufnehmen konnte. Mit riesiger Begeisterung wurde 1913 von der Bevölkerung das Überfliegen Nordhausens durch das Zeppelin-Luftschiff „Viktoria-Luise“ 1913 begrüßt. Damals Sextaner am Gymnasium, kann ich mich des Tages noch gut entsinnen. Hier sei eingeschaltet, daß bald nach dem 1. Weltkriege ein Sohn der Stadt, der 1899 geborene Ingenieur Paul Kindling, dessen Elternhaus in der Lindenstraße gestanden hat, bei den Luftschiffwerken in Friedrichshafen am Bodensee beruflich tätig war und bei den Fahrten des Z. R. III die statistischen Messungen vornahm. Er trat später in die Dienste einer amerikanischen Luftschiffbaufirma. Er war der Bruder der Opernsängerin Anni Kindling, die am Opernhaus Duisburg mit großem Erfolg gewirkt hat.

Während des ersten Weltkrieges, im Jahre 1917, wurde eine Fliegerschule der „ Condor-Werke“-Essen im Einvernehmen mit der Militärverwaltung auf einem Gelände südlich der Stadt eingerichtet. Auf dem damit entstehenden Flugplatz haben sich, wie später in den 30er Jahren, die Flieger in Nordhausen recht wohl gefühlt. Bei Ende des Krieges war neben Kasernen eine Anzahl gut eingerichteter Hallen für etwa 50 Flugzeuge vorhanden. Aber mit der Fliegerei war es als Folge des Versailler Vertrages vorbei. Alsbald wurde die schon vor dem Kriege erbaute Halle des Flugstützpunktes abgebrochen. 1921 wurden die übrigen Gebäude zu 23 Wohnungen umgebaut oder von den dort sich einrichtenden Gerlach-Werken verwendet.

Die Anhänger des Luftfahrtgedankens in unserer Stadt ließen sich nicht entmutigen und schlossen sich zunächst dem „Bund deutscher Flieger“ an, in dem anfangs zwar keine Luftfahrt betrieben werden durfte, aber der Gedanke an ihren Wiederaufbau wachgehalten wurde. Gelegentlich landete auf unserem Flugplatz eine Maschine zu einer Zwischenlandung, dann kamen auch die ersten Junkers-Verkehrsmaschinen. Im Jahre 1925 war es soweit, daß wieder ein Nordhäuser Flugtag stattfinden konnte, und zwar auf einem Gelände in nächster Nähe des früheren Flugplatzes, dem am 8. August 1926 ein zweiter Flugtag folgte, nun schon wieder auf einem Teilgelände des früheren Flugplatzes. So konnte die Stadt wieder darangehen, innerhalb dieses Flugplatzes einen Zwischenlandeplatz anzulegen, wobei es allerdings in diesem Jahrzehnt blieb.

Die Anfänge des Modell- und Segelfluges gehen zurück bis in das Jahr 1923. Jüngere Mitglieder des Luftfahrtverbandes Nordhausen wollten sich praktisch mit der Luftfahrt beschäftigen. Sie gründeten eine Modell- und Segeltlieger-gruppe unter dem Namen „Flugsportliche Vereinigung im DLV“. Man baute Modellflugzeuge und beschäftigte sich theoretisch mit dem Segelflug, angespornt durch die Erfolge der Akademischen Fliegergruppe in der Rhön. Zu den ersten Mitgliedern gehörten Walter Burghardt, Kurt Gorges und Kurt Werner. Gorges baute einen Hängegleiter mit Unterstützung der Kondorwerke. Auf der Igeno, der Industrie- und Gewerbeschau in Nordhausen, die anläßlich der Tausendjahrfeier am 15. Juni 1927 eröffnet wurde, war diese Maschine auf dem Flugplatz ausgestellt. Sie ging nach weiteren Versuchen zu Bruch. Dasselbe Schicksal traf eine von Burghardt entworfene und gebaute Maschine. Er mußte mit einer Rückgratverletzung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Als Fluggelände wurden der Flugplatz Nordhausen und die Hänge in seiner Nähe benutzt. Später kamen die Höhen an der Numburg südlich Auleben und bei Ellrich und Ilfeld hinzu.

Um ein Segelflugzeug durchschnittlicher Größe zu bauen, waren etwa 2000 Arbeitsstunden erforderlich, zumal in Nordhausen überwiegend nur Nichtfachleute zur Verfügung standen. Gearbeitet wurde anhand von Zeichnungen, die man von der Rhön-Rositten-Gesellschaft erhielt. Bekanntlich wurde auch in Rositten-Ostpr. der Segelflug besonders gepflegt, wie ich es übrigens im Mai 1933 auf einer Reise in das alte preußische Ordensland selbst erlebte. Die Hauptwerkstätte der Nordhäuser Segelflugbauer befand sich im „Haus der Jugend“ in der Schützenstraße. An einer vom 2. -8. Juli 1932 in Nordhausen durchgeführten Luftfahrtwoche beteiligte sich die Flugsportliche Vereinigung mit Segelflugzeugen.

Der DLV besaß keine eigenen Flugzeuge. Als erster schaffte sich Hans Werther um 1930 mit Mitteln, die er jahrelang dafür gespart hatte, eine „Klemm“ an. Er bekam dafür einen Zuschuß aus Reichsmitteln, wie auch seine Ausbildung zum Flugzeugführer kostenlos in Böblingen erfolgte. Die „Klemm“ war aus einem Segelflugeug hervorgegangen und mit einem luftgekühlten 2-Zylinder-Mercedes-Motor ausgerüstet, wie man ihn etwa für ein Motorrad benötigte. Trotz dieses schwachen Antriebs war die Leistung der Maschine erstaunlich. Hans Werther hat mit ihr Kunstflüge, auch Loopings, ausgeführt. Diese „Klemm“ war in den Wiederanfängen der Fliegerei nach dem ersten Weltkrieg geradezu eine Sensation für Nordhausen. Einige Jahre später kaufte auch Hermann Schreiber von der Karlsburg in Sundhausen eine „Klemm“, die mit einem Hirth-Motor ausgerüstet war. Die „Klemm“ von Hans Weither wurde in einer der alten Flugzeughallen aus dem ersten Weltkrieg auf dem Nordhäuser Flughafen untergestellt. Da ihre weiten Tore auf Anordnung der Interalliierten Abrüstungskommission erheblich verengt waren, mußten jedesmal die Flugzeugflügel abgenommen werden, eine Arbeit, die aber mit Hilfe einer Bolzenverklemmung verhältnismäßig schnell vonstatten ging. Mit dieser Maschine nahm Hans Werther 1932 am Deutschlandflug teil. Die erste Etappe führte über Hamburg, Bremen, Magdeburg zurück nach Nordhausen, mit Kurt Gorges als Beobachter. Die zweite Etappe ging nach Süddeutschland mit Kurt Werner, die letzte nach Berlin, mit Hans Stolle als Beobachter.

Die Maschine Hermann Schreibers ging bei einem Flug über den Harz zu Bruch, wurde jedoch von der Versicherung durch eine neue ersetzt. Dritter Besitzer einer Motormaschine war der unserer Nordhäuser Fliegergruppe zugehörige Landwirt Kreutzmann, Pächter der Domäne Tilleda, wo auch sein Flugzeug stationiert war.

Besondere Förderer der Nordhäuser Fliegergruppe waren damals der Museumsdirektor Dr. August Stolberg, Pionier der Freiballonfahrt, der vom Bodensee aus mit Prof. Hergesell die erste Ballonüberquerung der Alpen bewerkstelligte, Hauptmann a. D. Paul Seiffarth, im ersten Weltkrieg an der Westfront Fesselballon-Beobachter war, und Fürst Wolf-Heinrich v. Stolberg-Stolberg.

Als ich am 30. Juni 1933 von Berlin aus meiner Tätigkeit im Preußischen Justizministerium nach Nordhausen zurückkehrte, um das Oberbürgermeisteramt anzutreten, war es übrigens die Nordhäuser Fliegerei, der meine erste amtliche Handlung galt. Am nächsten Vormittag hatte ich auf dem Neumarkt ein neues Segelflugzeug zu taufen. Schon am Abend des Vortages war zu meiner Begrüßung auf dem Bahnhofsplatz auch die Ortsgruppe des Deutschen Luftfahrtverbandes dabei, sogar Hans Werther mit seinem Sportflugzeug.

Zu einem Markstein in der Geschichte der Nordhäuser Fliegerei wurde der 29. Oktober 1933. An diesem Tage wurde eine neue Flugzeughalle auf den Namen des berühmten Kriegsfliegers Boelcke auf unserem Flugplatz feierlich getauft. Der Leiter der Ortsgruppe Nordhausen des DLV, Oberförster v. Stutterheim, mit dem Pour le merite geschmückt, berichtete über den Fleiß vieler aktiver Mitglieder der Fliegerortsgruppe, die nun schon 450 Mitglieder zählte, davon 50 aktive und 100 fördernde in der Stadt selbst, denen in erster Linie zu verdanken war, daß die Halle nun stand. Namentlich genannt wurden: Kurt Meiling (670 unentgeltliche Arbeitsstunden), Heinz Döring (580) und Kurt Biller (410) im Hallenbau, Schriftführer Helmuth (1.000), stellv. Ortsgruppenleiter Burkhard (450) und Erholt (350) beim Flugzeugbau. Es waren Erwerbslose, die durch diese ehrenamtliche Tätigkeit ihrem Dasein wieder einen vollen Sinn verschafften. Besonderer Dank wurde auch den Kameraden Kurt Werner, Friedrich König, Hermann und Winkler sowie dem Reitlehrer Jankowski, diesem für die Leitung von Volkssportstunden, ausgesprochen, weiter dem Stadtbauamt für tatkräftige Hilfe beim Hallenbau, wobei sich insbesondere die Architekten Dörre, Otto Querengässer und Otto Meyer eingesetzt hatten. Geld- und Materialspenden waren eingegangen von den Nordhäuser Firmen Grimm und Triepel, Tabak-A.G., Druckerei Schmalz, Zimmermeister Beck, von den Baufirmen Franz Krieger, Oswald & Voigt, Wedler und Wilhelm Tolle, weiter von den Firmen Anger’s Söhne, Robert Quelle, Fritz Dienemann, Wolfram, Druckerei Gebhardt & König sowie Farben-Franke und den Malermeistern Knödel und Wille.

Die Boelcke-Gedächtnisrede hielt Christoph-Martin, Fürst zu Stolberg-Rossla: „Ist auch seit nunmehr 17 Jahren sein Körper nicht mehr unter uns, sein Geist, der Boelcke-Geist, ist unter uns und soll unter uns bleiben. Sein großes Verdienst war es, seine Schüler zu lehren, sich nicht als Einzelwesen zu verstehen und persönlichen, wenn auch noch so schönen Erfolgen nachzujagen, sondern bescheiden zurückzutreten und sich streng militärischem Denken in die Gesamtheit nach Lage der strategischen und taktischen Verhältnisse einzuordnen. Die von Boelcke geführte 1. Jagdstaffel ist so zur Keimzelle der damals im Entstehen begriffenen Jagdfliegerwaffe geworden. Bei all seinen großen Fähigkeiten und Mannestugenden ist auch seine Menschenkenntnis und Erkenntnis der in anderen schlummernden Fähigkeiten zu bewundern. So hat er den jungen Richthofen nach kurzer Bekanntschaft schon im Sommer 1916 auf gefordert, sein Schüler zu werden.

Im Deutschland der damaligen Zeit gab es wohl kaum einen Mann, der populärer war als Boelcke. Boelcke — das war der Geist, der bei vielen jungen Deutschen in dem Wunsche gipfelte: „Ich will ein Boelcke werden!“

Ich möchte dem Wunsche Ausdruck geben, daß auch im heutigen jungen Deutschland der gleiche Wunsch junge Deutsche beseelen möge. Wenn ihr jungen Männer diesem Wunsche nachkommen wollt, so tretet ein in die Luftsportverbände, in denen ihr reiche und schönste Gelegenheit finden werdet, am Aufbau unseres geliebten deutschen Vaterlandes zu arbeiten.

Wenn es mir am heutigen Tage auch noch obliegt, die an den Mauern der altehrwürdigen Stadt Nordhausen neuerstandene Flughalle zu weihen, so spreche ich zu diesem Festtag dem Flugsport-Verband Nordhausen und seinem verehrten und rührigen Führer hierzu meine besten Wünsche aus. Ebenso gelten diese Wünsche der ganzen Bürgerschaft, die ich hiermit dem klugen Lenker ihrer Geschicke, Herrn Oberbürgermeister Heinz Sting, für die Weiterentwicklung der ihm anvertrauten Stadt zu übermitteln die Ehre habe. Möchte die Weihe dieser Halle Gewähr dafür bieten, daß die Stadt Nordhausen und der hiesige Luftsportverband im Geiste Boelckes arbeiten. Mit diesem Wunsche gebe ich der Flughalle den Namen Boelcke-Halle.“

Als Oberbürgermeister führte ich anschließend nach dem Bericht der „Nordhäuser Zeitung“ vom 30. Oktober 1933 aus, daß die Stadt ein Gefühl der Freude darüber beherrsche, nach Jahren wieder eine Flugzeughalle ihr eigen nennen zu dürfen, und daß dies in erster Linie der idealen, selbstlosen Einstellung älterer und jüngerer Bürger zu verdanken sei, die über den Weg gemeinsamer Arbeit am Objekt selbst alle Schwierigkeiten beiseite geräumt hätten. „Der Bau ist der Erfolg guter Zusammenarbeit. Mag auch anfangs die Größe des Vorhabens ein Gefühl des „Unmöglichen“ hervorgerufen haben, - die Schwierigkeiten sind überwunden worden durch das gemeinschaftliche Schaffen am Werke. Wir wollen daraus beispielhaft die Lehre ziehen, daß alle dem deutschen Volke entstehenden Schwierigkeiten wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft durch gemeinsames, auf ein Ziel gerichtetes Arbeiten gemeistert werden können. Dieser in Nordhausen erwiesene Geist entspringt der Volksgemeinschaft, der wir uns alle verpflichtet haben.“

Bei Abschluß der Feier grüßte ein Flugzeug des Kyffhäuser-Technikums Bad Frankenhausen die Versammelten, auch durch Abwurf eines Blumenstraußes, um dann nach wohlgelungener Landung als erster Gast in der neuen Halle einzuziehen.

Es war wohl Anfang des Jahres 1934, als ich dann als Oberbürgermeister mit Herrn von Stutterheim nach Berlin reiste, um im Reichsluftfahrtministerium Interesse für den Gedanken zu gewinnen, den Flugplatz Nordhausen wieder in den regelmäßigen Luftverkehr einzubeziehen. Die Reise war erfolgreich. Und zwei Jahre später dröhnten auf dem Flugplatz Nordhausen die Flugmotoren des Fliegerhorstes der neuen deutschen Luftwaffe.

Der Fliegergeist ist in Nordhausen nicht ausgestorben. Heute herrscht wieder lebhafter Segelflugbetrieb, gefördert von der „Gesellschaft für Sport und Technik“. Das Übungsgelände befindet sich auf dem Bergrücken östlich des Neuen Friedhofs und des Roßmannbaches, Richtung Bielen. Dort steht auch eine Flughalle, die eine größere Anzahl von Segelflugzeugen nebst Schleppereinrichtungen auf nehmen kann. Der Start erfolgt mittels neuzeitlicher Motorwinden.

Unser Bericht sei mit dem Gedenken der Mitglieder der Nordhäuser Fliegergruppe geschlossen, die im zweiten Weltkrieg für Deutschland gefallen sind. Wir können hier nennen:

W. Koch (Sohn des Kaufmanns Walter Koch, Rautenstraße 12) ;
Domänenpächter Kreutzmann-Tilleda, in Rußland;
Oberforstmeister v. Stutterheim;
Hans Werther, am 23. 6. 43 in Griechenland.

Hans Werther war 1943 als Leutnant der Reserve (Luftwaffe) Leiter einer kleineren Flugzeugeinheit in Kalamaki bei Athen, welche die Verbindung nach Kreta zu sichern hatte. Am 23. 6. 1943 ist er mit einer Ju 88 in einem von Partisanen kontrollierten Gebiet mit seinem Bordmechaniker abgestürzt. Beide wurden aus einem Olivenhain geborgen und ruhen auf dem zentralen Soldatenfriedhof bei Athen.

Diese Namen seien stellvertretend auch für alle gefallenen Flieger unserer Vaterstadt genannt, deren Namen uns nicht bekannt geworden sind. Sie alle haben bewiesen, daß es ihnen mit der Luftfahrt ernst war. Obwohl ihre Beteiligung nicht dem Gedanken entsprungen war, sie einmal in Feindflügen zu bewähren, haben auch unsere Nordhäuser Flieger selbstverständlich ihre Pflicht als Soldaten erfüllt.

Aus den Reihen jener Soldaten des Fliegerhorstes Nordhausen, die durch Eheschließung mit einer Nordhäuserin sich unserer Stadt enger verbanden, sei der Hauptmann der Luftwaffe Walter vom Felde genannt, Gatte von Frau Hildegard geb. Schnause, der, bereits zum Ritterkreuz eingegeben, bei der Rückkehr am 19. April 1940 vom Nachtflug nach England über dem Ärmelkanal abstürzte.

Möge es künftig dabei bleiben, daß die Nordhäuser Fliegerei nur friedlichen Zwecken und dem sportlichen Wagegeist der Jugend zu dienen braucht.