Nordhausen – eine Reichsstadt im Jahrhundert der Reformation
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Nordhausen – eine Reichsstadt im Jahrhundert der Reformation ist der 30. Band in der Schriftenreihe der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung und beinhaltet Aufsätze zu verschiedenen Themenbereichen der Nordhäuser Stadtgeschichte im 16. Jahrhundert.
Vorwort
Im Jahre 2010 erschien Ernst Kochs „Geschichte der Reformation in der Reichsstadt Nordhausen“, die gründliche Darstellung einer Thematik, die dem Autor seit Jahrzehnten vertraut war und zu deren Bewältigung er wichtige Quellen aus Archiven und Bibliotheken außerhalb Nordhausens erschließen konnte. In der Folgezeit empfand ich es immer mehr als einen Mangel, dass im Gegensatz zu dieser schätzenswerten Publikation zu anderen Bereichen der reichsstädtischen Geschichte im 16. Jahrhundert seit den Arbeiten von Förstemann, Meyer und Silberborth nur Studien zu eng begrenzten Themen erschienen sind. Die älteren Arbeiten leiden außerdem darunter, dass sie gar nicht oder nur in seltenen Fällen die vor 1945 im Stadtarchiv zur Verfügung stehenden Quellen ausweisen. Zu den neueren und neuesten Aufsätzen mit vorwiegend numismatischer Thematik traten in jüngster Zeit Untersuchungen, mit denen die politische Geschichte Nordhausens wieder stärker thematisiert wird. Moderne Fragestellungen zur Alltags-, Sozial- und Wirtschafts-, Mentalitäts- und Kriminalitätsgeschichte blieben bisher nahezu unbeachtet. Der vorliegende Band mit Aufsätzen zu verschiedenen Themenbereichen der reichsstädtischen Geschichte Nordhausens im 16. Jahrhundert ist das Ergebnis mehrjähriger Studien. Bereits vor 2010 hatte ich die Thematik des Zuges der Nordhäuser Kriegsknechte 1532 gegen die Osmanen vor Wien abgeschlossen und begonnen, die Rolle des Ratsherren Konrad Schmidt als Spion des Kurfürsten August zu untersuchen, wofür es unumgänglich war, in größerem Umfang Quellen des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden auszuwerten. Einen weiteren Impuls erhielt ich durch die archäologische Stadtkernforschung der jüngsten Zeit insbesondere in den Bereichen Pferdemarkt und Kranichstraße/Engelsburg. Die Ausgräber beeindruckte das „umfangreiche renaissancezeitliche Fundmaterial“, „die unglaubliche Fülle an Kleinfunden des 16. Jahrhunderts“, da sie „einen unschätzbaren Einblick in die Alltagswelt der frühen Neuzeit bieten“. Zwar liegt eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung noch nicht vor, doch vermitteln Fotos des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Weimar einen anschaulichen Eindruck. Diese Anregung aufgreifend, versuche ich anhand der schriftlichen Überlieferung das Alltagsleben in der Reichsstadt Nordhausen vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu beleuchten, soweit es die Quellen erlauben, die leider oft nur lückenhaft sind und zu bestimmten Bereichen, z. B. dem Wirtschaftleben, durch Kriegsverlust ganz fehlen. Begonnen wird mit grundlegenden Bemerkungen über die Stellung Nordhausens im Reichsverband, über das Verhältnis zum Kreuzstift, über Handwerk und Handel, die gebräuchlichen Münzsorten usw. Bei der Schilderung einer Besichtigung Nordhausens um 1550 habe ich Hinweise auf die jüngsten archäologischen Ausgrabungen gegeben, die dankenswerterweise von Markus Wehmer präzisiert worden sind. Das Kapitel zur Kriminalität ist meines Erachtens ebenfalls geeignet, einen unverstellten, realistischen Eindruck dieses Zeitalters zu erhalten. Der Hinweis Ernst Schuberts, dass die Armut das größte soziale Problem einer spätmittelalterlichen Stadt ist, gilt auch für die Frühe Neuzeit. Der militärische Aspekt wird in zwei Kapiteln behandelt, dem Zug der Landsknechte von 1532 und der Rolle Nordhausens im „Gothischen Krieg“ 1567. Das wissenschaftliche Leben wird im Kapitel über den Stadtarzt Tarquinius Schnellenberg und den Kreis um Michael Meyenburg angerissen. Die große Politik und das Verhältnis zum albertinischen Sachsen werden schließlich in den Kapiteln 7 und 8 stärker thematisiert. Ausgeklammert wurden der Bauernkrieg und Thomas Müntzers Wirken in Nordhausen, wobei Letzteres auf der Grundlage der neuen kritischen Müntzer-Edition der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig einer völligen Neubewertung bedarf. Der häufig im Zusammenhang mit der Reformation angesprochene Antijudaismus führender Reformatoren wird hier nur am Rande berührt. Ich verweise auf die Arbeit von Stern 1927 und mein im Zusammenhang mit einer Ausstellung 2013 entstandenes Beiheft. Im bewussten Gegensatz zu oben erwähnten älteren Arbeiten zur Nordhäuser Geschichte war ich bemüht, die Quellen weitgehend vollständig anzugeben, auch wenn der Anmerkungsapparat dadurch recht umfangreich geworden ist. Ich möchte eindringlich darum bitten, die Fußnoten nicht zu überlesen, weil sie nicht nur auf Quellen und Literatur hinweisen, sondern auch wichtige inhaltliche Ergänzungen enthalten. Man findet in den Texten mehr der weniger häufig kursiv gedruckte Zitate aus den Originalquellen, die wegen ihrer altertümlichen Sprache und ungewohnten Schreibweise nicht immer sofort verständlich sind. Gerade dadurch verdienen sie die Aufmerksamkeit des Lesers. Und man sollte daran denken, dass sie im Original häufig in einer für den heutigen ungeübten Leser nicht mehr lesbaren Schrift verfasst sind. Zu Dank verpflichtet bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden, des Hauptstaatsarchivs Sachsen-Anhalt, Archivstandort Wernigerode und des Stadtarchivs Nordhausen, ebenso Gabriele Machts vom Stadtarchiv Weißensee, der Dipl.-Restauratorin Mary Randhage, Weißensee, Karl-Heinz Döring für die Zeichnungen zu einzelnen Kapiteln, Markus Wehmer M. A. und Wolfgang Müller, Nordhausen, und insbesondere der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung Nordhausen-München. Gedankt sei dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Weimar, dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, dem Stadtarchiv Nordhausen und dem Stadtgeschichtsmuseum Flohburg für die Bereitstellung von Abbildungen. Nordhausen, im Januar 2015 Inhaltsverzeichnis
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