Nordhausen (Kunstführer, 1929)

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Nordhausen
Reihe Deutsche Kunstführer
Band-Nr. 30
Autor Oskar Doering
Verlag Augsburg: Dr. B. Filser
Erscheinungsjahr 1929
Umfang 79 S.: Illustrationen
Stand: 30. Januar 2016
Digitalisat: [PDF (20 MB, 102 Seiten)]
Editionsrichtlinien:
  • Es wurden nur wenige Illustrationen übernommen (oder durch alternative Fotos ersetzt). Das Digitalisat ist hingegen vollständig.
  • Sperrschrift wird nicht wiedergegeben.
  • Dieser Text wurde teilweise Korrektur gelesen und spiegelt somit keinen endgültigen Bearbeitungsstand wider.

Einleitung

Im Jahre 1927 hat die Stadt Nordhausen die Feier ihres 1000jährigen Bestehens begangen. Mit Recht ist man dabei der Auffassung gefolgt, daß erst seit dem Jahre der Gründung des Domstiftes von einer Geschichte der Stadt gesprochen werden kann. Zwar hat die Burg Heinrichs I. schon einige Jahre zuvor bestanden, und es mag erlaubt sein, die Existenz einer unter ihrem Schutze entstandenen kleinen Ansiedlung anzunehmen — zwar gab es an dem Platze der Merwigslinde einen Kultort von unbestimmt wieviel höherem Alter. Was dem Heidentum und was der Königsmacht nicht gelungen war, das gelang der Kirche. In diesem Sinne genommen ist das Jahr 927 der Anfangspunkt der Geschichte Nordhausens. Ohne das Domstift wäre diese Stadt niemals das geworden, was sie Jahrhunderte hindurch gewesen ist.

Seit Anbeginn steht Nordhausen als eine der wichtigsten Kulturstätten Deutschlands da. Schon lange aber vor der Gründung des Stiftes haben Menschen in dieser Gegend gewohnt, denen ein schlichter, klarer Kunstsinn eigen war. Die Funde vorgeschichtlicher Gegenstände beweisen das. So reicht die Geschichte der Nordhäuser Heimat zurück bis in frühes Mittelalter, ja bis in Zeiten, aus denen schriftliche Kunde nicht erhalten ist. In der Kunst des Mittelalters vereinigt sich Schönheitsfreude mit rastlosem Suchen nach dem tiefsten, letzten Sinne. Daher die stille, sichere, freudige Unbefangenheit der alten Kunst. Daher die unwiderstehliche Gemütswirkung, welche die Kunstwerke jener alten Zeiten, die größten wie die schlichtesten, bis zum heutigen Tag ausüben. Sie bietet sich dem, welcher die alte Kunst Nordhausens mit bereitem und offenem Sinne zu sich sprechen läßt. Viel zu wenig bekannt ist sie. Darum übergeben wir dieses Buch der Öffentlichkeit.

Zwar nicht ohne Trauer. Immer wieder meldet die Geschichte der Stadt von Bränden. Seit dem 13. bis in das 18. Jahrhundert hat Feuer dort Kostbares vernichtet. Auch hat Roheit zerstört, Verständnislosigkeit hat Verfall und Verlust fördern geholfen. Und dennoch, allen Schäden zum Trotz, welch ein Reichtum! Denn durch seine geographische Lage hat Nordhausen an der Kultur des Nordens, wie des Südens und Südwestens Anteil gehabt, wenngleich es den letzteren Richtungen dank der Natur und Geschichte stärker zugewandt bleiben mußte. Vor allem die Kunst der Kirche. Die Zerstörungen gingen an den kirchlichen Gebäuden und ihrem kostbaren Inhalt in Nordhausen leichter vorüber. Selbst der Dom, der am schwersten zu leiden hatte, bietet noch wunderbar viel. Er ist aber auch gleichzeitig unter allen Kunstdenkmälern Nordhausens gerade infolge seiner bewegten Geschichte dasjenige, das der Forschung die schwierigsten, fesselndsten Fragen vorlegt. — Die Kunst der Spätzeit ist in Nordhausen nicht eben ergiebig. Die kirchliche kommt seit der Reformation fast zum Stillstände, die weltliche zeigt sich wenig schöpferisch. Aber die bürgerlichen Bauten sind doch beachtenswert genug. Noch heute schwebt über dem Ganzen, selbst an stark veränderten Stellen, schon dank der ungezwungenen Zeichnung der Straßenlinien, wie der mit bewunderungswürdigem künstlerischem Takte durchgeführten Behandlung der teilweise großen Schwierigkeiten des Geländes, der Hauch und Geist ferner großer Kunstepochen. Was uns in Nordhausens alten Straßen entgegentritt, ist urgesunde Kunst eines tüchtigen Volksund Bürgertums -— eines Gemeinwesens, dem der Stolz auf vielhundertjährige Reichsfreiheit kraftvoll und leistungsförderlich im Blute lag.

Wir hoffen, daß auch die Kapitel über die romanischen Bauten von Münchenlohra und Lohra, zumal auch über Walkenried willkommen sein werden.

Die Bezeichnungen rechts und links gelten durchweg im heraldischen Sinne (vom Werke, nicht vom Beschauer aus).

Noch ist allen jenen Dank zu sagen, die durch ihr freundliches Entgegenkommen das Entstehen dieses Buches gefördert haben. Es sind die hochwürdigen Vorstände des katholischen Domes und sämtlicher protestantischen Kirchen. Es ist der Magistrat der Stadt Nordhausen, insbesondere Herr Stadtschulrat Dr. Koch. Es sind ferner die Herren Lehrer a. D. Karl Meyer und Stadtarchivar Dr. Heineck. Besonderen Dank spreche ich schließlich auch an dieser Stelle dem Herrn Museumsdirektor Dr. August Stolberg aus.

Dachau b. München, 1929

Dr. Oscar Doering

Geschichtlicher Überblick

Siedlung am Frauenberge um 780—790. Um 910 Erbauung einer Burg durch Heinrich I.; daselbst 920 Geburt Heinrichs, des Sohnes Heinrichs I. und Mathildes. Der jener Burg beigelegte Name Nordhausen urkundlich zuerst 13. Mai 927. Mathilde gründet das Domstift (später benannt „zum hl. Kreuz“) 961. Über die Geschichte des Stiftes vgl. das Kapitel „Der Dom“. Nordhausen wird durch Barbarossa dem Domstift überlassen 16. März 1158. Eroberung Nordhausens durch Heinrich den Löwen Mai 1180. Bis gegen 1200 vollzieht sich die Ausbildung der Neustadt und des Altendorfes. Das Nonnenkloster auf dem Frauenberge wird gegründet. Belagerungen Nordhausens durch Hermann von Thüringen und Otto IV. Des letzteren Hochzeit in Nordhausen 22. Juli 1212. Friedrich II. wandelt das Nonnenkloster in ein Domherrenstift um 27. Juli 1220. Nordhausen wird reichsfrei! Allmähliche Entwicklung des bürgerlichen Lebens in Nordhausen. Erstes Stadtsiegel um 1225. Um 1230 Niederlassung der Franziskaner in Nordhausen. Stadtbrand 1234. Die St. Blasiikirche gegründet. Erste Urkunde des Stadtrates 2. Februar 1266. Umbau des Domes seit Ende des 12. Jahrhunderts bis 1267 (Vollendung des Chores). Die Burg zerstört um 1277. Weihe der Spendekirche 1278. Erstes Rathaus um 1280. Kapelle zu St. Cyriakus eingerichtet bei dem bereits bestehenden Hospital 1281. Einzug der Dominikaner in Nordhausen 1286, wo ihnen 1287 Niederlassung gewährt wird. Die Georgskapelle am (späteren) Kornmarkt 1289. Der Bau der Petrikirche beginnt um 1290. Die Cisterzienserinnen, die seit 1238 ein Kloster in Bischoferode gehabt hatten, ziehen in das Altendorf 1294.' 1295 Gründung des Klosters Himmelgarten. Die Stadt erhält starke Befestigungen um den Anfang des 14. Jahrhunderts. Der Deutschritterorden in Nordhausen 1307. Die Jakobikirche erbaut um 1310. Nachdem bisher nur die Schule des Domstiftes existiert hatte, wird die Errichtung einer Stadtschule durch Papst Johann XXII. bewilligt 1319. Der Aufstand der Bürger gegen die Geistlichkeit 1324—1326 endet zugunsten der letzteren. Kämpfe zwischen den Ständen der Stadt seit 1338. Judenverbrennung angeblich 5. Mai 1349. Großer Umbau des Rathauses 1360. Die Nikolaikirche erbaut in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Erneuerung und Erweiterung der Stadtbefestigungen 1365 bis 1406. Das Riesenhaus zuerst erwähnt 1375. Aufstand der Kleinbürger gegen die Geschlechter endet mit dem Siege der ersteren 14. Februar 1375. Das Martinhospital durch die Brüder Segemund gestiftet 1389. Der Roland zuerst erwähnt 1441. Nordhausen Mitglied der Hansa 1430—1432. Das Elisabethhospital gestiftet 1436. Im gleichen Jahre kaiserliche Genehmigung zur Anlage von Außenbefestigungen; ihr Bau zieht sich bis 1487 hin. Die jetzige Blasiikirche erbaut in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Seit etwa 1500 beginnt in Nordhausen das Branntweinbrennern Bei der Kreiseinteilung des Reiches auf dem Reichstage zu Köln 1512 wird Nordhausen dem niedersächsischen Kreise zugeteilt. Die Reformation in Nordhausen: erste protestantische Predigt in der Petrikirche 1522. Michael Meyenburg wird Syndikus von Nordhausen 1523 (Bürgermeister seit 1547, f 1555). Rasche Durchführung der Reformation. Heftiges Einschreiten gegen Katholiken und Juden. Stadtbrand 1540. Die Freiheit des Domstiftes, das katholisch bleibt, gewährleistet. Rathausneubau 1608—1610. Stadtbrand 1612. Pest 1626. Die Schweden in Nordhausen 2. März und 19. Juli 1632. Schwedisches Attentat auf den Roland 1647. Pest 1681—1682. Brand der Unterstadt 4. Mai 1686. Erneuerung der Altendorfer Kirche 1697. Verheerender Brand in der Oberstadt (westlicher Teil) 23.—24. August 1710. Abermaliger großer Brand in der Oberstadt (nördlicher und östlicher Teil) 21. August 1712. Erneuerung des Rolandes 1717. Neubau der Jakobikirche 1744—1749. Preußen erhält die Reichsstadt Nordhausen 23. Mai 1802, Bestätigung der Einverleibung in Preußen 6. Juni 1802. Besitzergreifung der Stadt; Verlust der Reichsfreiheit 2. August 1802.

I. Die Heinrichsburg

Lage nach den 1740 von Lesser angefangenen, neuerdings durch Karl Meyer und Otto Riemenschneider fortgesetzten Untersuchungen in der Nähe des Domes an der Nordseite der Bäckerstraße unweit der „Finkenburg“, deren uralter Name auf Heinrich den Finkler zurückweist. Das schroff abschüssige Gelände, auf welchem Heinrichs Gemahlin Mathilde ihre Kirche erbaute, war vorweg für Anlage einer Burg besonders geeignet. Reste von Kellern im Logengarten, unter der Finkenburg und im katholischen Gemeindehause, zugehörig der Keller der 1899 abgebrochenen Probstei; vielleicht auch Teile der Unterbauten der Domtürme. Nach Riemenschneider auch die Domkrypta ein Befestigungsteil der Burg, so auch der östliche und westliche Teil des Kreuzganges. Zugehörig ferner der noch heute so genannte „Königshof“ mit den unter seinem Gebäude befindlichen alten Kellern. Hoftag Philipps von Schwaben 15. August 1207 zum Zwecke der Verhandlungen mit Otto IV., sowie mit den Abgesandten des Patriarchen von Jerusalem und den Großmeistern der Tempelherrn und der Johanniterritter, die im Abendlande Hilfe zum Schutze des hl. Grabes suchten. Großes Turnier 1263. Der letzte Kaiser, der die Nordhäuser Pfalz besuchte, war Adolf von Nassau 1297 — also zu einer Zeit, als der Dom, der, wie von Anfang her, noch immer von dem Burgbezirke umschlossen wurde, bereits den frühgotischen Umbau hinter sich hatte. Heinrich der Löwe zerstörte die Nordhäuser Burg teilweise. Zweite Verwüstung durch die Bürger der Stadt 1277 in dem Streite mit Rudolf I. Nordhausen in Reichsacht bis 1280. Die Überreste der Burg und der zu ihr gehörenden Gebäude im Laufe der Zeiten teils beseitigt, teils mit andern Häusern überbaut. Von der ehemaligen Befestigung des Dom-(und Burg-)Bezirkes noch ein romanisches Tor zwischen dem Dom und der Wassertreppe erhalten.

II. Sakralbauten

Die Frauenbergkirche

Geschichte. Erste Erwähnung 1200. Der Name der Kirche „St. Mariae novi operis11 „Neuwerk11, deutet nicht unbedingt an, daß dieser Bau an die Stelle eines älteren getreten sei. Erste Äbtissin Jutta, Cister-zienserin aus Wöltingerode bei Goslar. Schutzbrief Friedrichs II. 1237. Bestätigung der Klostergüter durch Papst Innocenz IV. 1246. Aufhebung des Klosters 1558.

Baugeschichte der Kirche. Ältestes kirchliches Denkmal Nordhausens. Erbaut außerhalb der Stadt seit Mitte bis Ende 12. Jahrhunderts vom Chor gegen Westen fortschreitend. Ende 15. Jahrhunderts Erweiterung der Ostpartien der Seitenschiffe, Vergrößerung der Chor-, Querhaus- und nördlichen Langhausfenster, etwas später Neubau von Gebäuden des Klosters. Herstellungsarbeiten an der Kirche (Sicherung des Gewölbes, Erweiterung der Südfenster) 1713, 1820, 1846, durch Adolf Zeller aus Charlottenburg 1909—1912. Vgl. unten.

Beschreibung. Dreischiffige, romanische, kreuzförmige Pfeilerbasilika, Länge 38 m, Breite des Mittelschiffes 5,3 m, die der Seitenschiffe 2,73 m, also Verhältnis 1:2:1. Mittelschiff mit drei, entsprechend die Seitenschiffe mit sechs Gewölbejochen. Die Joche haben rechteckige Form. Ursprünglich alles mit flachen Holzdecken. Pfeiler quadratisch mit schlichten, aus Platte und Schmiege zusammengesetzten Kämpfern. Chor ehemals mit drei halbkreisförmigen Apsiden, von denen die beiden seitlichen durch späteren Ausbau der Kreuzarme beseitigt worden sind. Mittelapsis mit drei ursprünglich kleinen, später verlängerten Fenstern. Einfache Kreuzgewölbe zwischen im Mittelschiffe schwach spitzbogigen Gurtbögen. Achteckiges Glockentürmchen über der Vierung. Chor und Querhaus als älteste Bestandteile technisch sehr gewissenhaft und fein ausgeführt. Mittelschiff jünger, sichtlich weniger sorgfältig, etwas höher als das Querhaus. Die Pfeiler durch die Gewölbelast leicht nach innen ausgebogen. Chorapsis und Querhaus mit Rundbogenfriesen; die an den Kreuzarmen deuten mit ihrer Kleeblattform auf Verwandtschaft dieser Partie mit Teilen der Cisterzienserkirche von Münchenlohra. An der Nordseite des Chores, nach der Änderung des dortigen Anbaues durch Zeller, ein großes Radfenster wiederhergestellt. Westportal rund-bogig, ruhig monumental. Gewände vierstufig nach innen verengt, mit Wechsel von kantigen Pfeilern und freistehenden Säulen; letztere mit schönen Knospenkapitellen. Tympanon ohne Schmuck (ehemals bemalt gewesen?); im Scheitel des Kreisbogens ein Kopf; ebenso einer im Scheitel der Archivolte, deren Ausbildung jener des Türgewändes entspricht. Beide getrennt durch attisches Kämpfergesims. Rechts und links oben eine Rose im quadratischen Felde. Basen der Säulen attisch, mit Eckblättern. — Eine Krypta fehlt. Der Kreuzgang des Klosters befand sich an der Südseite der Kirche.

Schmuck und Einrichtung. Mosaiken an Außenseiten neu.

Kanzel. Von Joh. Chr. Otto, 1769, hübsche Barockarbeit.

Orgel, klassizistisch.

Taufgestell neu nach Entwurf von Zeller an Stelle eines von Joh. Chr. Otto geschnitzten Rokokowerkes.

Altar, geschnitzt 1459: Mittelbild Kreuzigung, naturalistische Schilderung. Seitenteile mit je vier Passionsszenen: rechts Christi Höllenfahrt, Kreuzabnahme, Ecce homo, Christus erscheint der Maria Magdalena als Gärtner; — Gebet am Ölberg, Judaskuß, Geißelung, Verspottung. Rückseiten der Flügel mit Barockmalereien: Aufrichtung der ehernen Schlange, Kreuzigung. Die ornamentalen Teile des Altaraufsatzes 1831 zerstört, ebenso die Inschrift.

Grabsteine. Vikar Bertold (f 1360), Ritzzeichnung. Probst des Frauenbergklosters Theodor von Kulstedt in priesterlichem Gewände, den Kelch segnend, und seine Schwester Margarete. Ritzzeichnung. Figuren unter Baldachin stehend, dessen tragende Säule die Fläche in zwei Teile scheidet. Die Inschrift gibt das Sterbejahr des Probstes mit der Zahl MCCCLXX nur vorbereitend an (in Wirklichkeit lebte er noch 1379).

Kriegerdenkmal, schmiedeisernes Werk nach Entwurf von Zeller.

Klostergebäude. (Vgl. auch unten „Fachwerkgebäude“.) Fachwerkbau mit von unten auf durch die Geschosse aufsteigenden Stielen, also früher mittelalterlicher Herkunft (13. Jahrhundert?). Am gleichen Klosterhofe ein zweites Haus, gleichfalls Fachwerk. Die kleinen Zimmer mit Holzvertäfelungen. Besonders gut erhalten und malerisch das sogenannte „Kommunzimmer“.

Ältere Glocken. 1. Gestreckte, altertümliche Form. Ohne Inschrift. 2. Eine Glocke, 1440, vom Gießer Tollius, Minuskelumschrift, Bild der hl. Barbara. Im Kriege abgeliefert.

Antependium. Um 1400. Jetzt im Städtischen Museum. Besteht aus zwei Reihen von je fünf, abwechselnd roten oder grünen, mit Stickereien bedeckten Tuchvierecken. Seitenlange der Vierecke durchschnittlich 0,30—0,32 m. Länge des ganzen Stückes mit den zugehörigen Bordüren (Breite 0,14 m), 1,75 m, Höhe 0,64 m. Da nach deutlichen Spuren noch eine dritte Reihe vorhanden gewesen ist, so ergibt sich daraus eine einstige Höhe, die für ein Altarantependium die richtige ist. Stickereien: zumeist biblische Szenen des alten und neuen Testamentes. Umrisse aus ganz feinen, ehemals vergoldeten Lederstreifen, farbige Stickerei, Zwirn und Seide mit Stilstich. Stellenweise aufgelegte Lederscheibchen. Die Bilder eingerahmt von Achtpässen, in denen sich Reste von Inschriften befinden; die Zwickel mit Blattwerk ausgefüllt. Farben rot, gelb, blau, grün, weiß, schwarz, violett, bräunlich, auch Gold. Zeichnung naiv, unbeholfen, altertümlich stilisierend. Darstellungen der oberen Reihe: Gespräch der Königin Ise-bel mit ihrem Gemahl Ahab, der sich im Zorn, daß er Naboths Weinberg nicht haben soll, zu Bett gelegt hat (1. Könige 21.); — Moses auf dem Berge Horeb mit Gott sprechend (2. Mos. 4); —- Elias verkündigt dem Ahah die Strafe für die Ermordung Naboths (1. Könige 21); — Ermordung des Urias (2. Sam. 11); interessant stilisierte Schilderung der Belagerung der heidnischen Stadt Rabba; die Krieger in Kettenpanzern und Topfhelmen; — Verkündigung des Engels bei Maria. Darstellungen der unteren Reihe: die heilige Familie; — innerhalb einer spätgotischen Hallenarchitektur ein Brunnen, oben ein Löwe, rechts und links je zwei Wappen; — Salomo auf seinem, auf sechs Stufen stehenden, von zwölf Löwen bewachten Throne sitzend, unten die Königin von Saba, auf Knien Geschenke darreichend (1. Könige 10); — Christus als guter Hirt; Krönung Marias, von Kielbogen überwölbt; Wappen.

Der Dom

Geschichte. Wegen Vernichtung des Stiftsarchives im Dreißigjährigen Kriege und zu Anfang des 19. Jahrhunderts Nachrichten nur spärlich. Gründung als Frauenkloster zu Ehren der hl. Jungfrau, Johannis des Täufers und des hl. Eustachius 961 durch Mathilde, die Witwe des Königs Heinrich I. Otto II. erteilt in Vertretung seines Vaters 962 dem Kloster Markt-, Zoll- und Münzrecht. Otto I. verheißt seiner Mutter im Juni 965 zu Köln seinen und seiner Nachkommen Schutz der neuen Stiftung und bestätigt die Zusage später nochmals in Nordhausen. Der Bau 967 noch nicht vollendet. Otto III. schenkt der Kirche eine Partikel des hl. Kreuzes. Daher der Name „Kreuzstift“, ecclesia sanctae crucis. Hohe Verehrung dieser Reliquie, Prozessionen, Wallfahrten. Vernichtender Brand des Klosters bei der Zerstörung der Stadt durch Heinrich den Löwen 1180. Verwandlung des Frauenklosters in ein Chorherrnstift durch Friedrich II. 1220. Gerichtsbarkeit, Zoll- und Münzrecht des Stiftes gehen an das Reich über. Das Stift wird durch Zuweisung der Nikolai-, Peters-, Marienkirche außerhalb der Mauern (Frauenberger Kirche, damals novum opus, Neuwerk, genannt), sowie durch andere Schenkungen entschädigt. Neue kaiserliche Spenden (im März) 1223 bei Bestätigung der vorigen Bestimmungen durch Friedrich II. und (im September) durch seinen Sohn Heinrich ; letzterer fügt noch das Patronat über die St. Blasiikirche hinzu. Am Ende des 13. Jahrhunderts kommen dazu noch die Jakobs- und die Kirche Maria im Tale (Altendorferkirche). —- 1234 Stadtbrand, bei dem auch der Dom mit den zugehörigen Gebäuden schwer leidet. — 1319 Streit des Stiftes mit der Stadt in Schulangelegenheiten. Bürgeraufstand gegen das Stift 1324. Die Kirche wird städtischer Pferdestall. Nordhausen im Interdikt; als dieses nicht hilft, zweijährige Belagerung der Stadt durch den Erzbischof von Mainz. Vergleich 1326. Der Einführung der Reformation entgeht das Stift unter dem Schutze des Kaisers trotz der heftigen Bemühungen des Stadtrates. Endgültige Sicherung des Stiftes für den Katholizismus durch Schutzbrief Karls V. vom 14. März 1531. Dauer des unerfreulichen Verhältnisses zwischen Stadt und Stiftskapitel. Neuer Schutzhrief Rudolfs II. 1582. Im März 1632 Plünderungen des Domes durch die Schweden; durch die Kaiserlichen 1637; der größte Teil des Domar-chives vernichtet. Letzter kaiserlicher Schutzbrief durch Ferdinandlll. 1651. 1702 geht das Schutzrecht an Preußen über. Prozeß des Domkapitels gegen den Rat 1718, zum Schutze seiner durch das Restitutionsedikt gesicherten Privilegien, endet mit einem Vergleiche, doch bekämpft der Rat auch weiterhin das dem Stifte zugesprochene Recht der Gerichtsbarkeit. Äußerliche Beendigung des Streites im Sinne des Stiftes durch den Reichshofrat 1747. 1802, 2. August, hebt die preußische Regierung die Gerichtsbarkeit des Stiftes auf, nimmt das Archiv weg, beseitigt die Insignien der Reichsfreiheit. Aufhebung des Domstiftes 1. Dezember 1810. Am 22. letzter Gottesdienst im Dome. Die Stiftsgüter werden verschleudert. Demonstrative Ansiedlung der Freimaurerloge auf dem Domgebiete. Nach Beseitigung der französischen Regierung bleibt der Dom katholische Pfarrkirche unter königlich preußischem Patronate.

Baugeschichte. Von der durch die Königin Mathilde erbauten Kirche keine bisher nachweisbaren Spuren erhalten. Immerhin möchten Nachforschungen nicht ohne Erfolg sein. Noch wahrscheinlicher ist dies betreffs der romanischen Kirche, die auf der gleichen Stelle erbaut worden ist. Von dieser sind noch vorhanden die unteren Teile der Türme mit ihren Apsiden und die Krypta, sowie Reste des Kreuzganges. Erbauungszeit um 1130. Der Chor erhob sich auf den Mauern der Krypta. Das Langhaus der alten Kirche erstreckte sich weniger weit nach Osten als das der jetzigen. Aus den durch die Krypta festgelegten Maßen des alten Chores ließen sich die des Langhauses beweisen, wenn wir auch sonst keinen Anhalt dafür hätten. Zweifellos war die Kirche dreischiffig; mit welcherlei Stützen, läßt sich nicht sagen. Wenn jene Anzeichen nicht trügen, welche die alte Nordhäuser Domkirche mit der Klosterkirche von Paulinzelle und durch Vermittlung dieser mit den Bauten von Hirsau in Verbindung setzen, wahrscheinlich eine Säulenbasilika. Hirsauisch die durch die östlichen Seitenapsiden bestätigte Verlängerung der Seitenschiffe über die Vierung hinaus längs des Hauptchores. — Aus der Breite der Krypta, auf deren Seitenmauern die westlichen Teile der jetzigen Chormauern stehen, ergibt sich die Breite des alten Mittelschiffes; dagegen nicht die der beiden Seitenschiffe aus der Breite der beiden Turmhallen, weil diese nur 2,25 m im Quadrat haben, während die Krypta etwas über 7 m hat. Die Strenge der Zeichnung dieser letzteren rechtfertigt bei der alten Kirche die Annahme des „gebundenen Systems“. Dem Mittelschiffe mit 7 m Breite müssen also die Seitenschiffe mit annähernd 3,50 m Breite entsprochen haben. Dieses Maß aber läßt die Seitenschiffe nach Norden und Süden über die Außenflächen der Türme hinauswachsen. Daraus erklärt sich die an jener Langhausmauer, die an die Türme rechtwinklig anstößt, zu beobachtende Erscheinung, daß diese älterer Herkunft sind als der übrige Langhausbau, also mit großer Wahrscheinlichkeit wenigstens teilweise noch dem romanischen Bau angehören. Sie sind auch etwas stärker als die Mauern des jetzigen Chores und Langhauses. Wieviele Gewölbejoche die alte romanische Kirche besessen hat, läßt sich in Ermangelung genauerer Untersuchungen, die etwa durch Grabungen anzustellen wären, nur vermuten, doch dürfte die Zahl keinesfalls über vier hinausgegangen sein, weil ein fünftes Joch nicht nur eine ästhetische Mißwirkung verursacht, sondern auch die Westpartie des Baues zu nahe an den steilen Bergabhang herangeführt hätte. Die innere Längenerstreckung der alten Kirche mit ihren drei Paar Haupt- und drei Paar Zwischenstützen (Säulen?) betrug also 28m, ihre lichte Breite 14, ein klares Ebenmaß. So war jene Kirche nicht zu lang, als daß sie nicht von Westen her einen bequem zugänglichen Haupteingang hätte haben können, welcher der späteren gotischen ihrer Länge halber versagt bleiben mußte. Da nun der Kreuzgang (an der Nord-, nicht an der Südseite der Kirche) bei dieser Ausmessung der alten Kirche um seine ganze Breite über ihre Westfront gegen Westen hinaustritt, so hatte er einen längeren Westflügel, als der jetzt erhalten gebliebene. Daraus dürfte zu schließen sein, daß er nicht in die Kirche selbst mündete (wie dies der östliche getan haben muß), sondern in eine westliche Vorhalle, die gemäß der Breite des Kreuzganges, wegen der örtlichen Situation, nicht wohl tiefer gewesen sein kann als 3,50 m, wodurch dann ein vollkommener Einklang mit der Breite der Seitenschiffe hergestellt war. Zugleich ergibt sich, daß das Langhaus der alten romanischen Kirche mit der Vorhalle die gleiche Länge besaß wie die jetzige Kirche. Möglich, daß die Notwendigkeit, bei dem gotischen Neubau das südlichste Ende zweier Flügel abzuschneiden, zu dem Entschlüsse geführt hat, den Kreuzgang überhaupt umzugestalten, eine Arbeit, mit der man nicht zu Ende kam. So zeigt der erhalten gebliebene Westflügel des Kreuzganges jetzt immer noch die Überreste des romanischen Baues, davor die Anfänge der gotischen Umgestaltung; die neue Wölbung ist nicht zustande gekommen.

Die alte romanische Kirche war also eine dreischiffige, vielleicht auch kreuzförmige Basilika mit zwei Türmen und drei östlichen Apsiden. Das Langhaus im Mittelschiffe mit vier Quadraten von 7 X 7 m, die Mittelschiffmauern auf jederseits drei Stützen (Säulen?) ruhend, denen je vier Stützen der Scheidbögen entsprachen. Ob die ganze Kirche gewölbt war, oder in allen drei Schiffen oder etwa nur im mittleren eine flache Balkendecke hatte, läßt sich nicht sagen; die Wahrscheinlichkeit spricht für das letzte. Westliche Vorhalle, in die der Kreuzgang mündete.

Der Bau der Türme ist in drei kurz aufeinander folgenden Perioden erfolgt. Beweis: die Verschiedenheit des Steinmaterials. Näheres unten. — 1227 Papst Honorius III. erteilt Ablaß für Herstellung des Domes. 1267 Weihe des neuen frühgotischen Chores. Mitte 14. Jahrhunderts Neubau des Langhauses begonnen; da Verlängerung nicht möglich, wird der neue Bau breiter als der alte. Die Kirche erhält (gleich der alten ?) eine horizontale Holzdecke. Seit 1444 weitere Bautätigkeit am Langhause. Vergrößerung der Fenster. Umbau des Kreuzganges beginnt. Anfang des 16. Jahrhunderts Beginn der Ein Wölbung des Langhauses. Steinmetz Valtin, Maurermeister Hans Ziegler von Worbis. Das nördliche Seitenschiff und je drei östliche Joche des Mittel- und südlichen Seitenschiffes bleiben ungewölbt (so bis ins 19. Jahrhundert). 1525 Zerstörung der Margaretenkapelle am Kreuzgange. 1762 werden die Trümmer dieses Baues beseitigt, gleichzeitig der Nord- und Ostflügel des Kreuzganges abgebrochen. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts unbedeutende Sicherungsarbeiten. 1842 Einwölbung des nördlichen Seitenschiffes, Vollendung der östlichen Seitenmauer in Quaderbau. Leitung: Bauinspektor Voß. 1852 die Orgelbühne errichtet (Bildhauer Fichter und Wagner). Herstellung der südlichen Vorhalle. Weitere Herstellungsarbeiten seit den 90er Jahren.

Baubeschreibung. Der Dom bietet ein Gemisch stilistisch verschiedener, nicht zu ausgeglichener Erscheinung vereinigter Teile. Der Chor frühgotisch mit geradlinigem Abschlüsse gegen Osten, breiteres gotisches Langhaus, nördlich und südlich über den Chor hinaustretend; in den Ecken am Westende des Chores die beiden schlanken, spätromanischen Türme, aus deren Ostwänden je eine halbrunde Apsis herauswächst. Das Dach des Langhauses steigt, gezwungen durch die Gewölbe der Hallenkirche, zu bedeutender Höhe auf — mehr als 4 m über die Oberkante der Türme, die dadurch in ihrem Eindruck empfindlich beeinträchtigt werden. Raumwirkung des Innern mit den schlanken Pfeilern, den malerischen Gewölben und den, weiches Licht spendenden Fenstern, groß und bedeutend. Freilich erscheint der Chor zu schmal. Langhaus: Breite des Mittelschiffes 10,4 m, der Seitenschiffe je 7,1 m. Das Verhältnis ist also annähernd 2:3:2. Eine gleich günstige Abgewogenheit zwischen Länge und Breite des fast quadratischen Langhauses. Selbst unter Zuhilfenahme der einstigen, westlichen Vorhalle Länge nur 32 m, Breite im Lichten 26,4 m; Länge des Chores 18,2 m, Breite 7,44 m. Der Fußboden des Chores liegt wegen der darunter befindlichen Krypta 1,43 m über dem des Langhauses. — Krypta dreischiffig; Kreuzgewölbe auf 6 kurzen derben Säulen und 12 Wandpfeilern, bzw. Halbsäulen zwischen breiten Gurten eingespannt, also 12 Gewölbejoche. Halbkreisförmiger Abschluß der Altarnische. Drei Lichtöffnungen gegen Osten. Attische Basen der Säulen mit spitz über den unteren Wulst heraufgezogenen Ecken der tragenden Steinplatte. Schlichte Würfelkapitelle mit schwacher halbkreisförmiger Belebung. Je eine Treppe von 8 Stufen in die Turmhallen. Letztere je ein Quadrat von 2,4 m, daran nach Osten, durch breite Gurtbögen geschieden, eine mit einem Halbkreisbogen geschlossene Altarnische. Das Mauerwerk der Türme deutet auf drei Bauzeiten: untere Partie glatter Quaderbau in Muschelkalk mit Querteilung durch zwei Flachbänder und Ecklisenen; Mittelteil rauh in Bundsandstein; oberer Teil Muschelkalk. Schallöffnungen in drei Stockwerken; die untersten mit Kleeblattbogenform.— Chor mit einfachen Kreuzgewölben in drei Jochen: ein etwas älteres großes östliches; von ihm durch einen Gurtbogen getrennt, zwei schmälere, der Gotik bereits näher stehende hintereinander gegen Westen. Chor östlich mit drei schmalen, schlanken, dicht nebeneinander aufsteigenden Fenstern (das mittlere höher als die seitlichen) mit gedrückten Spitzbögen und reichen Leibungen; südlich drei frei verteilte Spitzbogenfenster. Die Säulen an den Giebelfenstern mit Ringen und großzügig gezeichneten Blatt- und Knospenkapitellen. Die beiden äußeren Ecken des Chores sind gesichert durch lisenenartige flache Pfeiler, die schon unterhalb der Unterkanten der Fenster endigen. Unter dem Dachgesimse ein Rundbogenfries mit Diamantband, auch an der Linie des Ostgiebels auf- und absteigend hingeführt. An der Nordseite des Chores angebaut die frühgotische Sakristei; Innenraum mit zwei quadratischen Kreuzgewölben; drei kleine Spitzbogenfenster, ähnlich denen des Chores, in der östlichen Giebelwand. Die Zeichnung der ganzen östlichen, frühgotischen Partie des Domes deutet auf einen Plan voll Ernst, erhabener Schlichtheit und höherem künstlerischem Wert, als dem des späteren hochgotischen Erweiterungsbaues des Langhauses. Das Breitenmaß des frühgotischen Chores ist gleich dem des alten romanischen. Auf die Maße des gleichzeitig beabsichtigten neuen Langhauses läßt dies keinen sicheren Schluß zu. Fürs erste galt dem Stifte vorzugsweise die Rücksicht auf die seit Aufhebung des Nonnenklosters gesteigerten Bedürfnisse des Chordienstes. Hiervon abgesehen ist es typisch, daß mittelalterliche Um- oder Neubauten von Kirchen mit dem Chore beginnen. Es scheint, daß auch der Plan des nicht durchgeführten frühgotischen Baues, und daß ebenso der alte romanische Dom kein Querhaus gehabt hatten. Stark unterstützt wird diese Vermutung für den geplanten frühgotischen Dom durch das Modell, das sich in den Händen einer der gegen 1270 entstandenen Fürstenfiguren im Innern des Chores befindet. Wir sehen das getreue Abbild des heutigen Chores. Links (südlich) an ihn schließt sich der Turm; hinter diesem setzt sogleich das Seitenschiff des basilikal beabsichtigten Langhauses an. — Hier sei noch ein Wort über die Türme hinzugefügt. Sowohl der soeben erwähnte südliche, als auch der nördliche, den das Kirchenmodell in den Händen der einen der Fürstinnen deutlich zeigt, erscheint als im Bau noch unvollendet. Die Stümpfe beider ragen nur wenig über das Dachgesims des Chores empor. Da sich diese Erscheinung bei beiden Modellen wiederholt, so ist sie kein Zufall. Wir haben darin vielmehr den Beweis, daß die Türme zur Zeit, als jene Statuen entstanden, noch nicht fertig waren. Die endgültige Ausführung erfolgte nach den älteren Plänen. — Den Abschluß des Chores gegen das Langhaus bildet der Triumphbogen, der mit seiner gedrückten Form Verwandtschaft mit den Ostfenstern zeigt, doch ohne ornamentiert zu sein. — Der dem Namen nach nicht bekannte Meister des Chores hat sein Zeichen an den Konsolen des Chorgewölbes hinterlassen, je zwei eingeritzte Halbmonde. Es ist das gleiche Meisterzeichen, das sich auch in Walkenried und im frühgotischen Teile des Magdeburger Domes findet und auf Maulbronn deutet.

Das Langhaus, gleich dem alten dreischiffig, hat Hallenkirchenform. Zwei Bogenstellungen von beiderseits fünf Bögen trennen die Schiffe voneinander. In den Seitenschiffen Netz-, im Mittelschiffe Sterngewölbe. Die Arkadenbögen ruhen auf reich mit Diensten gegliederten, von Kapitellen mit streng gezeichnetem gotischem Laubwerke bekrönten achteckigen Pfeilern, die ursprünglich nur zum Tragen flacher Holzdecken bestimmt waren, daher mit den Gewölbebögen nicht organisch Zusammengehen. Den Bündelpfeilern entsprechen an der Westwand Halbpfeiler, an der Ostwand Konsolen. Abstand der Pfeiler untereinander rund 6,40 m. Starke Strebepfeiler an der Nord-, West-und Südwand. Schön gezeichnete Schlußsteine. Originelle sinnbildliche Spottfiguren. Belichtung des Langhauses jederseits durch drei große einteilige Fenster mit reich gezeichnetem spätgotischem Maßwerke. Dem südwestlichen Fenster entspricht nordwestlich die Tür zum Kreuzgange. Außer dieser Tür an der Nordwand des Langhauses noch ein Portal. Am Ostende der Südwand das Hauptportal, flankiert durch zwei Strebepfeiler, so daß hier eine Vorhalle entsteht, unterhalb des an dieser Stelle befindlichen Halbfensters durch ein Satteldach bedeckt. Reizende Verzierung mit Vierpaß-Maßwerk, dessen Spitzen in Lilien ausgehen. Gewände der Vorhalle in vier Absätzen nach innen verengert. Inneres mit Netzgewölbe. An den beiden nordöstlichen Strebepfeilern Ansatzspuren des Kreuzganges. Da die inneren Kanten der Pfeiler 5 m voneinander entfernt sind, so ergibt sich hieraus die lichte Weite des hier angrenzenden Baues, die erheblich jjrößer war, als die des gegenüberliegenden westlichen Kreuzgangflügels; hier möglicherweise einst das Refektorium oder eine der Kapellen, von denen nichts Näheres bekannt ist. Erwägt man hierzu die Unwahrscheinlichkeit, daß man die Strebepfeiler des Domes bei der in der Mitte des 15. Jahrhunderts vorgenommenen Erneuerung der Nordwand mit dem Gemäuer einer bereits vorhandenen älteren Architektur in Verband gebracht haben wird, so ist zu vermuten, daß damals jener Kreuzgangteil, der an die Nordostecke des Langhauses anstieß, mit der neu ausgebesserten Nordwand gleichzeitig entstanden ist, natürlich im Sinne später Gotik; Rückschlüsse auf den Nordflügel wären dadurch nahegelegt. Die Pforte, die einst in jene östliche Kapelle oder jenen Saal führte, ist noch vorhanden; sie entspricht dem nordwestlichen Eingänge. Oberhalb dieser Tür noch eine zweite, vermauerte ; sie bildete den Zugang zu den über dem Ostflügel des Kreuzganges befindlichen Räumen. Eine nähere Zweckbestimmung des südöstlichen Kreuzgangteiles ist nicht sicher zu gewinnen. Zerstörung der Maßwerke des Westflügels vielleicht schon durch die Bauern 1525. Diese haben auch die Margaretenkapelle arg verwüstet. Die Schweden mögen das Zerstörungswerk fortgesetzt haben. Jene Maßwerke zeigen alle die gleiche elegante Zeichnung. Sie bestand wohl aus einem mittleren Vierpaß, an den sich zu beiden Seiten kleeblattartige Bögen anschlossen; an eine Dreiteilung der Fenster durch zwei Pfosten ist nicht zu denken, da keine Spuren vorhanden sind. Die Kämpfer des Kreuzganges weisen interessanten symbolischen Figurenschmuck auf (mit den Schweifen verschlungene Vögel, Greifen u. dgl.). Formen nach orientalischen Motiven. Die von dem romanischen Kreuzgange noch erhaltenen Überreste bestehen, abgesehen von den Bögen, aus Säulenbündeln, Ansätzen von Gewölberippen und Gurtbögen, sowie reich gezeichneten Kapitellen mit stilisiertem Laubwerke. — Die Westwand des Domes ist durch vier alte Strebepfeiler und einen neueren gesichert; einen Eingang hat sie nie besessen. — Über und hinter dem westlichen Kreuzgangflügel das einstige Kapitelhaus. Es besitzt gegen Osten außer einigen kleinen viereckigen Fenstern ein etwas größeres zweiteiliges; das Maßwerk zeigt unterhalb eines Vierpasses zwei spitze Kleeblattbögen, dazwischen den steinernen Fensterpfosten. — Einem Spitzbogenportale des Domes hat ein Tympanon zum Schmucke gedient, das in Relief die Verehrung eines Kreuzes durch Engel darstellt. Ein schwebender hält es und wird von zwei knienden unterstützt, zwei zu den Seiten auf Postamenten stehende schwingen Rauchfässer. Alle Engel sind in lange priesterliche Gewänder gekleidet. Die Kreuzarme enden in Vierecken (Tatzenkreuz). Am Ende des absteigenden Balkens eine längliche Spitze, im Kreuzungspunkte der Arme eine ovale Kapsel. Im Scheitel des Spitzbogens der Pelikan, das Symbol der göttlichen Liebe. Das Kreuz ist das Abbild jener größten Kostbarkeit des Nordhäuser Domes, des durch das ganze Mittelalter hochverehrten Kreuzes mit der von Otto III. geschenkten Partikel des Kreuzes Christi, die in der Mitte des Kreuzes, in einer Kristallkapsel, angebracht war. Von dem übrigen reichen Schmucke des Kreuzes läßt das Relief nichts erkennen, wahrscheinlich hat ehemals Farbe nachhelfen müssen. Das Kreuz selbst gehört seit dem 17. Jahrhundert der Cyriakuskirche zu Duderstadt. Vgl. Abbildung.

Plastischer Schmuck des Domes. Wichtigste Einzelwerke. Die sechs Fürstenstatuen. Drei männliche an der südlichen, drei weibliche an der nördlichen Innenwand des Chores. Die etwas überlebensgroßen, poly-chromierten Figuren stehen auf figürlich geschmückten Konsolen unter streng architektonisch gezeichneten Baldachinen. Werkstoff Sandstein; Entstehungszeit Ende des 13. Jahrhunderts, Aufstellung nach der Vollendung des Chores ohne Zusammenhang mit dessen Architektur, die um ihretwillen stellenweise sogar beschädigt ist. Das in den Händen mehrerer befindliche Modell des Chores, bzw. stark vereinfachter Darstellung des ganzen Domes kennzeichnet die sechs Persönlichkeiten als Wohltäter des Domstiftes. Jeder Figur einen bestimmten Namen zu geben, ist nicht möglich; sicher jedoch, daß sich die hl. Mathilde, sowie Kaiser Friedrich II. unter ihnen befinden. Versuche, die Personen zu idealisieren, gelangen nur sehr unvollkommen. Die Gesichter zeigen alle den gleich rundlichen Typ, den gleichen starren Blick. Die Männer sind sämtlich bartlos. Verschiedenheit des Lebensalters angedeutet. Die eine der drei Frauen erkennbar als Matrone, der eine der Männer (mit Szepter und großem Schwert) als jüngerer Mann. Die Matrone ist die verhältnismäßig beste Leistung in porträtistischem Sinne, vielleicht dem Leben selbst nachgebildet. Das Lächeln, das allen übrigen Figuren so unnatürlich ansteht, hat in ihrem derbknochigen Gesicht etwas Ungezwungenes. Die Haltung des Sechs ist von traditioneller hoheitsvoller Ruhe, die Füße stehen nebeneinander. Die Arme trennen sich von den Körpern nicht, sind aber, samt den Händen, zwanglos bewegt. Darstellung der Hände unbeholfen. Durchweg fehlt bei den Männern das sonst in jener Zeit übliche, der ritterlichen Sitte entsprechende Motiv, daß die rechte Hand in das Band greift, das den Mantel auf den Schultern festhält. (Sie erscheint auf dem Grabsteine des Bürgermeisters Junge im Nordhäuser Dome, s. unten.) Andeutung ähnlicher Bewegung zeigen die drei Frauen mit ihren tief über die Brust hängenden Perlenketten. Die Haare sind bei den Männern anscheinend doppelt gescheitelt, in dichter Masse, im Genick zur vollen Locke gerundet. Bei den Frauen ist das Haar von einem bis auf die Schultern reichenden Kopftuche bedeckt. Alle Personen tragen schmale Kronreifen. Die bis in Kleinigkeiten (Knöpfe u. dgl.) sorgfäl-tigst geschilderten Gewänder sind Nachbildungen der frühmittelalterlichen Hoftracht. Schön die Führung des Faltenwurfes, verständnisvoll behandelt die durch die Gewandmassen hindurch fühlbare Andeutung der Körperformen. Mit ersichtlichem Interesse dargestellt sind die prächtigen Gewandschließen, die Szepter mit den reichen Kreuzblumen, die Verzierungen der Kronreifen, die großen Ketten der Fürstinnen. Dem Meister war offenbar die Goldschmiedekunst nicht fremd. Der eine der Männer trägt eine breite Mantelschließe in Gestalt eines Wappens; es zeigt einen Adler, als Schmuck dient ein Topfhelm mit Büffelhörnern, die mit Kleeblättern besetzt sind. Deutung des Wappens unsicher. -- Im ganzen haben wir mit den Werken eines Mannes zu tun, der in bester älterer Schule gebildet war, aber noch nicht die Kraft besaß, die traditionelle Stilisierung mit wirklichem Leben zu durchdringen. Sieht man in der deutschen Plastik damaliger Zeit nach Vergleichsbeispielen, so dürfte der Nordhäuser Meister mit den Verfertigern des Grabmales des Grafen von Gleichen im Dome zu Erfurt und dem des Erzbischofs Siegfried im Mainzer Dome in Verbindung zu bringen sein. Doch ist er insbesondere als Gewandschilderer bedeutender als jene. — Jede der Figuren trägt in der rechten oder linken Hand einen kurzen eisernen Stachel. Zweck unklar. Gegen die Verwendung als Lichtträger spricht, daß die meisten dieser Stachel etwas schräg stehen. — Die Konsolen, auf denen die Figuren stehen, sind zu oberst mit einem Kränzlein von Rosen, Kleeblättern oder anderem Laub in der Stilisierung der frühen Gotik umgeben. Weiter nach unten figürlicher Schmuck: Simson, der den Löwen bezwingt; die verstümmelte Figur eines Mannes (in Arbeitstracht?); ein Mann, der eine Trommel schlägt; — ein Mann, der auf einem Löwen reitet; zwei Teufel; eine verstümmelte Figur. Tiefere sinnbildliche Bedeutung nur bei einigen dieser Skulpturen zu vermuten, Sinnzusammenhang mit der auf der Konsole stehenden Person nicht zu erkennen. Statuen und Konsolen nicht von dem gleichen Künstler. Der letztere war in viel höherem Grade Naturalist, mit ungleich größerer geistiger Freiheit und technischer Gewandtheit. Stil und Auffassung der Konsolfiguren verweisen diese in die Nähe des Meisters des sogenannten Physiologusfrieses zu Straßburg. — Sonstige Bildhauerarbeiten. Vier barocke Heiligenfiguren, die aus der profanierten Klosterkirche Reifenstein (Kreis Worbis) hierher überführt sind; ferner noch einige geringwertige Standbilder der gleichen Zeit.

Das Chorgestühl. Werkstoff Eichenholz. Entstehungszeit um 1400. An jeder Chorwand je eine Reihe von Sitzen. Die zugehörigen Pulttische von je zwei Durchlässen unterbrochen. Jede der Sitzreihen endet nach rechts und links mit einer hohen geschnitzten Wange. Die dem Langhause zugekehrten sind massiv, die gegen den Hochaltar oben durchbrochen gearbeitet. Jede Abteilung der Pulttische ist desgleichen mit einer etwas niedrigeren, aus einer dicken, rechteckigen Bohle geschnitzten Wange (unten massiv, oben durchbrochen) besetzt. Die Rückwände zeigen oberhalb der Sitze Blendarkaden mit aufsteigenden Lisenen. Sie tragen reich und vielfältig gearbeitetes Blendmaßwerk mit spätgotischen Fischblasenmotiven. In den Zwickeln nördlich die Halbfiguren von 10 Engeln mit ausgebreiteten Flügeln, auf Instrumenten spielend, die musikgeschichliches Interesse bieten; an elfter Stelle ein entfliehender böser Geist. Südlich 12 Propheten, die über Stadtmauern hinwegschauen und Spruchbänder in den Händen halten. Die niederen Wände zwischen den Sitzen sind mit zierlich gearbeiteten, dem Leben nachgebildeten Köpfen von (nördlich) 13 männlichen und (südlich) 13 weiblichen Volksfiguren besetzt; Kopfbedeckungen kostümgeschichtlich interessant. Wie an den Rückwänden, so meldet sich auch an den westlichen Gestühlwangen die Formgebung der späten Gotik, hier durch erste Versuche des Kielbogens. — Die beiden westlichen (dem im Langhause versammelten Volke zugekehrten) Sitzwangen zeigen zwei Relieffiguren. Südlich die der Gründerin des Domstiftes, der hl. Mathilde. Herrlich gezeichnete, reich fließende Gewänder, durch welche die Körperformen sich kenntlich machen, eine prächtige Krone auf dem Haupte, leicht geschwungene Haltung; das Modell des Domes in den Händen. Bei diesem tritt das Langhaus noch nicht über die Türme hinaus; letztere zeigen, abweichend von der Wirklichkeit, Schallöffnungen nur in zwei Stockwerken, die Spitzen haben je vier Ecktürmchen. Die männliche Figur an der nördlichen Wange wird geläufig als Mathildes Gemahl, König Heinrich I., bezeichnet. Ein ausreichender Grund liegt dafür nicht vor. Mit mehr Fug ist an den Kaiser Friedrich II. zu denken, der das Frauen- in ein Chorherrnstift umwandelte und so der zweite Gründer wurde. Kunstreich gearbeitete hohe Krone. In den Händen Szepter und Reichsapfel. Die Tracht (Schellen, Hüftgürtel, weite Ärmel, Schnabelschuhe) ist die der Entstehungszeit des Gestühles. Beide Figuren voll ruhiger Monumentalität, die Haltung dabei ungezwungen, die Gesichter idealisiert, ohne Individualität. — Innenflächen der westlichen Gestühlwangen mit großzügigem aufsteigendem Rankenwerk. — Auffallend, daß die Ausschmückung des Chorgestühles zwar die beiden Gründer des Stiftes verherrlicht, aber in keiner Weise seiner wichtigsten Schutzheiligen gedenkt: der hl. Jungfrau und des hl. Johannes des Täufers. Um so ausführlicher beschäftigen sich die Darstellungen der Gestühlwangen mit der Legende des Nebenpatrons, des hl. Eustachius. Diese Bilder befinden sich auf den Außenseiten jener Wangen der Sitze, die dem Hochaltäre zugewandt sind. Wie bei dem gesamten Darstellungskreise des Gestühles, entsprechen die Bilder der Nord- und Südseite einander. Nördlich: der hl. Eustachius in der Jägerkleidung der Zeit (kurzer Rock und Mantel, Gürtel mit Tasche). Zu seinen Füßen zwei Jagdhunde. In der rechten Hand hält der Heilige den Kopf des Hirsches, der ihm auf der Jagd erschien. Zwischen den Geweihstangen ein Kreuz, unverkennbar Wiedergabe des dem Dom gehörenden Reliquienkreuzes (vgl. oben). (Tatzenkreuz, runder Mittelteil, Stachel zum Befestigen auf einer Prozessionsstange.) Mit dem Zeigefinger der Linken weist Eustachius auf das Kreuz hin, um seine Bekehrung zum Christentum anzudeuten. An der nordöstlichen Gestühlwange des Feldherrn Gemahlin Theopista, mit einem Kästchen, auf dem ein kleiner Hund liegt (Sinnbild der Treue, die sie, nach der Legende, ihrem Gatten hielt, als sie ihm genommen werden sollte). Anmutige, still sichere Haltung. Gewandung kostümgeschichtlich interessant. Die Oberteile der beiden östlichen Gestühlwangen zeigen zwischen großartig gezeichnetem Rankenwerke Tiersymbole (südlich: ein Adler, der eine Gans schlägt — ein Löwe, der ein Kalb raubt; ganz oben eine Sirene; — nördlich: ein emporklimmender Drache; oben ein drachenartiges Ungeheuer mit einem Menschenkopfe) zur Andeutung der über den Heiligen verhängten Unglücksfälle. In den Schnitzereien der östlichen Pultwangen scheint sich die Legende andeutungsweise fortzusetzen. Doch ist es nicht klar, ob die jederseits dargestellten aufsteigenden Löwen auf den durch ihresgleichen verübten Raub der Söhne des Eustachius hindeuten. Noch mehr Bedenken hat es, in den am unteren Teile dieser Wange abgebildeten Eremiten jene erkennen zu wollen, die sich der Söhne an-nahmen, sie erzogen und unterrichteten; die Söhne fehlen in diesen Reliefs gänzlich. Die westlichen Pultwangen zeigen die Auferstehung Christi nebst drei typologischen Vorgängen aus dem Alten Testamente. Rechts: unten Abraham, der seinen Sohn Isaak zur Opferung führt. Der Knabe trägt das Holzbündel. Kleidung der Kinder des 14. Jahrhunderts. Abraham trägt ein gewaltiges Schwert; seine Gesichtszüge drücken Liebe, aber auch Entschlossenheit aus: Vordeutung Gottes, der seinen Sohn für die Menschheit hingab. Oben Simson, der den Löwen bezwingt. Ritterliche Kleidung der Zeit. Gewaltiger Haar-und Bartwuchs. Die Haltung der allzu schlanken Beine geziert und unnatürlich. Im Mittelalter sehr beliebte Szene. Vordeutung Christi, der den Teufel besiegt. Links: unten Jonas, der dem Rachen des Walfisches, in dem er drei Tage geweilt hatte, entsteigt und Gott für seine Befreiung dankt. Naive Schilderung des Beters. Vordeutung der Auferstehung Christi nach drei Tagen. Oben der Heiland, dem Grab entsteigend. Die rechte Hand ist triumphierend erhoben, die Linke hält die Siegesfahne. Vor dem Sarkophage, in bedeutend kleinerem Maßstabe zwei schlafende Wächter (bei dem rechts ein Versuch zur Verkürzung), zur Linken Christi ein kleiner anbetender Engel. Einrahmung des Bildes aus mächtigen, reich mit Trauben behangenen Weinranken, die den aufgesperrten Rachen zweier geflügelter Drachen entquellen, vielleicht auch von ihnen mit Verschlingen bedroht werden: die von Jesus unter seine Füße getretene Sünde und die Erlösung durch das heilige Blut. — Die Pultwangen zu den Seiten zweier der Durchlässe dienen der Verherrlichung der vier großen Kirchenväter. Man sieht rechts (nördlich) den hl. Hieronymus (f 420), einen Dorn aus der Pranke eines Löwen ziehend. Er bleibt dabei auf seinem Studierstuhle sitzen, unterbricht aber, der Guttat zuliebe, das Lesen in einem Buche, das auf einem, als drehbar gedachten schrägen Pulte ruht. An der nebenbei befindlichen Wange der hl. Papst Gregor der Große (f 604). Er trägt die päpstliche Tiara, die unbefangenerweise dreiteilig dargestellt ist (diese Form erst seit der Zeit Benedikts XII. [f 1342] in Brauch). Gregor liest kniend an einem Drehpulte, während ihm eine Taube die Offenbarungen des hl. Geistes bringt. Die das Pult festhaltende Hand ist übertrieben groß. Links (südlich) sitzt der hl. Ambrosius, Erzbischof von Mailand (f 397) mit leichter Neigung des Oberkörpers gegen links, dem Beschauer voll zugekehrt, auf einem Sessel, dessen Lehne mit Tierköpfen besetzt sind; mit beiden Händen hält er ein Buch, im Begriff es aufzuschlagen. Die nebenstehende Wange zeigt den hl. Augustinus, Bischof von Hippo (f 430). Er sitzt in einem Stuhle mit hoher runder Lehne, vor ihm steht sein kastenartig gebautes Pult, an dem er in seine Schreibarbeit ganz versunken ist. Die Köpfe der vier Männer, deren Figuren sich infolge der durchbrochenen Ausführung der Schnitzerei klar herausheben, sind scharf und geistreich charakterisiert, die Haltung naturwahr beobachtet. Die Gewänder sind liturgisch echt; interessant ist bei Augustinus die Mönchskutte, die er trägt, weil das Mittelalter ihm die Stiftung der Augustiner Eremiten zuschrieb. Dieses Relief ist offenbar bestimmt, ihn zu schildern, wie er an der Ordensregel arbeitet. — Die Einrahmungen der Figuren zeigen in großartigem Zuge stilisiertes Blatt- und Rankenwerk, das bei Hieronymus oben in zwei mächtige Blumen (Lilien ?) ausgeht, bei Augustinus Trauben trägt. Bei Gregor und Ambrosius wiederholt sich das Motiv, daß die Ranken aus den Mäulern von Ungeheuern emporwachsen. Technisch interessant ist, wie der Künstler bei allen diesen durchbrochen gearbeiteten Werken den Reliefstil vollkommen festzuhalten verstanden hat, während er doch Freiplastiken schuf. Es entstand so eine geniale Mischung von beiden, die durchaus überzeugend wirkt. Wie der Meister die Darstellung der menschlichen Gestalt beherrschte, zeigt sich aus der Kühnheit der Körperdrehungen (Hieronymus! Ambrosius!). — Die Wangen der beiden andern Durchlässe zeigen innerhalb von Kränzen die Gestalten von Geistlichen verschiedenen Alters, die miteinander im Gespräch begriffen sind. Die eine dieser Darstellungen hat als Sockel eine Krone, welche auf dem Rücken eines lagernden Löwen ruht. Zu Seiten der Krone hocken ein Bär und eine Affe, der einen Spiegel hält. Den beschriebenen Werken reiht sich in den Zwickeln über den schrägen Pulttischen noch eine Anzahl von kleineren Reliefs an; sie stellen männliche und weibliche Fischungeheuer und andere Geschöpfe dar. — Die unteren Partien der inneren Pultwandungen zeigen Blendmaßwerk.

Malerei. Ein kleines Gemälde der brabantischen Schule um 1400: Halbfigur Marias, die das Jesuskind auf dem linken Arm trägt, während sie ihm (als zweite Eva dem zweiten Adam) mit der Rechten einen Apfel hinreicht. Ihr volles Haar ist schlicht gescheitelt, lange blonde Locken wallen über die Schultern der Jungfrau. Das blondgelockte Kind hält in der Linken einen Stengel mit drei Blüten der braunen Akelei. Goldgrund. In ihm eingeritzt die Krone Marias, sowie deren kreisförmiger Nimbus; in diesem eine Inschrift. Ähnlich der Nimbus des Kindes (ohne Kreuz darin). Einrahmung des Goldfeldes durch eingeritzte Laubranken. Die Darstellung ist voll Zartheit und Innigkeit. Der Zeichnung mangelt es nicht an den der Schule eigenen Fehlern. Die Stirn Marias ist, um dem Gesicht längliche Form zu geben, unverhältnismäßig hoch, die Augen beider Personen zu eng aneinander gestellt. Die Aktzeichnung zeugt bei dem Kinde noch nicht von hinlänglichem Verständnisse. Still, in heiliger Scheu sind die Augen Marias gesenkt. Über dem Ganzen liegt ein unendlich feiner Hauch echter, innerlicher, kindlicher Frömmigkeit; in den voll-tönigen Farben (Obergewand rot mit grünem Futter, Untergewand grau) waltet hohe künstlerische Kultur. Unterhalb der bildlichen Darstellung eine in ihrer Art seltene Verherrlichung des Namens Jesus. Jede der fünf Majuskeln ist reich verziert. Über und unter einer jeden wird ihr in zwei Worten eine mystische Deutung gegeben. Ganz unten kniet der offenbar porträtähnlich dargestellte Stifter des Bildes, die Fürbitte der Gottesmutter erflehend. Vor ihm sein Wappen. Neben ihm eine aufgewickelte Schriftrolle mit dem die Verehrung des Namens Jesu fordernden Worten des hl. Paulus. Eine spätere Hand hat die Bibelstelle (Phil. II, 10. 11) daneben geschrieben.

Wichtigste Grabsteine. In der Krypta vor dem Altäre:

Dechant Friedrich von Bila. Gestorben 1327, 26. Juni. Grund des Steines stark vertieft, um für die Hochrelieffigur des Verstorbenen Platz zu schaffen. Priesterliche Kleidung, in den Händen der Kelch. Der langbehaarte Kopf auf einem Kissen ruhend. Wappen der Familie von Bila. Umschrift auf dem Rande des Steines.

Im Langhause:

Bürgermeister Heyno Junge (Juvenis). Gestorben 1330, 12. Dezember. Figur stehend und liegend zugleich, Kopf auf Kissen, unbedeckt, horizontal abgeschnittene Locken bis zum Halsansatze. Gesicht der Zeitmode entsprechend bartlos. Langer Rock, unterhalb und besonders oberhalb des Gürtels in zahlreiche Vertikalfalten gelegt. Die rechte Hand greift in das Band, welches eine über dem Obergewande liegende kurze Jacke vor der Brust festhält. Die linke Hand ruht auf dem Wappen. Am Gürtel, rechts (!) hängend, ein Dolchmesser. Die innere Fläche des Steines ist von einer zart gearbeiteten Bordüre von flachen Bögen und Rosen eingefaßt. Umschrift auf dem Rande des Steines.

Kantor Johannes Zinckel. Gestorben 2. Oktober 1510. Stehend mit Kelch. Blendarchitektur spätgotisch. In den Bogenzwickeln zwei lesende Heilige in Bischofstracht. — Gleichfalls Priestergrabsteine mit spätgotischer Ornamentierung: Heinrich Dunde (f 1501), Heinrich Zeitz von Nordheim (f 1515), Dechant Hermann „phiffer“ (Pfeifer) von Jechaburg, Kantor beim Nordhäuser Dome (f 1530), Wappen; sowie einige weniger bedeutende.

Heinrich Graf von Schwarzburg-Sondershausen und Arnstadt, letzter katholischer Graf von Schwarzburg (gestorben zu Nordhausen 1526); außer dem schwarzburgischen Wappen noch vier kleinere (Cleve, Braunschweig, Querfurt, Gleichen); Figur in Rüstung, in den Händen der Rosenkranz.

Priestergrabsteine des späteren 16. bis 18. Jahrhunderts.

Sakramentshäuschen an der Nordseite der Chorwand. Spätgotisch, reich und elegant, Marmor, gestiftet vom Kanonikus Johann Molitor (Müller), 1455.

Altäre. [Zu Grunde gegangen: Maria-Peter-Paul, vor dem Chor; — Allerheiligen, daselbst, beide nachweisbar am Ende des 13. Jahrhunderts. Außerdem eine größere Anzahl von Altären in den Seitenschiffen, dabei ein St. Michaelsaltar, Stiftung des zuvor erwähnten Dechanten Friedrich von Bila, der zu den großen Wohltätern des Domstiftes gehört hat.] — Jetziger Hochaltar Stiftung des Kanonikus Christoph Joseph Opfermann 1726; mit in Holz geschnitzten Figuren der hl. Mathilde, der hl. Helena, Auffinderin des hl. Kreuzes (man erinnere sich der ehemals dem Dome gehörenden hochverehrten Kreuzpartikel!); des hl. Joseph; des hl. Johannes von Nepomuk; früher auch noch des hl. Eustachius. Oben Figur der Immakulata. — Nebenaltäre barock bzw. klassizistisch.

Kanzel. 1847. [Die ältere Kanzel (von 1541) wurde in die katholische Kirche zu Hundeshagen (Kreis Worbis) überführt.]

Glasmalerei. Im Chorfenster links ein mittelalterlicher Rest: Maria mit dem Kinde, daneben ein kniender Bischof.

Meßgewand. Bezeichnet G. A. 1740. Reichfarbige Stickerei mit Krönung Mariä.

Glocken. Von den vor dem Kriege vorhanden gewesenen existieren noch zwei: 1. Die große (Durchmesser 1,45m). „claves misner hat mich gegossen.“ Bildlicher Schmuck auf dem Mantel: ein hl. Bischof zu Roß, Flachrelief, beiderseits der Buchstabe h; — St. Eustachius, den Kopf des Hirsches, mit dem Kreuz, in der Hand haltend; — Maria Immaculata mit dem Jesuskinde, auf Mondsichel in Strahlenglorie; — Darstellung des oben wiederholt erwähnten, dem Dome gehörenden Reliquienkreuzes, das zwei Engel halten. Anfang des 15. Jahrhunderts. — 2. Eine kleine Betglocke (Dm. 0,45 m) von 1531.