Die Sander in Nordhausen und Rom im 15. und 16. Jahrhundert
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in Vorbereitung
Die Sander
in Nordhausen und Rom im 15. und 16 Jahrhundert
Von
Hermann Sander
Dem Andenken an
Paul Sander
weiland Professor der Wirtschaftsgeschichte
an der Deutschen Universität in Prag.
VorwortDie Schrift „Sander-Northusen, Geschichte einer Bürgerfamilie“ handelt von einer Familie Sander, die zuerst in der Reichsstadt Nordhausen, dann in Göttingen und später in Kitzingen ansässig war. Mitglieder dieser Familie, die im 15. und 16. Jahrhundert die Heimatstadt verließen, nannten sich zur Unterscheidung von gleichnamigen Fremden teils vorübergehend teils ihr lebenlang „Sander von Northusen“. Um heute auch im Buchtitel, und zwar in kürzester Form, die Familie von anderen zu unterscheiden, wurde für sie die Bezeichnung Sander-Northusen gewählt. Die Schrift besteht aus vier selbständigen Teilen, deren jeder einzelne für seinen engeren Bereich von einigem Belang sein mag, während alle vier zusammen nur familienkundliche Bedeutung haben können. Die vier Teile tragen die Titel:
Der hier vorliegende 1. Teil beruht, soweit er Nordhäuser Verhältnisse betrifft, vornehmlich auf ungedruckten Akten des Nordhäuser Stadtarchivs. Die Auffindung der wichtigsten Quellen verdankt der Verfasser dem im Jahre 1919 verstorbenen Dr. Paul Sander, Professor der Wirtschaftsgeschichte an der Deutschen Universität in Prag. Für die römischen Abschnitte der Darstellung wurde vielfach, jedoch mit manchen Abweichungen und Hinzufügungen, Dr. Karl Heinrich Schäfers „Johannes Sander von Northusen“ (Rom 1913) benutzt, ein Werk, an dessen Gestaltung und Erscheinen der Unterzeichnete wesentlichen Anteil genommen hatte. Die graphologische Charakterskizze des Johannes Sander wurde von der wissenschaftlichen Graphologin Martha Sander in Königstein i. T. entworfen. Den Plan von Nordhausen um 1560 zeichnete der Nordhäuser Geschichtsforscher Karl Meyer im Februar 1911 als Anlage zu dieser Schrift. Königstein im Taunus, den 3. Juli 1939.
Die ersten Sander in NordhausenDer Name Sander ist die deutsche Abkürzung des griechisch- lateinischen Alexander, zu deutsch „der Männerabwehrende". Als der Name sich bei unseren Vorfahren einbürgerte, gemahnte er sie nicht etwa an den heldenhaften Mazedonier, sondern an einen Heiligen, der mit seiner Mutter Felicitas und sechs Brüdern im zweiten Jahrhundert zu Rom den Märtyrertod erlitten haben soll. Der Gedenktag der „Sieben Brüder" ist der 10. Juli. Seltsamerweise war es ein Enkel des urdeutschen und heidnischen Kriegshelden Widukind, der den Namen des fremden, frommen Mannes im Sachsenlande heimisch machte. Widukind und seine Kampfgenossen hatten das Christentum nur der Not gehorchend und äußerlich angenommen. Das wußten ihre Zwingherren, die fränkischen Kaiser, gar wohl, und um die Bekehrung der Unterworfenen allmählich zu verinnerlichen, ließen sie die Söhne der sächsischen Vornehmen als Geiseln an ihrem Hofe und in den fränkischen Klöstern zu Christen erziehen. So wurde auch Widukinnd Enkel Walbracht ein überzeugter Christ. Als er herangewachsen war und sich anschickte, in die Heimat zurückzukehren, hegte er den frommen Wunsch, die Herzen seiner Landsleute für das Christentum zu gewinnen. Das beste Mittel, den Sachsen die Überlegenheit des Christengottes vor Augen zu führen, dünkte ihn wunderwirkende Reliquien zu sein. Um solche zu erlangen, zog er ums Jahr 850 mit einem Empfehlungsschreiben des Kaisers Lothar ausgestattet nach Rom und trug dem Heiligen Vater sein Anliegen vor. Gern erfüllte Papst Leo IV. den Wunsch des treuherzigen Sachsen, indem er ihm den Leichnam des Märtyrers Alexander zum Geschenk machte. Hocherfreut zog Walbracht zurück nach Westfalen, und in Wildeshausen an der Hunte, dem Stammsitz des Widukindschen Geschlechts, bereitete er der kostbaren Reliquie eine würdige Ruhestätte. Von Wildeshausen aus hat sich der Ruhm des heiligen Alexander durch mannigfaltige Wunder unter dem Sachsenvolke verbreitet. Viele Kirchen wurden ihm geweiht, und dann auch viele Sachsenkinder auf seinen Namen getauft. Letzteres geschah jedoch erst mehrere Jahrhunderte später, als das Volk sich an den fremden Namen gewöhnt hatte und anfing, neben den altgewohnten deutschen Namen auch die der Heiligen zu gebrauchen.
Im Jahre 1220 erhob der Kaiser Friedrich II. den Ort zur Reichsstadt. Damals wurde Nordhausen durch drei Reichsministerialen verwaltet, den Vogt, den Schultheiß und den Münzmeister. Neben den Ministerialen gewannen bald die angesehensten Familien der Bürgerschaft Einfluß, die „gefreundeten Geschlechter", die sich aus alteingewanderten Adligen der Umgegend und zu Wohlstand gelangten Kaufleuten zusammensetzten. Sie bemächtigten sich 1277 der Herrschaft, und nun leitete ein patrizischer Rat die Geschicke der Stadt, bis er im Jahre 1375 von den Gilden der Handwerker gestürzt wurde.
Eine Pergamenturkunde vom 3. März 1395 berichtet uns über Wernher folgendes: Wernher Sanders hatte vor Jahren Frau Katharinen, Hermann Folkels Witwe, als eheliche Wirtin heimgeführt. Seine Stieftöchter waren gestorben, der Stiefsohn Heinrich Folkel aber herangewachsen und Priester geworden. Nun, da er zu seinen Jahren gekommen war, legten ihm Wernher und Frau Katharine Rechenschaft über sein Erbe ab und vertrugen sich gütlich und freundlich mit ihm über die Auszahlung. Statt aller Ansprüche, die er seines Vaters und seiner Schwestern wegen gehaben möchte, wollen sie ihm 20 Mark Nordhäuser Währung binnen drei Jahren reichen unö geben: 5 Mark im ersten, 5 Mark im zweiten und 10 Mark im dritten Jahre. Wenn aber, was Gott friste, Frau Katharine sterben sollte, so soll Herr Heinrich statt 10 Mark aus deren Nachlaß einen Weingarten erhalten, gelegen vor der Stiege am Frauenberge. Achtzehn Jahre später wurde Wernher in den Rat der Reichsstadt berufen. Der Rat bestand aus drei Abteilungen oder Ratsregimenten, die abwechselnd je ein Jahr lang als „sitzender Rat" die Regierung führten. Jedes Ratsregiment zählte 27 Mitglieder, nämlich 18 Vertreter der neun ratsfähigen Gilden, 8 Vertreter der vier Viertel der Oberstadt und einen Vertreter der Neustadt. Die neun ratsfähigen Gilden waren die der Kaufleute oder Gewandschnitter, die meist Tuchhandel trieben, der Schneider, Tuchmacher, Bäcker, Schmiede, Krämer nebst Sattlern, Kürschner, Schuster nebst Gerbern und der Knochenhauer oder Metzger. Die Kaufgilde genoß das höchste Ansehen und übte den größten Einfluß aus, doch gab es auch in den Handwerkergilden stets einige Männer, die genug Fähigkeiten und höhere Bildung besaßen, um die wichtigsten Stadtämter verwalten zu können. Der Regel nach blieb der Ratsherr bis zum Tode im Amt und in seinem Ratsregiment, und die jährlich stattfindende Neuwahl des sitzenden Rates galt meist nur der Ausfüllung entstandener Lücken. Doch kam es bisweilen auch vor, daß ein Ratsherr aus seinem ursprünglichen Ratsregiment heraus in ein anderes gewählt wurde, wobei persönliche oder Zweckmäßigkeitsgründe bestimmend gewesen sein mögen; sei es, daß man nicht zwei nahe Verwandte im gleichen Ratsregiment haben wollte, sei es, daß bestimmte Personen für bestimmte Ämter gebraucht wurden. Wernher Sanders, der 1413 als Vertreter der Bäckergilde in den Rat gekommen war, hätte der Regel nach in den Jahren 1416,19 und 22 wieder zum sitzenden Rat gehören müssen, während uns zwei Urkunden über den Verkauf von Jahreszinsen beweisen, daß er nicht 1422 sondern erst im folgenden Jahre an der Regierung teilhatte. Wernher war ein begüterter und wohltätiger Mann. Um 1420 versteuerte er 14Vs Morgen Ackerlandes, und als 1423 anläßlich einer der häufigen Fehden jener Zeit ein Haferzins als Kriegssteuer erhoben wurde, hatte er einen hohen Betrag zu zahlen. Die Ewige Spende, eine fromme Stiftung, bedachte er bei Lebzeiten mit reichlichen Schenkungen und bei seinem Tode mit einem Hause am Siechentor.
In den Jahren 1430 bis 1441 wird öfters ein Mann erwähnt, der auch der Sohn eines Sander gewesen zu sein scheint, aber nicht zu den durch Gilde, Hausbesitz oder Steuerzahlung gekennzeichneten Bürgern, sondern zu den durch kurzfristige Dienstverträge gebundenen Angestellten der Stadt gehörte. Er hieß mit Vornamen Peter und war Stadtbote und Vorsitzer oder Gefangenen-Aufseher, daneben Freischöffe des Femgerichts. Einen festen Zunamen führte er noch nicht und wird bald Peter Sanders, bald Peter Vorsitzer, bald Peter unser Bote genannt. Auch zwei geistliche Personen gehören als solche nicht zur Bürgerschaft, können aber aus ihr hervorgegangen sein, nämlich Johannes Sander, anscheinend ein Franziskanermönch, der am 15. Oktober 1440 vom Erzbischof von Mainz das Recht der Beichte und Predigt erhielt, und Katharina Sanders, die 1480 als Priorin eines Frauenklosters zu Nordhausen erscheint. Im Gegensatz zu den drei Letztgenannten gehört ein Kerstan Sander ebenso zur Bürgerschaft wie vor ihm Wernher und Matthias. Das Ratsämterbuch führt ihn in einem Verzeichnis vom Jahre 1476 unter den Gildevorstehern auf. Diese, zwei an Zahl für jede Gilde, wachten über die Durchführung der eingehenden und strengen Gildesatzungen und wirkten bei der Bestellung des Stadtregiments mit. Kerstan wohnte auf dem Frauenberge und war ein waffentüchtiger Mann. Während sich wenigbemittelte Leute bei Erwerbung des Bürgerrechts für den Kriegsfall mit einer Hellebarde, bemitteltere mit einer Armbrust ausrüsten mutzten, gehörte er zu denjenigen Wohlhabenden, die bereits mit Feuerwaffen umzugehen wutzten und zur Verteidigung der Stadt die Hakenbüchse führten. Und wenn das Sturmläuten die wehrhaften Bürger zu den Waffen rief, dann übernahm Kerstan, mit Panzer, Eisenhut und Zubehör gewappnet, die Führung einer der 22 Bürgerrotten, aus denen vornehmlich die Kriegsmacht der Stadt bestand. Er war Rottmeister der 40 Mann starken Rotte von Bewohnern des Frauenberges, die nach ihrer Schutzpatronin „Beata Virgo" hietz. Gelegentlich wurde ihm die Verteidigung des Bielentores übertragen, das mit 5 Mann besetzt und mit 8 Armbrusten nebst Spannhaken und Spanngurten, 4 Handbüchsen, 3 Wippen zum Steineschleudern und anderem Kriegsgerät ausgerüstet war. Um 1492 scheint Kerstan gestorben zu sein. In der Zeit von 1424 bis 1492 ist außer Kerstan kein Sander als Bürger oder Einwohner von Nordhausen nachweisbar. Nun wurden aber im Jahre 1455 und bald danach drei Sander zu Nordhausen geboren, von denen der erste Kurialbeamter, die beiden anderen unmittelbar nacheinander Ratsherren wurden, also alle einen in Norbhausen ansässigen Vater von einigem Ansehen voraussetzen lassen. Als der erste der drei im Jahre 1476 in Leipzig immatrikuliert wird, ist Kerstan Gildemeister, und kaum ist Kerstan aus der Zahl der Rottmeister ausgeschieden, so treten die beiden anderen in diesem Amte auf. Somit dürfte die Vermutung nahe liegen, daß diese drei Sander Söhne Kerstans waren. Sie hießen Johannes, Albrecht und Hans. Daß zwei Brüder die im Grunde gleichen Namen Johannes und Hans trugen, kam in jener Zeit häufig vor und wird auch im folgenden durch Beispiele bestätigt. Der Rotanotor Johannes Sander vor der ReformationDie Ratsherren Albrecht und Hans SanderIm BauernkriegeDer Rotanotar Johannes Sander nach der ReformationKlaus, Hans der Jüngere und Andres SanderHans Sander, Klausens SohnAnhang |