Geschichte des Helmegaus
Geschichte des Helmegaus von Hans Silberborth erschien 1940 und ist eine Zusammenfassung der Geschichte der Goldenen Aue. Vorwort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ohnehin schaut jedes Zeitalter die entferntere
Vergangenheit neu und anders an. Jacob Burckhardt.
Meyer hat vor wie nach der Herausgabe des „Helmegaus" soviel über unsere Landschaft gearbeitet und soviel Wesentliches über ihre historischen und genealogischen Verhältnisse erforscht wie niemand sonst. Wenn auch viele andere Forscher zur Erhellung der Geschichte des Südharzes und der Aue beigetragen haben, so sind mit Karl Meyer vergleichbar an Fruchtbarkeit und Ergebnisreichtum doch nur Julius Schmidt und Friedrich Schmidt. Doch ist ihr Schaffen teils nach dem Inhalt, teils nach der Darlegung ein anderes: Julius Schmidt hat sich stofflich auf ganz anderem Gebiete als Meyer bewegt; er hat die Bau- und Kunstdenkmäler unserer Heimat beschrieben und ist dabei tief in ihre Geschichte und ihr Wesen eingetaucht. Bei Friedrich Schmidt wiederum finden sich zwar dieselben Gegenstände behandelt wie bei Karl Meyer, aber er bleibt einerseits — wenigstens für den Helmegau — als Nachfolger doch hinter Meyer zurück, andererseits ist er freilich durch seine überragende Literaturkenntnis Meyer kritisch überlegen. Ohne Zuhilfenahme der Vorarbeiten dieser drei Männer ist auch heute noch kein Werk über unseren Gegenstand denkbar. Karl Meyer aber sei es gedankt, daß er als erster in weitestem Umfange die geschichtlichen Quellen unserer Landschaft ausgebeutet und mit einem Blick von seltener Schärfe ihre historischen Gegebenheiten erkannt, beschrieben und gedeutet hat. Ohne Karl Meyer, der zuerst den Helmegau, seine Grundlagen und seine Grenzen, beschrieben hat, wäre auch die Abfassung des hier vorliegenden Werkes gar nicht oder nur sehr schwer möglich gewesen. Der Erinnerung an ihn und an sein Wirken soll deshalb diese Schrift in Dankbarkeit gewidmet sein. Seit Karl Meyer über die Lande zwischen Harz und Hainleite gearbeitet hat, ist die Forschung nicht müßig geblieben. Manche Lücke unseres Wissens ist ausgefüllt worden, einzelne Disziplinen sind überhaupt erst seither ausgebaut worden, zunächst scheinbar wohlgegründete Anschauungen mußten sich eine gründliche Überholung gefallen lassen. Dadurch ist auch das Bild der historischen Gesamtsituation ein anderes geworden. Auch die Herausgabe von Quellen ist gefördert worden; vor allem liegt für Thüringen heute Dobeneckers großes Regestenwerk vor, das zusammenstellt und kritisch beleuchtet, was bisher, weit zerstreut, z. T. nur schwer zugänglich war. Durch diese Fortschritte war es möglich, den Versuch zu wagen, über die bloße historische Beschreibung des Helmegaus hinaus seine Entwicklungsgeschichte zu geben. Eine solche „Geschichte des Helmegaus" mußte, ganz abgesehen vom eigentlichen Inhalte, nach Anlage, Auffassung und Darstellung ein ganz anderes Aussehen erhalten als Meyer-Rackwitz „Helmegau". Freilich häuften sich dabei auch die Schwierigkeiten, und gewisse Gefahren taten sich auf. Hier sei nur darauf verwiesen, daß Meyer-Rackwitz sehr wohl den Helmegau herausgelöst aus den übrigen Landschaften als Sondergebilde beschreiben konnten. Das war unmöglich, wenn man sein Werden und Wachsen innerhalb der deutschen Volks- und Staatsgemeinschast erstehen lassen wollte. Mindestens auf die Geschicke der Nachbargaue, ja zuweilen sogar weiter Landschaften Thüringens und Sachsens mußte verwiesen werden, um die Geschichte des Helmegaus deutlich werden zu lassen. Bei dem Aufgeben einer scharfen Begrenzung des Arbeitsgebietes bestand aber die Gefahr, daß schließlich seine Konturen gar zu sehr verblaßten. Ebenso wie die örtlichen Einbeziehungen Überlegungen erforderten, so auch die gesamtinhaltlichen. Bei der Aufgabe, die frühgeschichtliche Entwicklung einer kleinen Landschaft aufzuzeigen, mußte angestrebt werden, alle Lebensbeziehungen aufzuhellen, wenn ein Einblick nicht nur in den äußeren geschichtlichen Ablauf, sondern auch in die seelische Haltung der Menschen jedes Zeitabschnittes vermittelt werden sollte. Dabei müssen sich Leser wie Schriftsteller als selbstverständlich mit der formalen Schwierigkeit abfinden, daß das gewaltige Nebeneinander und Durcheinander aller materiellen und ideellen Strömungen in ziemlich willkürliche Kategorien zerlegt und diese nacheinander zur Darstellung gebracht werden müssen. In unserem Falle mußte aber die Behandlung mancher Lebensäußerung auch deshalb den einen und anderen Wunsch unerfüllt lassen, weil für unsere begrenzte Südharzer Landschaft in der zur Erörterung stehenden Frühzeit vielfach die Zeugnisse fehlten und es nicht angängig war, gar zu weitgehend aus anderen Landschaften vorliegende Quellen zu substituieren. Das gilt vor allem für rechtliche, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die Versuchung nahe- lag, eine Deutung sämtlicher geographischer Namen, vor allem der Ortsnamen zu geben. Davon ist Abstand genommen und nur vereinzelte Hinweise sind gegeben worden, weil auch für unsere Gegend die Namenforschung trotz der Bemühungen Friedrich Schmidts und anderer noch nicht im geringsten zum Abschluß gelangt ist, und weil Verfasser die Ansicht Edward Schröders teilt, daß gerade bei der Namenforschung und -deutung äußerste Vorsicht und Zurückhaltung geboten sei. Bei der Abfassung des Werkes lag das Bestreben vor, einigermaßen den gesamten Inhalt der Überlieferung zu erfassen; jedenfalls hofft der Verfasser, daß er alle sein Arbeitsgebiet betreffenden Fragen, wenn nicht eingehend erörtert, so doch wenigstens berührt hat. Bei aller Sachlichkeit der Behandlung und Auswertung des vorliegenden Materials versuchte der Verfasser doch, in den vielen Fällen, wo wegen der Dürftigkeit der Überlieferung eine einwandfreie Beurteilung nicht möglich war, zu einem vorläufigen Ergebnis zu kommen. Auch hat er für sich in Anspruch genommen, den einzelnen Tatsachen immer nach ihrer Stellung und ihrem Werte innerhalb des Gesamtgefüges aller Tatsachen ihren Rang und ihr Gewicht zu geben. Die Aufgabe von Nachschlagewerken ist es, jedes Einzelne gleichmäßig aneinander- zureihen und darüber Auskunft zu geben. Hier aber sollte es darauf ankommen, die Schicksale und den Geist einer Landschaft durch ein Jahrtausend hin leidlich zu erfassen. Dazu mußte sich zwar das gesamte Material bereitstellen, jede Einzelheit mußte sich aber gefallen lassen, den Leitgedanken untergeordnet zu werden. Der Verfasser mußte also das eine stärker beleuchten, das andere in den Hintergrund zurückschieben, er mußte hier verweilen und allseitig betrachten, dort, vor allem wenn der Gegenstand anderweit schon behandelt war, konnte er vorübereilen und brauchte nur das für den Zusammenhang Wesentliche herauszustellen, kurz, er mußte jede einzelne Tatsache nicht um ihrer selbst willen behandeln, wie freilich gerade manche Freunde der Heimatgeschichte es gerne sehen, sondern er mußte sie dem Zwecke des Ganzen gefügig machen. Wohl galt es auch neue Tatsachen aufzufinden und dadurch zu neuen Ergebnissen zu kommen, vor allem aber galt es, durch ihre rechte Einordnung, Bewertung und Diskussion zu einer Zusammenschau zu gelangen. Mag man diese Behandlungsweise subjektiv nennen, sie ist jedenfalls im Hinblick auf das Gesamtvorhaben die einzig mögliche. Und mag der Leser gern von seinem — auch subjektiven — Standpunkte und in anderem Zusammenhänge das Einzelne anders sehen oder wünschen, daß es eine andere Bedeutung bekäme, — der Verfasser ist zufrieden, wenn der Leser mit ihm übereinstimmt, daß sich, durch das eingeschlagene Verfahren allein, die Einzeltalsachen in den Rahmen des Ganzen zweckvoll einfügen. Eine Kartenskizze ist der „Geschichte des Helmegaus" beigefügt. Da Verfasser die Grenzbestimmung des Gaus bei Meyer-Rackwitz für richtig hält, ist deren Karte zugrunde gelegt worden. Die Skizze, die im übrigen keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder kartographische Genauigkeit erhebt, soll zur ersten Orientierung dienen, sie wird auch manchem mit den historischen und geographischen Verhältnissen unvertrauten Leser die Heranziehung anderen Karten- Materials ersparen und mag sowohl den Eigenwert wie den Zusammenhang einiger geschichtlicher Gegebenheiten, soweit solche überhaupt sinnlich darstellbar sind, deutlich werden lasten. Wenn aber die vorliegende „Geschichte des Helmegaus" nach einem weiteren Halbjahrhundert in ihrer Art noch so aktuell, so wenig überholt, für den Forscher so beachtenswert und für einen größeren Kreis von Freunden der heimatlichen Geschichte so anregend ist, wie es noch heute der „Helmegau" Meyers und Rackwitz' in seiner Art ist, dann hat sie ihren Zweck, der Deutung und Aufhellung des geschichtlichen Lebens unserer Heimat zu dienen, durchaus erreicht. Besonderer Dank gebührt der Stadt Nordhausen und ihrem Oberbürgermeister Herrn Staatsrat Dr. Meister für die großzügige Unterstützung der Drucklegung. Obgleich sich das Werk im wesentlichen mit der Geschichte der beiden heutigen Kreise Sangerhausen und Grafschaft Hohenstein befaßt, hat doch die Stadt Nordhausen, eingedenk ihrer verpflichtenden Stellung als kultureller Mittelpunkt unserer Landschaft, selbst in schwerer Kriegszeit die Herausgabe des Werkes ermöglicht. Nordhausen, im September 1940. Dr. Silberborth.
Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Besprechung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Buch, das dem Andenken des 1935 verstorbenen Nordhäuser Heimatforschers Karl Meyer gewidmet ist, baut sich in seinem Kern auf den Arbeiten von Karl Meyer und Richard Rackwitz über den Helmegau auf, die in den Jahren 1884 und 1888-90 in den Mitteilungen des Vereins für Erdkunde zu Halle a. d. S. erschienen. Die Arbeit gibt ein Bild der geschichtlichen Entwicklung des Helmegaues von der germanischen Zeit bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts unter Einbeziehung der Kirchen-, Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte sowie der Kulturgeschichte im weitesten Sinne des Wortes. Somit umfaßt die Arbeit auch die Zeit der sächsischen und salischen Könige, unter denen sich die Pfalzen um den Harz und in der Goldenen Aue einer besonderen Wertschätzung seitens des deutschen Königtums erfreuten. Damit aber ergab sich zugleich die Notwendigkeit, die Reichsgeschichte an einzelnen Stellen stärker in die Betrachtung einzubeziehen. Dem Verfasser kommt es in erster Linie darauf an, „die Schicksale und den Geist einer Landschaft durch ein Jahrtausend hin leidlich zu erfassen“ (S. 5), doch nimmt das Buch öfter den Charakter einer Untersuchung an, und der Verfasser versucht, zu Einzelfragen kritisch Stellung zu nehmen. Wenn er dabei auch bemüht ist, die neuere Literatur zu verarbeiten, so vermißt man doch manche Arbeit, z. B. Heusingers vortreffliche Untersuchung über das Servitium regis der deutschen Kaiserzeit (Arch. f. Urk.forsch. 7. Bd. 1921), die ihm sicher manche Anregung gegeben hätte und vielleicht auch mit dazu beigetragen hätte, sein äußerst abfälliges Urteil über die Persönlichkeit König Heinrichs lV. (S. 226) abzuschwächen. Damit aber berühren wir die Grenzen der Arbeit: Die Ausführungen des Verfassers über die Gaueinteilung und die Grafschaftsverfassung sind mit Vorsicht aufzunehmen und bedürfen noch für ganz Thüringen einer gründlichen Untersuchung unter Heranziehung der kirchlichen Einteilung und der spätmittelalterlichen Gerichtsverfassung. Völlig mißverstanden hat Silberborth die Ansicht Georg v. Belows (Territorium und Stadt 2. Aufl. 1923 S. 22) über eine „Territorialbildung von oben und von unten her" und wendet sich gegen die Annahme, daß hier die Dynastengeschlechter „aus dem niederen Adel oder gar aus dem Ministerialenstande emporgewachsen seien“ (S. 248), indem er fälschlich darunter eine Territorialbildung „von unten her“ versteht. Tatsächlich läßt sich bei keinem der im 12. Jahrhundert im Helmegau ansässigen Grafengeschlechter nachweisen, daß ihre Grafschaft einen alten staatlichen Gerichtsbezirk fortsetzte, vielmehr ist wahrscheinlich, daß die späteren Grafschaften sich von der „Opposition gegen den staatlichen Bezirk" her bildeten und sich so die Territorialbildung „von unten her" vollzog. Auch die Auffassung von Silberborth, daß „den Kaisern nach Lothar von Supplinburg an dem Reichsbesitz im Helmegau nur noch wenig gelegen war" (S. 235), läßt sich nicht aufrechterhalten. Allein der Wiederaufbau der Kyffhäuserburgen durch das Königtum in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und die Entwicklung der Reichsministerialität in dieser Zeit zeigen, daß dem Reichsbesitz damals doch noch eine nicht geringe Bedeutung zukam, wie auch Allstedt, Tilleda und Wahausen ihren Pfalzcharakter noch im 12. Jahrhundert gewahrt haben. Wenn somit das Buch nicht allen wissenschaftlichen Anforderungen zu genügen vermag, so stellt es doch eine nicht unbrauchbare Zusammenfassung der reichen hochmittelalterlichen Geschichte der Goldenen Aue dar, das dem Heimatfreund manche Anregung bieten wird. Die Anmerkungen bringen die wichtigsten Quellenbelege; das ausführliche Register wird der Leser ebenso dankbar benutzen wie die beigegebene Karte. |