Die Schulkomödien 1583–1787

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Textdaten
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Autor: Heinrich Heine
Titel: Die Schulkomödien 1583–1787
Untertitel:
aus: Geschichte der dramatischen Aufführungen und des Theaters in Nordhausen
Herausgeber: Magistrat
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Magistrat der Stadt Nordhausen
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Digitalisat:
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Kapitel 1.
Die Schulkomödien 1583–1787


Ueber Nordhausens Kunstleben in frühester Zeit, besonders über die Pflege der dramatischen Kunst, fließen die Quellen sehr spärlich; häufig sind es nur gelegentliche Hinweise, in anderen Zusammenhängen auftretende Erwähnungen, selten unmittelbare Berichte, aus denen der Forscher den Stoff für seine Darstellung gewinnen kann.

Günstiger liegen die Verhältnisse in manchen benachbarten Städten, wie namentlich in Stolberg, Wernigerode, Sondershausen. Hier ist in den Archiven manche Nachricht über die Anfänge der dramatischen Kunst, über die geistlichen Spiele, die sogenannten Mysterien oder über Fastnachtsspiele früherer Zeit wie auch über spätere theatralische Aufführungen zu finden. So wissen wir von Stolberg, daß hier 1457 die Passion Jesu Christi aufgeführt wurde[1] und 1497 ein anderes Spiel[2], ebenso von Wernigerode, daß hier die Bürger im Jahre 1539 ein Osterspiel[3], im Jahre 1588 ein Schauspiel und im Jahre 1593 ein Spiel von Goliath und David[4] aufführten. Auch aus späterer Zeit hören wir dort von dramatischen Darstellungen. Aehnliches berichten uns Sondershäuser Akten.

Im Nordhäuser Archiv sind solche Nachrichten noch nicht gefunden worden. Daraus darf man aber nicht schließen, daß Nordhausen in geistiger Beziehung hinter diesen kleineren Städten zurückgestanden hat. In Stolberg, Wernigerode und Sondershausen waren Fürstenhöfe; alles Leben hier gruppierte sich um sie, strahlte mehr oder weniger von ihnen aus oder wurde von ihnen angezogen. Und alles, was dort geschieht, wird in den fürstlichen Kanzleien für die Nachwelt ausgezeichnet und aufbewahrt. Nordhausen dagegen war eine freie Reichsstadt; die Bürger regierten sich selbst, keines Fürsten Huld oder Macht griff bestimmend in ihr tägliches Leben ein. Auch die Betätigung in künstlerischen Dingen, die in späterer Zeit für Nordhausen bezeugt ist und daher auch bereits in früheren Jahrhunderten vorhanden gewesen sein muß, ging frei von äußerer Beeinflussung aus dem Bürgertum selbst hervor. Und diese, aus eigenem Antriebe entstandene Kunstpflege, so gering sie auch gewesen sein mag, ist vielleicht höher zu bewerten als jene, die aus allerlei äußeren Einflüssen hervorging.

Dazu kommt noch, daß man in des Rates Schreibstube genug mit dem zu tun hatte, was mit der Regierung und Verwaltung der Stadt zusammenhing, also mit der Abfassung von Schriftstücken zur äußeren Politik, von Verträgen, Bündnissen, Erkundigungen und dergl. und mit der Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben; was die Bürger zu ihrem Vergnügen und zu ihrer Unterhaltung veranstalteten, ging den Schreiber nichts an, sofern dem Rate dadurch keine Ausgabe erwuchs. Und wenn etwa eine wandernde Schauspielertruppe in der Stadt ihr Zelt aufschlug und Vorstellungen gab, so tat sie es auf eigene Kosten; die Erlaubnis dazu konnte mündlich erteilt werden.

So ist es zu erklären, daß wir in Nordhausen weder von geistlichen und weltlichen Spielen noch von theatralischen Aufführungen im 15., 16. und 17. Jahrhundert etwas hören.

Daß aber auch in Nordhausen wenigstens die Fastnachtsspiele nicht unbekannt waren, geht aus der Polizeiverordnung von 1549 hervor, in der es heißt:

„Wir wollen auch das unordentliche, heidnische Wesen der Fasnacht mit übermäßigem Esten und Trinken, Müßiggang, Reigen vorstellen und anderem in dieser Zeit sich zu enthalten ernstlich geboten haben.“

Weiteres erfahren wir allerdings nicht.

Etwas bester sind wir über die Theatervorstellungen der Schüler des hiesigen Gymnasiums, über die Schulkomödien, unterrichtet. Die Schulordnung von 1583 bestimmt:

„Zu Fastnacht sollen 3 Tage Ferien sein nicht um der Fastnacht wülen, sondern wegen der Komödien, die man jährlich soll unter den Knaben anrichten und auf diese Zeit öffentlich spielen.
Der Bürgerschaft und gemeiner Stadt zu Ehren soll der Rektor jährlich zu Fastnacht oder den nächsten Sonntag darauf eine lateinische Komödie und bisweilen auch eine deutsche mit den Schulknaben spielen in der Art:
Wenn er auf die Fasten eine terenzianische Komödie in der Schule angefangen zu lesen, so soll er sie den ganzen Sommer über bis auf Advent in der Schule lesen und es so anstellen, daß die Lektüre zu Advent vollendet sei. Dann soll er nichts tun, als die Schüler in Prima und Sekunda rezitieren lassen, die Personen austeilen, je eine Person an 4 oder 5 tüchtige Schüler geben. Wer sich zu der Person am besten eignet, der soll sie dann öffentlich agieren.
Er soll auch, wenn Zeit übrig, die einzelnen Szenen vornehmen, die betreffenden Personen reden lassen und sie anweisen, wie sie sich in Gebärden, Gehen und Sprechen erzeigen müssen.
In dem deutschen Spiel sollen sie sich Mittwochs in der letzten Stunde üben.
Wenn die ganze Komödie geübt und gespielt, sollen alle Lehrer dabei sein, anrichten, aufbauen und abhören helfen. Der Kantor hat die Musik zu stellen.
Das geistliche deutsche Stück soll in der Kirche, das lateinische weltliche auf dem Tanzboden oder auf dem Markte aufgeführt werden.
Acht Tage vorher müssen der Pastor, die Schulinspektoren und der Rat deshalb begrüßt werden; drei Tage vorher sind die vornehmsten Herren des Rats und das geistliche Ministerium dazu einzuladen. Den lustigen Personen am Spiele ist streng zu befehlen, daß sie als maskierte Schauspieler an keinem der Bürger oder ihrer Mitspieler Mutwillen üben.“

So wird durch diese Gesetze die Aufführung von Komödien der Schule zur Pflicht gemacht. Es sollen lateinische und deutsche Stücke aufgeführt werden, die deutschen geistlichen in der Kirche, die lateinischen weltlichen auf dem Tanzboden oder auf dem Markt. Der Tanzboden war in einem städtischen Gebäude, der Brotlaube; es stand[5] in der Südwestecke des Kornmarktes auf dem Platze, den heute zum Teil das Stadthaus einnimmt. Bei dem großen Brande im Jahre 1612 ist es mit abgebrannt.

Ohne Zweifel haben die Schulkomödien überall eine große Bedeutung gehabt. Ob aber aus ihnen das gesamte deutsche Theaterwesen sich entwickelt hat, wie man wohl behauptet hat[6] mag dahingestellt bleiben. Hingewiesen werden soll aber auf folgendes: Bereits in den alten Kloster- und Domschulen, die hauptsächlich die römische Kultur vermittelten, wurden lateinische Komödien, wahrscheinlich mit verteilten Rollen, gelesen, vielleicht auch schon aus dem Gedächtnis dargestellt. Zur Zeit der Reformation wurden neben den lateinischen auch geistliche Schauspiele aufgeführt, in die vielfach die Lehrstreitigkeiten hineingetragen wurden. Luther, ein Freund der Künste, empfahl den Schulen Darstellungen, namentlich aus Terenz, als Sprach-, Anstands- und Gedächtnisübung, aber auch als ein „Spiegel des Lebens" zur Förderung der Menschenkenntnis. Bei Gelegenheit der Darstellung einer Terenzischen Komödie in einer schlesischen Schule äußerte er: „Komödiespielen in der Schule soll man um der Knaben willen nicht wehren, sondern gestatten und zulassen.“[7] Melanchthon, der „Lehrer Deutschlands", schätzt die Schulkomödien besonders als Sprach- übung; ebenso empfahl sie Bugenhagen in seinen Schulordnungen. Dem Beispiele dieser Reformatoren folgten die meisten Schulmänner, und so entstanden bald unzählige lateinische und deutsche Nachahmungen der Terenzischen Komödien, häufig von Lehrern für ihre Anstalten selbst verfaßt.

Der Hauptzweck der Schulkomödien war sprachliche Uebung; das Wort, nicht sein Inhalt, sondern seine Form war die Hauptsache. Künstlerische Absichten verband man im allgemeinen noch nicht damit.

Auch auf folgendes mag noch hingewiesen werden: Unter den ersten Berufsschauspielern waren viele Studenten; in den Schulaufführungen mögen sie die erste Anregung dazu erhalten haben.

Und ferner: Das Schuldrama hat auch der Oper den Boden bereitet. Als erster gründete im Jahre 1556 zu Lüneburg der Johanneumskantor M. Jakobi mit dem Singechor der Schule in einem Wirtshause eine öffentliche Opernbühne. In Berlin zur Zeit Friedrichs des Großen, in Weimar unter Goethe und in Sondershausen noch in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts stellten die Gymnasiasten den Opernchor. Auch Nordhäuser Schüler führten kom. Opern auf, wovon noch die Rede sein wird.

Wieweit die Forderung der Schulordnung von 1583 hinsichtlich der Aufführung von Schulkomödien erfüllt wurde, wissen wir nicht; Nachrichten darüber liegen nicht vor. Es scheint, als ob derartige Veranstaltungen damals hier selten gewesen find. Wir hören später, daß sie von der Fastenzeit auf die Hundstage verlegt wurden. So heißt es in der deutschen Ausgabe der Schulordnung von 1640: „In den Hundstagen sollen nach Gelegenheit der Zeit und des Rektors Gutachten, Wenns am heißesten ist, in 14 Tagen die Primaner und Sekundaner eine Komödie deutsch ober lateinisch aus dem Terenzio oder Plauto im Beisein des Rektors in den Morgenstunden einüben und öffentlich aufführen." Infolge des Krieges mag das unterblieben sein. Aber auf Wunsch der Bürgerschaft und auch um den Gesetzen zu gehorchen, entschloß sich Rektor Girbert, wieder einen Versuch damit zu machen. 1641 oder 1642 ließ er ein geistliches Spiel aufführen, das aber nicht den Beifall der Zuhörer fand. Einzelheiten darüber sind nicht bekannt.

Trotz dieses zweifelhaften Erfolges wurde am Montag, den 14. August 1643 wieder ein Stück aufgeführt. Darüber hören wir nun auch Genaueres. Girbert hatte diesmal eine „engelländische Komödie" in deutscher Sprache gewählt. Der Stoff war dem alten Volksbuche „Fortunatus" entnommen; doch gab dieser Sagenstoff nur den äußeren Rahmen für die Handlung her; in der Hauptsache sollte gezeigt werden, wie es seither während des Krieges im Hauswesen, im Staat und in der Kirche zugegangen. Dabei war die Komödie gespickt nicht nur mit allerlei Derbheiten im Sinne der damaligen Zeit, sondern auch mit beißendem Spott und Anspielungen auf Nordhäuser Verhältnisse, die zum Teil wohl von Girbert selbst herrührten, wenn sie auch von dem Hanswurst, hier „Lex Schrämmigen" genannt, vorgebracht wurden, dem man im allgemeinen derartige Freiheiten nicht übel nahm. Aber Girbert, als dem Verantwortlichen, nahm man sie übel, namentlich von feiten der Geistlichkeit, mit der er auf gespanntem Fuße stand. Am Montage war die Komödie aufgeführt worden, und schon am Mittwoch darauf verurteilte sie der Pfarrer Pfeifer in St. Blasii von der Kanzel herab als ein Gaukelspiel, bei dem der heilige Geist erzürnt und verjagt worden sei. Die gesamte Geistlichkeit verklagte ihn beim Rat; und das Ende war, daß Girbert seines Amtes entsetzt ward.

Mehr als 50 Jahre lang hören wir dann nichts von Schulkomödien. Erst beim Eintritt des neuen Jahrhunderts treffen wir wieder auf eine solche, von der sogar die vollständige Niederschrift vorliegt: es ist das „Neujahrige und Sekularische Drama", das der Rektor Dunkelberg verfaßt hat und am 30. Dezember 1700 in der Aula des Gymnasiums ausführen ließ. Wie von einem Schulleiter des 18. Jahrhunderts nicht anders zu erwarten ist, mischen sich in dem Stücke Heidnisches und Geistliches, Römisches und Nordhäusisches in wunderlicher Weise miteinander. In einem Vorspiel befinden wir uns nächtlicherweile außerhalb der Mauern Roms. Zwei römische Jünglinge, die sich verspätet haben, stehen vor dem bereits verflossenen Tor und werden von dem Wächter nicht hereingelassen. Sie unterhalten sich nun darüber, wie sie den Anbruch des neuen Jahrhunderts feiern wollen. Da erscheint ihnen der Gott der Zeit, Chron, als „stein-, stein-, steinalter" Mann. Er redet in Versen; von den 13 Strophen mögen folgende als Probe hier stehen:

Ich bin der alte Chron
Mit meinen grauen Haaren.
Das merk, du lieber Sohn
In deinen jungen Jahren.
Da Adam ging verloren.
War ich vorher geboren.

Mein Leib ist grau und weiß.
Das macht das hohe Alter.
Ich bin so kalt wie Eis,
Mich drückt ein schweres Alter.
Es laufen meine Füße Still,
schnelle wie die Flüsse.

Ich mache Tag und Nacht,
Gebäre die Monaten.
Durch mich wird viel verbracht
Bei mächtigen Magnaten.
Ich gebe Ziel und Maße
Und wander' aus jeder Straße.

Ein Jubel stellt sich ein,
Die Jahre sind verflossen:
Rom soll nun freudig sein,
Rom schickt die Stadtgenossen,
Daß sie nach 100 Jahren
Nicht ihren Dank verspüren.

Das Vorspiel schließt endlich mit dem „Carmen saeculorum“ von Horaz.

Dann seht die Haupthandlung ein mit dem Schauplatz in Nordhausen. Nach den heidnischen Personen treten christliche Theologen auf mit den Worten:

„Schweiget, ihr Römer, verstummet, ihr Heiden;
Wir wissen im Christentum bessere Freuden.“

Es wird an den eigentlichen Zweck des Festspiels erinnert. Der Kaiser Leopold wird als Herr der Stadt gefeiert, wobei auch des 30jährigen Krieges, der Belagerung Wiens usw. gedacht wird. Wieder geht der Vorhang herunter. Sanfte Musik ertönt. Im letzten Auftritt zieht das Drama seine Kreise enger. Nordhäuser Studenten treten auf, feiern Nordhausen, das Stadtregiment, die gesamte Bürgerschaft, den Verfasser des Stückes und die Darsteller. Und wie das Vorspiel mit einem Iubiläumsgedicht von Horaz geendigt hat, so setzt der Herr Rektor Dunkelberg an den Schluß des Ganzen sein eigenes, das von einem Schauspieler mit folgenden Worten angekündigt wird: „Es wird zum Ende noch resolut lustig hergehen. Es soll ein carmen saeculare gesungen werden, das wird eine Note besser herauskommen als das quacklichte Heldenlied, da die Römer den Mond und die Sonne angesungen. Also, es gehet an!" Der Chorus „unter Begleitung voller Musik nebst Trompeten und Pauken" stimmt das neue Lied des Herrn Rektors an; und da das Horazische eurmerr sneeulare 19 Strophen hat, tut es auch Dunkelberg nicht unter dieser Zahl. Wir wollen dem Leser damit nicht zur Last fallen.

Erst im Jahre 1719 hören wir wieder von einer Schulaufführung. Das Stück, von dem das gedruckte Szenarium erhalten ist, hat den Titel „Conrad von Kauffungen" und weist folgende Bemerkung auf: „Die Vorstellung dieses Scherzspiels soll den 20. und 21. Juli dieses 1719. Jahres mit Gott vorgenommen werden, und zwar in Herrn Oswald Lerchens Behausung, präcise um 2 Uhr nachmittags, da denn diejenigen, so Sitze verlangen, die Person 4 Groschen, die Stehenden aber 2 Groschen zu geben sich willig werden finden lassen."

Auch erfahren wir die Namen der Darsteller und ihre Rollen. Es wirken mit aus Prima 38 Personen, aus Sekunda 14, aus Tertia 1, aus Quarta 1, aus Quinta 7, aus Sexta 2. Auch die weiblichen Rollen werden von Schülern ausgeführt; so spielt Flach aus Bartholfelde die Kurfürstin Margarete, Schäfer aus Nordhausen die Köhlerfrau, Vogel die 1. Furie und Fritsche aus Thürungen die 2. Furie. Den Kunz von Kauffungen gibt Joh. Gottfried Riemann.

Das Stück beginnt mit einem Prolog und schließt mit einem Epilog. Im Prolog wird die besondere Gewogenheit des Magistrats gerühmt, daß er der Nordhäuser Jugend hochgeneigt erlaubt hat, actum theatralem vorzuführen. Der Epilog dankt den Zuschauern für ihre Aufmerksamkeit; er empfiehlt die hiesige Jugend und die an ihr arbeiten der Gewogenheit und Affektion des Publikums und wünscht der Stadt Frieden und Ruhe, Segen und Nahrung, damit die Jugend bei solchen Zeiten noch öfter solche Uebungen vornehmen könne.

Die eigentliche Handlung zerfällt in 5 Akte, jeder Akt in 10—12 Szenen. Im ersten Akt freut sich alles des geschlossenen Friedens, im zweiten verlangt Kunz von Kauffungen Entschädigung vom Kurfürsten wegen ent- gangener Kriegsbeute und droht mit Rache, im dritten Akt raubt Kunz während der Abwesenheit des Kurfürsten die Kurfürstenkinder Ernst und Albert, im vierten Akt wird Ritter Kunz von den Köhlern im Walde überwältigt, und im letzten Akt werden die Schuldigen bestraft. Es sind aneinandergereihte Bilder, die vorgeführt werden; von einer Charakterentwicklung im Laufe des Stückes kann keine Rede sein.

Zwischen die ernste Handlung sind die kurzweiligen Reden und Späße des Hofnarren Claus eingestreut; auch Arien werden gesungen. So singt der Mentor ein Lied „von der brüderlichen Einträchtigkeit", der Herold ruft den Frieden in einer „Arie" aus; vier Köhler singen eine Arie von ihrem Stande; Palladius singt, daß „über die Buße eines Sünders sich die Engel freuen". —

Dann hören wir 50 Jahre nichts mehr von Theateraufführungen durch die Schule. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zog das moderne Drama in das Nordhäuser Gymnasium ein. Der Mann, der ihm den Weg frei machte, war der Rektor Joh. Konrad Hake (1769—1771). Er las mit seinen Schülern nicht nur die Klassiker des Altertums, sondern auch zeitgenössische Schriftsteller, von denen er auch einige Stücke aufführen ließ. Mit Unterstützung seines Freundes, des Stadtsekretärs Filter, und anderer wohlhabender Bürger richteten die Schüler auf dem Grundstück Oppermcmns, vor dem Hagen, ein Theater ein und führten dort auf: Moliärs „Geizhals", Lessings Iugendkomödie „Der Schatz" und des Franzosen Gesset (1709—1777) „Sidney", ein Lustspiel, das Lessing in der Hamburgischen Dramaturgie im 17. Stück gelobt hatte. Auch Lessings „Minna von Barnhelm" war schon eingeübt worden; die Aufführung unterblieb aber, man weiß nicht, aus welchem Grunde.

Von weiteren Schulaufführungen in den nächsten Jahren ist nichts bekannt; vielleicht hörten sie unter Hakes Nachfolger, dem Rektor Joh. Friedr. Albert (1771—1784), wieder auf. Erst im Jahre 1785 lesen wir im 36. Stück des „Wöchentlichen Nordhäuser Intelligenzblatts" vom 5. September[8]:

„Zur Nachricht

Mit Bewilligung der verehrungswürdigen Herren Oberen werden einige auf hiesigem Gymnasium Studierende in dieser Woche folgende Lustspiele öffentlich aufführen:

Donnerstag, 8 Sept.: „Der Strich durch die Rechnung", Lustspiel in 4 Akten von I. Fr. Jünger[9] und „Präsentiert das Gewehr!", ein Lustspiel in 2 Auszügen.[10]

Freitag, 9. Sept.: „Der Verschlag oder Hier wird Versteckens gespielt", ein Lustspiel in 3 Aufzügen von Bock".

In der folgenden Nummer, 37. Stück, vom 12. September steht:

„Mit Bewilligung der verehrungswürdigen Herren Obern werden einige auf hiesigem Gymnasio Studierende zu einigem Vergnügen des Public! in dieser Woche folgende Lustspiele aufführen, als

Donnerstag, 15. Sept.: „Der Arrestant", ein Lustspiel in 3 Aufzügen von Anton Wall, und „Präsentiert das Gewehr!".

Freitag, 16. Sept.: „Der Strich durch die Rechnung" wiederholt und mit dem Lustspiel in 1 Aufzuge „Ehrlich währt am längsten oder Untreue schlägt seinen eigenen Herrn" der Beschluß gemacht werden."

Im Jahre 1786 bringt das „Wöchentl. Nordh. Intelligenzblatt" im 34. Stück vom 21. August nachstehende Anzeige:

„Mit derer verehrungswürdigen Herren Oberen Erlaubnis werden in dieser Woche einige auf hiesigem Gymnasio Studierende folgende Lustspiele aufführen:

Donnerstag, 24. August: „Die Jäger", ein ländliches Sittengemälde in 5 Aufzügen von Iffland.[11]

Freitag, 25. August: „Das Findelkind", ein Lustspiel in 5 Akten, und „Der eiserne Mann", ein Lustspiel in 1 Akt, beide vom Herrn Grafen von Brühl".[12]

Auch im folgenden Jahre wird noch gespielt; das 38. Stück des „Wöchentl. Nordh. Intelligenzbl." vom 17. September 1787 enthält folgendes

„Avertissement.

Nach erhaltener Erlaubnis der verehrungswürdigen Herren usw. werden in dieser Woche usw. folgende Lustspiele aufführen:

Mittwoch, 19. September: „General Schlenzheim und seine Familie", ein Schauspiel in 5 Aufzügen[13] und „Der Töpfer", eine komische Szene in 1 Akt.[14]

Donnerstag, 20. September: „Der Stadtschulze", Originallustspiel in 5 Aufzügen, und „Den ganzen Kram und das Mädchen dazu", ein Lustspiel in einem Aufzuge (vom Grafen von Brühl).

Freitag, 21. September: „Der argwöhnische Liebhaber", ein Lustspiel in 5 Akten[15] und „Wie machen sie's in der Komödie? oder die buchstäbliche Auslegung", ein Lustspiel in 1 Aufzuge.[16]

  1. Zeitschrift des Harzvereins für Gesch. u. Altertumskunde I, 104 und XVIII, 231.
  2. Daselbst XVIII, 231.
  3. Daselbst XVIII, 231.
  4. Daselbst XXIV, 293.
  5. Nach Iul. Schmidt, Bau- und Kunstdenkmäler Nordhausens.
  6. Siehe Riedel, Schulbrama und Theater, Hamburg 1885.
  7. Siehe Tischreden, Ausgabe von Förstemann u. Bindseil S. 592.
  8. Von nun an ist die Nvrdhäuser Presse die Hauptquelle sür die Nordhäuser Theatergeschichte. Das „Wöchentl. Nvrdhäusische Intelligenzblatt" ist im städtischen Archiv vom Jahre 1784 ab vollständig vorhanden. Vom 1. Januar 1798 an trat an seine Stelle das „Nordhäusische wöchentl. Nachrichtsblatt", das 1855 den Titel „Nordhäuser Kreis- und Nachrichtsblatt" und 1862 „Nordhäuser Courier" erhielt und 1896 ein- ging. Als zweites Hauptblatt kam 1848 das „Nordhäuser Intelligenz-Blatt" hinzu, das 1859 den Titel „Nordhäuser Zeitung" bekam und noch besteht.
  9. Joh. Fr. Jünger, 1759—1797, deutscher Roman- und Lustspieldichter, war eine Zeitlang in Wien Hoftheaterdichter, stand 1785 mit Schiller in freundschaftlichem Verkehr.
  10. Don I. H-.Friedr. Müller geb. 1738 zu Halberstadt, studierte in Halle, wurde Schauspieler bei mehreren Gesellschaften, kam nach Wien, wo er Direktor des Deutschen Singspiels wurde; gest. das. 1815. Schrieb über 20 Lustspiele.
  11. Aug. Wilh. Iffland, geb. 1759 in Hannover, Schauspieler in Gotha, Mannheim (wo er Schiller kennen lernte), Weimar, Berlin, wo er Generaldirektor der Königl. Schauspiele ward und 1814 starb. Die Stoffe zu seinen zahlreichen Schauspielen wählte er meist aus dem Leben der bürgerlichen Familie, die er naturgetreu darstellt.
  12. Graf von Brühl, geb. 1739 in Dresden, Sohn des Ministers; gest. 1793 in Berlin. Nachbildner französ. Stücke.
  13. Von Plümicke, 1749—1833, Ratssekretär in Breslau, Regierungsrat in Magdeburg, machte sich in der Literatur durch Bühnenbearbeitungen fremder Stücke, so Schillers „Räuber" und „Fiesko", unrühmlich bekannt; seine zahlreichen eigenen, meist aus gleichzeitigen Romanen geschöpften Schauspiele gefielen der damaligen Zeit wie der späteren die Birch-Pfeisferschen Bearbeitungen. Seine „Theatergeschichte von Berlin" hat noch heute ihren Wert.
  14. Vielleicht ist damit die komische Oper gleichen Titels von Joh. André gemeint. André, geb. 1741 zu Offenbach, war zuerst Kaufmann und ging dann zur Musik über; schon 1773 brächte er den „Töpfer" zu Hanau mit Erfolg zur Ausführung, war später Kapellmeister in Berlin und Offenbach, wo er den noch heute bestehenden Musikalienverlag gründete, † 1799.
  15. Von Bretzner, 1748-1807; Kaufmann in Leipzig, Verfasser zahlreicher Lustspiele und Operntexte; auch das Textbuch zu der Oper „Die Entführung aus dem Serail" von Mozart ist von ihm. Seine Lustspiele wurden damals viel aufgeführt.
  16. Von W. H. Brömel, geb. 1754 in Lohburg bei Magdeburg, gestorben als Kriegsrat in Berlin 1808; schrieb bühnenwirksame Lustspiele.