Silhouetten zur Geschichte des Handwerks in Nordhausen

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Textdaten
Autor: Hermann Heineck
Titel: Silhouetten zur Geschichte des Handwerks in Nordhausen
Untertitel: Nach geschichtlichen Vorlagen geschnitten vom Stadtarchivar
aus: Pflüger : Monatsschrift für die Heimat (3. Jg., Heft 9)
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1926
Verlag:
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Erscheinungsort: Mühlhausen
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
Digitalisat: thulb.uni-jena.de
Eintrag in der GND: [1]
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Silhouetten zur Geschichte des Handwerks in Nordhausen


Nach geschichtlichen Vorlagen geschnitten vom Stadtarchivar
H. Heineck


In der ältesten geschichtlichen Zeit der Germanen ist nur eine Klasse von Menschen ehrlos und damit rechtlos, obschon das, was sie bringt und leistet, gar nicht ungern gesehen wird, der römische Gaukler und Possenreißer. Von seinen eigenen Volksgenossen verachtet, als Landstreicher, Betrüger und Dieb verschrien, der persönlichen Würde ganz und gar entbehrend, kann er auch im fremden Lande seine Person nicht gellend machen; ihn schützt nichts und niemand, wenn er hier seinen diebischen Neigungen nach- hängt oder sich sonst vergeht; er ist vogelfrei.

In den Zeilen der Völkerwanderung wächst der Zuzug dieser Leute im germanischen Lande; an den Höfen der germanischen und romanischen Fürsten finden wir diese Künstler und Lustigmacher, aber sie bleiben auch als Possenreißer des Hofes die gleichen verachteten Gesellen wie die, welche vor den Bauern und Hörigen ihre Künste treiben.

Den landfremden Romanen aber erwachsen bald in germanischen Landes- lindern gelehrige Schüler. Sie besinnen sich nicht, des Gewinnes wegen in den Stand der Rechtlosigkeit des vagabondierenden Fremdlings einzutreten, sie gesellen sich ihm zu, und so bildet sich der Spielmann der Karolingerzeit, bald Romane, bald Germane, in beiden Ländern schweifend, beider Sprachen mächtig, Sang, Saitenspiel und Leibeskünste pflegend.

Er vernichtet allmählich die uralte heimische Sangeskunst und bürgert eine fremde, romanische dafür ein. Schon zur Zeit Karls des Großen sind die ernsten germanischen Heldenlieder altvaterisch geworden, und es ist be zeichnend, daß der Kaiser sie sammeln läßt, um sie vor dem Untergang zu bewahren, während er persönlich bei Tische sich lieber aus der römischen Geschichte oder aus dem heiligen Augustin (de civitate) vorlesen läßt. Sonst hatte er in seiner nächsten Umgebung ganz nach romanischer Art seinen Possenreißer (scurra), der sich sogar erlauben darf, selbst gegen den Kaiser naseweis zu sein.

* * *

Mit der wachsenden künstlerischen Bedeutung des Spielmanns hebt sich nach und nach der Stand, rechtlich aber nicht! Der Spielmann, der Gaukler, der Fechter bleibt aus der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen, und der Sachsen spiegel legt dieses Verhältnis 1,38, § 1 folgendermaßen fest:

Kemphen und ire kindere und alle, die uneliche geborn sin und spillüte ... die sint alle rechtelos.

Fast denselben Gedanken sprechen die jura eivitstis Xortduseusis (abgefaßt um 1250, erhalten in Niederschrift von 1308) aus, wenn sie in § 28 besagen:

Si aliquis qui nin est de legitimo thoro, vel si est filius pugilis vel garcionis, vel si patitur juris defectum quod vulgariter rechteloz dicitur sicut est talis qui satisfaciet de furto vel in spolio vel in falsis denariis vel falso argento vel qui provatus suo jure manifeste coram judice, si ille egerit in aliquem pro violacione pacis, nullum jus sibi exhibebit, d. h.

Wenn jemand nicht aus einer gesetzmäßigen Ehe entstammt oder wenn er der Sohn eines Kämpfers oder Herumtreibers ist, wenn er rechtlos ist wie ein Dieb, Räuber oder Falschmünzer, oder wenn ihm öffentlich vor dem Richter sein Recht aberkannt ist — wenn eine solche Person klagbar wird gegen irgend jemand wegen Friedensbruchs, der wird kein Recht erlangen.

m Sachsenspiegel heißt es: „Man gibt ihm zur Buße den Schatten eines Mannes oder den Blick von einem Kampfschilde gegen die Sonne", das heißt, man gibt ihm den Schatten seines im Sonnenschein gegen die Wand gestellten Beleidigers preis und fügt zum Unrecht noch Hohn und Spott dem Ehrlosen hinzu.

Von unehrlichem Handwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In späteren Zeiten ändern sich die Wirkungen der Unehrlichkeit und Rechtlosigkeit. Mit dem Aufhören des Wergeldes, welches früher der Beleidigte zu fordern hatte, und dem Aufhören der Zweikämpfe machen sich die Nachteile für die Rechtlosen in anderer Art geltend: sie werden von der Aufnahme in den geistlichen Stand ausgeschlossen, sie können in kein öffentliches Amt ein treten, und besonders sind es die erstarkten Zünfte, welche nunmehr die Zahl der als unehrlich anzusehenden Personen und Gewerbe immer mehr vergrößern.

Während die alten Nechtsbücher nur von Spielleuten, Kämpfern, unehe lichen Kindern und Verbrechern reden, gelten im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert als unehrlich die Leineweber, Barbiere, Schäfer, Müller, Zöllner, Pfeifer, Bader, Bettelvögte, Nachtwächter, Totengräber, Gassenkehrer, Abdecker, Hacker und noch andere.

Was Rechtens für die Zünfte in Nordhausen war, darüber schreiben bei spielsweise die Wollweber um 1450 vor:

„Nichein unser Gewerken sal nich eynes Pfaffen kint eder kebis kint neme zuo lerne. Wer daz breche, der verlöre one cynen phennig vunf schillinge.

Und an anderer Stelle wird wegen der Lehrlinge ausdrücklich eingeschärst (um 1500):

„Nach unsers Handwerkes Gewohnheit soll ein jeglicher, der unsre Gilde besitzen will, zwei gut beleumundete, fromme Männer bringen, welche schwören zu Gott und den Heiligen mit auf das Heiligtum gelegten Fingern, es sei eine Frau oder ein Mann, daß jene Person Wohl geboren sei von Vater und Mutter her, ehelich, echt und recht, aus einem ehelichen Ehebette. Auch müssen sich dieselben Eltern ehrlich und fromm gehalten haben nach ihrem guten Leumund.

Auch dürfen sie nicht sein von Art eines Schäfers, Pfeifers, Bartscherers, Trompeters, auch nicht von der Leute Art, denen man die Aufnahme in die Gilde verweigert. Ferner müssen sie selbst sich fromm und Wohl bewahret haben in ihren Ehren und gutem Leumunde." (Aehnlich die Gildengesetze der Krämer usw.)

Dieser Ausdehnung der Unehrlichkeit in bezug auf die Innungen trat schon 1548 die Reichspolizeiordnung entgegen; aber noch zweihundert Jahre später muß der Reichsschluß von 1731 einschärsen, daß „keine Profession unehrlich" sei, und daß von den Handwerkern nur die Schinder von den Zünften ausgeschlossen werden dürfen. Der Reichsschluß von 1772 ging theo retisch noch einen Schritt weiter und sprach den menschenfreundlichen Satz aus:

„Nur die Betreibung der Arbeit selbst macht unehrlich, die Kinder und Abkömmlinge als solche sind an sich nicht unehrlich."

Nachwort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum Kapitel „Unehrliche Handwerke" teile ich noch folgendes, ausgesprochen Nordhäusisches, mit. Im Jahre 1618 wurde der Ratsherr Jakob Miltisch, Vertreter der Schneidergilde, aus seinem Ehrenamte entfernt, weil festgestellt war, daß er die Tochter eines wohlhabenden Bauern in Herreden geheiratet hatte, welcher vor seiner Verehelichung als Schäferknecht gedient hatte. Dieser Miltisch hat sich zwar viel bemüht, sein Ehrenamt wieder zu erlangen. Kurfürst Johann Georg von Sachsen, oberster Schirmherr der StadtNordhausen, hat als Reichsvikar durch kaiserliches Mandat am 21. Juni 1619 den Rat angewiesen, den Miltisch in sein Amt wieder einzuweisen. Es half aber auch eine zweite Anweisung vom 14. Dezember 1620 nichts. Die Verwendung dreier dem Miltisch befreundeter Pastoren nützte ihm ebensowenig.

Der Rat hat alle Gilden einberufen und durch sie entscheiden lassen; aber keine Gilde hat eingewilligt, die Frau als ehrlich anzuerkennen. Mit Entrüstung haben sich die Hutmacher auf ihre Gildebücher berufen, welche 350 Jahre alt wären — daß ein Schäfer für ehrlich gehalten sei, fände sich in diesen Büchern nirgendwo!

Verschwundene und vergessene Handwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den ältesten Handwerken in Nordhausen gehören die picariatores. Sie machten hölzerne Gefäße für Flüssigkeiten, besonders Trinkgefäße für Bier. Diese Gefäße waren ausgepicht, wie noch jetzt in Jena und Umgegend die Holzkännchen, aus denen das Lichtenhainer Bier getrunken wird, daher der Name, vom lateinischen Worte Pix = Pech.

Ein Gesetz von 1324 bestimmt, daß die Becherer liefern sollen um einen Pfennig entweder zwei Pfennigbecher das heißt so groß, daß für einen Pfennig Bier hineingeht — oder drei Scherfbecher (1 Scherf = ⅔ Pfennig). Wer es anders hält oder nicht so tut, der verliert einen Schilling an die Stadt. Im fünfzehnten Jahrhundert ist die Innung der Becherer verschwunden.

1308 sind in Nordhausen, wie in ganz Thüringen, Flickschuster und Schuhmacher (schowerkten) schon von einander getrennt. Die Flickschuster heißen ruzen. Im Gesetz von 1308 wird ihnen Strafe angedroht: „swelch ruze farniste met erden dy schu, dy gybet vumf schillinge." Im fünfzehnten Jahrhundert ist der Name noch vorhanden, im sechzehnten ist er nicht mehr nachweisbar. Da hat sich der Name Flicker wahrscheinlich durchgesetzt, Rußen oder Reußen ist nicht mehr verständlich. Und so tritt seit dem fünfzehnten Jahrhundert auch der Name „Flickengasse" auf.

Woher der Name Reußen stammt, ist nicht ganz klar, Grimm bringt ihn mit Rister zusammen. Auch der Name Altreus kommt oft vor; sicher aber ist die Bedeutung Altschuh-Macher oder Flicker — der einen Rister aufsetzt — ein Gegensatz zum Neuschuh-Macher.

*

An Einfluß und Reichtum stand unter den städtischen Gewerben von jeher auch in Nordhausen das Fleischerhandwerk obenan. Bei diesem trat frühzeitig eine Arbeitsteilung ein in der Weise, daß die einen das Vieh kauften und die geschlachteten Tiere an die Kunden verkauften, die andern sich auf die Schlachtung beschränkten und das Fett, die Eingeweide und die Abfälle verwendeten. Die ersteren waren die Knochenhauer, die zweiten waren die Kutteler. An die Knochenhauer erinnerte noch bis 1802 die von ihnen zu besetzende Knochenhauerwache an der Stelle, wo jetzt der Neubau der Tabaksfabrik Grimm & Triepel steht. Die Kuttelpforte und Kutteltreppe[1] sind jedem Nordhäuser wohlbekannte Oertlichkeiten und Straßennamen. Die Kutteler schlachteten in den am Lohmarkte gelegenen drei Kuttelhäusern das Vieh, nahmen als Entgelt dafür die Eingeweide (Kutteln) und verwendeten sie in geeigneter Weise, beispielsweise als Fleck. Auch das Fett fiel ihnen zu. Auch die Garbräter bildeten eine Abzweigung des Fleischergewerbes und hatten eine Garküche am Kornmarkt. Ferner ist die Schmergasse nicht zu vergessen, deren Verhältnisse noch recht unaufgeklärt sind. Ich mache darauf aufmerksam, daß es in dem Jnnungsbuch der Krämer seit dem Jahre 1325 also heißt: „Es soll kein Krämer anderswo wohnen und auch keine Krämerei von Bürgern anderswo feilgehabt werden in der Stadt Nordhausen, denn zwischen St. Nikolai-Kirchen und der Schmergasse."

Heut aber liegt der Krämern jenseit der Schmergasse!

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Wer die Innungsbücher und Stadtgesetze aufschlägt, stößt immerzu auf Namen und Gewerbe, die jetzt längst verschwunden sind; er liest vom Branntweinvisierer und Bierrufer, vom Plattner und Sporer, vom Ziechenweber und Schleifer, vom Münzer und Holzschuher, vom Gewandschneider und Stubener. Soviel Namen, soviel Erklärungen wären nötig. Da dies für diesmal nicht angängig, so will ich mich begnügen, auf zwei Handwerke noch kurz einzugehen, die für Nordhausen nicht ohne Bedeutung gewesen sind. Zahlreiche Jnnungsakten über sie liegen noch vor. Auf aktenmäßiger Grundlage will ich bisher Unbekanntes mitteilen über die Raschmacher und Straufenstricker.

Die Articuli der Parett und Strauffenstricker Innunge" (1647) lassen als Meisterstück unfertigen 1. ein Paar Strümpfe mit spanischen Zwickeln, 2. ein wollenes Hemd, 3. ein Paar feine Fingerhandschuh von feiner, guter, reiner Wolle und klein gestrickt.

Wir sehen, unter Straufen sind Strümpfe, welche über den Fuß gestrickt werden, zu verstehen.

Welche Arbeit hatte ein Straufenstrickergeselle anzufertigen, nachdem er vier Jahre das Handwerk erlernt?

§ 7 der Gesellenartikel von 1685 lautet: „Gesellenarbeit ist die Anfertigung von wollenen Hemden, reine spanische und andere Zwickelstrümpfe, Reitstraufen, große, Jungen- und Kinderstrümpfe, Finger- und Fausthandschuhe und was sonst auf unserm Handwerk üblich.

Jede Woche sind neun Paar gemeine Mannsstrümpfe anzufertigen. Der Wochenlohn dafür beträgt sechs Groschen. Arbeitszeit: Täglich soll er des Abends um zehn Uhr und des Sonnabends um acht Uhr Feierabend machen. Alle Tage früh um 5 Uhr soll er den Anfang machen. Die ordentlichen Feiertage aber sollen halb dem Meister und halb dem Gesellen zufallen."

Ich habe diese Stelle genau abgeschrieben aus dem Originalstatut von 1651, welches 1685 mit Nachträgen versehen neu bestätigt wird. Als Altgeselle hat unter anderen unterzeichnet Wilhelm Philipp Beatus.

Zum Schluß etwas über die Rasch mach er. In den mittelalterlichen Urkunden kommen oft Ausdrücke vor, die sehr schwer zu enträtseln sind. So sprechen hanseatische Urkunden von Satunen[2] und meinen damit grobe Wollstoffe, in denen beispielsweise Pfeffer verpackt ist. Dieser Verpackungsstoff ist angefertigt in Chalons sur Marne und von ihm her kommt das bekannte französische eüLIss, engl. sda^Is. In Nordhäuser Urkunden treffen wir oft auf lundisch Tuch (Londoner oder überhaupt englisch Tuch). So stammt vom ersten Erzeugungsort auch der Name Rasch. Raschmacher sind die Verfertiger eines leichten Wollgewebes (ähnlich der Serge), des Rasch. Der Name stammt von der Stadt Arras, dem ursprünglichen Herstellungsorte, der Hauptstadt der ehemals flandrischen Grafschaft Artois, welche 1640 an Frankreich kam.

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Jahrhunderte lang sind Leineweber und Zeugmacher in einer Innung vereinigt gewesen, da beginnen mit dem siebzehnten Jahrhundert Streitigkeiten über die gegenseitigen Zuständigkeiten. Sie nehmen an Heftigkeit immer zu, bis die Trennung erfolgt. Unter dem 5. Oktober 1731 gibt der Rat bekannt, daß die Parteien sich völlig getrennt, und daß von nun an auf der einen Seite die Leinweberinnung besteht, auf der andern die der Zeug- und Raschmacher.

Sie verfertigen (Artik. 24) alle und jede Art Zeuge, so von Wolle oder auch Wolle und Seide zugleich gemacht werden, nämlich Rasch, Serge, Crepon, Polemit, Vortrat, Chamlot, Dammasch, wie es erdacht ist oder zu gangbaren Moden erdacht werden mag; dazu steht ihnen alle Bereitung zu als Walken, Färben, Pressen usw.

Ferner dürfen die Meister dieses Handwerks alle Werkzeuge, die zur Bereitung der Wolle gehören, auch Zwirnmühlen, schmale und breite Werkstühle, Zeugrollen, Pressen und Färbekessel zu ihrer Hantierung nach ihrem Gefallen gebrauchen.

Die Herstellung darf aber drei Stühle nicht überschreiten bei jedesmaliger Strafe von drei meißnischen Gulden.

Daß der blaue Montag im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert immer mehr in Aufnahme kam, ersehen wir aus den Gesellenartikeln der Zeug- und Raschmacher von 1731, wo es in § 7 heißt: „Es soll kein Geselle des Montags den andern ohne erhebliche Ursache aus der Werkstatt führen oder sonst durch jemand anders Anlaß geben, zum Bier und Branntwein zu gehen, wodurch dem Meister die Arbeit versäumt wird bei Strafe von vier Groschen.

Nur alle vier Wochen sollen aus Erfordern die Gesellen am Montage präzise 1 Uhr mittags auf der Herberge erscheinen und 1 Gr. 4 H zur Auflage geben.

Wenn bei diesen Gesellen-Auflagen die Lehrjungen zum Gesellen gemacht werden, so geben sie 8 Groschen an Gelde und 1 fein silbernes, geöhrtes ⅔ Talerstück an den Willkommen. Will ein Meisterssohn bei der Auflage nicht aufwarten, so muß er einen silbernen Schild an den Willkommen anfertigen lassen, der aber wenigstens 1½ Lot wiegt.

Zur Auflage soll auch keiner mit einem Degen oder tödlichen Gewehr erscheinen, nicht schwören und fluchen, sondern sich der Ehrbarkeit befleißigen" usw. Wie weit diese Einmischung der Innungen in alle persönlichen Angelegenheiten sich erstreckte, beweisen folgende Stellen aus den Artikeln des Maurerhandwerks vom Jahre 1689, wo es im Artikel 1 heißt: „Wer von Gott und seinem heiligen Worte spöttlich redet oder andern Aergernis gibt, der soll in dem Handwerk nicht geduldet werden."

Artikel 2. „Es soll jeder dieses Handwerks dreimal im Jahre das hochwürdige Sakrament des wahren Leibes und Blutes Christi nach seiner Einsetzung genießen und gebrauchen. Wer hierinnen nachlässig befunden wird, dem soll das Handwerk gänzlich eingelegt und verboten sein."

Artikel 4. „Würde einer dieses Handwerks mit unzüchtigen Weibern zu schaffen haben oder denselben anhangen und unverschämte Worte und Werke gebrauchen, so soll er anfangs von solchem losen Wesen abzustehen vermahnt werden. Würde er aber davon nicht lassen, so soll er gar nicht im Handwerke gelitten werden."

Das mittelalterliche Handwerk gewährte der Masse der Handwerksmeister nur ein bescheidenes Auskommen, sicherte ihn aber gegen Erwerbslosigkeit und das Unterdrücktwerden durch seinesgleichen. Der goldene Boden des Handwerks ist die tiefe innere Zufriedenheit, die der normale Mensch am Gelingen und Vollbringen seines Werkes naturgemäß empfindet.

Die Neuzeit mit ihren Maschinen und dem immer mehr das Handwerk in sich schließenden Kapitalismus hat an den patriarchalischen Zuständen der Vorzeit vieles geändert — zum Guten und zum Bösen. Auch das Handwerk der Jetztzeit, das wollen wir nicht unbeachtet lassen, nährt heute nicht nur seinen Meister, sondern auch Gesellen und Lehrjungen in weit größerer Zahl, es nährt ihn ausgiebiger und besser als jemals in vergangenen Zeiten. Nur darf der Meister nicht beherrscht sein von Raffsucht und Gier nach Genuß. Bei Tüchtigkeit und Treue, bei Redlichkeit und Umsicht läßt sich auch heute noch vorwärts kommen, wenngleich Krisen jetzt wie ehemals nie ausbleiben und ihre Opfer immer fordern werden.

  1. Anmerkung der Schrislleitung: In Mühlhausen gibt es auch eine Kuttelgasse.
  2. Anmerkung des Herausgebers: Vielleicht hängt der Ausdruck mit dem Worte Saturei zusammen. Satureja ist die Gewürzpflanze. Das Bohnen- oder Pfefferkraut heißt Satureja hortensis L. Aus dem lateinischen satureia wurde früh im 16. Jahrhundert die saturey, mhd. saterje gebildet.