Luftangriffe auf Nordhausen

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Die Luftangriffe auf Nordhausen am 3. und 4. April 1945 durch Bomber der britischen Royal Air Force zerstörten dreiviertel der Stadt. Dabei kamen über 8.800 Menschen ums Leben, weitere 20.000 wurden obdachlos. Mit einem Wohnungszerstörungsgrad von 55% (10.000 Wohnungen) gehörte Nordhausen zu den am schwersten zerstörten deutschen Städten; zahlreiche Denkmale von hervorragender Bedeutung, darunter die für Nordhausen charakteristischen Fachwerkbauten des 13. bis 19. Jahrhunderts wurden vernichtet. Der historische Stadtkern, die Neustadt und die Gebäude um die Frauenbergkirche wurden fast gänzlich eingeebnet. Erhalten blieben die Gebiete westlich und nördlich der Stadtmauer, Barfüßerstraße, Kalte Gasse, Königshof, sowie der Stadtteil Altendorf. Ein Großteil der stark beschädigten Bauwerke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen. Die zerstörerische Gesamtwirkung aller auf Nordhausen gefallenen Minenbomben war von keinem Einzelangriff im Luftkrieg gegen Deutschland auch nur annähernd erreicht worden.[1]

Nordhausen vor den Anriffen

Nordhausen hatte vor dem Zweiten Weltkrieg 42.000 Einwohner. Durch Ortsfremde (Luftkriegsevakuierte, Flüchtlinge, ausländische Arbeitskräfte, Verwundete und Kriegsgefangene) war deren Zahl Anfang März 1945 auf 65.000 Einwohner angestiegen.[2] Insbesondere für Evakuierte aus Berlin, Hamburg und Westdeutschland waren die Stadt Nordhausen und der Kreis als Aufnahmeräume ausgewiesen. Als Garnison hatte Nordhausen keine ältere Tradition. Mitte der 1930er Jahre wurde im Süden der Stadt die große Anlage der Boelcke-Kaserne gebaut, mit Unterkünften und Fahrzeughallen, besonders für die Ausbildung von Luftnachrichtensoldaten. Südlich der Stadt errichtete die Luftwaffe einen Fliegerhorst als Ausbildungsplatz und zeitweise Flugzeugwerft. Bis März 1945 wurden hier Flugzeuge für denMistelschlepp ("Huckepack"-Flugzeuge) montiert und Piloten dafür geschult. Sonst diente der Fliegerhorst 1945 noch zum Auftanken von Jagdflugzeugen. In provisorischen Unterkünften in der Stadt gab es die evakuierte "Marineverwaltung West". In der Stadt und ihrer nahen Umgebung existierten viele Lazarette mit insgesamt etwa 1.000 Verwundeten. Die Lazarette und Krankenhäuser trugen weithin sichtbare große Rotkreuz-Symbole auf den Dächern.

Das Mittelwerk Dora bei Nordhausen produzierte Anfang April 1945 keine V-Waffen oder andere Rüstungsgüter mehr. Die dort Beschäftigten, darunter Tausende von Häftlingen des KZ Mittelbau-Dora und Zwangsarbeiter], wurden evakuiert. Das Werk oder seine Verkehrsanbindungen waren nie Ziel alliierter Luftangriffe.

Die frühere Boelcke-Kaserne wurde seit Herbst 1943 nicht mehr militärisch genutzt. Sie hatte seitdem Tausende von Arbeitern, später auch Flüchtlinge aufgenommen. Seit 8. Januar 1945 existierte ein bald überfülltes Häftlingslazarett in der Anlage. [3] Im Februar kamen zeitweise 3.500 Häftlinge aus dem KZ Groß Rosen dazu. [4]

Luftschutz

In Nordhausen begann der Bau von Luftschutzanlagen im Spätsommer 1943. Viele Bunkeranlagen im Innenstadtbereich blieben unvollendet. Am 29. November 1943 wurde für Nordhausen ein Evakuierungsplan, der Aussiedlungsrichtungen und Aufnahmegebiete festlegte, ausgearbeitet.[5]

Erste Angriffe

In der Nacht vom 25. August auf den 26. August 1940 griffen zwei britische Bomber vom Typ Handley Page Hampden den Flugplatz von Nordhausen an und warfen vier Bomben ab.[6] Es entstand ein kleiner Brand, der bald gelöscht werden konnte.

Von 1940 bis 1943 gab es insgesamt 72 öffentliche Luftwarnungen und Fliegerarlarme für Nordhausen. Als sich die alliierten Luftangriffe im Jahr 1944 auf die im Hinterland gelegenen deutschen Städte intensivierten, wurde Nordhausen verstärkt Überflugsort alliierter Bomberverbände, etwa wenn sie Berlin, Dessau oder Leipzig anflogen. Im März 1945 erreichten die durchschnittlich fünf bis sechs Luftalarme ihren Höhepunkt.[7]

Am 12. April 1944 flogen während der Mittagszeit zwei aus südlicher Richtung kommende amerikanische Jäger die Stadt an und töteten zwei Menschen, zwei Personen wurden schwer verletzt.[8]

Am 22. Februar 1945 griffen gegen 12 Uhr 30 US-amerikanische Bomber den Verschiebebahnhof an, trafen jedoch die Unterstadt, einige Anlagen des Industriegebietes und die Fernmeldeschule der Luftwaffe in der Boelke-Kaserne. Insgesamt fielen 296 Mehrzweckbomben und töteten 40 Menschen. Im Südharzer Kurier erschien am 26. Februar eine Todesanzeige für die „Gefallenen des Terrorangriffs“ mit der Ankündigung zur Beisetzung.

Am 28. Februar 1945 warfen drei amerikanische Maschinen 2,5 Tonnen Sprengbomben auf die Stadt ab.

Am 1. April 1945 wurde das Auto-Hotel Hesse durch Bomben getroffen und zahlreiche Menschen getötet.

Großangriff im April 1945

Am 3. April 1945 starteten gegen 13 Uhr die englischen Bomberverbände und erreichten Nordhausen um 16 Uhr. Die 252 Avro-Lancaster-Bomber warfen in 20 Minuten ca. 1.216 Tonnen Sprengbomben ab und trafen vor allem die Außenbezirke von Nordhausen.[9] Im Stadtinnern fiehlen Bomben um die Neustadt-Kirche und Neustadtstraße. In den umliegenden Wäldern und Ortschaften Sundhausen, Bielen, Himmelgarten, Leimbach und Krimderode fielen schwere Bomben und Luftminen. Getroffen wurde auch die mit kranken Häftlingen überbelegte Boelcke-Kaserne, wo allein in einer mit Tuberkolose-Kranken belegten Flugzeughalle 450 Menschen den Tod gefunden haben sollen.[10] Der erste Angriff erzielte die gewünschte Wirkung jedoch nicht. Der Angriff am 3. April war aus Sicht der RAF ein Mißerfolg.

Am 4. April gegen 9 Uhr begann der zweite Großangriff der RAF. Der Verband kam über Gotha, Bad Langensalza und Schlotheim. Für 93 Bomber wurde die Boelcke-Kaserne als Angriffsziel befohlen, die anderen 150 hatten das Stadtzentrum anzugreifen.[11] Zwei Bomber mußten frühzeitig zurückkehren und zehn weitere hatten ihren militärischen Auftrag verfehlt, so daß von den 243 Flugzeugen 231 am Luftschlag teilnahmen. Ein Bomber wurde nach dem Angriff abgeschossen.

Opfer

Bei den Großangriffen im April 1945 kamen ca. 8.800 Menschen ums Leben. Diese Zahl geht auf Schätzungen vom Februar 1948 zurück.[12] Vor dem Abgriff befanden sich rund 65.000 Personen in der Stadt (42.000 ständige Bevölkerung, Militärpersonen, Gefangene, ausländische Arbeiter, Spezialarbeiter der Kriegsindustrie, Evakuierte).

In den ersten Tagen ließen die Amerikaner in den Straßen liegende Leichen auf den Sonderfriedhof am Schlageter-Ring bringen. Andere wurden an Ort und Stelle in Bombentrichtern beerdigt. Eine beträchtliche Zahl ziviler Opfer und deutscher Soldaten wurde dann in dem höher gelegenen Teil des heutigen Ehrenfriedhofs in Massengräbern beigesetzt, unweit der getöteten Häftlinge aus der Boelcke-Kaserne. Für die später gefundenen Opfer ohne Anhang wurden Massengräber im vorderen Teil des Alten Hauptfriedhofs in der Leimbacher Straße angelegt. Heute steht an dieser Stelle ein Wohnblock. Auf dem Neuen Hauptfriedhof am Ring sind in den ersten Wochen und Monaten 920 Bombenopfer beerdigt worden.

Verluste der ständigen Bevölkerung 6.000
Verluste der nicht ständigen Bevölkerung 1.500
Verluste der Häftlinge der Boelcke-Kaserne 1.300
zusammen 8.800

Persönlichkeiten

Schäden und Totalverluste

Der Zerstörungsgrad der Stadt wurde mit 74 Prozent errechnet. Die Gesamtfläche des zerstörten Gebietes betrug 810.000 Quadratmeter. Von den 13.075 Wohnungen wurden 6.187 total zerstört und 4.575 beschädigt.

Kirchen

  • St.-Jakobi-Kirche: Am 3. April erheblich durch Bomben zerstört. Reste des Schiffes abgetragen, Turmruine zu DDR-Zeiten beseitigt.
  • Marktkirche: Am 3. April weitgehend zerstört. Ruinenreste abgetragen.
  • St.-Petri-Kirche: Am 3. April bis auf Turm und Chor zerstört, zahlreiche Menschen finden in der Kirche den Tod. Der Turm erhielt 1954 ein Notdach, die übrigen Ruinenteile wurden beseitigt. 1987 wurde ein neuer Turmhelm gesetzt.
  • St.-Blasii-Kiche: Dach und Mauerwerk am 4. April durch Bombentreffer erheblich beschädigt Cranachgemälde im Auslagerungskeller verbrannt. Bis 1949 Wiederherstellung des Daches, Ausbesserung Mauerwerk, Erneuerung des Inneren.
  • Nordhäuser Dom: Am 4. April schwere Schäden durch Brandzerstörung des Steildaches über der Halle und Vernichtung der Fenster. Noch 1945 Fertigstellung Notdach und Beseitigung der Folgeschäden. 1965 Wiederherstellung des Steildaches in ursprünglicher Form.
  • Frauenbergkirche: Am 4. April durch Bomben schwer zerstört. Erhalten blieben Umfassungsmauern der Chor mit Apside, die Nebenchöre und das Querschiff, vom Langhaus nur Reste des ersten Joches sowie des Westportal. Von 1953 bis 1955 folgte Enttrümmerung und Sicherungsarbeiten.
  • Frauenbergkloster: Am 4. April durch Bombentreffer total zerstört. Gebäudereste wurden nach 1945 entfernt.

Öffentliche Bauten

  • Rathaus: Am 4. April bis auf die Umfassungsmauern zertstört, Turm ausgebrannt. Ab 1951 entfernen der Trümmer und Wiederaufbau bis 1952, dabei wurden die Erdgeschoßarkaden und das Innere neu gestaltet. Zum ebenfalls schwer zerstörten Stadthaus wurde der Verbindungsgang wiederaufgebaut, der Roland restauriert.
  • Stadtmauer: Es entstanden Schäden an der Stadtmauer, wobei besonders die teilweise genutzten Türme und Wiechhäuser betroffen wurden. Nach dem Krieg wurden Ruinen abgetragen und Sicherungsarbeiten durchgeführt. Zur Landesgartenschau 2004 erfolgten umfangreiche Sanierungsarbeiten, besonders um den Petersberg.
  • Theatergebäude:

Fachwerkbauten

Postkarte vom Riesenhaus am Holzmarkt (Lutherplatz) mit dem Nordhäuser Riesen.

Bedeutende Fachwerkhäuser, die zerstört wurden (lt. dem Denkmalpfleger Rudolf Zießler):

  • Bäckerstraße 22: Mitte des 18. Jahrhunderts errichteter dreigeschossiger, neunachsiger, verputzter Fachwerkbau mit massivem Erdgeschoß, Satteldach und Zwerhaus. Stichbogenfenster mit einfacher profikierter Rahmung in Dreiergruppen. Betonung der Mittelachse durch ein von Pilastern flankiertes Portal mit gesprengtem Giebel, darauf ruhende Frauen und Wappen, sowie durch einen auf Konsolen sitzenden Balkon mit schmiedeeisernem Gitter.
  • Blasiistraße 15: Alte Schule. Errichtet um 1700 als dreigeschossiger stattlicher Fachwerkbau mit hohem Satteldach. Unregelmäßige Fenstergruppierung (im ersten Obergeschoß dreizehn Achsen). Fachwerk mit Halben Männern. Obergeschoß vorkragend mit Balkenköpfen und gekehlten Füllhölzern.
  • Blasiistraße 21: Bedeutendstes Renaissance-Fachwerkhaus Nordhausens von etwa 1550. Dreigeschossig mit zehn Fensterachsen in unregelmäßiger Gruppierung, Geschosse stark vorkragend. Reich ausgebildetes Schmuckfachwerk mit Balkonköpfen, Knaggen, Füllhölzern und Schiffskehlen. Haupteingang mit kräftigen Gewämdepfosten und halben Sonnen um 1700.
  • Hagenstraße 4: Um 1800 errichtet als zweigeschossiger, vierschieferter Fachwerkbau mit zehn Fensterachsen. Eckpilaster, ebensolche toskanische Holzpilaster flankieren die vier Mittelachsen und nehmen einen verschieferten Dreieckgiebel auf. Stichbogenfenster mit einfacher Rahmung und Schlußsteinbetonung.
  • Hagenstraße: Ilferlder Hof, ehem. Klosterholf, seit dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts kurhannoversche Postverwaltung, seit 1853 in Privatbesitz. 1277 angelegt, später erweitert, im 17. Jahrhundert Neubau auf erweitertem Grundriß mit massivem Erdgeschoß und zwei Fachwerkobergeschossen, verschiefert.
  • Holzmarkt (Lutherplatz): „Riesenhaus“. 1375 erstmals erwähntes Patrizierhaus mit massivem Erdgeschoß, zwei Fachwerkobergeschossen und Satteldach. Nach Brand von 1710 im Fachwerk erneuert. Fassade gegliedert durch zwölf Fensterachsen, jeweils in Dreiegrupnnen angeordnet. Fachwerkkoonstruktion mit Wilden Männern. Mittelgiebel mit einem Mann in Ritterrüstung (Nordhäuser Riese), der eine Lande hält. 1805 Einrichtung einer Gaststätte, Verputz des Fachwerks und klassizistische Fassadengestaltung. 1927 Entrestaurierung und Wiederherstellung des Fachwerks.
  • Jakobikirchplatz 4: Lateinschule. Zweigeschossiger Fachwerkbau von 1493 mit Satteldach. Ständer- und Riegelbau. Vorkragendes Obergeschoß über geschwungene Knaggen. Durchlaufender Fensterbrustriegel.
  • Jakobikirchplatz: Pfarrhaus. 1687 errichteter zweigeschossiger Fachwerkbau mit Krüppelwalmdach. Fenstergruppierung unregelmäßig. Stiele und Brustriegel durch Wilde Männer verstärkt. Geringe Auskragung, Balkonköpfe und Schwelle mit einfacheren Profilen. Gefache mit Ziegeln in Mustern ausgemauert. Oberdeutsch beeinflußtes Fachwerk.
  • Königshof 14: Dreigeschossiger Fachwerkbau mit oberdeutschen Stilelementen, Ganze und Halbe Männer. Um 1780 Verkleidung der Fenster mit Rokokogirlanden.
  • Krämerstraße 11: Verschieferter, zweigeschossiger, fünfachsiger Fachwerkbau mit spätbarockem Volutengiebel. Stichbogenfenster mit Rahmenverkleidung. Erdgeschoß durch Ladeneinbauten verändert.
  • Krämerstraße 15: Um 1700 errichteter schmaler dreigeschossiger Fachwerkbau in oberdeutschem Stil mit Halben Männern an den Ecken. Balkonköpfe und Füllhölzer mit einheitlichem Profil. Satteldach mit Zwerchhaus.
  • Lohmarkt 2, 4, 20, 21: Nach 1686 errichtete Gerberhäuser. Zwei- bzw. dreigeschossige Fachwerkgebäude im gleichen oberdeutschen Baustil wie Pfarrhaus Jakobikirchplatz. Besonders reich ausgebildet der Türstock mit Renaissanceformen und Inschrift. Satteldächer mit Zwerchhäsern (Ladeluken).
  • Neustadtstraße 27: Zweigeschossiger, elfachsiger Fachwerkbau aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Satteldach. An den Fenstern Rokokoverkleidung.
  • Neustadtstraße 35: Zweigeschossiger, achtachsiger Fachwerkbau aus der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Sandsteinsockel. Türen und Fenster in Stichbogen mit geschnitzter Rokokoverkleidung.
  • Neustadtstraße 47: Dreigeschossiger Fachwerkbau der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit Krüppelwalmdach. Rokokofensterbekleidungen handwerklich vereinfacht.
  • Pferdemarkt 17: Dreigeschossiger Fackwerkbau von etwa 1550, niederdeutsch beeinflußt. Auskragung des Obergeschosses mit Balkonköpfen, Knaggen und Füllhölzern. Erdgeschoß baulich verändert.
  • Sandstraße 3, 21, 23, 28: Diese Häuser hinsichtlich der Entstehungszeit und der architektonischen Ausbildung denen der Neustadtstraße entsprechend.

Situation nach dem Großangriff

Das Britische Bomber Command berichtete als Ergebnis der beiden Großangriffe, dass "die Stadt fast vollständig zerstört wurde, inbegriffen die Kasernenblöcke".[13] Die Situation für die Bevölkerung nach den Angriffen kann nur mit dem Begriff Inferno beschrieben werden. Das Stadtzentrum konnte tagelang nicht betreten werden. Es wüteten noch zahlreiche Brände [14], die Schutthaufen strahlten unerträgliche Hitze aus. Bomben mit Zeitzündern gingen hoch. Über den Trümmerfeldern lag bald Leichengeruch, besonders im Bereich der Boelcke-Kaserne. In den Nächten des 6. und 7. April wurden die Kranken und Verwundeten aus Nordhausen und Umgebung durch alle verfügbaren Fahrzeuge, besonders mit Bauern-Gespannen, in den Kohnstein in Sicherheit gebracht. Die Nordhäuser Bevölkerung verteilte sich nach Schätzungen am 7. April wie folgt: 6.000 (8.800) Opfer tot unter den Trümmern, 6.000 Überlebende noch in der Stadt, 10.000 im Kohnstein und 20.000 in den umliegenden Dörfern, besonders nordöstlich der Stadt.[15] Am 8. April flogen 6 Jagdbomber noch einen Tagesangriff nach Zielmarkierung auf Nordhausen, parallel zu dem Bombardement auf Sondershausen. Am 10. April näherten sich US-Panzer aus Richtung Hain dem Süden der Stadt und nahmen ihn unter Feuer, darunter die Trümmer der Boelcke-Kaserne. [16]

Gründe und Beurteilungen

Luftangriffe waren im Zweiten Weltkrieg für alle Kriegsparteien zum entschiedenen strategischen Kriegskonzept geworden. Die Westalliierten glaubten durch die planmäßige und massive Zerstörung deutscher Städte, vor allem der Wohngebiete der Industriearbeiter, die Moral und den Widerstandswillen der Bevölkerung zu brechen und den Krieg schneller beenden zu können.[17] Im Januar 1943 einigten sich Großbritannien und die Vereinigten Staaten in Casablanca auf die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation des Deutschen Reiches und auf eine weitere Verschärfung des Bombenkrieges. Zu dieser Zeit war die deutsche Luftabwehr längst nicht mehr in der Lage, das Reichsgebiet zu verteidigen. Die Alliierten erreichten ihr Ziel der Demoralisierung nicht und viele Deutsche klammerten sich in Verzweiflung an einen „Endsieg“.

Im März 1945 hatte sich das Angriffstempo der US-Streitmacht im Vergleich zu den Vormonaten verlangsamt.[18] Um dennoch den Stoß in das Zentrum Deutschlands als strategisches Ziel zügig fortzuführen, waren die Westalliierten zum Einsatz aller Mittel entschlossen, auch in Anbetracht eventuell noch bevorstehender Kämpfe und Widerstand im Südharz. Die Stadt Nordhausen erhielt daher militärische Bedeutsamkeit für die 1. US-Armee, auch wegen des Verschiebebahnhofs für Truppenbewegungen. Der unterirdische Rüstungsbetrieb im Kohnstein und das Konzentrationslager Mittelbau wurden dagegen nie zu Zielen von Luftangriffen.

Die Bombardierung von Nordhausen wurde am 2. April 1945 vom Alliierten Oberkommando (SHAEF) befohlen.[18] Dort forderte man einen Angriff zur Unterstützung der 1. US-Armee mit Priorität zur frühestmöglichen Gelegenheit. Der Zweck der RAF-Angriffe im April 1945 bestand darin, den Weg für einen ungehinderten Vormarsch von der im Südharzer Raum erwarteten Gegenwehr freizumachen.

Nachwirkungen

Insgesamt waren vom britischen Bomber Command 2.386 Tonnen und von der 8. US Air Force 296 Tonnen Bombenlast auf Nordhausen abgeworfen worden.[19] Eine der am längsten nachwirkenden Folgen der Luftangriffe für die Bürger der Stadt blieben Hunderte von Blindgängern aller Kaliber: zwischen den Trümmern der Stadt und im Erdreich der Straßen, Gärten und Felder. In den ersten Jahren machten sich die Feuerwerker Jochen Nebel und Albin Diebler sehr verdient um die Entschärfung gefundener Bomben, ab 1962 der - deshalb zum Ehrenbürger ernannte - Helmut Zinke. Im Stadtgebiet wurden 1948 bis 1953 etwa 100 Bomben entschärft, dann 248 Blindgänger von 1954 bis 1999 entzündert und beräumt.[20]

Noch 2014 gilt eine Verordnung in Nordhausen, nach der jeder Bürger, der bauen will, sicherstellen muss, dass unter seinem Grund und Boden kein Gefahrgut liegt.[21]

Gedenken

Denkmäler

  • Ehrenfriedhof mit Massengräbern und einem 1999 umgestalteten Denkmal
  • Mahnmal für die Opfer der Bombardierungen vor dem Alten Rathaus: 1950 wurde ein großes Mahnmal mit Flammschale auf dem Sockel des früheren Luther-Denkmals errichtet. Es trug die Inschrift: "4.4. 1945. Zerstörung Nordhausens durch amerikanische Bomber - 8800 Opfer klagen an" (Amerikanische Bomber war falsch). 1969 wurde dieses Denkmal durch eine Säule mit Gedenkstein ersetzt, der bis heute existiert.

Zitate

  • „Das Ausmaß des Schreckens, der Verwüstung und des Todes, von dem unsere Stadt am jedem Apriltage erfaßt wurde, macht sie praktisch zu einem Synonym für die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. Denn vergleicht man auf Airfotos ihre zerstörten Zentren, so läßt sich schwerlich ein gradueller Wirkungsunterschied erkennen.“ – Walter Geiger, Nordhausen im Bombenvisier, S. 154.

Einzelnachweise

  1. Geiger: Nordhausen im Bombenvisier. S. 150.
  2. Peter Kuhlbrodt (Hrsg.): Schicksalsjahr 1945. Inferno Nordhausen. Nordhausen 1995. S. 20, 33
  3. Manfred Schröter: Die Zerstörung Nordhausens. Meyenburg-Museum Nordhausen, 1988. S. 6-8
  4. Walter Geiger: Nordhausen im Bombervisier. Verlag Neukirchner, Nordhausen 2000. S. 258
  5. Geiger: Nordhausen im Bombenvisier. S. 65
  6. Geiger: Nordhausen im Bombenvisier. S. 61 f.
  7. Geiger: Nordhausen im Bombenvisier. S. 98 f.
  8. Geiger: Nordhausen im Bombenvisier. S. S 221 f.
  9. Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland, S. 422.
  10. Wagner: Produktion des Todes. S. 280
  11. Geiger: Nordhausen im Bombenvisier. S. 146 f.
  12. Kuhlbrodt: Inferno Nordhausen. S. 125 f.
  13. Walter Geiger: Nordhausen im Bombervisier. Nordhausen, 2000. S. 154
  14. Peter Kulhlbrodt: Schicksalsjahr 1945. Inferno Nordhausen. Nordhausen 1995. S. 24
  15. Manfred Schröter: Die Zerstörung Nordhausens. Meyenburg-Museum Nordhausen, 1988. S. 30
  16. Manfred Schröter: Die Zerstörung Nordhausens. Meyenburg-Museum Nordhausen, 1988. S. 37
  17. Johannes Volker Wagner: Bomben auf Bochum. S. 3.
  18. 18,0 18,1 Geiger: Nordhausen im Bombenvisier. S. 158 f.
  19. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. Akademie-Verlag, Berlin 1990. S. 449
  20. Walter Geiger: Nordhausen im Bombervisier. Nordhausen, 2000. S. 263-264
  21. Katja Dörn: Die Gefahr rostet im Thüringer Boden. Thüringische Landeszeitung, 12. Dezember 2014

Literatur