Ein Spuk auf dem Hohenstein

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Textdaten
Autor: August Stolberg
Titel: Ein Spuk auf dem Hohenstein
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aus: zit. in Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter (3/2006)
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30 Jahre sind es wohl her, da kam ich auf ein paar Wochen von Straßburg, meinem damaligen Wohnsitze, einmal wieder in die liebe, alte Heimat. Viel war ich in den Vogesen gewandert, sie sind ja ein herrliches Mittelgebirge, aber unser Harz gefällt mir noch besser. So spazierte ich an einem schönen Nachmittage in des Septembers zweiter Hälfte durch den noch grünen Wodanswald, den Gibichenhagen, zu den Porphyrit-kegeln bei Neustadt, um die schöne Ruine des Schlosses Hohnstein zu besuchen. In Nordhausen hatte ich unmittelbar vorher gehört, dass sich auf dem Hohnsteine wieder ein Gespenst gezeigt habe und dort umginge. Nun, da könnten wir ja nicht aufhören, wenn wir von all den Gespenstern Kenntnis nehmen wollten, die auf den Burgen des Harzes und seinem Nachbar, dem Kyffhäuser, in düstem Kellergrüften hausen sollen. Ja, ein Gespenst gehört geradezu zum Befunde einer Ruine, dass mir aber gar am hellen lichten Tage eines auflauem könnte, das war das letzte, an was ich dachte. Immerhin mochte im tiefsten Unterbewusstsein verborgen, die Spukerzählung doch bei mir schlummern.

Der Umblick vom Hohnstein ist herrlich! Schon vor hundert Jahren schilderte Karl Duval ihn meisterhaft. Da dehnt sich, die Burg weit überragend, die blaue Wand des Südharzes nach Westen mit schweren Wäldern und hellen Bergwiesen, eine Kulisse schiebt sich nach der anderen vor bis zum scharfen Profile des Ravensberges. Und im Süden die leicht gewellten Hügellinien vor der markant dahinziehenden Hainleite, der Reiz der fernen, verblauenden Horizonte. In manchem erinnert der Hohnstein an den Kynast über dem schönen Warmbrunner Tale in Schlesien. Mit dem noch nicht lange verstorbenen Neustädter Bürgermeister Wilhelm Hesse erlebte ich einmal auch in frostklarer Januamacht das Bild der verschneiten Burg im Vollmondscheine. Die Käuzchen schrien. Ein unvergesslicher Eindruck.

In feiernder Stille ging nun die milde Herbstsonne hinter goldgesäumten Wolken zur Rüste. Auch für mich einsamen Burgbesucher die Mahnung, die Burg zu verlassen und an den Heimweg und das Abendessen zu denken. Wirtschaft gab es dazumal nur an besonderen Tagen - nicht ständig - auf der Burg.

Ein paar Schritte über den Vorplatz, und die Haare sträubten sich mir buchstäblich auf dem Kopfe. Da stand im weißen Mönchsgewand eine riesenhafte Gestalt vor mir.

War das Schloß Hohnstein wirklich so verwünscht, geistert hier außer der weißen Frau noch ein zweites Gespenst? Frau Holle etwa? Geist von einer nie gefundenen Leiche aus verborgenem Verließ? Oder immer ein und dasselbe Gespenst, aber in verschiedenen Rollen?! Auch auf der nahen Frauenwiese ist es nicht geheuer. Dort zeigte sich im Mondlicht ja auch ein Schemen. Urplötzlich war diese Erscheinung da, ohne Gerassel und ohne Stöhnen, was den Spuk nur um so unheimlicher machte. Zunächst versagte mir die Sprache. Sollte ich mich rückwärts zur Flucht und bei dem „Comtessen-sitze“ auf dem verschollenen Steiglein über Schutt und durch Gestrüpp den mir hier versperrten Ausgang suchen? Nein, einer solchen Aufforderung, „das Lokal unauffällig zu verlassen“ Folge zu leisten,das wäre doch eine Affenschande, ermutigte ich mich selber, nahm meinen derben Stock fest in die Rechte - und ging gesenkten Kopfes auf die Erscheinung los! „Schpiekenickel, sich paß uff' stöhnte ich vor Schreck auf Nordhiesisch. Ich erwartete eine Antwort, so etwa: „Wo witt Du dünn hänn, Du bäst woll schatzsüchtig“ - damit hätte das Gespenst zweifellos die 1806 nach der Schlacht bei Jena auf dem Hohnstein vergraben sein sollende Preußische Kriegskasse gemeint - „worte mant, ich brenge Dich heime“ ... Aber es erfolgte nichts, gar nichts. Totenstille ... die weiße Riesengestalt zerfloss lautlos... Sollte ich versuchen in die Gewölbe der inneren Burg nur mit dem Stocke in der Hand einzudringen, um dem Gespenst nochmals zu begegnen? Lieber nicht.

Der dämonischen Schreckgestalt Erklärung? Während man jetzt auf dem Hauptwege von Neustadt hinaufsteigend bis zum Eingangstor der Ruine noch im Walde selbst geht, war diese letzte Strecke damals völlig licht. Dem äußeren Torgewölbe entspricht nun noch ein inneres. Die Ueberschneidung wie ein Kegel das schieiernde die Torbogen füllende Licht des beginnenden Herbstabends, die Vereinigung dieser Umstände erzeugten das Gespenst. Die Phantasie trat hinzu. Und dann -ohne unbescheiden sein zu wollen, nur zur Erklärung: Ich bin ein Sonntagskind, der Walpurgisnacht noch dazu, solche sollen ja Geister am ehesten gewahren.

Während diesem Vorgang optisch die Erklärung zu Grunde liegt, erlebten wir auf einer einsamen Wanderung beim Karlshau-se einen anders zu erklärenden Spuk. Vielleicht dürfen wir davon später noch erzählen. Auch wo wir selbst einmal für ein Gespenst gehalten worden sind. Wäre es aber nicht sehr schade, wenn die Gespenster überhaupt verschwänden? Allenthalben auf Burgstätten sollte man ihnen eine Bleibe belassen, gegebenenfalls einrichten!

Und die Moral der Moral?

Des Grauens Sitz
bei solchem Geisterschliefen
Liegt wesentlich und stets beim Subjektiven.
(Frei nach Faust der Tragödie 3. Teil.)