Volksbräuche zu Martini in Nordhausen
- zusammengestellt von Klaus Großmann
So wie der Roland aus dem Stadtbild von Nordhausen nicht wegzudenken ist, so gehört Martini, der Geburtstag Martin Luthers untrennbar zum heimischen Brauchtum. Dieses Fest nimmt unter unseren Festen noch immer einen hohen Stellenwert ein. Uber das Nordhäuser Martinsfest ist schon viel geschrieben worden, deshalb kann Ich auch über die historischen Hintergründe nichts neues aussagen. Die Sage will, dass Martin Luther selbst am Martinsfeste in Nordhausen teilgenommen hat. Er ist Gast eines bereits gefeierten Brauchtums in Nordhausen. Hans Silberborth bemerkt dazu: „Die Nordhäuser Kirmes fand einst am Martinstag, dem 11. November, statt. Doch hat man diese Martinsfeier seit der Reformation zu Ehren Martin Luthers auf den 10. November verlegt. Mit der Kirmesfeier ist nun die Feier des Geburtstages Luthers und der Reformation verknüpft.“ Ganz am Anfang stand aber ein Fest, das zu Ehren des Heiligen Martin von Tours, der 397 gestorben ist, gefeiert wurde. Er wurde durch die Legende bekannt, in der er seinen Mantel mit einem Bettler teilte. Im 9.Jahrhundert wird die Martinsfeier ihm zum Gedächtnis mittels Edikt des Erzbischofs von Mainz für dessen Diözese, zu der auch unsere Stadt gehörte, als Fest bestätigt. Wie sich in den folgenden Jahrhunderten das Martinsfest gestaltete, entzieht sich der allgemeinen Kenntnis. Allein 1322 gibt das Zins- und Lehensbuch des Nordhäuser Domstiftes Aufschluss. Danach aßen die Domherren die Martinsgans im Scheine der Martinslichter. Auch die Chorschüler und Diener bekamen ihre Gans. Damit taucht der Gänsebraten zu Martini in Nordhausen auf. Im November, wenn die Gänse schlachtreif gefüttert waren und es unnütz wäre, sie noch länger im Futter zu halten, fetter werden sie ohnehin nicht mehr, da das Futter fehlt, wurden sie in dieser Zeit geschlachtet und sind wohl deshalb seit altersher zum bevorzugten Martinsgericht geworden. Als das Fest dann nach der Reformation, wie schon erwähnt, um einen Tag vorverlegt wurde, scheint es ziemlich ruhig in Nordhausen zum Martinsabend zugegangen zu sein. Es war eben eine häusliche Feier mit Besuch des Gottesdienstes, aber nun nicht mehr dem Heiligen Martin zum Gedenken, sondern Martin Luther. Im Juli des Jahres 1840 fand ein großes Sängertreffen statt, bei dem das Lutherlied „Eine feste Burg ist unser Gott“ von 300 Sängern gesunden wurde. Dieses Ereignis sollte unser Martinibrauchtum für 100 Jahre prägen. Da dieser Gesang die Zuhörer begeisterte, trug es der Nordhäuser Verein „Liedertafel“ alljährlich zu Martini auf dem „öffentlichen Markt“ vor. (Lutherplatz) Aus dem Aufmarsch des Gesangvereins entwickelte sich ein Festzug, der sich bald allgemeiner Beliebtheit erfreute. Nachdem das Lutherdenkmal (nur der Name Lutherplatz erinnerte daran) Ende der 80er Jahre des vorherigen Jahrhunderts eingeweiht worden war, hatte der Festzug der Nordhäuser Bürger dort sein Ziel. Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges allerdings ist das Denkmal für die faschistische Rüstung abmontiert und eingeschmolzen worden. Damit kam es zum Wegfall des Umzuges, und das Martinsfest erhielt seine heutige Gestalt, die jedoch von einer jahrhundertelangen Tradition geprägt ist und nunmehr der Feier vor der Mitte des 19. Jahrhunderts ähnelt. Heute sind seit der hereinbrechenden Dunkelheit Kinder und Enıvachsene unterwegs. Jedes Kind trägt stolz eine Laterne. Manche singen das Kinderlied „lch trage eine Laterne brenne mein Licht, brenne mein Licht, nur meine Laterne nicht“. Von überall her kommt man zur Blasiikirche, wo um 17.00 Uhr der Pfarrer der Gemeinde, vom Posaunenchor unterstützt, das Wirken Luthers würdigt. Natürlich erklingt dabei das Lied „Eine feste Burg“. Wie lange dieses Lied zum Fest gehört, entzieht sich meiner Kenntnis. Ein „Nordhäusisches Gesangbuch“ von 1802 belegt es, wo dieses Lied unter einer gesonderten Rubrik „Auf den Martinsabend“ erscheint. ln den anderen protestantischen Gotteshäusern findet ebenfalls eine Martinsfeier statt, doch diese wird nicht vor, wie bei der Blasii-Kirche, sondern im Innern der Kirche abgehalten. Die Kinder kommen hierbei leider um die Freude des Laternenschwenkens während des Gottesdienstes, was diesem Zusammenkünften zugunsten der Feier vor der Blasii-Kirche etwas abträglich ist. Beim Heimweg leuchten ebenfalls die Laternen. Zu Hause folgt dann der zweite, ebenso wichtige Bestandteil des Festes, der eigenartigenıveise schon immer abends gefeiert wurde, eben am Martinsabend, während über den gesamten Tag der gewohnte Gang eingehalten wird. Im Mittelpunkt des Interesses steht der Martinsschmaus. Er setzt sich aus der Martinsgans, festlich umrahmt von Blau- bzw. Rotkohl und Klößen (aber auch Kartoffeln), zusammen. ln etwas geringerem Maße erfreut sich auch der Karpfen einer Beliebtheit. Getrunken wird ein guter Wein. Auf den Tisch gehören allerdings nicht nur die gebratenen oder gedünsteten leiblichen Wohltaten, sondern auch etwas fürs Auge. Da stehen drei Kerzen, die bekannten und beliebten Martinslichter, die dem Fest den nötigen Glanz verleihen. Diese tragen die Abbildungen von Martin Luther, Katharina von Bora, seiner Frau, und der Gänseliesel, die die Gänse zum Martinsfest in die Stadt bringt. Für die Kinder gibt es Näschereien, die Martinsbrezel, Kuchen und Pfannkuchen oder, wie der Nordhäuser sagt, „Kräppeln“. Ein Verschen auf den Nordhäuser Notgeldscheinen sagt: (1. Mai 1921)
|