Gedenkblätter aus der Geschichte der ehemaligen freien Reichsstadt Nordhausen: Unterschied zwischen den Versionen
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|AUTOR=[[Theodor Eckart]] | |||
|TITEL=Gedenkblätter aus der Geschichte der ehemaligen freien Reichsstadt Nordhausen | |||
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|VERLAG=Leipzig: Bernhard Franke | |||
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== Vorwort == | == Vorwort == | ||
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{{idt2|25}}Friedrich von Bendeleben hat im Jahre 1401 eine ewige nordhäusische Mark dazu gekauft zum Tröste seiner Seele und der Seelen aller seiner Vorfahren und Freunde. Spätere auch den Statuten einverleibte Entscheidungen geben ausführliche Vorschriften für das bei dieser Spende zu beobachtende Verfahren. Die von eigenen Spendeherren verwalteten Güter und Einkünfte der Anstalt wurden immer bedeutender. Wie ansehnlich die Spende im Anfänge des 16. Jahrhunderts war, geht schon aus der Menge des Brotes und der Heringe hervor, welche, außer dem baren Gelde, an die Welt- und Ordensgeistlichen, an die Kirchen- und Schuldiener, an die städtischen Diener und an die Armen und Teilnehmer an der Prozession verteilt wurden. Im Jahre 1527 wurde ausgeteilt Brot von 44 Marktscheffeln (= 528 Scheffeln) Weizen und 16 Tonnen Heringe. Jedes Spendebrot wog damals 3 Pfd. 1520 gab man 36 Marktscheffel Weizen und 10 Tonnen Heringe; 1521 wieder 40 Marktscheffel und 12 Tonnen Heringe, und es blieb viel übrig; 1522 ebensoviel, und es reichte nicht zu, weshalb man 3 Pfennige statt eines Brotes gab. 1526 und 1528 unterblieb Prozession und Austeilung. 1529 gab man 40 Marktscheffel Weizen und 10 Tonnen Heringe, aber die Prozession unterblieb von nun an. 1532 gab man 40 Marktscheffel Weizen und 15 Tonnen Heringe, und es blieben 7 Schock Brote übrig. 1541 wog 1 Spendebrot 1 Pfd. Die Spende dauerte bis in das 17. Jahrhundert, ist aber mit der alten reichsstädtischen Herrlichkeit längst untergegangen. | {{idt2|25}}Friedrich von Bendeleben hat im Jahre 1401 eine ewige nordhäusische Mark dazu gekauft zum Tröste seiner Seele und der Seelen aller seiner Vorfahren und Freunde. Spätere auch den Statuten einverleibte Entscheidungen geben ausführliche Vorschriften für das bei dieser Spende zu beobachtende Verfahren. Die von eigenen Spendeherren verwalteten Güter und Einkünfte der Anstalt wurden immer bedeutender. Wie ansehnlich die Spende im Anfänge des 16. Jahrhunderts war, geht schon aus der Menge des Brotes und der Heringe hervor, welche, außer dem baren Gelde, an die Welt- und Ordensgeistlichen, an die Kirchen- und Schuldiener, an die städtischen Diener und an die Armen und Teilnehmer an der Prozession verteilt wurden. Im Jahre 1527 wurde ausgeteilt Brot von 44 Marktscheffeln (= 528 Scheffeln) Weizen und 16 Tonnen Heringe. Jedes Spendebrot wog damals 3 Pfd. 1520 gab man 36 Marktscheffel Weizen und 10 Tonnen Heringe; 1521 wieder 40 Marktscheffel und 12 Tonnen Heringe, und es blieb viel übrig; 1522 ebensoviel, und es reichte nicht zu, weshalb man 3 Pfennige statt eines Brotes gab. 1526 und 1528 unterblieb Prozession und Austeilung. 1529 gab man 40 Marktscheffel Weizen und 10 Tonnen Heringe, aber die Prozession unterblieb von nun an. 1532 gab man 40 Marktscheffel Weizen und 15 Tonnen Heringe, und es blieben 7 Schock Brote übrig. 1541 wog 1 Spendebrot 1 Pfd. Die Spende dauerte bis in das 17. Jahrhundert, ist aber mit der alten reichsstädtischen Herrlichkeit längst untergegangen. | ||
== Neue Empörung. | == Neue Empörung. Kampf mit den Grafen von Hohnstein. Vertrag mit demselben 1363. == | ||
{{idt2|25}}Mit der vorhergehenden Erzählung steht auch folgende Nachricht in Verbindung. Um jene Zeit wurde auch bekannt, wer der Anstifter des Tumultes vor fünf Jahren gewesen war (1324). Darüber entstand eine neue Empörung. Die Empörer belagerten das feste Rautenthor, hieben es auf und drangen bis auf den Königshof, wo sie viel Mutwillen trieben. Man schrie, die Stadt sei verraten, und die Bürger griffen zu den Waffen. Es war am 15. Juli 1329, als man der Aufrührer Herr wurde. Viele wurden deshalb gefangen und einige derselben gehängt, andere geköpft, andere gerädert. Die Zwietracht unter den Bürgern wurde dadurch aber größer, als sie je gewesen war, zumal die aus der Stadt Vertriebenen mit Hülfe benachbarter Ritter und Edlen, namentlich der Grafen von Hohnstein, von Stolberg und von Beichlingen mit Gewalt wieder eindringen wollten, wodurch eine Menge Kämpfe und Fehden entstanden, die durchaus nicht förderlich für die allgemeine Wohlfahrt der Stadt waren. | {{idt2|25}}Mit der vorhergehenden Erzählung steht auch folgende Nachricht in Verbindung. Um jene Zeit wurde auch bekannt, wer der Anstifter des Tumultes vor fünf Jahren gewesen war (1324). Darüber entstand eine neue Empörung. Die Empörer belagerten das feste Rautenthor, hieben es auf und drangen bis auf den Königshof, wo sie viel Mutwillen trieben. Man schrie, die Stadt sei verraten, und die Bürger griffen zu den Waffen. Es war am 15. Juli 1329, als man der Aufrührer Herr wurde. Viele wurden deshalb gefangen und einige derselben gehängt, andere geköpft, andere gerädert. Die Zwietracht unter den Bürgern wurde dadurch aber größer, als sie je gewesen war, zumal die aus der Stadt Vertriebenen mit Hülfe benachbarter Ritter und Edlen, namentlich der Grafen von Hohnstein, von Stolberg und von Beichlingen mit Gewalt wieder eindringen wollten, wodurch eine Menge Kämpfe und Fehden entstanden, die durchaus nicht förderlich für die allgemeine Wohlfahrt der Stadt waren. | ||
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{{idt2|25}}Die Pest wütete in Nordhausen sehr oft im 13., 14., 15. und 16. Jahrhundert, besonders aber in den Jahren: 1393, 1398, 1438, 1463, 1500, 1550, 1565, 1682. Die vielen Waldungen und Sümpfe in der Umgegend mochten wohl damals dazu beitragen, daß die Pest so oft wütete und ganze Gegenden und Städte heimgesucht wurden. Vom Jahre 1550 fangen erst die Totenverzeichnisse an, und aus denselben ergiebt sich, daß hier 2 500 Menschen starben. Im Jahre 1565 wütete sie durch ganz Thüringen und raffte überall Tausende auf Tausende hinweg, und viele thüringische Städte, am meisten die volkreiche Stadt Erfurt, verödeten unter den Schlägen dieser lebenzerstörenden Geißel. Man hatte nicht Arme, nicht Gräber genug, die Toten zu bestatten. 253 000 Menschen starben an dieser Plage; im Jahre 1682 starben hier 3 509 Menschen. | {{idt2|25}}Die Pest wütete in Nordhausen sehr oft im 13., 14., 15. und 16. Jahrhundert, besonders aber in den Jahren: 1393, 1398, 1438, 1463, 1500, 1550, 1565, 1682. Die vielen Waldungen und Sümpfe in der Umgegend mochten wohl damals dazu beitragen, daß die Pest so oft wütete und ganze Gegenden und Städte heimgesucht wurden. Vom Jahre 1550 fangen erst die Totenverzeichnisse an, und aus denselben ergiebt sich, daß hier 2 500 Menschen starben. Im Jahre 1565 wütete sie durch ganz Thüringen und raffte überall Tausende auf Tausende hinweg, und viele thüringische Städte, am meisten die volkreiche Stadt Erfurt, verödeten unter den Schlägen dieser lebenzerstörenden Geißel. Man hatte nicht Arme, nicht Gräber genug, die Toten zu bestatten. 253 000 Menschen starben an dieser Plage; im Jahre 1682 starben hier 3 509 Menschen. | ||
{{idt2|25}}Das Ende dieses Jahrhunderts in der Geschichte der Stadt beschließt der im Jahre 1398 zwischen dem Rate der Stadt einerseits und dem Stifte Ilfeld andererseits abgeschlossene Vertrag wegen des sogenannten | {{idt2|25}}Das Ende dieses Jahrhunderts in der Geschichte der Stadt beschließt der im Jahre 1398 zwischen dem Rate der Stadt einerseits und dem Stifte Ilfeld andererseits abgeschlossene Vertrag wegen des sogenannten Ilfelder Hofes, der zur Einnahme und Aufbewahrung der dem Stifte Ilfeld aus Nordhausen und den bei der Stadt gelegenen, diesem Kloster Zinspflichtigen, diente und worin die Stadt dieses Haus dem Stifte abtrat. — | ||
== Bauten im 14. Jahrhundert. Beilegung des Streites um den Walkenrieder Hof 1496. == | == Bauten im 14. Jahrhundert. Beilegung des Streites um den Walkenrieder Hof 1496. == | ||
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{{idt2|25}}Da es dem barmherzigen Gott gefiel, durch seinen Diener Martin Luther die bis dahin durch Menschensatzungen verdorbene Lehre vom ewigen Heil durch die deutsche Bibelübersetzung wieder zu verbessern, so fand überall im deutschen Lande und auch in unserer Stadt eine Umwandlung aller kirchlichen Verhältnisse statt. Am 31. Oktober 1517 hatte Luther seine 95 Sätze an die Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen und damit dem Papsttum und der ganzen katholischen Kirche einen gewaltigen Stoß versetzt. Seitdem erscholl es nach und nach durch die Kirchen und Gemeinden Nordhausens: Wir predigen Christum, den Gekreuzigten. Klosterwesen und Mönchsgerechtigkeit hatten ihr Ende erreicht. Nordhausens berühmtester Sohn, Justus Jonas, geb. am 5. Juni 1493 zu Nordhausen, wo sein Vater Bürgermeister war, Luthers Freund und Beichtvater, ja Luther selbst, zündeten mit ihrer Predigt in Nordhausen das evangelische Licht an, und auch der Bürgermeister Meienburg war ein großer Verehrer Luthers. Die Stadt wandte sich sehr bald dem reinen Evangelio zu, sodaß Luther von ihr rühmen konnte: Ich weiß keine Stadt am Harze sonst, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen, als Nordhausen, deß wird sie vor Gott und der Welt vor andern in jenem Leben Ehre haben! | {{idt2|25}}Da es dem barmherzigen Gott gefiel, durch seinen Diener Martin Luther die bis dahin durch Menschensatzungen verdorbene Lehre vom ewigen Heil durch die deutsche Bibelübersetzung wieder zu verbessern, so fand überall im deutschen Lande und auch in unserer Stadt eine Umwandlung aller kirchlichen Verhältnisse statt. Am 31. Oktober 1517 hatte Luther seine 95 Sätze an die Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen und damit dem Papsttum und der ganzen katholischen Kirche einen gewaltigen Stoß versetzt. Seitdem erscholl es nach und nach durch die Kirchen und Gemeinden Nordhausens: Wir predigen Christum, den Gekreuzigten. Klosterwesen und Mönchsgerechtigkeit hatten ihr Ende erreicht. Nordhausens berühmtester Sohn, Justus Jonas, geb. am 5. Juni 1493 zu Nordhausen, wo sein Vater Bürgermeister war, Luthers Freund und Beichtvater, ja Luther selbst, zündeten mit ihrer Predigt in Nordhausen das evangelische Licht an, und auch der Bürgermeister Meienburg war ein großer Verehrer Luthers. Die Stadt wandte sich sehr bald dem reinen Evangelio zu, sodaß Luther von ihr rühmen konnte: Ich weiß keine Stadt am Harze sonst, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen, als Nordhausen, deß wird sie vor Gott und der Welt vor andern in jenem Leben Ehre haben! | ||
{{idt2|25}}Laurentius Süße, früher in Wittenberg Augustinermönch, später Prior im hiesigen Augustinerkloster vor dem Vogel, hielt im Jahre 1522 am Sonntag Septuagesimä in der St. Petrikirche die erste evangelische Predigt „vom Weinberge des Herrn. | {{idt2|25}}Laurentius Süße, früher in Wittenberg Augustinermönch, später Prior im hiesigen Augustinerkloster vor dem Vogel, hielt im Jahre 1522 am Sonntag Septuagesimä in der St. Petrikirche die erste evangelische Predigt „vom Weinberge des Herrn.“ Ihm folgte Johann Noricus an der Neustädter St. Jakobikirche und nach und nach die meisten Geistlichen bis auf die Geistlichkeit des Stifts zum heiligen Kreuz, die bis auf den heutigen Tag bei der katholischen Lehre verblieben sind; die Domkirche ist die einzige katholische Nordhausens. | ||
{{idt2|25}}Die Mönchs- und Nonnenkloster und ihre Güter und Besitzungen verwandte der Rat zur Verbesserung der Kirchen und Schulen und zu milden Stiftungen. | {{idt2|25}}Die Mönchs- und Nonnenkloster und ihre Güter und Besitzungen verwandte der Rat zur Verbesserung der Kirchen und Schulen und zu milden Stiftungen. | ||
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{{idt2|25}}Laut eines Vertrags verkaufte Preußen an Nordhausen das Reichsschultheißen- und Reichsvogtei-Amt für 50 000 Thlr. Dies Amt hatte Preußen von Sachsen 1697 erkauft und an Nordhausen abgetreten. 1703, am 7. Februar, zwischen 1 und 2 Uhr des Nachts besetzten preußische Truppen unter Oberst Tettau die Stadt, um den Ansprüchen an Sachsen Nachdruck zu geben. Erst am 12. September zogen sie wieder ab. | {{idt2|25}}Laut eines Vertrags verkaufte Preußen an Nordhausen das Reichsschultheißen- und Reichsvogtei-Amt für 50 000 Thlr. Dies Amt hatte Preußen von Sachsen 1697 erkauft und an Nordhausen abgetreten. 1703, am 7. Februar, zwischen 1 und 2 Uhr des Nachts besetzten preußische Truppen unter Oberst Tettau die Stadt, um den Ansprüchen an Sachsen Nachdruck zu geben. Erst am 12. September zogen sie wieder ab. | ||
{{idt2|25}}Am 6. April 1706 starb hier der 90 Jahre alte Bürgermeister | {{idt2|25}}Am 6. April 1706 starb hier der 90 Jahre alte Bürgermeister Dr. Johann Conrad Fromann. Er war hier geboren am 24. Oktober 1616 und vierzig Jahre Bürgermeister und schon vorher zehn Jahre Physikus gewesen. Von seinem Eifer und Fleiße für städtische Sachen zeugen seine handschriftlichen Sammlungen, von Gelehrsamkeit und wissenschaftlichem Sinne seine gedruckten Schriften und die reiche Bibliothek, welche er gesammelt hat. Seine Pietät sprach er aus in dem mit seiner Gattin Marie Magdalena geb. von Mühlheim aus Straßburg am 21. Juni 1682 (während der Pest) errichteten Testamente durch ein Legat von 1000 Thalern, deren Zinsen jährlich auf eine bestimmte Weise verteilt werden sollten und noch verteilt werden. | ||
{{idt2|25}}Im Jahre 1710, als man eben in der Kirchwe war, und den wegen an demselben Tage im Jahre 1612 stattgefundenen Brandes angeordneten Brandbußtag abhielt, entstand am Steinwege die erste große Feuersbrunst im 18. Jahrhundert, welche die halbe Oberstadt zerstörte (161 Häuser und 20 öffentliche Gebäude). Unter den mit verbrannten öffentlichen Gebäuden war auch, außer dem Rathause, der Apotheke am Königshofe, dem Ratskeller, dem Gymnasium, dem Rautenthor, dem Walkenrieder Hofe, die St. Nikolai- oder Marktkirche, die Hauptkirche der Stadt, welche mit ihren beiden schönen Türmen, auf deren einem ein Turmwächter wohnte, bis auf die Mauern und das Gewölbe abbrannte. Die künstliche Turmuhr, die bei diesem Feuer mit verloren ging, verdient eine nähere Beschreibung. Auf dem Zifferblatte befand sich unter dem Zeiger eine kupferne Kugel, die das Ab- und Zunehmen des Mondes zeigte, unter derselben war ein goldener Kopf, über welchem ein goldener Apfel hing. So oft es nun schlug, so oft schnappte der Kopf nach dem Apfel, welcher jedesmal zurückfuhr. Zur rechten Seite der Kugel stand ein Engel mit einer Sanduhr, die er nach Ablauf einer Stunde umwandte. Zur linken stand ein anderer Engel mit einem Zepter, der mit diesem so oft an das Zifferblatt schlug, so vielmal die Uhr ertönte. | {{idt2|25}}Im Jahre 1710, als man eben in der Kirchwe war, und den wegen an demselben Tage im Jahre 1612 stattgefundenen Brandes angeordneten Brandbußtag abhielt, entstand am Steinwege die erste große Feuersbrunst im 18. Jahrhundert, welche die halbe Oberstadt zerstörte (161 Häuser und 20 öffentliche Gebäude). Unter den mit verbrannten öffentlichen Gebäuden war auch, außer dem Rathause, der Apotheke am Königshofe, dem Ratskeller, dem Gymnasium, dem Rautenthor, dem Walkenrieder Hofe, die St. Nikolai- oder Marktkirche, die Hauptkirche der Stadt, welche mit ihren beiden schönen Türmen, auf deren einem ein Turmwächter wohnte, bis auf die Mauern und das Gewölbe abbrannte. Die künstliche Turmuhr, die bei diesem Feuer mit verloren ging, verdient eine nähere Beschreibung. Auf dem Zifferblatte befand sich unter dem Zeiger eine kupferne Kugel, die das Ab- und Zunehmen des Mondes zeigte, unter derselben war ein goldener Kopf, über welchem ein goldener Apfel hing. So oft es nun schlug, so oft schnappte der Kopf nach dem Apfel, welcher jedesmal zurückfuhr. Zur rechten Seite der Kugel stand ein Engel mit einer Sanduhr, die er nach Ablauf einer Stunde umwandte. Zur linken stand ein anderer Engel mit einem Zepter, der mit diesem so oft an das Zifferblatt schlug, so vielmal die Uhr ertönte. | ||
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{{idt2|25}}Am 21. August 1712 war die zweite große Feuersbrunst im 18. Jahrhundert, noch bedeutender als die erste. Das Feuer kam in einer Scheune der Kranichstraße aus und betraf wieder die St. Nikolaikirche und über 20 öffentliche und 281 Bürgerhäuser der Oberstadt. | {{idt2|25}}Am 21. August 1712 war die zweite große Feuersbrunst im 18. Jahrhundert, noch bedeutender als die erste. Das Feuer kam in einer Scheune der Kranichstraße aus und betraf wieder die St. Nikolaikirche und über 20 öffentliche und 281 Bürgerhäuser der Oberstadt. | ||
== Das Waisenhaus 1717. Bau der St. Jakobikirche 1744-50. Beckers Stipendium. Gesangbuchstreit. Bergbau. == | |||
{{idt2|25}}Bei der großen Feuersbrunst am 23. August 1710 verzehrten auch die Flammen das eigentümliche Wohnhaus des evangelischen Predigers Johann Richard Otto. In unglaublicher Schnelle brannte nicht nur das Haupt- sondern auch die Nebengebäude ab. | |||
{{idt2|25}}Als man am folgenden Tage den Schutt der Brandstätte wegzuräumen begann, fand man in dem glühenden Schutte eine deutsche Bibel, welche der Prediger Otto, nebst andern Büchern, auf seinem Tisch stehen gehabt hatte, ganz unversehrt und nur am Schlosse waren einige unbedeutende Flammenspuren sichtbar. Durch die wunderbare Erhaltung dieser Bibel fühlte Otto sich tief ergriffen, hielt diesen Ort gleichsam von Gott selbst geheiligt und faßte den Entschluß, zur Ehre des Höchsten auf der Brandstätte ein Waisenhaus zu errichten. Am 8. März 1715 legte er dem Senate seinen Antrag vor, welcher denselben in allen Punkten genehmigte und mit thätigster Beihülfe unterstützte, sodaß im Jahre 1715 das Gebäude mit einen Türmchen versehen, beendigt wurde. | |||
Das Waisenhaus erfreut sich bis heute des besten Gedeihens und wurde von gottliebenden Seelen mit Vermächtnissen und Legaten bedacht. Alljährlich am Brandbußtage, den 10. Sonntag nach Trinitatis, der noch jetzt gefeiert, wird jedesmal in einer Betstunde im Saale des Waisenhauses jene Bibel vorgezeigt. Sie ist in Duodez und 1698 zu Lüneburg durch Johann Stern gedruckt und verlegt, in schwarzen Corduan mit vergoldetem Schnitt gebunden, ist mit zwei Schlössern versehen und der Pastor Otto hat mit eigener Hand folgende Worte hineingeschrieben: | |||
{{idt2|25}}„Als anno 1710, am 23. Augusti, war den Sonnabend vor Bartholomäi und Sonnabend vor dem 10. Trinitatissonntage, gegen 11 Uhr am Markte eine erschreckliche Feuersbrunst entstund und Gott dem sündlichen Nordhausen die Zerstörung Jerusalems in einem Teil der Stadt durchs Feuer predigte und solches Feuer auch mein kaum erkauftes und zwischen dem Walkenriederhofe und Steinbackhause gelegens Haus ergriffen und verzehrte. So ist die Bibel, die ich zu meinem Gebrauch in der Erkner-Stube auf einem Tische stehen hatte, in solchen Flammen, die alles verzehrten, in der Stube wunderbarer Weise erhalten und Tags darauf in der Asche und Schutt gefunden worden, bis an das oberste Schlößlein, unverletzt.“ | |||
{{idt2|25}}Von Ostern bis Michaelis wird alle Sonntag nachmittags 4 Uhr im Betsaale ein Gottesdienst mit Predigt gehalten, und diese Predigt von den Pastoren der sechs evangelischen Kirchen der Reihe nach verwaltet. Für arme Bürgerkinder ist im Waisenhause eine Freischule errichtet. Für die leibliche Pflege und Erziehung der Kinder ist ein verheirateter Waisenvater angestellt. | |||
{{idt2|25}}Am 9. April 1731 starb der Stadtschultheiß zu Bleicherode, Johann Jakob Becker, welcher das bedeutendste der noch bestehenden Stipendien für Studierende mit seinem Vermögen in Nordhausen gestiftet hat. Die Zinsen dieses und noch anderer Vermächtnisse kamen manchem armen, unbemittelten Schüler, der gern studieren möchte, zu gute und haben schon vielen Segen gestiftet. | |||
{{idt2|25}}Ein für das kirchliche Leben und Interesse bis in die heutige Zeit verderblicher Streit entstand im Jahre 1734 wegen des kirchlichen Gesangbuchs. Das alte Nordhäuser Gesangbuch enthielt einen reichen Schatz der ältesten und alten Kernlieder der evangelischen Kirche im Urtext, ein Umstand, der wohl vielen wegen mancher veralteter Wörter anstößig war und zur Herausgabe eines neuen verbesserten den Anlaß gab. Aber auch die ganze Zeitrichtung that dazu das meiste. Der Rationalismus oder der Vernunftglaube gewann das Feld; man zog das göttlich Ewige in den Kreis menschlicher Fassungskraft; verbannte die Versöhnungslehre durch Christum ganz aus Schule und Leben, auf der Kanzel wurde trockne Moral gepredigt und die Bibel beiseite gelegt; das Bestreben, alle Lebensverhältnisse in das Gebiet der Religion hineinzuziehen, trieb so weit, daß Prediger am Gründonnerstag über den Grünkohlbau predigen konnten. War es schon so mit Gottes heiligem Worte, den alten Glaubensliedern ging es noch schlimmer. Die alten Kernlieder verachtete man und legte sie ganz beiseite, oder sie wurden nach neuerm Geschmack gänzlich, fast bis zur Unkenntlichkeit, umgearbeitet und kamen so in die neuen Gesangbücher mit einer bedeutenden größeren Zugabe der neuern Moraldichter. Damit ging denn die eigentliche Gesangbuchsnot an. Man nahm dem Volke, welches die neue Weisheit noch nicht verdauen mochte, zum Teil mit Gewalt seine alten Gesangbücher, und führte dafür die erbärmlichen erneuerten ein. Darüber entstand in den Gemeinden und unter Geistlichen und Obrigkeiten Streit, auch in unserer Stadt, der aber leider mit Beiseitestellung des guten alten und Einführung des neuen erbärmlich verstümmelten Gesangbuchs, in welchem sich laut der Überschrift nur das eine Lied von Luther: „Ein feste Burg" befindet, endete. | |||
{{idt2|25}}Die ziemlich bergige Lage der Stadt hatte schon früher Veranlassung zum Bergbau gegeben und man hatte in der sogenannten Gumpe eine Grube angelegt, die einige Ausbeute gegeben hatte, ohne jedoch die Kosten zu decken. 1736 wurde das Bergwerk wieder ausgenommen und bis 1738 eifrig fortgebaut. Der daraus gewonnene Eisenstein lohnte aber doch nicht so, daß man damit fortfahren konnte; somit wurde der Bergbau nach wenigen Jahren gänzlich wieder aufgegeben. In neuerer Zeit befindet sich daselbst die Abdeckerei. — 1740 wurden zwei angesehene Bürger als Falschmünzer enthauptet. | |||
{{idt2|25}}Vom Jahre 1744 bis 1750 wurde das Gotteshaus der Neustadt-Nordhausen, die Kirche St. Jacobi, neu gebaut. Früher stand schon an derselben Stelle eine alte, düstere, baufällige, vielfach gestützte, ehemals katholische Kirche, deren bereits eine alte Urkunde vom Jahre 1310 erwähnt. Sie war bereits im Jahre 1648 so baufällig, daß der regierende Rat der Stadt zu ihrer Herstellung eine Stadtkollekte ausschrieb, drei Stützpfeiler machen ließ und später wiederholt den Neubau für nötig erachtete, aber es wollten sich weder die Mittel, noch die Bauunternehmer dazu finden. | |||
{{idt2|25}}Es war zunächst das Verdienst des damaligen Pastors Friedrich Christian Lesser, daß unter Gottes sichtlichem Beistände die Kirche gebauet wurde. Derselbe wandte sich zunächst an den Herzog Karl von Braunschweig und erhielt von diesem die Erlaubnis aus den Ruinen des Klosters Walkenried 5 000 Kubikfuß Steine zum Bau der Kirche abfahren zu lassen. Die Fürsten von Schwarzburg und die Grafen von Stolberg gaben das erforderliche Bauholz. Sodann gab er mehrere Druckschriften zum Besten des Kirchenbaues heraus, schrieb Bittbriefe an hochgestellte Personen, ließ eine Kollekte sammeln, und der Rat der Stadt, die Gemeinde, die Handwerker und einzelne Personen halfen so reichlich, daß der Bau, wovon am 15. Juli 1744 der Grundstein im Beisein einer Ratsdeputation gelegt wurde, am 13. Oktober 1749 als vollendet dastand. Während dieser Zeit hatte die Gemeinde ihren Gottesdienst in der eigens zurecht gebauten, nun abgerissenen, Martini-Kirche gehalten. | |||
{{idt2|25}}Diese Neustadt-Kirche ist geschmackvoll, sinnig und lichtvoll gebaut, ein treffliches Denkmal evangelischer Liebe und Kraft; sie ist 112 Fuß lang, 70 Fuß breit und 40 Fuß hoch. In derselben befindet sich auch das Bildnis Lessers, weithin hochgeachtet durch seine gelehrten Schriften. Zur Aufstellung einer neuen Orgel schenkte 1798 der Senator Rode 500 Thaler und die Gemeinde 741 Thaler. Die Kirche ist nur sehr arm und besitzt fast gar keine Grundstücke, so daß auch die bei der 100 jährigen Jubelfeier derselben, am 14. Oktober 1849, so nötige Renovation oder Erneuerung wieder aus milden Beiträgen bestritten wurde. Über dieses erste Jubiläum hat der damalige Pastor Abel ein eigenes Büchlein herausgegeben. | |||
{{idt2|25}}Der alte Turm ist stehen geblieben als ein Denkmal der Vorzeit seit etwa fünf und einem halben Jahrhundert. Auf ihm hängen zwei Glocken, deren eine, im Jahre 1620 gegossen 46 Centner schwer, 1856 umgegossen werden mußte, da sie gesprungen war, durch freiwillige Beiträge der Gemeinde in Summe 464 Thaler. | |||
{{idt2|25}}Der Kirchhof dieser Gemeinde liegt vor dem Siechenthore und ist durch ein Vermächtnis von 500 Thaler und einem Geschenk von 500 Thaler angekauft; während die alten Begräbnisplätze bei der Kirche jetzt in liebliche Gärten umgewandelt sind. — Der, durch Einführung des Klee- und Spargelbaues in Nordhausen bekannte Pastor Hüpeden, war lange Zeit Prediger an dieser Kirche, und sein Bildnis hängt in derselben zur rechten Hand der Kanzel. | |||
== Rittmeister Kowats. Blut- und Sittenpolizei. Das hiesige Reichskontingent gegen Frankreich. == | |||
{{idt2|25}}Nicht ohne Einfluß auf Deutschland, ja auf ganz Europa war der siebenjährige Krieg, den Preußens großer König Friedrich 11. gegen die deutsche Kaiserin Maria Theresia führte. Ein gewaltiger Kampf war es, den die Geschichte jener Zeit uns in ihren Büchern ausgezeichnet hat. Ganze Gegenden und Städte litten sehr unter den Kriegsunruhen — Nordhausen aber weniger, obgleich bald Freund, bald Feind auch der Drangsale nicht wenige über sie brachten, und viel Geld und Gut fortschleppte, ehe das Friedenswort erscholl und der Kriegsnot ein Ende machte. Unter allen Freunden und Feinden ist aber im besonderen Andenken geblieben der Rittmeister Kowats oder Kowacz, ein geborner Österreicher, welcher Anführer eines preußischen Freikorps avar. Sein Name ist hier zum Schimpfworte geworden („oler Kowatsch"). Nicht bloß viel Geld und Gut führte er hinweg, sondern auch am 3. Mai 1760 die übrigen Geschütze und unter ihnen das schönste Wahrzeichen der Stadt, die acht Ellen lange im Jahre 1519 vortrefflich und kunstreich gegossene Hauptkanone, welche die „Feldschlange" hieß. Das haben ihm die Nordhäuser nie vergessen können. — Zur Feier des Hubertsburger Friedens feierte man hier ein glänzendes Fest, worüber Konrektor Haake einen ausführlichen Festbericht geschrieben hat. | |||
{{idt2|25}}Nicht umsonst steht das Rolandsbild am Rathause der Stadt als Zeichen, daß ihrer Obrigkeit das Recht über Leben und Tod zustehe. In früheren Zeiten waren manche Verbrecher draußen auf dem Galgenberge vom Leben zum Tode durch den Strang gebracht. Später trat die Hinrichtung durch das Schwert an die Stelle des Galgens. Am 21. August 1760 wurde ein fremder Knecht Namens Goldmann wegen Straßenraubes hingerichtet. 1768, am 8. April, war die letzte Hinrichtung in Nordhausen, nämlich die des Flurschützen Hetzer wegen Vergiftung seiner Ehefrau. — Gewöhnliche Vergehen wurden mit Gefängnis bestraft oder auch mit einer körperlichen Züchtigung, schwerere mit Ausstellung am Pranger im Halseisen, Vergehen gegen die Sittlichkeit oft exemplarisch zu Jedermanns Warnung. So wurde noch 1780 am 9. Juni eine Dirne mit einem mit Schellen und Federwischen behangenen Strohkranze auf dem Kopfe vom Schinder aus der Stadt getrommelt. Die Geschichte der Hexenprozesse, deren auch in unserer Stadt vorkamen, wird in den Chroniken gedacht, wo Tortur, Folter und Feuer angewandt wurden und mancher Unschuldige sein Leben einbüßte in den finsteren, abergläubischen Zeiten. | |||
{{idt2|25}}Der Ausbruch der französischen Revolution, die Abschaffung des Königtums und Einführung der Republik, die Ermordung des französischen Königs Ludwigs XVI. rief die deutschen Fürsten und Völker unter die Waffen, um die immer übermütiger werdenden Franzosen zu zügeln. Auch Nordhausen mußte seine Soldaten stellen, und am 16. Februar 1795 rückte das hiesige Reichskontingent, dreifach verstärkt unter dem Hauptmann von Meyeren aus, um gegen die Franzosen zu fechten. In den beiden folgenden Jahren kehrten diese Krieger in ihre Heimat zurück. Von ihren Thaten schweigt die Geschichte. Es war aber der letzte Kriegszug der Stadtsoldaten, den die Stadt in ihrem Interesse und auf ihre Kosten ausführte, denn die nun folgenden politischen Ereignisse griffen gewaltig in alle Verhältnisse ein und mit ihnen hörte auch bald die freireichsstädtische Regierung und Herrlichkeit auf und eine neue Ordnung der Dinge machte sich Bahn, aber gewiß auch nicht zum Schaden der Stadt und ihrer Bürger. | |||
== Reichsdeputationsreceß 1803. Schlacht bei Jena 1806. Westfälische Regierung. Unter Preußens Zepter 1813. == | |||
{{idt2|25}}Das Eindringen der Franzosen unter Moreau und Jourdan in Deutschland führte die Schlacht bei Ettlingen zum Nachteil der Österreicher und Deutschen herbei, doch wurden die Franzosen durch die Schlacht bei Amberg vom Erzherzog Karl wieder über den Rhein getrieben. Im Friedenskongreß zu Rastatt versuchte man beiderseits zu verhandeln, aber der Rastatter Gesandtenmord setzte den Krieg aufs neue in Brand, und nach der Schlacht bei Hohenlinden (3. Dezember 1800) machte der Friede zu Lüneville am 9. Februar 1801 diesem Kriege ein Ende. Dadurch verlor aber das deutsche Reich alle Besitzungen jenseits des Rheines. Die dadurch verletzten Reichsfürsten wurden durch eine- niedergesetzte Reichsdeputation 1802-3, meist durch weltlich gemachte geistliche Gebiete, durch 42 Reichsstädte und die schwäbischen Reichsdörfer entschädigt. Nordhausen fiel durch den Reichsdeputationshauptschluß an Preußen als Entschädigungsanteil für seine Besitzungen am linken Rheinufer (Mörs, Geldern, Kleve.) Am 6. Juni wurde dies der Stadt durch ein königliches Patent bekannt gemacht. Am 11. Juni kam die Nachricht von der bevorstehenden Besetzung der Stadt durch preußische Truppen hier an, und am 29. Juli wurde diese Nachricht durch ein königliches Schreiben bestätigt. | |||
{{idt2|25}}Am 2. August 1802 des Morgens um 9 Uhr wurde die Stadt militärisch von einer Abteilung des preußischen Heeres unter dem Generallieutenant Grafen von Wartensleben besetzt und hörte forthin auf eine freie Reichsstadt zu sein. — Damit hörte nun aber auch die alte reichsstädtische Verfassung auf, und es trat an die Stelle des alten Rates mit seinen zwei Bürgermeistern und Senatoren ein einfacher preußischer Magistrat mit einem Bürgermeister an der Spitze. Nach Bildung eines Magistrats leitete bis zu Ende des Jahres 1822 noch ein altreichsstädtischer Bürgermeister Johann Konrad Ephraim Grünhagen, ein sehr thätiger und tüchtiger Mann, die Geschäfte der Stadt, an dessen Stelle der in der letzten reichsstädtischen Wahlnacht (6. Januar 1802) zum Senator gewählte Hofrat Karl Wilhelm Seiffart (bis 1832) kam. | |||
{{idt2|25}}Mit Napoleons Ernennung zum Kaiser der Franzosen erbleichte die deutsche Kaiserwürde und das alte deutsche Reich nahete seinem Ende durch die Stiftung des Rheinbundes, der eine Folge von Napoleons | |||
wachsender Macht und Gewalt und ein Zeichen deutscher Schmach und Schande war, 1806. Die einzige Macht, welche der mächtige Napoleon noch nicht bedrängt hatte, war Preußen, welches er nun auch wegen Bildung eines nordischen Bundes angriff und trotz aller Stärke des preußischen Heeres am 14. Oktober 1806 in der blutigen Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt schlug. Die preußische Armee war fast ganz | |||
zersprengt, einzelne Heerteile ergaben sich, so auch fast sämtliche Festungen und es folgten Tage des Schreckens und der Trübsal. | |||
{{idt2|25}}Solche Tage der Angst und des Schreckens waren auch der 17., 18. und 19. Oktober, wo drei Korps der Franzosen unter Soult, Ney und Murat, welche den Fürsten Hohenlohe verfolgten, vor die Stadt rückten und nach einem dreistündigen Gefecht, worin die Preußen den Kürzeren zogen, am 17. Oktober nachmittags 3½ 2 Uhr die Stadt entnahmen und vom 17. bis 19. Oktober 11 Uhr morgens anhaltend plünderten und die empörendsten Gewalttätigkeiten verübten. Nur das umsichtige, energische und männliche Benehmen des Bürgermeisters Grünhagen rettete die Stadt vom gänzlichen Verderben. — Die preußische Retirade und ihre nachfolgenden Schreckenstage werden Nordhausens Bewohnern noch lange im Gedächtnis bleiben. | |||
{{idt2|25}}Das unglückliche Preußen verlor die Hälfte seiner bisherigen Besitzungen und aus den abgerissenen Ländern machte Napoleon ein neues Königreich, Westfalen, für seinen Bruder Hieronymus Napoleon, der in der Stadt Kassel seine Residenz aufschlug und von hier aus das Land aussog mit seiner lustigen Franzosenwirtschaft. Zu diesem Königreich Westfalen gehörte auch Nordhausen vom Jahre 1807—1813. Ein Glück aber war es für die Stadt, daß der seitherige Bürgermeister Grünhagen auch beim westfälischen Könige als Maire (Stadtvorsteher) blieb, wodurch sehr viel Elend durch die Umsicht dieses Mannes von der Bürgerschaft abgewendet wurde. König Hieronymus hat sich auch einmal kurze Zeit in Nordhausen ausgehalten, die Bürger waren aber froh, als er wieder fort war; er trieb eine grenzenlose verschwenderische Wirtschaft, und das Land geriet in eine große Schuldenlast. | |||
{{idt2|25}}Die Vernichtung Napoleons und der großen Armee in Rußland gab dem unterdrückten deutschen Volke wieder neue Hoffnung, und die Flammen Moskaus wurden eine Morgenröte für Europas Freiheit. Die Schlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 machte Napoleons Gewaltherrschaft ein Ende. Auch das Königreich Westfalen löste sich für die ehemaligen Besitzer dieser Länder wieder auf, und Nordhausen kam wieder unter den schützenden Zepter Preußens, bei dem es auch durch Gottes Gnade bis jetzt geblieben ist. | |||
== Nordhausen als Kreisstadt. Höhere Töchterschule. Siechenbrücke. Reformationsjubiläum 1817. Neue Agende. == | |||
{{idt2|25}}Nach dem zweiten Pariser Frieden am 20. November 1815 dachte König Friedrich Wilhelm II l. von Neuem darauf, seinem Lande eine feste Form zu geben. Der ganze Staat wurde in 10 Provinzen, 28 Regierungsbezirke und 345 landrätliche Kreise geteilt. Die ehemalige freie Reichsstadt Nordhausen wurde nun Kreisstadt des nach ihr benannten Nordhäuser Kreises im Regierungsbezirke Erfurt. Es gehören zum Nordhäuser Kreise außer der Kreisstadt Nordhausen noch die Städte Bennekenstein, Bleicherode und Ellrich, auch die kleine Stadt Sachsa, sowie 35 Pfarrdörfer. Als Landräte haben viele Jahre seit dieser Einrichtung gewirkt: von Arnstädt, von Tettenborn, von Davier. | |||
{{idt2|25}}In Nordhausen befindet sich der Sitz des Kreisgerichts, sowie das Land- und Stadtgericht. Die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten steht unter den Magistrate und den Stadtverordneten. Nach der Bildung eines einfacheren Magistrats haben als Bürgermeister fungiert: Grünhagen, bis 1822; Seiffart bis 1832; Götting bis 1842; Eckardt bis 1852; Ulrich bis 1862. | |||
{{idt2|25}}Für Schulen zur Bildung der Jugend ist im vergangenen Jahrhundert viel geschehen. Als ein Bedürfnis der Zeit wurde 1808 durch die weise Fürsorge des Magistrats die höhere Töchterschule, für Töchter der vornehmen Stände, angelegt, dessen erster Rektor der durch seine Werke über deutsche Sprache bekannte Dr. Heise war. | |||
{{idt2|25}}Die Realschule vor dem Töpferthore ist im Jahre 1841 errichtet; ebenso die derselben gegenüber liegende Bürgerschule. Beide Gebäude stehen auf dem Friedrich-Wilhelmsplatze, an dessen Stelle 1831 noch Thore, Türme und Wallgräben waren, und wo der alte Zwinger, das stärkste Festungswerk der Stadt, sich befand. | |||
{{idt2|25}}Zur Verbindung der Landstraßen sind über die Zorge und den Mühlgraben in und außerhalb der Stadt viel Brücken gebaut. Die schönste und teuerste ist die Siechenbrücke, welche 1811 vom Landbaumeister Ilse aus Quadersteinen neu erbaut ist; sie hat vier Schwibbogen. Die Brücke bei der Neumühle ist 1821 und die bei der Rotsteinmühle 1823 erbaut. | |||
{{idt2|25}}Das am 31. Oktober 1817 zum 300. Male wiederkehrende Jubiläum der Reformation Luthers wurde in kirchlicher Weise auch in Nordhausen gefeiert und hatte für die Stadt insofern noch Wichtigkeit, als mit dieser Feier die von Friedrich Wilhelm III. beabsichtigte Union der Lutherischen und Reformierten, die sogenannte evangelische Union, auch hier Eingang fand. | |||
{{idt2|25}}Da der König auch dem Gottesdienste mehr Erbauliches und Feierliches und zugleich eine größere Übereinstimmung wünschte, so wurde den Geistlichen eine neue Agende vorgelegt, die aber so viel Widerspruch fand, daß die Regierung am 2. Januar 1826 verordnete, daß alle im Predigtamte neu anzustellende Kandidaten zur Annahme derselben verpflichtet und nur unter dieser Bedingung angestellt werden sollten. In Nordhausen wurde die neue Agende ohne Widerspruch eingeführt. | |||
== Die Domkirche == | |||
oder die Kirche zum heiligen Kreuz (St. Crucis), fast der letzte Überrest der Stiftung der Königin Mathilde, eine der ältesten Kirchen Nordhausens, liegt im Schatten alter Linden wunderschön. In neuester Zeit ist sie zweckmäßig restauriert und macht auf jeden Besucher einen tiefen Eindruck mit ihren gewaltigen Säulen und Rundbögen, mit ihren Bildern, Schnitzwerken, Glasmalereien und den alten Bildsäulen, die aus dem eichsfeldischen Kloster Reifenstein hierher gebracht sind. An den Wänden der Kirche stehen viele in Stein gehauene Bildnisse verstorbener Domgeistlichen und auch in dem an die Kirche stoßenden Kreuzgange. Das hohe Chor, welches sich über der Krypta befindet, ist mit dem in demselben befindlichen Hochaltar eine wahre Zierde der Kirche und reich ausgestattet mit Heiligenbildern und Statuen des Stifters der Kirche Kaiser Otto I., der Mutter Maria, des Kaisers Heinrich I. und der Kaiserin Mathilde. Dieser Teil der Kirche ist mit einem eisernen Gitter eingefaßt, da nicht jedem der Eintritt freisteht. | |||
{{idt2|25}}Unter diesem Chor befindet sich die sogenannte Krypta oder unterirdische Gruftkirche, eine kleine Kapelle mit einem Altar, der aber nicht mehr benutzt wird. In den Zeiten des dreißigjährigen Krieges, wo die Schweden in der Stadt lagen und die Katholischen viel von ihnen zu leiden hatten, wurde hier Gottesdienst gehalten. Ein eben Messe lesender Priester wurde von einem Schweden erschossen und liegt in dieser Kapelle begraben, wie der vor dem Altar liegende Grabstein mit dem Bildnisse desselben beweist. — Die Glocken dieser Kirche haben einen herrlichen Klang, besonders die große. An mehreren Tagen der Woche ist Gottesdienst in dieser Kirche, welcher abwechselnd von den beiden Geistlichen, dem Dechanten und dem Kaplan, verwaltet wird. Die ehemaligen Klostergebäude sind teils verkauft, teils vermietet; letzteres ist besonders mit dem Gebäude geschehen, das noch jetzt im Bolksmunde „die Probstei" genannt wird. | |||
== Die St. Blasius-Kirche. == | |||
{{idt2|25}}Bereits im Jahre 1234 wird eine solche Kirche erwähnt, jedoch ohne daß wir nähere Nachrichten über sie haben. Das Innere der Kirche ist wohlgeordnet, gut ausgebaut und mit einigen schönen Gemälden geschmückt. Das eine ist ein Altarblatt; die beiden andern sind Epitaphien der Bürgermeister Meienburgschen Familie und von Lukas Kranach, der ein vertrauter Freund des Bürgermeisters Meienburg war, gemalt. Der Bürgermeister Meienburg war ein sehr gelehrter Mann und genoß deshalb eine solche Achtung, daß ihm der Kaiser Karl V. ein eigenes Wappen erteilte, welches man auf beiden Bildern sehen kann. | |||
{{idt2|25}}Das erste Epitaphium, ein Ecce homo, ist zu Ehren der Gattin Meienburgs, welche im Jahre 1529 starb, gesetzt. Das Bild ist wahrhaft schön. Das zweite Epitaph ist für Meienburg, welcher im Jahre 1559 am Schlage starb, selbst errichtet. Dieses Bild stellt die Grablegung des Jünglings zu Nain dar. Im Vordergründe unterscheidet man deutlich mehrere bekannte Personen unter den Leidtragenden, unter denen besonders Dr. Luther und Philipp Melanchton, welche insgesamt sprechend ähnlich getroffen sind, hervorstechen. | |||
{{idt2|25}}Die Orgel der Kirche ist von Herrn Deppe 1817 neu erbaut und in vortrefflichen Zustand versetzt worden. | |||
{{idt2|25}}Die Bibliothek dieser Kirche, welche aus dem östlich von der Stadt gelegenen und im Bauernkriege 1525 zerstörten ehemaligen Augustinskloster Himmelsgarten, welches jetzt ein gräflich Stolbergisches Kammergut unter königlich hannöverscher Hoheit, hierher kam, ist sehr bedeutend, sie enthält eine Anzahl Werke, welche großen Wert haben; unter anderen befinden sich auch die Werke von Gailer von Kaisersberg darunter. | |||
{{idt2|25}}Der bekannte Johann Spangenberg, welcher viele Schriften herausgegeben hat, war lange Zeit Prediger an dieser Kirche; sowie Kindervater, der sich durch mehrere lokale Schriften über Nordhausen und diese Kirche bekannt gemacht hat. | |||
{{idt2|25}}Der Kirchhof dieser Kirche ist längst eingcgangen und, auf der einen Seite mit Linden bepflanzt, zu einem anmutigen Platze umgewandelt. | |||
== Die Kirche St. Petri == | |||
auf dem Berge ist unstreitig eine der ältesten der Stadt und bereits im Jahre 1220 findet man einige Erwähnung über dieselbe. Ihr bedeutend hoher Turm ist erst 1362 erbaut, und 1731 wurde erst die Hausmannswohnung in demselben eingerichtet, welche den 14. September desselben Jahres von einem gewissen Manne, Namens Messerschmidt, zuerst bezogen wurde. Die Normaluhr an diesem Turme, von Hügelet in der Schweiz verfertigt und von dem Uhrmacher Becker aufgestellt, ist ein vortreffliches Werk und hat 625 Thaler gekostet. Auf dem Turme hängen vier Glocken, von denen die größte einen sehr schönen Ton hat und bei heitern, stillen Abendstunden zwei Meilen weit gehört wird. Sie ist am 24. September auf dem Zimmergraben von Wolfgang Geyer aus Erfurt gegossen und wiegt 72 Centner. Sie hat folgende Umschrift: | |||
<poem> | |||
Der vierte Ferdinand empfing des Reiches Krön', | |||
Als ich von Künstlers Hand bekam den Klang und Ton. | |||
Ich bin durch heißes Feuer und volle Glut geflossen, | |||
Wie mich mein Künstler Wolf Geyer hat gegossen. | |||
Anno Domini MCCCCCCXXXIII, den 24. September. | |||
</poem> | |||
{{idt2|25}}Die Glocke hat einen großen Riß und ist im Jahre 1691 so gewendet, daß der Klöppel den Riß nicht trifft. Wegen seiner Höhe und hohen Lage muß der Bewohner des Turmes stets bei Gewittern in Sorge sein, da der Blitz schon oft in denselben eingeschlagen hat, z. B. am 22. Februar 1559, am 24. April 1634, am 4. Mai 1646, am 9. Dezember 1660, am 11. Januar 1682 und noch öfter mal. Deshalb ist auch in neuerer Zeit ein Blitzableiter angebracht worden. Im Jahre 1811 wurde eine feurige Lufterscheinung, ein sogenanntes Elmsfeuer, auf der Spitze des Turmes beobachtet. | |||
{{idt2|25}}Eine besondere Naturmerkwürdigkeit ist es, daß, wenn die Helme zwischen Haferungen und Kleinwechsungen Übertritt, alsdann die Keller der Häuser des so hoch gelegenen Petersberges voller Wasser sind, während die^ Keller der Unterstadt verschont bleiben. | |||
{{idt2|25}}Das Innere der Kirche ist einfach, enthält aber ein Crucifix von Holz, welches Beachtung verdient. Die Kirche stand früher unmittelbar unter dem Reiche, wurde aber später den Stiftsherren zum heiligen Kreuz zu ihrer Gehaltsverbefferung zugewiesen. | |||
{{idt2|25}}Der Stadtmusikus ist verbunden, von der Gallerte des Turmes alle Feste und Sonntage mit seinen Leuten Musik zu machen; abwechselnd auch an den Wochentagen. An den drei Hauptfesten muß er schon am Morgen um 4 Uhr eine Stunde lang musizieren. | |||
{{idt2|25}}Von der Gallerie dieses Turmes hat man eine weite herrliche Aussicht; wie ein großes Gemälde liegt Nordhausens Umgegend ringsumher vor den Augen. Versuchen wir einmal die Punkte vorzuführen die Nordhausens Umgebung zieren und die von der Gallerie mehr oder weniger bemerkbar sind. | |||
{{idt2|25}}Wendet sich das Auge über die herrlichen Fluren nach Süden, so erblickt es an der Helme die Dörfer Sundhausen und Heringen, hinter welchen der Paßberg und die Hainleite sich erheben. In weiter Ferne liegt dem Auge deutlich erkennbar „der Possen", ein fürstlich schwarzburgisches Jagdschloß, und nicht weit davon die Residenz Sondershausen mit einem alten Schlosse, auf welchem sich im Naturalienkabinette der alte Götze Püsterich befindet, welcher auf der Rotenburg gefunden ist. Sondershausen wird von den Nordhäusern wegen der köstlichen Musikkapelle im Loh besucht. | |||
{{idt2|25}}Weiter östlich erhebt sich das Kyffhäusergebirge mit den alten Ruinen der Burg Kyffhausen und des Schlosses Rotenburg. Der alte Kaiser- Friedrichsturm ist deutlich zu sehen und gilt in der Gegend als Wetterverkündiger, nach dem Verse: | |||
<poem> | |||
Steht Kaiser Friedrich ohne Hut, | |||
Bleibt das Wetter schön und gut, | |||
Ist er mit dem Hut zu sehen, | |||
Wird das Wetter nicht bestehen. | |||
</poem> | |||
{{idt2|25}}Ein Besuch dieser alten Bergfeste, sowie ihrer schwesterlichen Nachbarin, der Rotenburg, wo eine Einsiedelei mit einem Einsiedler sich befindet, der seine Gäste leiblich und geistlich erquickt, ist allen Freunden der Vorzeit anzuraten. | |||
{{idt2|25}}Nördlich erblickt man den Harz, an welchem die Ruine Questenburg weithin leuchtet. Am dritten Pfingsttage wird in dem dabei liegenden Dorfe Questenberg ein Volksfest gefeiert. Nicht weit davon liegt die Ruine des alten Schlosses Morungen. Der Weg von Nordhausen dorthin ist interessant. Man geht vom Töpferthore in dem Kreuzwege, der noch mit alten Steinbildern aus dem Leiden Christi geziert ist und bei welchem man sich wieder in die Zeilen des Mittelalters zurückversetzt sieht, an dem ehemaligen Kloster Himmelgarten vorüber nach dem Dorfe Leimbach, von da nach dem früheren Walkenrieder Hofe Rodberg und sodann, durch ein Gehölz, nach der Heimkehle, einer Höhle, die einen Besuch verdient. Wer sie durchforschen will, muß aber einen trockenen Sommer wählen, da man sonst nicht in die eigentlichen Höhlen gelangen kann. Rotleberode, mit einem gräflich Stolbergschen Sommerschlosse mit der nicht weit davon gelegenen Grasburg, der Stammburg der Grafen von Stolberg, sind der Ansicht wert. Von hier geht man über Uftrungen an der alten Klosterruine Bernecke und an Breitungen vorüber nach dem romantischen Bauerngraben und hat von da Questenberg bald erreicht. Anderthalb Stunden von Questenberg liegt die bekannte Försterhöhle bei Steigerthal, welche aus 11 Abteilungen von festem Gestein besteht. | |||
{{idt2|25}}Nicht weit von Stolberg liegt der Auerberg mit dem von dem Grafen Joseph zu Stolberg-Stolberg erbauten Gerüste der Josephshöhe, welche wie ein großes Kreuz erbaut ist. Die Felsen bei dem Dorfe Stempeda bilden hinter diesem Dorfe einen herrlichen Hintergrund. Ganz deutlich aber ist zu sehen der weithin leuchtende „Eichenforst", ein gräfliches Jagdschloß, von dem man eine wundervolle Aussicht nach der goldenen Aue und nach dem Eichsfelde hat. | |||
{{idt2|25}}Zu den schönsten Burgruinen Deutschlands gehört die des Hohensteins, zwei Stunden von Nordhausen gelegen. Das Gemäuer ist malerisch und großartig und man verweilt gern länger an dieser lieblichen, stillen Stätte und läßt, in Gedanken versunken, die Zeit an sich vorüber gehen, wo die Ritter auf dem Turnplätze kämpften und die Edelfrauen und Fräulein in den Gemächern weilten, von denen manche noch ein deutliches Bild der früheren Einrichtung zeigen. Das sehr tiefe Burgverließ ist mit einer Thür verwahrt und verschlossen. Die „Hohnsteinsche Schweiz" und die interessante Ruine der altersgrauen „Ebersburg," über deren Geschichte noch immer ein tiefes Dunkel schwebt, sind wohl eines Besuches wert. Im lieblichen Beerthale zwischen hohen Bergen liegt Ilfeld; ehemals ein Kloster, jetzt ein königlich hannöversches Pädagogium. Dabei liegen die Braunsteinhäuser, und die alte Harzburg, ein früheres Kaiserschloß. | |||
{{idt2|25}}Westlich von Nordhausen liegt Walkenried mit den prachtvollen Ruinen des einst so berühmten Klosters, das auch mit der Geschichte Nordhausens in enger Verbindung steht. Nicht weit von Walkenried liegt der malerische „Sachsenstein", auf dessen Spitze die alte Burgruine steht. Die alten schroffen, weißen Felswände blenden beim Anblick und sind unvergleichlich. Die alte Sachsenveste wurde gleichzeitig mit dem Schlosse Stolberg erbaut 555 n. Chr. Geburt. | |||
{{idt2|25}}In weiter Ferne erblickt man das Ohmgebirge, etwas näher die Porta Eichsfeldica, durch welche die Kunststraße nach dem Rheine führt. Kirchberg, Schloß Lohra und die Umgegend, das Helbethal mit der steinernen Jungfrau, die Hasenburg bei Bodungen, die Ruine Strausberg bei Hainrode lohnen einen Besuch und bieten manches Bemerkenswerte. | |||
{{idt2|25}}Merkwürdige Punkte bietet auch eine Partie, wenn man über Salza, durch den Kühnstem, an dem Dorfe Wofleben vorüber, nach Bischofferode, einem ehemaligen Kloster, zu der „Kelle," einer früher berühmten, jetzt zerfallenen Höhle, die aber noch immer sehenswert ist, geht. Nach Besichtigung derselben gelangt man über Werna nach dem Dorfe Salzhain, bei welchem sich der Krodstein und der Tosborn befindet. Der Krodstein ist ein aus den Gebirge hervorspringender Felsen, auf dem der Götze Krodo oder Wodan verehrt sein soll und der eine schöne Aussicht gewährt. Der Tosborn ist ein Bach, welcher vom Kamme des Gebirges in unzähligen Absätzen herabfällt und eine Menge lieblicher Wasserfälle bildet. | |||
{{idt2|25}}Nordhausen liegt am äußersten Ende der güldenen Aue, die man von hier bis Kelbra übersehen kann; ein äußerst fruchtbarer, lieblicher Landstrich des gesegneten Thüringerlandes, einer Kornkammer Sachsens. Als einst Graf Bodo von Stolberg von einer Wallfahrt aus dem gelobten Lande zurückkehrte und auf dem Kyffhäuser, dem Vorgebirge der guten Hoffnung, wie er in früheren Zeiten von den aus Leipzig zurückkehrenden Kaufleuten genannt wurde, stand, rief er, in Betrachtung der lieblichen Gegend versunken, gegen seine Begleiter aus: „Geht mir mit eurem gelobten Lande, ich lobe mir die güldene Aue dafür!" | |||
== Verzeichnis der nordhäusischen Bürgermeister von 1627 bis 1802. == | |||
{{idt2|25}}Seit dem Jahre 1627 regierten nur zwei Bürgermeister, vor dieser Zeit aber deren vier, aus jedem der vier Stadtviertel (dem Neueweg-, Altendorf-, Töpfer- und Rautenviertel) einer; seit 1802 aber nur einer und zwar auf 12 Jahr. Bis zu diesem Jahre wurden die reichsstädtischen Bürgermeister aus den neun ratssähigen Gilden (1. der Kaufleute, 2. der Schneider, 3. Tuchmacher, 4. Bäcker, 5. Schmiede, 6. Sattler, 7. Kürschner und Weißgerber, 8. Schuhmacher und Lohgerber, 9. Fleischer) erwählt. Die Mehrzahl der gewählten Bürgermeister gehörte zu den Kaufleuten, weil diese meistens wohlhabend, gebildet und gewandt waren. Manchem braven Handwerksmeister wurde selbst das Lesen und Schreiben schwer. | |||
<poem> | |||
1627. Lib. Pfeiffer 4, Andr. Ernst 1. | |||
28. Sim. Weller 1, Just. Bötticher 1, | |||
29. Joh. Wilde 4, Joh. Schulze 1. | |||
30. Lib. Pfeiffer 5, Andr. Ernst 2. | |||
31. Sim. Weller 2, I. G. Pfeifer 1 | |||
32. Joh. Wilde 5, Joh. Schulze 2. | |||
33. Lib. Pfeiffer 6, Andr. Ernst 3 | |||
1634. Sim. Weller 3, I. G. Pfeifer 2. | |||
35. Joh. Wilde 6, I. Andr. Ernst 1. | |||
36. Lib. Pfeifer 7, Andr. Ernst 1. | |||
37. Sim. Weller 4, I. G. Pfeifer 3. | |||
38. I. Endr. Ernst 2, Joh. Ernst 1. | |||
39. I. A. Ernst 2, Joh. Ernst 1. | |||
39. Lib. Pfeifer 8, Zach. Michael 1. | |||
1640. Sim. Weller 5, I. F. Stief 1. | |||
41. Aug. Kegel 1, Heinr. Sommer 1. | |||
42. Zach. Michael 2, Hans Ludwig 1. | |||
43. Sim. Weller 6, I. F. Stief 2. | |||
44. Aug. Kegel 2, Hein. Sommer 2. | |||
45. Zach. Michael 3, Andr. Eilhard 1. | |||
46. Sim. Weller 7, I. F. Stief 3. | |||
47. Aug. Kegel 3, Hein. Sommer 3. | |||
48. Zach. Michael 4, Mart. Wülke 1. | |||
49. Sim. Weller 8, I. F. Stief 4. | |||
50. Aug. Kegel 4, I. PH. Brückner 1. | |||
51. Mart. Wülke 2, I. G. Wilde 1. | |||
52. I. F. Stief 5, Hein. Eilhard 1. | |||
53. I. PH. Brückner 2, Mich. Eilhard 1. | |||
54. Mart. Wülke 3, I. G. Wilde 2. | |||
55. Hein. Eilhard 2, I. W. Sommer 1. | |||
56. I. PH. Brückner 3, Mich. Eilhard 2. | |||
57. Mart. Wülke 4, I. G. Wilde 3. | |||
58. Hein. Eilhard 3, I. W. Sommer 2. | |||
59. I. PH. Brückner 4, I. Wettenseel. | |||
60. Mart. Wülke 5, I. G. Wilde 4. | |||
61. Hein. Eilhard 4, I. W. Sommer 3. | |||
62. Joh. Wettensee 2, I. Ehr. Ernst 1. | |||
63. I. G. Wilde 5, Mart. Pauland 1. | |||
64. Hein. Eilhard 5, I. W. Sommer 4. | |||
65. Joh. Wettensee 3, I. Ehr. Ernst 2. | |||
66. Mart. Pauland 2,1. K. Fromann 1. | |||
67. Hein. Eilhard 6, I. W. Sommer 5. | |||
68. Joh. Wettensee 4, I. Ehr. Ernst 3. | |||
69. Mart. Pauland 3,1. K. Fromann 2. | |||
70. Hein. Eilhard 7,1. Ehr. Brückner 1. | |||
71. Joh. Wettensee 5, I. CH. Ernst 4. | |||
72. Mart. Pauland 4,1. K. Fromann 3. | |||
73. I. CH. Brückner 2, Paul Preiß 1. | |||
74. I. CH. Ermst 5, A. S. Wilde 1. | |||
75. Mart. Pauland 5,1. K. Fromann 4. | |||
76. I. CH. Brückner3,1. W. Eberwein 1. | |||
77. I. CH. Ernst 6, A. S. Wilde 2. | |||
78. Mart. Pauland 6, I. K. Fromann 5. | |||
79. I. CH. Brückner 4,1. W. Eb erw ein 2. | |||
80. A. S. Wilde 3, I. K. Fromann 6. | |||
81. Mart. Pauland 7, I. E. Becker 1. | |||
82. I. CH. Brückner5, J.W. Eberwein3. | |||
83. A. S. Wilde 4, I. K. Fromann 7. | |||
84. M. Pauland 8, Andr. Weber 1. | |||
85. I. CH. Brückner 6, I. K. Jbe 1. | |||
86. A. S. Wilde 5, I. K. Fromann 8. | |||
87. Andr. Weber 2, I. K. Arens 1. | |||
88. I. CH. Brückner 7, Zach. Offney 1. | |||
89. A. S. Wilde 6, I. K. Fromann 9. | |||
90. Andr. Weber 3, I. K. Arens 2. | |||
91. I. CH. Brückner 7, Z. Offney 2. | |||
1692. A. S. Wilde 7, I. K. Fromann 10. | |||
93. Andr. Weber 4, I. K. Arens 3. | |||
94. I. CH. Eilhard 1,J.M. Krohmann 1. | |||
95. J.K.Fromann 11, J.W.Eberwein 1. | |||
96. A. Weber 5, I. K. Arens 4. | |||
97. I. CH. Eilhard 2, J.M. Krohmann 2. | |||
98. I. K. Fromann 12, Joh. Pauland 1. | |||
99. A. Weber 6, I. K. Arens 5. | |||
1700. I. CH. Eilhard 3,J.M. Krohmann 3. | |||
1. I. K. Fromann 13, Joh. Pauland 2. | |||
2. A. Weber 7, I. K. Arens 6. | |||
3. I.CH.Eilhard 4,1. M. Krohmann 4. | |||
4. I. K. Fromann 14, I. Pauland 3. | |||
5. A. Weber 8, I. Ehr. Jbe 1. | |||
6. Dieselben 9. 2. | |||
7. J.M.Krohmann5, J.G.Hoffmannl. | |||
8. Dieselben 6. 2. | |||
9. Joh. Pauland 4. | |||
10. Derselbe. | |||
11. Andr. Weber 10, G. CH. Huxhagen 1. | |||
12. I. G. Hoffmann 3, W. CH. Offney 1. | |||
13. Joh. Pauland 6, N. W. Riedel 1. | |||
14. G. Chr. Huxhagen 2. | |||
15. I. G. Hoffmann ch W. CH. Offney 2. | |||
16. Joh. Pauland 8, N. W. Riedel 2. | |||
17. G. CH. Huxhagen 3, CH. E. Offney 1. | |||
18. I. G. Hoffmann 5, Andr. Lerche 1. | |||
19. Joh. Pauland 8, N. W. Riedel 3. | |||
20. G. CH. Huxhagen 4, CH. E. Offney 2. | |||
21. Andr. Lerche 2, I. CH. Cramer 1. | |||
22. Joh. Pauland 9, N. W. Riedel 4. | |||
23. G. CH. Huxhagen 5, CH.E. Offney 3. | |||
24. Andr. Lerche 3, A. I. Hoffmann 1. | |||
25. K. V. Riemann 1,1. O. PH. Kellermann 1. | |||
26. I. M. Kegel 1,1.0. CH. Bötticher 1. | |||
27. Andr. Lerche 3, Franz Filter 1. | |||
28. K. V. Riemann 2, I. PH. Kellermann 2. | |||
29. I. M. Kegel 2, I. T. Pöppich 1. | |||
30. I. G. Riemann 1, I. A. Riedel 1. | |||
31. K. V. Riemann 3, I. PH. Kellermann 3. | |||
32. J.T. Pöppich 2, Jac.Bretschneider 1. | |||
33. I. G. Riemann 2, I. A. Riedel 2. | |||
34. K. V. Riemann 4, I. E. Lerche 1. | |||
35. J.T. Pöppich 3, Jac.Bretschneider2. | |||
36. I. G. Riemann3, Chr.Hoffmeister 1. | |||
37. K. V. Riemann 5, I. E. Lerche 2. | |||
38. J.T. Pöppich 4, Jac.Bretschneider3. | |||
39. J.G. Riemann 4, CH. Hoffmeister 2. | |||
40. K. B. Riemann 6, I. E. Lerche 3. | |||
1741. J.T.Pöppich5,Jac.Bretschnetder4. | |||
42. I. G. Riemann 5, CH. Hoffmeister 3. | |||
43. K. V. Riemarm 7, I. E. Lerche 4. | |||
44. I. T. Pöppich 6, I. A. S. Wilde 1. | |||
45. I. G. Riemann 6, G.A. Renneckel. | |||
46. K. V. Riemann 8, I. E. Lerche 5. | |||
47. I. T. Pöppich 7, I. A. S. Wilde 2. | |||
48. I. G. Riemann 7, G. A. Rennecke 2. | |||
49. K. V. Riemann 9, I. E. Lerche 6. | |||
50. I. T. Pöppich 8. | |||
51. I. G. Riemann 8, G. A. Rennecke 3. | |||
52. K. V. Riemann 10, I. E. Lerche 7. | |||
53. I. A. S. Wilde 3, I. F. Lange 1. | |||
54. I. G. Riemann 9, G.A. Rennecke4. | |||
55. K. V. Riemann 11, I. E. Lerche 8. | |||
56. I. A. S. Wilde 4, I. F. Lange 2. | |||
57. I. G. Riemann 10, G. A. Rennecke 5. | |||
58. K. V. Riemann 12, I. E. Lerche 9. | |||
59. I. A. S. Wilde 5, I. F. Lange 3. | |||
60. I. G. Riemann 11, G. A. Rennecke 6. | |||
61. K. V. Riemann 13, I. E. Lerche 10. | |||
62. I. A. S. Wilde 6, I. F. Lange 4. | |||
63. I. G. Riemann 12, G. A. Rennecke 7. | |||
64. I. E. Lerche 11. | |||
65. I. A. S. Wilde 7, I. F. Lange 5. | |||
66. I. G. Riemann 13, G. A. Rennecke 8. | |||
67. I. E. Lerche 12, H. A. Riemann 1. | |||
68. I. A. S. Wilde 8, I. F. Lange 6. | |||
69. I. G. Riemann 14, G. A. Rennecke 9. | |||
70. I. E. Lerche 13, H. A. Riemann 2. | |||
71. I. A. S. Wilde 9, I. F. Lange 7. | |||
72. J.G.Riemann 15, G.A. Rennecke 10. | |||
73. I. E. Lerche 14, H. A. Riemann 3. | |||
74. I. A. S. Wilde 10, I. F. Lange 8. | |||
75. G.A.Renneckell,G.F.A.Eulhardtl. | |||
1776. H. A. Riemann 4, A. F. Rudolf 1. | |||
77. J.A.S.Wilde11,J.H.Förstemann1. | |||
78. I. F. A. Eulhardl 2, H. K. Arens 1. | |||
79. H. A. Riemann 5, A. F. Rudolf 2. | |||
80. J.A.S.Wilde12, J.H.Förstemann2. | |||
81. I. F. A. Eulhardt 3^ H. K. Arens 2. | |||
82. H. A. Riemann 6, A. F. Rudolf 3. | |||
83. J.A.S.Wilde13, J.H.Förstemann3. | |||
84. I. F. A. Eulhardt 4, H. K. Arens 3. | |||
85. H. A. Riemann 7, A. F. Rudolf 4. | |||
86. J.A.S.Wilde14, J.H.Förstemann4. | |||
87. I. F. A. Eulhardt 5, H. K. Arens 4. | |||
88. H. A. Riemann 8, A. F. Rudolf 5. | |||
89. J.H.Förstemann5,A.CH.G.Weber1. | |||
90. J.F.A. Eulhardt 6, J.M. Oßwald 1. | |||
91. H. A. Riemann 9, A. F. Rudolf 6. | |||
92. J.H.Förstemann6,A.CH.G.Weber2. | |||
93. I. F.A. Eulhardt 7, J.M. Oßwald 2. | |||
94. H. A. Riemann 10, U. F. Rudolf 7. | |||
95. Ä. CH. G. Weber 3, F. D. Röscher 1. | |||
96. I. F.A. Eulhardl 8, J.M. Oßwald 3. | |||
97. H. A. Riemann 11, A. F. Rudolf 8. | |||
98. Ä. CH. G. Weber 4, F. D. Roscher 2. | |||
99. I. F.A. Eulhardt9,1. M. Oßwald 4. 1800. H. A. Riemann 12, A. F. Rudolf 9. | |||
1. A. CH. G. Weber 5, F. D. Roscher 3. | |||
2. I. M. Oßwald 5, I. K. A. Filtert. | |||
Von da ab waren Bürgermeister: | |||
bis | |||
1822. I. G. E. Grünhagen. | |||
32. K. W. Seiffart. | |||
42. Götting. | |||
52. Eckardt. | |||
62. Ulrich. | |||
</poem> | |||
== Das Stadtregiment und die Ratswahl. == | |||
{{idt2|25}}Nordhausen, so lange es eine freie Reichsstadt war, hatte 42 Magistrats- Mitglieder, welche drei Regimenter bildeten; jedes Regiment bestand aus 14 Senatoren, welche aus den vier Stadtvierteln gewählt wurden. Jedem der drei Regimenter wurden wiederum von Seiten der Bürgerschaft achtzehn Handwerksmeister beigegeben, welche man Ratsgefreunde nannte. Eins der Regimenter führte abwechselnd das Präsidium im Rat. Waren sehr wichtige Angelegenheiten zu beraten, so traten die 42 Magistratspersonen mit den 54 Ratsgefreunden zusammen. Seit der Vereinigung der Ober- und Unterstadt wurden jährlich zwei Bürgermeister gewählt. | |||
Jeder der beiden am Regimente sitzenden Bürgermeister präsidierte ein halbes Jahr. Es haben überhaupt 350 Bürgermeister in einem Zeiträume von 500 Jahren über die Stadt regiert. Bis zum Jahre 1627 regierten jährlich 4 Bürgermeister; nachdem aber im Pestjahr 1626 neun Bürgermeister — mit ungefähr 3 300 Menschen — gestorben waren, wurden jährlich nur zwei gewählt, welche Einrichtung bis zum Jahre 1802 bestand, wo ein einfacherer Magistrat mit einem Bürgermeister, der auf 12 Jahre gewählt wird, mit zwei Stadträten die Angelegenheiten der Bürgerschaft führen. Außerdem aber besteht noch seit Einführung der neuen preußischen Städteordnung eine Stadtverordneten-Versammlung mit einem Vorsteher an der Spitze, welche in Verbindung mit dem Magistrate für das Wohl der Stadt Sorge zu tragen hat. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen | |||
Ordnung und Sicherheit ist die Polizei, welche unter dem Bürgermeister steht. | |||
{{idt2|25}}Die Ratswahl in früheren Zeiten wurde alle Jahre in der Nacht vor dem Feste der heiligen drei Könige oder Epiphanias, dem sogenannten | |||
alten Neujahr gehalten. Ein großer Teil der Bürger versammelte sich dazu vor dem Rathanse, bewaffnet mit Ober- und Untergewehr, angeführt von dem Stadthauptmann. Der alte Rat war auf dem Rathause versammelt. Um 4 Uhr des Nachts hielt der Pastor primariim in der | |||
Hauptkirche St. Nikolai eine Regentenpredigt, worauf dann die Wahl auf dem Rathause erfolgte. Während der Predigt und der Wahl wurde das Rathaus durch die bewaffneten Bürger bewacht. Nach der Predigt erfolgte die Ratswahl und zwar in der Weise, daß jeder Bürger seine Stimme abgab und zwar nach Ordnung der wahlfähigen Gilden und Stadtviertel. Jeder zu Wählende mußte einer Gilde angehören, daher auch solche, welche studiert hatten, in eine Gilde traten, um wählbar in derselben zu sein, so I. Wilde 1620, I. Ernst 1638 u. a. | |||
{{idt2|25}}War die Wahl beendet, so gingen die abgehenden Ratsmitglieder unter dem Geläut der Glocken, beim Schein großer Laternen oder Windlichter durch die aufgestellte Bürgerschaft nach der St. Nikolaikirche oder in früheren Zeiten nach der Spendekirche, und opferten auf dem Altar für die glücklich zurückgelegte Regierung. | |||
{{idt2|25}}Darauf wurden dem in der Kirche versammelten Volke die Namen sämtlicher Herren des neu angehenden Regiments vom Ratskirchenstuhle herab bekannt gemacht, worauf die Feier mit einem allgemeinen Dankliede schloß. | |||
{{idt2|25}}Im Jahre 1803 hörte diese freireichsstädtische Herrlichkeit auf. Ist auch der reichsstädtische Geist ausgestorben, etwas ist von dem reichsstädtischen Wesen noch bemerkbar. | |||
== Verzeichnis der deutschen Könige und Kaiser, unter deren Zepter Nordhausen sich mehr und mehr erhob, und die der Stadt manche Rechte und Privilegien gaben. == | |||
<poem> | |||
Heinrich I. von 919 bis 936, befestigt die Stadt. | |||
Otto I. von 936 bis 973, baut die Domkirche. | |||
Otto II. von 973 bis 983, schenkt dem Stift znm H. Kreuz den Markt, Zoll, die Münze und mehrere Güter. | |||
Otto III. von 983 bis 1002, hält sich am 13. Juni 993 hier auf. | |||
Heinrich II. von 1002 bis 1024, schenkt dem Stifte den Schulzenhof Gamen mit allem Zubehör 1016; derselbe Hof, auf dem jetzt die Stadt Lünen steht. | |||
Conrad II. von 1024 bis 1039, hielt einen Hoftag in Nordhausen am 20. Juni 1033. | |||
Heinrich III. von 1039 bis 1056, hielt einen Hoftag zu Nordhausen am 15. Oktober 1042. | |||
Heinrich IV. von 1056 bis 1106; gegen seine gewaltsamen Regierungsmaßregeln verbindet sich Nordhausen mit den sächsischen und thüringischen Fürsten; unterwirft sich aber wieder. | |||
Heinrich V. von 1106 bis 1125, hält 1105 eine Kaiserversammlung und erklärt auf der geistlichen Synode, daß er nicht aus Herrschsucht seinen Vater Heinrich IV. verdrängen, sondern sich nur dem heiligen Stuhle unterwerfen wolle. | |||
Lothar von Sachsen von 1125 bis 1137, behält Nordhausen dem Reiche vor; ist mehrmals hier, besonders im Jahre 1135, in welchem sich ihm sein Gegner Konrad unterwarf. | |||
Konrad III. von 1137—1152, hält in Nordhausen 1144. In seinem Gefolge befinden sich viele geistliche und weltliche Herren, unter ihnen Bucko von Worms, Markgraf Albrecht der Bär von Brandenburg, Hermann von Winzenburg. | |||
Friedrich I., Rotbart, 1153—1190, schenkt dem Stifte zum heiligen Kreuz die königliche Burg und das gesamte königliche Grundeigentum, laut Urkunden vom 17. April 1158. Unter ihm zerstört Heinrich der Löwe die Stadt 1180. Er besucht die Stadt 1188. | |||
Heinrich VI. von 1190—1197, war am 21. Oktober 1193 in Nordhausen mit ansehnlichem Gefolge. Er erteilt von hier aus in einer Urkunde dem Kloster Neu Corvei verschiedene Privilegien. | |||
Philipp von Schwaben und Otto IV. von 1197 bis 1215. In dem Kampfe zwischen Otto IV. und dem Gegnerkönig Philipp von Schwaben hatte Nordhausen viel zu leiden und mußte sich nach hartnäckiger Gegenwehr 1199 an Otto ergeben, der hier am 7. August 1212 seine Vermählung mit Philipps Tochter Beatrix Friecka, die jedoch 4 Tage nach der Hochzeit, kaum 12 Jahr alt, starb. | |||
Friedrich II. von 1215 bis 1250, verwandelt das Nonnenkloster zum heiligen Kreuz in ein weltliches Mannesstift und besetzt es mit Chorherrn, laut Urkunde vom 27. Juli 1220; ordnet und erweitert die städtische Verfassung und giebt der Stadt alle Güter zurück, welche seine Vorfahren an sich genommen, bestätigt als Kaiser durch eine zweite Urkunde vom 11. März 1223 alle gegebenen Rechte und Schenkungen. Unter seiner Regierung erweiterte sich die Stadt bedeutend. | |||
Konrad IV. und Wilhelm von Holland, von 1250 bis 1256. Wilhelm bestätigt die Privilegien der Stadt in einer Urkunde vom 21. August 1253. In derselben wird Nordhausen zum ersten male als reichsfrei genannt. | |||
Rudolf von Habsburg, 1273—1291, erklärt in einer Urkunde vom 28. Januar 1290 seine Versöhnung wegen des zerstörten Reichsschlosses; bestätigt die Statuten der Bürger und erteilt ihnen verschiedene Privilegien, in einer Urkunde vom 1. November 1290. | |||
Adolf von Nassau von 1291—1298, bestätigt die Privilegien der Stadt in einer Urkunde vom 11. Januar 1293. | |||
Albrecht I. von 1298 bis 1308, bestätigt die alten Rechte und Statuten der Stadt in einer Urkunde vom 3. Juli 1306. | |||
Heinrich VII. von 1308 bis 1313, hat während der kurzen Dauer seiner Regierung, er starb plötzlich auf einem Feldzuge gegen den König von Neapel, nichts für die Stadt thun können. | |||
Ludwig der Baier, 1314—1347, bestätigt die Privilegien der Stadt in einer Urkunde vom 24. April 1323; befreit Nordhausen von der geistlichen Gerichtsbarkeit in nicht geistlichen Sachen, Urkunde vom 1. Mai 1323; erklärt sich für befriedigt wegen seiner Forderungen an die Bürger zu Nordhausen, behält sich aber die Juden der Stadt als Kammerknechte vor in einer Urkunde vom 9. August 1323; befiehlt den Nordhäusern die widerspenstigen Geistlichen nicht länger zu hegen, in einer Urkunde vom Jahre 1331; bestätigt den Vertrag über die Heimsteuer, welche die Stadt seinem Schwiegersöhne Friedrich von Meißen geben soll, 26. März 1333; ladet die Bürger wegen Nichtzahlung derselben vor Gericht, 5. August 1336; spricht die Stadt aber später von allen seinen Forderungen frei; 24. Oktober 1337. | |||
Karl IV. von 1347 bis 1378, bestätigt und erweitert die Privilegien der Stadt, 11. August 1349; überweist die Güter der in der großen Judenverfolgung umgekommenen Juden der Stadt, 22. Juli 1350; erklärt, daß die Stadt nicht wieder vom Reiche versetzt werden soll, 18. Juli 1354; befiehlt die Aufhebung einiger Zölle in Thüringen, wodurch die Bürger beschwert werden, 28. März 1368; verbietet das Brauen und die Märkte 1 Meile um die Stadt, 28. März 1368; bestätigt den Bürgern den Kauf des Kohnsteins von Heinrich von Salza und erlaubte der Stadt Reichslehen 3 Meilen um die Stadt zu kaufen, 28. März 1368; erteilt den Bürgern Erlaubnis zur Erweiterung und Befestigung ihrer Stadt, 28. März 1368; | |||
Wenzel von 1378 bis 1400, spricht die Bürger los von allen Schuldforderungen der Juden und bestätigt ihre alten Rechte; beschützt sie in dem Streite mit dem Hohnsteiner. | |||
Siegismund von 1410—1437, unter ihm wütet der Hussitenkrieg; thut wenig für Deutschland, noch weniger für die einzelnen Städte. | |||
Albrecht II. von 1437—1439, ein thätiger Fürst, aber wegen seiner- kurzen Regierung konnte er nicht in die Einzelverhältnisse eingreifen. | |||
Friedrich III. von 1440 bis 1494, ein schwacher Fürst, der seiner Zeit nicht gewachsen war. Unter ihm geht das Stadtregiment seinen ruhigen festen Gang. | |||
Maximilian I. von 1494—1519. Unter seinem Regiment mehrt sich die Wohlfahrt der Städte. Der Hansabund, ein Städtebund zur Be- schützung des Handels, dem auch Nordhausen beitritt, bildet sich. Die Reichsstädte werden immer unabhängiger von dem Kaiser. Die Reformation Luthers beginnt, und Nordhausen ist eine der ersten Städte, die die evangelische Lehre annimmt. | |||
Karl V. von 1519 bis 1556. Bauernkrieg; auch in Nordhausen wüten die aufrührerischen Bauern. Augsburger Religionsfrieden 1555. | |||
Ferdinand I. von 1556—1564, mild und thätig für das Reich. Giebt eine neue Münzordnung; gründet das deutsche Reichsgericht, beides auch für Nordhausen von Bedeutung. | |||
Maximilian II. von 1564 bis 1576, mild, thätig und duldsam. | |||
Rudolf II. von 1576 bis 1612, ohne Bedeutung für die Stadt. | |||
Matthias von 1612 bis 1619; unter ihm bricht der unglückselige dreißigjährige Krieg aus. | |||
Ferdinand II. von 1619 bis 1637. Nordhausen leidet unter den Kaiserlichen und Schweden. | |||
Ferdinand III. von 1637 bis 1657; westfälischer Friede 1648. | |||
Leopold I. von 1658 bis 1705. Unter seiner Regierung entsteht das Königreich Preußen. Preußische Truppen unter Oberst Tettau besetzten die Stadt, um den Ansprüchen wegen des von Sachsen erkauften Reichsschultheißen- und Vogteiamts Nachdruck zu geben. | |||
Joseph I. von 1705 bis 1711. Wegen des Streites mit Preußen verbietet der Kaiser die neue Ratswahl. Sonst ohne Einfluß. | |||
Karl VI. von 1711 bis 1740. Preußen verkauft das Reichsschultheißenamt an Nordhausen. | |||
Karl VII. von 1742—1745 und Franz I. von 1745 bis 1765. Erster und zweiter schlesischer Krieg. Friedrich II. König von Preußen. Auch Nordhausen leidet in diesem Kriege. | |||
Joseph II. von 1765 bis 1790, weniger für das Reich, als für sein Erbland Österreich thätig. | |||
Leopold II. von 1790 bis 1792, ohne jegliche Bedeutung für die Stadt. Ausbruch der französischen Revolution. | |||
Franz II. von 1792 bis 1806, letzter deutscher Kaiser. Unter ihm nehmen die französischen Wirren überhand. Die deutschen Reichstruppen werden den übermütigen Franzosen entgegen geschickt, auch das nordhäusische Reichskontingent unter Hauptmann von Meyern rückt in dieser Eigenschaft zum letzten male aus. Nordhausen verliert seine Reichsfreiherrlichkeit mit dem Ende des deutschen Reichs und wird eine preußische Kreisstadt. | |||
</poem> | |||
== Anhang == | |||
=== D'r Märtensobend zu Nordhusen. === | |||
<center>Von F. Duval.</center> | |||
Der Antiquarius Fischer in Nordhausen bemerkt hierzu in den von ihm 1876 herausgegebenen: Fliegenden Blättern aus dem antiquarischen Museum, I. Heft: „Der Martins-Abend wird seit undenklichen Zeilen in Nordhausen auf das glanzvollste gefeiert und ist gleichsam die Nordhäuser Kirmeß, und mancher opfert oft mehr, wie in seinen Kräften steht. So viel steht aber fest, daß die Gastfreundschaft im höchsten Maße geübt wird. Bei vielen Bewohnern, Brennherren, fängt der Martini-Abend schon 14 Tage vorher an, d. h. 14 Tage vorher ist für die Kunden schon alle Abend offene Tafel, desgleichen auch 14 Tage nach Martini, und man sagt sogar, daß in den Gasthöfen am Martinitage das Essen und auch das Trinken (?) franko verabreicht würden.“ | |||
Motto: | |||
Wär nich liebet Wien, Wieb un Gesang, | |||
Där bliebet änn Narre sinn Läben lang! | |||
<poem> | |||
Wär freit sich nich, wärm zu Märtin Kahr fierlich die Klocken kiehn, | |||
Un Lied un Kleßer klingen, | |||
D' Sänger bi das Rohthuß ziehn, | |||
Un Hunnerte von Menschen schtiehn, | |||
„Ein feste Burg!" zu singen. | |||
Dach einmal kannte hä dach nich | |||
Zum Märtensobend reise; | |||
D' Wäge waren kahr su schlächt, | |||
Äß paßte äbberhaupt nich rächt, | |||
Verschnoit war jede Kleise. | |||
Als Dokter Justus Jonas saß, | |||
Blaukuhl un Kensebroten aß, | |||
Do kloppte's an de Pforte. | |||
Änn Brief von Dokter Luthersch Hand, | |||
Änn schtark Packeht war mött gesandt, | |||
Benäbest disser Worte: | |||
„Dem alten Doktor Jonas | |||
Schickt Martin Luther ein schön' Glas, | |||
Es lehrt sie alle beide fein, | |||
Daß sie zerbrechliche Gläser sein! | |||
Zugleich Hab' ich auch mitgesandt, | |||
Gemalt von Lukas Kranach's Hand | |||
Mein und Kathrinens Konterfei | |||
Auf Martinskerzen! Nebenbei | |||
Wünsch' ich, daß Euch am Martinstag | |||
Gesund mein Schreiben treffen mag.“ | |||
Droihundert Jahre sinn verkiehn; | |||
Dach Märtinsobends äß zu siehn | |||
Binoh uff jeden Tische | |||
Änn Känschen, Kuchen, Schnaps un Wien, | |||
Un bunte Liechter ubendrinn, | |||
Au woll sukahr nach Fische. | |||
Zunn Töppern un zunn Krimmel rinn | |||
D' Buhren mött d'n Kensen ziehn, | |||
Die kaaken un die schnattern. | |||
Au mancher Kaneist äß dermank, | |||
D' Bühren lachen sich halb kran | |||
Mött Wasen un Gevattern. | |||
An Markte Kopp an Koppe schtieht, | |||
Un manche Mahd un Hußfrau zieht | |||
Verbie an Korb un Fuhren | |||
Un fraht värrhär nach jeden Pries: | |||
Was kost dänn das, was kost dänn diß, | |||
De Knähchte un de Bühren. | |||
Un Hunnerte, die sinn nich suhl Un schleppen Zippeln, blauen Kühl In Körben un in Secken; | |||
Borschteppel un au Koppsalat | |||
Zun Kensebrohten, 's äß änn SchtahL! | |||
Schtiehn do an allen Ecken. | |||
Nach Botter abber sinn se schlimm, | |||
Se schlohn sich merklich bohle drimm | |||
Bi Kelten und bi Neppen; | |||
Se äß zwort hiete mächtig thier, | |||
Dach, 's Kuchenässen macht Plesihr, | |||
Drimm kiehts in einen Schleppen. | |||
Mött Ahnstand un mött Schtolze kieht — | |||
Wie me hier uff den Bille sitt — | |||
Ne Frau mött ehren Känschen; | |||
Se denkt, änn Rohtskauf äß gemacht. | |||
D'r Buer in sinn Fiestchen lacht, | |||
„Adje minn liebes Hänschen!" | |||
's äß wahr! Du duerst merklich mich, | |||
Sieht sächzähn Jahren hott ich dich, | |||
Ich mansch' uch gute Zehne! | |||
Ich will mant libber Heime kieh, | |||
Daß ich das Piest nich wädder krieh, | |||
„Adje drimm, Nappersch Lehne!" | |||
Zusammen laift das kanze Huß, | |||
De Mahd die langet's Wässer ruhs, | |||
D' Kinger sinn fast Lulle; | |||
Se hält d'r Kans d'n Schnabel zu | |||
Un schlacht'L un ruppt in aller | |||
Ruh Un senget d' Frau Wulle. | |||
Au manche denkt: „Was schtieh ich hier? | |||
D' Kense sinn mich dach so thier, | |||
Was hilft mich do min Gaffen? | |||
Su vehle meng' ich dach nich ahn, | |||
Ich kaufe libber mich änn Hahn | |||
Un brohten mich in Schaffen.“ | |||
D' Kuchen menget in de Frau, | |||
D' kleinen Kinger hälfen au, | |||
Äß wülgert mött d'r Ohle; | |||
Pappa, zick man d' Hosen schtramm! | |||
D' Votier machte sich so klamm, | |||
D'r Teick där kämmet bohle! | |||
War möchte nich an Kornmartt kieh', | |||
D' Wannen mött d'n Karpen sieh', | |||
Wie die so lustig schnappen, | |||
Du abber, Zeinbock, mach dich furt, | |||
Kieh libber nach Rowinschens durt, | |||
Sinst krichster uff de Kappen. | |||
Plesihrlich äß eß anzesiehn, | |||
Wie Kinger mött Geschenken kiehn, | |||
Die se d'n Lehrer brengen. | |||
Mött bunten Lichtern, Kans un | |||
Wien D' Kinger nach d'r Schule ziehn, | |||
Fischnetze in d'n Hengen. | |||
D'rim frein mi uns, wann zu Martin | |||
Kahr fierlich die Klocken kiehn | |||
Un Lied un Klesser klingen, | |||
D' Sänger bi das Rohthuß ziehn, | |||
Un Menschen Kopp an Koppe stiehn | |||
„Ein feste Burck" zu singen. | |||
Un alle fremden Keste sinn, | |||
Die rinn zu unsen Thore ziehn, | |||
Willkommen zu Märtine. | |||
Un Dokter Luthersch wärd gedohcht, | |||
Un manches Vivat ehn gebrocht | |||
Bi Brohten un bi Wiene. | |||
Hier äßen se das Obendbruht, | |||
D'r Meister äß värr Schrecken tudt, | |||
Sie wackelt mött d'n Muhle, | |||
Änn ohler Kunne tritt herzu, | |||
D'r ohle Kroße mött drzu, | |||
Se fellt binoh vonn Schtuhle. | |||
Dach frein mih uns, wärm zu | |||
Märtin Kahr fierlich de Klocken kiehn, | |||
Un Lied un Klesser klingen. | |||
Wär nich liebt Wien, Wieb un Gesank, | |||
Där äß ann Narr sinn Läben lank, | |||
Mih fruh un frehlich singen. | |||
</poem> | |||
{{Linie}} | |||
<references/> | <references/> |
Aktuelle Version vom 17. November 2023, 20:43 Uhr
Gedenkblätter
aus der Geschichte
der ehemaligen freien Reichsstadt
Nordhausen
von
Theodor Eckart.
Leipzig.
Verlag von Bernhard Franke.
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