Bevölkerungsentwicklung von Nordhausen
Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Natürliche Bevölkerungsbewegung und Wanderungsbilanz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Umsiedlung, Ostvertriebene und Neubürger 1945/46[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In Stadt- und Landkreis hielten sich im Juli 1945 7.235 Personen aus der westlichen Besatzungszone auf; nach Abreise der meisten von ihnen waren es am 20. Dezember 1945 noch 1.411.
Die Katastrophe des Kriegsausganges und die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten brachte auch für Nordhausen und seine Umgebung eine erhebliche Umschichtung der Bevölkerung. Im Juni 1945 waren es 10.463, am 20. Dezember 1945 insgesamt 18.054. Sie stammten aus Berlin und der Mark Brandenburg, aus Pommern, Ost- und Westpreussen, sehr viele kamen aus dem Sudetenland, mehr noch aus Schlesien, einige Hundert schließlich aus verstreuten Gebieten einschließlich des Baltikums, Ungarns und des Warthelandes. Zunächst in größeren Lagern erfasst, müssen sie baldmöglichst verteilt und in einen neuen Lebenskreis gebracht werden.
Die Thüringer Landsverwaltung hatte den Verteilungsschlüssel der Ostdeutschen von Joachim H. Schultze grundsätzlich angenommen, und kam für das Nordhäuser Gebiet mit geringfügigen Abänderungen zur Durchführung. Nach diesem Schlüssel sollte der Kreis etwa 38.000 (dazu die Stadt Bleicherode etwa 1.700), die Stadt 10.000 Neubürger aufnehmen.
Für Nordhausen als Aufnahmeort sprach die Zugehörigkeit zum besten Anbaugebiet Thüringens, die Zugehörigkeit zur Zone mit stärkster Bevölkerungszunahme und zur Zone des höchsten Volkseinkommens (1934 über 859 ℛℳ. pro Kopf). Gleich westlich schließt sich auch das Gebiet an, das zwei Drittel Ackerlandanteil an der Landesfläche hat. So gehört die Stadt zu den aktiven Gebieten Thüringens. Die aktive Zone erstreckte sich im Landkreis wie ein Keil, der an der Ostgrenze breit ansetzt und nach Westen mit einer Spitze in der Gemarkung Kleinbodungen ausläuft. Die Nordgrenze zieht von Osten her durch die Gemarkung Steigerwald-Crimderode-Hochstedt-Kehmstedt, seine Südgrenze durch die Gemarkungen Rüxleben-Wolkramshausen-Kleinwenden-Bleicherode, - beide Grenzen schließen Kleinbodungen ein. Auf diese aktive Zone sollten einschließlich Bleicherode und ausschließlich Nordhausen ungefähr 25.700 Neubürger kommen. Passiv, ohne Flüchtlingsaufnahme, bleiben nur Rehungen und Friedrichlohra im Südwesten. Alle übrigen Teile des Kreises im Norden wie im Süden gehörten zu den neutralen Gebieten Thüringens und sollten rund 14.000 Flüchtlinge beherbergen. Alle diese Zahlen galten nur unter der Voraussetzung des für Thüringen vorliegenden Zwanges, insgesamt 946.000 oder rund einer Million Neubürgern Platz zu gewähren.
Charakter und Gliederung der Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Jonas Ludwig von Heß beurteilte in Nordhausen um 1790 die Nordhäuser wie folgt:
- „Der Charakter der Nordhäuser ist offen, frei, ohne Ziererei. Man spricht über Staats- und Stadtsachen ohne Umschweife und Aengstlichkeit, selbst in Gegenwart der Senatoren. Vor diesen nimmt man den Hut ein ganz klein wenig tiefer ab, sonst bezahlt man ihnen keine Ehrerbietung. Es gefällt ihnen, daß man anderswo Reformen macht, sie selbst aber glauben sich keiner Reformen zu bedürfen. Nebenher bemengen sich die Brenner und Schweinefütterer ein bißchen mit der Politik und blättern so viel in fremden Zeitungen daß sie das Historische der Zeitläufe ziemlich inne haben, ohne sonderlich ins Feine zu gehen. Die Bürger sind mittelmäßig wohlhabend und setzen ihr Glück nicht sowohl in Luxus und Glanz als in Zufriedenheit, unübereilte Tätigkeit und gute Laune. Gesunden Menschenverstand trifft man fast überall. Falsche Anmaßungen, Prahlsucht und Witzelgeist sind mir nicht vorgekommen. Sie finden sich nicht lächerlich und klein, wie die zu Goslar und sind nicht aufgeblasen. Man beschwert sich nicht über den Magistrat, nicht über schlechte Nahrung, nicht über die Eingriffe der Fürsten. Man prahlt nicht mit seinen Herrlichkeiten und begnügt sich mit dem goldenen Mittelstände bei dem Bewußtsein, es so ziemlich mit dem Schicksal getroffen zu haben. Zu neuen Unternehmungen taugen die Nordhäuser nicht, können aber sehr Wohl bestehen, wenn es mit ihrem Nährstande beim alten bleibt, worin sie jetzt noch von Niemanden gestört werden.
Die Religiosität steht im Mittel; man spottet nicht, aber man ist lau. Der Nordhäuser besucht den Gottesdienst unausgesetzt mit anständiger Andacht, aber ohne religiösen Enthusiasmus.
Weniger Modesucht, Nachahmung und französische Sitten findet man in keiner der Reichsstädte. Noch hat kein Franzose, selbst als Sprachmeister hier gedeihen können, auch jetzt hat und verlangt die Stadt keinen dieser in Deutschland so reichlich verstreuten Menschwesen.
Den Sitten sieht man das Obersächsische schon an. Die eiserne Tätigkeit, das harte, verdrossene Arbeiten, die gefurchten Stirnen der Niedersachsen sind schon verschwunden. Der Dialekt ist hochdeutsch mit Vermischung plattdeutscher Redensarten.“
Im 20. Jahrhundert gab es keine Typologie des modernen Nordhäuser Stadtbewohners bzw. war die Charakterisierung des Bevölkerungstypes nicht mehr gefragter Teil der Wissenschaft. In einem Gutachten zur Stadt Nordhausen 1946/47 wird konstatiert, dass „der Typ des Nordhäuser Menschen“ durchaus bestehe; er ist im Grunde thüringisch mit einigen niederdeutschen Anklängen. Die Bevölkerung trage ganz überwiegend thüringisches Wesen[1] und zwar sowohl in physiognomischer wie volkskundlicher Art. Niedersächsisch. ist man erst westlich und jenseits des Harzes.- Städte prägnanter Eigenart haben ihren besonderen Einwohnercharakter auch in der Periode der neuzeitlichsten Verkehrswirtschaft noch geprägt, und gerade Nordhausen konnte seine Menschen noch spezifisch formen, weil ein großer, anderwärts gleichmachender Faktor hier erst ansatzweise vertreten ist; der Großkapitalismus, der mit seinen Großbetrieben den Örtlichen Massenschencharakter zum Massentyp einzuebnen pflegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde prognostiziert, dass der städtische Schlag des Nordhäusers sich erneut bilden und vielleicht etwas abgewandelt durchsetzen wird.
Zusammenfassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Nordhausen blühte im Mittelalter rege auf,
- nahm zu Beginn der Neuzeit vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts jedoch nur unbedeutend zu bzw. neigte mehr zur Stagnation,
- gehörte von 1800 bis 1939 zur Spitzengruppe des Wachstums im Vergleich der Thüringer- und Harzer Städte,
- in absoluter Einwohnerzunahme seit 1800 unter den Nachbarstädten nur von Mühlhausen und auch von dieser nur knapp übertroffen wurde,
- in Teilperioden gesehen die Nachbarorte in absolutem und meistens ebenfalls in relativem Aufblühen übertraf,
- wesentlich stärker anschwoll als sein jeweiliger Landkreis, d. h. dass es in diesem ein Übergewicht innehatte und den Bevölkerungsschwerpunkt derstellte,
- durch die Luftangriffe auf Nordhausen 1945 einen außerordentlich schweren absoluten und relativen Rückschlag erlitt.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Saxothüringisch nach W.Hellpach: Deutsche Physiognomik. Berlin 1942, S. 113.