Rodelbahn

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von Jost-Dieter Rudloff

Auf dem Stadtplan von 1936 ist südlich des Ausflugslokals „Schöne Aussicht“ ein Feldweg nach Südosten mit dem Namen „Borntal (Rodelbahn)“ eingezeichnet. Rodeln war dort unmöglich, weil der Weg von Regenwasser kreuz und quer ausgehöhlt war. In den schneereichen Wintern der Vierziger Jahre rodelten viele Kinder aus Ober- und Unterstadt die ziemlich steile untere Meyenburgstraße hinab, begeistert „Bahne, Bahne“ schreiend. Die Köllingstraße war seit Kriegsbeginn praktisch autofrei, die Privat-Autos waren eingezogen worden. So konnten die Rodler furchtlos über die Köllingstraße in am Straßen-Rand aufgetürmte Schneehaufen hinein rutschen. Die Meyenburgstraße wurde nicht morgens geräumt wie die verkehrsreichere Riemann- und die Stolberger-Straße. Mit jeder Abfahrt glätteten die Rodelschlitten die Schnee-Oberfläche. Die Straße war manchmal so glatt, dass der Aufstieg mit den damaligen profillosen Schuhsohlen schwierig war. Immer wieder fielen Kinder auf die Nase und robbten zielstrebig auf allen Vieren nach oben. Macht nichts. Ein Schlittschuh-Läufer zerfurchte die spiegelblanke Oberfläche. Ein auf dem Bauch liegender Rennrodler fuhr dem Störer von hinten in die Beine und brachte ihn zu Fall. Nun waren die Rodler wieder unter sich. Zwei oder drei Schlitten wurden verbunden. Sie bildeten – besetzt mit drei oder vier Kindern – einen rasanten lenkbaren Bob. Die Rodel-Kinder von der Meyenburgstraße waren wohl die einzigen Nordhäuser, die winterlichen Schneefall herbeisehnten und Tauwetter verfluchten.

  • Diese Erinnerung wurde von Jost-Dieter Rudloff verfasst. Die Veröffentlichung erfolgt mit Einverständnis des Autors.