Nordhausen. Die tausendjährige Stadt am Harz

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Nordhausen. Die tausendjährige Stadt am Harz
Reihe Deutschlands Städtebau
Autor Verschiedene
Herausgeber Magistrat der Stadt Nordhausen
Verlag Berlin-Halensee: Dari Deutscher Architektur- u. Industrie-Verl.
Erscheinungsjahr 1926
Auflage 2. Aufl.
Umfang 53 S.
Stand: 7. Januar 2016
Digitalisat: [# PDF (4 MB)]
Editionsrichtlinien:
  • Es wurden keine Illustrationen und Werbeanzeigen übernommen. Das Digitalisat ist vollständig.
  • Sperrschrift wird nicht wiedergegeben.

Ein Gang durch die Geschichte der Stadt Nordhausen, vom Stadtarchivar Heineck

Nordhausen steht auf uraltem Kulturboden. Ausgrabungen in und bei der Stadt weisen auf bronzezeitliche Besiedelung hin.

Der Name Nordhausen ist fränkisch. Als Karl der Große eine Verschwörung der Thüringer Grafen unterdrückt hatte, schob er Militärstraßen in das Thüringer Land vor und schützte diese Straßen durch Heerlagerplätze. An der nördlich gelegenen Zorgestraße wurde das Kastell Nordhausen, an der südlichen Helmestraße Sundhausen, noch weiter südlich an der Wipperstraße Sundershausen angelegt.

Zur Zeit der Hunneneinfälle in Deutschland bot das fränkische Kastell, fast in der Ebene gelegen, zu wenig Schutz, und so befestigte König Heinrich I. (Abb. 10, 26) sein auf dem Berge gelegenes Gut. Um diesen Königshof herum entstand die neue sächsische Ansiedelung. Auf sie ging der Name Nordhausen über; die Siedelung um das ehemalige Frankenlager wurde „Altnordhausen“ genannt.

Im Jahre 927 schenkte König Heinrich den Ort „Nordhuse“ seiner Gemahlin Mathilde Diese fromme Königin stiftete hier im Jahre 962 ein Nonnenkloster (Abb. 2). Ihr Enkel, Otto II., unterstellte den Ort Nordhausen dem Kloster; das Schicksal der Ansiedelung lag für 2 ½ Jahrhunderte in den Händen der Äbtissinnen.

Zeuge des kirchlichen Lebens ist die wohlerhaltene Krypta des Domes, die dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts angehört. Vom städtischen Leben erfahren wir wenig. Nur soviel ist sicher, daß der Ort von mancherlei Kaufleuten als Wohnstätte aufgesucht wurde und in demselben Grade an Ausdehnung gewann, als der mittelalterliche Handel nach dem Osten an Bedeutung zunahm. Von den Reichsbeamten, dem Vogt und dem Schultheißen, sind uns nur Namen überliefert. Auch von den Äbtissinnen bezeugen nur wenige Brakteaten, wie sie geheißen. Mancher Kaiser und König hat hier geweilt, gar mancher Reichs- und Hoftag ist hier abgehalten worden. Die Spuren davon sind versunken und vergessen ihr Andenken lebt nur noch in vergilbten Pergamenturkunden.

Der königliche Ort Nordhausen umfaßte um das Jahr 1200 bei weitem nicht das Gebiet, welches der jetzige Mauerring einschließt. Ein wahrnehmbares Anwachsen der Stadt erfolgte erst, als die Gemeinde zur Selbstverwaltung gelangt war. Das geschah im Jahre 1220.

Am 27. Juli dieses Jahres verwandelte, höchstwahrscheinlich auf Andringen des Propstes Dietrich von Honstein, Kaiser Friedrich 11. das Nonnenkloster zu Nordhausen in ein weltliches Domherrenstift und behielt die Stadt Nordhausen dem Reiche vor, machte sie also zu einer freien Reichsstadt.

Damit beginnt eine neue Periode in der Geschichte unserer Stadt; die Jahre 1220 1420 geben der Stadt die mittelalterliche Signatur, die sie noch jetzt auszeichnet.

Daß die Geistlichkeit die bisher ausgeübte Oberherrschaft von dem neuen bürgerlichen Rate sich nicht aus den Händen winden lassen will, ist begreiflich Streitigkeiten mit der Domgeistlichkeit charakterisieren das 13. und den Anfang des 14. Jahrhunderts. Schließlich siegt der Rat, der sich zuerst nur aus den patrizischen Geschlechtern ergänzt, über die Geistlichkeit. Dem patrizischen Rat und dem übermütig auf seine Macht pochenden Geschlechterregiment treten im Laufe des 14. Jahrhunderts die vereinigten Bürger und Handwerker entgegen. Durch die Februarrevolution von 1375 zwingen sie ihn zu demokratischen Reformen.

Trotz der inneren Kämpfe pulsiert ein kräftiges Leben in dieser Zeit. Die Stadt und die Stadtluft ziehen die Ansiedler aus der näheren Umgebung heran. Zu den alten Stadtbezirken von St. Nikolai (Abb. 4) und dem Frauenberg (Abb. 18 20) gesellt sich St. Petri (Abb. 3) und St. Blasii (Abb. 23). Aus verwüsteten Dörfern kommen Bauern und bauen sich Häuser (Rodegasse); unterhalb der alten Stadtmauer entsteht das „Neue Dorf“, seit 1365 der Oberstadt eingemeindet. In der aufblühenden Stadt errief ten fromme Mönche und Nonnen ihre Klöster. Das aufgehobene Nonnenstift der Königin Mathilde wird ersetzt durch das Zisterzienser-Nonnenkloster Neuwerk am Frauenberge, erst in den Stürmen der Reformationszeit wird es aufgelöst (Abb. 19 und 20). Ein zweites Nonnenkloster entsteht im Altendorfe. Augustinermönche siedeln sich in der Neustadt an, Franziskaner (Barfüßer-) und Dominikaner (Predigermönche) in der Altstadt. Hochragende Kirchen erbauen die wachsenden Gemeinden zuerst im St. Nikolai-, dann im Petri- und Blasii-Viertel. Der Dom reicht für die Besucher nicht mehr aus, er wird umgebaut und erweitert und erhält um 1400 sein prächtiges Chorgestühl (Abb. 6, 7, 8, 21). Ein neues Rathaus wird in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschaffen, das alte „Kaufhaus“ in den „Krämern“ genügt für die Bedürfnisse des sich ausdehnenden Rates schon längst nicht mehr (Abb. 12, 13). Der wahrscheinlich im beginnenden 15. Jahrhundert an das Rathaus gestellte Roland symbolisiert die Macht des regierenden Rates (Abb. 1).

Die Einverleibung der Neustadt in die Machtsphäre der oberstädtischen Stadtverwaltung bedingt auch die Einbeziehung in den Befestigungsring. Die gewaltigen Kosten eines solchen Baues bringen die Erbitterung, welche in Bürger-und Handwerkerkreisen gegen die ihren Pflichten sich entziehende Geschlechterherrschaft schon lange gärt, zu jähem Ausbruch. Am Valentinstage (14. Februar) des Jahres 1375 erfolgt der Sturm aufs Riesenhaus und die Einsetzung eines demokratischen Rates, der in dieser Gestalt mit geringen Modifikationen bis zum Jahre 1802 gewirkt hat. Die gewaltigen Mauerreste, welche noch jetzt die Stadt durch-und umziehen, geben Kunde von dieser Zeit kräftig emporblühenden mittelalterlichen Strebens. Die trotzigen Türme, welche noch zum Teil wohlerhalten sind der Judenturm am Rähmenplatz (Abb. 11), der Marterturm im Primariusgraben, der Kaiserturm am Neuen Weg (Abb. 22) sie stellen zugleich ein Stück Stadtgeschichle dar, an der nicht achtlos vorübergegangen werden darf. Sie sind aber auch Zeugen der Wohlhabenheit, die im Bürgertum vorhanden war und es gestattete, solche Bauten aufzuführen.

Der Judenturm ist genannt nach den jüdischen Grabsteinen, die in ihn vermauert sind. Diese Leichensteine lagen auf dem Friedhofe, der den Tuchmachern im 16. Jahrhundert überlassen wurde, um dort ihre Tuchrähmen aufzuspannen. Als im Jahre 1349 die berüchtigte Beulenpest ganz Europa heimsuchte, da verfolgte man auch in Nordhausen die Juden als Brunnenvergifter und „verderbete sie“. Der Marterturm aber gibt uns Kunde von Ketzerverfolgungen durch die Dominikanermönche, deren Klostergebiet sich bis an diesen Turm erstreckte. Als Ketzerrichter entfalteten sie auch am Südharz eine eifrige Tätigkeit. Ist doch Nordhausen überhaupt in religionsgeschichtlicher Hinsicht eine Stadt, welche hohes Interesse erweckt seit den Zeiten der Geißlerfahrten bis zu den kleinlichen Schikanen der Reaktionsperiode gegen die freien Gemeinden.

Die Stadt mit ihren festen Mauern erschien den auf dem flachen Lande angesiedelten Klöstern als ein willkommenes refugium für ihre Vorräte; und so sehen wir bald, wie die hochgetürmte, wohlverwahrte Stadt von den ehrwürdigen Klosteräbten angegangen wird. Walkenried und Ilfeld treten mit dem Nordhäuser Rate in Verhandlungen. Das Resultat ist, daß den Walkenrieder Mönchen gestattet wird, an der Ecke der Ritterstraße einen Grundbesitz zu erwerben und dort ihren Kornfrüchtevorrat einzulagern (1290). Um bequeme Anfahrt aus der Ebene zu haben, wird sicherlich auf Kosten Walkenrieds der N e u e W e g als Fahrstraße angelegt und ein befestigtes Tor das Neuewegstor erbaut.

Dem Kloster Ilfeld wird in ähnlicher Weise entgegengekommen der Ilfelder Hof auf dem Hagen ist des Zeuge , und es werden so die freundnachbarlichen Verhältnisse angeknüpft, die leider der Stadt nicht die Vorteile gebracht haben, die sie sich einstmals davon versprach. Der Walkenrieder Hof wurde im 17. Jahrhundert von Braunschweig okkupiert und ist später an Kurbrandenburg übergegangen, und der Ilfelder Hof blieb bis 1853 in hannoverschem Besitz.

Noch erheben sich die ungefügen Mauern des alten Walkenrieder Klosterhofes an der Ecke der Waisenstraße, und die gewaltigen Kellerräume sind stumme Zeugen vergangener Tage; noch ragen Gewölbe des Ilfelder Hofes am Hagenplatze empor sie erzählen von vergangener Klosterherrlichkeil, vom ewigen Wechsel der irdischen Dinge.

Das 15. Jahrhundert ist auch für Nordhausen ein ständiger Kampf mit den umwohnenden Grafen und Herren. Nur die starken Befestigungen gewähren dem Bürger ausreichenden Schutz, und so wird an diesen unablässig gearbeitet. Mit dem beginnenden 16. Jahrhundert ändert sich die Zeit, es bricht die überwiegende Herrschaft der Landesfürsten an. Nicht mehr fürchtet der behäbige Bürger die Reisigen der Stolberger und Honsteiner Grafen, die Herren und Ritter vom Eichsfelde; die Mauern werden nur noch instand gehalten gegen heranziehen Kriegeshorden, gegen herumsehweifende „garlende“ Landsknechte, gegen räuberisches Landstreichergesindel und fahrendes Volk1, einschließlich studierender Bacchanten.

Das 16. Jahrhundert bringt für Nordhausen als wichtigstes Ereignis die Reformation.

Die Pflege geistigen Lebens war in Nordhausen nie vernachlässigt worden; außer den gelehrten Schulen am Dome St. Crucis und zu St. Jacobi bestanden schon immer Parochial-schulen.

Der Boden war also geistig wohl vorbereitet, auf welchen der Same von Luthers Lehre fiel. Zudem war Luther verwandtschaftlich mit Nordhausen verknüpft, und eine Reihe von Nordhäusern war persönlich dem Reformator nahegetreten, Justus Jonas, Lorenz Süsse u. a. Politisch aber war Nordhausen eng mit Kursachsen verknüpft, die Herrscher von Sachsen waren die Schutzherren der kleinen Reichsstadt. Alles dies muß man in Betracht ziehen, um den schnellen Anschluß der Stadt an die Sache der Reformation recht zu würdigen.

Der Uebertrilt zur evangelischen Lehre bedeutete den Untergang der im Mittelalter so bedeutungsvollen Klöster. Aus dem Dominikanerkloster erwuchs die neue evangelische Gelehrtenschule, die „große Schule“, das jetzige Gymnasium (seit 1524), das Nonnenkloster am Frauenberge wurde zur Mägdleinschule. Das Augustinerkloster verrät seine ehemalige Lage nur noch durch den umfangreichen Hof und wenige Mauerresle, das Franziskanerkloster die sogenannte Spendekirche ist in Trümmern sichtbar, und vom Zisterzienserkloster im Altendorfe steht noch die Kirche. Die Klöster hatten ihren Kulturzweck erfüllt, die neuere Zeit fand keine Verwendung für ihre Insassen. Sie sind damals ausgewandert oder ausgestorben, sie bedeuteten nichts mehr für die Stadl. Nur einzelne Straßennamen — Barfüßerstraße, Hinter den Predigern — halten ihr Andenken fest.

Die katholische Kirche St. Crucis ist die einzige, welche ihren Kultus zu bewahren verstanden hat, nicht ihren Besitz, der einst so umfassend war. Als in den Zeiten der napoleoni-sehen Herrschaft die Stadt Nordhausen zum Königreich Westfalen kam, da wurde das Domstift (1810) aufgelöst, seine Mitglieder auf Ruhegehalt gesetzt und der Besitz veräußert. Und genau so wie in den Zeiten der Reformation der Klosterbesitz in alle möglichen Hände gelangte, so faßten auch 1810 Befugte und Unbefugte zu, und die stiftische Herrlichkeit brach vor den Stürmen der Zeit zusammen. Nur durch regierungsfreundliches Entgegenkommen wurde das Fortbestehen einer katholischen Pfarrei ermöglicht.

Die Sache der Reformation entfesselte die Geister, hob die Wissenschaften. Auch Nordhausen trug seinen Anteil bei, gab der Welt einen Justus Jonas, den treuen Mitarbeiter Luthers, einen Michael Neander als tüch- tigen Pädagogen, einen Johannes Thal als Zierde der botanischen Wissenschaft.

Das städtische Leben entwickelte sich unter dem Regiment eines Michael Meyenburg (Abb. 9) in selbiger Zeit zu hoher Blüte. Der Reichtum nimmt zu. Geldanleihen werden Erfurt und andern Städten gewährt, sogar König Heinrich IV. von Frankreich erhält ein größeres Darlehen von der Stadt. Aber schon zieht — durch unaufhörliche innere Streitigkeiten angekündigt am politischen Himmel das Unwetter herauf, das auch die fruchtbaren Gefilde der Nordhäuser Fluren auf viele Jahre hinaus vernichtet. Der schreckliche Dreißigjährige Krieg trifft Nordhausen hart, besonders seit dem Jahre 1626.

Was Nordhausen damals an Geld und Geldeswerl verloren hat, läßt sich nach gleichzeitigen Angaben einigermaßen schätzen. Den Jammer jedoch, welchen das entsetzliche Wüten über viele Familien gebracht hat, die Rohheit, welche die Verwilderung der Sitten in das Leben der Massen getragen hat, die kann man nur ahnen.

Der Rat und seine Politik geriet damals in die peinlichste Verlegenheit und in immer neue Nöte.

Die übergroße Mehrheit der Bürger war gut kaiserhh gesinn', a'ce.’ gerade der Kaiser bedrohte durch das Restitutionsedikt von 1629 und dessen versuchte Ausführung die evangelische Kirche, der Nordhausen mit zäher Liebe anhing, mit dem völligen Ruine!

Die Schweden, die 1631 als Retter des evangelischen Glaubens kamen, verteidigten zwar den Protestantismus, aber sie waren Fremdlinge; ihr Gebahren und die Härte ihrer Führer, auch die Unbändigkeit der später in Deutschland geworbenen Soldateska wandten die Sympathien des Volkes von ihnen ab.

Der Kurfürst von Sachsen war Schutzherr von Nordhausen, aber er gebärdete sich, als wäre er völliger Landesherr. Gegen diese Gefahr suchte man Schutz bei Braunschweig-Lüne-burg. So war die Politik des Rates in den Jahren seit 1560 ein beständiges Lavieren zwischen der Scylla der Machtlosigkeit und der Charybdis des Verlustes der Reichsfreiheit. Und diese Zustände wurden nicht glänzender, als am Ausgange des 17. Jahrhunderts ein neuer F’eind erstand, der die Stadtfreiheit bedrohte.

Im 13. Jahrhundert war Nordhausen reichsfrei geworden. Anhalt und die Landgrafen von Thüringen waren zuerst Schutzherren der Stadl gewesen, später wurden es die Herzoge von Sachsen. Im Jahre 1697 überließ Kurfürst Friedrich August von Sachsen gegen Zahlung einer Summe von 300000 Talern dem Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg das Schutzrecht über Nordhausen, die Reichsvogtei und das Reichsschultheißamt in der Stadt. Als der Rat sich weigerte, diesen rechtsgiltig geschlossenen Vertrag anzuerkennen und bei Hannover militärischen Schutz heischte, da überrumpelte am 7. Februar 1703 König Friedrich I. von Preußen die ahnungslose Stadt und ließ sie durch preußische Beamte in Zwangsverwaltung nehmen. Erst im September 1715 zogen die preußischen Soldaten wieder ab, und die geängstigte Stadt konnte wieder frei aufatmen.

Die preußische Regierung hatte ihren Wohnsitz im Walkenrieder Hofe genommen und dort an der Ecke der Ritter- und Waisenslraße einen Pranger errichtet, ein Zeichen der damaligen Justiz, ohne das man nicht auszukommen vermochte.

Waren 1715 die letzten preußischen Soldaten von Nordhausen fortgezogen, so kehrten sie 40 Jahre später wieder. Es ist die Zeit des Siebenjährigen Krieges, welche nunmehr auf Mitteldeutschland lastet. Die kleine Reichsstadt ist nicht in der Lage, sich selbst zu schützen.

1757 rücken die Franzosen unter Soubise ein, 1758 nehmen die Preußen das ganze Jahr hindurch in Nordhausen Quartier. Was an Geschützen ehrwürdigen Angedenkens im alten Arsenale an der Ecke der Töpferstraße sich vorfindet, das schleppt 1760 der räuberische Rittmeister von Kovacs weg, um es nach Magdeburg zum Einschmelzen zu liefern. Mehr als 400000 Taler baren Geldes hat die Stadt zahlen müssen, um der ewigen Brandschatzungen und der ständigen Einquartierungslasten nur einigermaßen ledig zu werden.

Die Mauern sind im Laufe der Zeit zerfallen und werden nicht mehr repariert; die Türme läßt man zusammenbrechen, die Stadt aber dehnt sich immer mehr über den Gürtel ihrer Befestigungen aus. ln zahlreichen Berggärlen befindet sich der Bürger des Sonntags außerhalb der Stadt; das mittelalterliche Gewand wird mehr und mehr als lästig abgestreift.

Ganz fällt es erst, als im Gefolge der Napole-onischen Epoche die Innungsschranken gebrochen werden, und Nordhausen eine westfälische Stadt wird.

Den Reichskrieg von 1792 gegen das revolutionäre Frankreich beendet Preußen durch den Frieden von Basel (1795). Es wird im Rastatter Kongreß „um des lieben Friedens willen“ den Franzosen das linke Rheinufer zugestanden; als Entschädigung für das verlorene Gebiet erhält Preußen 1802 u. a. die Stadt Nordhausen und besetzt die Stadt am 2. August desselben Jahres. So wird Nordhausen zum zweiten Male preußisch. Wieder nur auf kurze Zeit.

In der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 wird Preußens Macht zertrümmert; am 10. November 1806 wird Nordhausen zum französischen Besitz erklärt und huldigt am 1. Januar 1808 dem neuen König von Napoleons Gnaden, Hieronymus von Westfalen, in Cassel.

Die neue Herrschaft bringt manches Gute. Sie räumt auf mit den alten, überlebten Privilegien, sie proklamiert die Gleichstellung aller Untertanen vor dem Gesetz. Der lästige Innungszwang wird aufgehoben, eine neue Gerichtsverfassung mit Geschworenengerichten eingeführt. Die Schulen werden reformiert, die Zollschranken weit hinausgeschoben. Auch auf kirchlichem Gebiete wird manche heilsame Neuerung geschaffen.

Aber die großen Schattenseiten der neuen Regierung darf man nicht übersehen wollen! Die massenhaften, rücksichtslosen Rekrutierungen zu den ausländischen Kriegen, die Kosten für die Erhaltung der französischen Besatzungstruppen, die Zwangsanleihen für die kostspielige westfälische Regierung, das Spionagesystem, die Zurückdrängung der Deutschen aus allen höheren Ämtern, alle diese Umstände werden mit den Jahren immer fühlbarer. Sie erbittern mit Recht das Herz aller wahren Patrioten, so daß der Sturm von 1813 als eine wirkliche Befreiung im ganzen ehemalig westfälischen Gebiet empfunden wird.

Im Jahre 1802 zählt Nordhausen 8000 Einwohner, es ist eine behäbige Landstadt, die Fruchthandel und Branntweinbrennerei betreibt. Das 19. Jahrhundert gestaltet das Leben der Einwohner allmählich um. Der Umstand, daß fünf Staatsstraßen Nordhausen seit 1820 durchschneiden, bewirkt, daß die Stadt immer mehr zum Handelszentrum des Südharzes wird. Aus 8000 Einwohnern sind 1850 schon 15 000 geworden. Neben die oben erwähnten landwirtschaftlichen Gewerbe treten Rüben- und Zichorienfabriken, die Tapetenfabrikation gewinnt an Bedeutung, die mechanische Weberei erobert sich ihren Platz, und die Tabakindustrie fängt an, sich zu beleben.

Die Stadt ist auf dem besten Wege, am Großhandel sich zu beteiligen; es fehlt ihr nur noch eins: der Anschluß an das Eisenbahnnetz.

Nach langen Verhandlungen und erst, nachdem Hessen-Nassau und Hannover dem preußischen Staate einverleibt sind, erfolgt dieser Anschluß. Die Bahn Halle-Cassel, welche über Nordhausen führt, verbindet Nordhausen seit 1866 mit dem Weltverkehr. An die Hauptader Halle-Cassel schließen sich bald Nebenlinien an, und so wird auch in bezug auf den Eisenbahnverkehr Nordhausen das Zentrum des Südharzes.

Im Jahre 1880 ergibt die Volkszählung für das Stadtgebiet Nordhausen eine Einwohnerzahl von 26198 Seelen. Auf Grund dieses Ergebnisses wird Nordhausen mit dem 1. April 1882 ein eigener Stadtkreis.

Seit dieser Zeit ist die Stadt in schnellem Aufstieg begriffen. Der Selbstverwaltung überlassen, hat sie gezeigt, daß sie imstande ist, die Aufgaben einer modernen, fortschreitenden Kommune zu erfüllen. Insonderheit das Jahrzehnt vor dem Weltkriege hat die Stadtverwaltung vor eine Anzahl wichtiger Aufgaben gestellt, deren Lösung heute als gelungen bezeichne! werden darf. Zeugnis davon legen vor allem die mannigfachen Bauten ab, auf welche an anderer Stelle dieses Werkes näher eingegangen ist. So wird auch der durch den Krieg veranlaßte wirtschaftliche Niedergang nur eine Unterbrechung, keinesfalls ein Ende in dem Aufstieg der Stadt zu bedeuten haben.