Sitten und Gebräuche in Crimderode

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Textdaten
Autor: Wilhelm Vahlbruch
Titel: Sitten und Gebräuche in Crimderode
Untertitel:
aus: Heimatland. Illustrierte Heimatblätter für die südlichen Vorlande des Harzes
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Bleicherode: Heimat-Verlag
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Sitten und Gebräuche in Crimderode


Der Johannistag wird von der Dorfjugend noch gefeiert. Die Wagen und Personen auf den Straßen werden gehemmt. Die Gehemmten müssen sich lösen. Am Nachmittag spielen die Kinder dann auf einem Bauernhofe Rosentopfschlagen. Dann gibt es Schokolade und Kuchen.

Am St. Nikolausabend ziehen Verkleidete mit Obst, Nüssen und Pfefferkuchen von Haus zu Haus, den betenden Kindern davon schenkend, den nichtbetenden Kindern Rutenstreiche austeilend. „Wenn die Glocke 7 schlägt, kommt der Nikolaus angefegt mit dem großen Besenstiel, haut die Kinder gar so viel.“ Daher beten gar ängstlich die Kleinen: „Nikolaus, du guter Mann, wenn du was im Sacke hast, so laß dich nieder; Haft du nichts, so pack dich wieder.“

In den zwölf Nächten darf die Hausfrau keine Wäsche hängen haben. Die Träume in den 12 Nächten sind vorbedeutend auf die Erlebnisse der 12 Monate des neuen Jahres. Die Christmette findet am Abend statt, doch werden die Tannenbäume in den Häusern erst am Weihnachtsmorgen angezündet. Ehe Sylvester bei Heringssalat und Punsch gefeiert wird, bringen die Knechte der Herrschaft ein Klatschständchen (Peitschenknallen). Am Neujahrstage zog der Adjuvantenchor von Haus zu Haus. Neujahrslieder singend; jetzt besorgen die Kinder das Neujahrsingen. Da hören wir: „Drei Rosen, 3 Rosen, die wachsen auf einem Stengel. Der Herr ist gut, der Herr ist gut, die Frau ist wie ein Engel.“

Oder: „Ich bin ein kleiner König,
gebt mir nicht zu wenig —“
Oder: „Ich bin vom Steigertale,
Ich han Säckchen uffn Rücken,
Ich han Mätzchen Zippeln drin,
Das angere is Meirale.
Looßen se mich nich ze lange schtehn
Ich muß noch'n Eckchen Witter gehn.“

Die kleinen Sänger erhalten Bilder, Stifte oder Obst.

War im Winter das letzte Getreide gedroschen, dann wurde das Schutzspülen gefeiert. Nun begann für die Bauern die „fule Ziet“. Die Jugend ging Spelle. Erhält ein Bursche von seinem Mädchen eine Absage, dann bringt er ihr am 1. Mai einen Dornbesen vor die Haustür. Wurden sie aber einig, dann schmückt er ihre Haustür mit Maien.

Am 1. Ostertag sammelt sich die Dorfjugend nach dem Gottesdienste auf der Straße und ruft: Die Kerch' is uß, die Bälle rus. Dann werfen die im letzten Jahre verheirateten Eheleute für die Schulknaben Bälle, für die Schulmädchen Nähkißchen und Zopfbänder auf die Straße. Die jungen Burschen erhalten einen großen Ball. Und bald beginnt auf der Dorfwiese das Ballschlagen. Für die jungen Mädchen findet noch ein Wettlaufen um bunte Halstücher statt. Am Abend wird das Osterfeuer abgebrannt. Am Heiligabend wird stillschweigend Osterwasser aus der Sete geholt.

Früher feierte man auch im Sommer eine Kirmes, die sogenannte Wisselbeerkirmes. Da wurde vorher der Kirmeshahn ausgeschlagen. Wen es traf, der mußte während des Festzuges vom Plan bis zur Schenke (600 Mtr.) auf einem schrägen Wagen den toten Hahn fertig gerupft haben. Gelang ihm das, dann gehörte der Hahn ihm. Im andern Falle mußte er den Burschen Buße zahlen. Dem Hahnrupfer wurde aus einem Schiebkarren der musikalische Spreukorb vorangefahren. In dem verdeckten Korbe saß der Flötenbläser der Musikkapelle. Den am Korbe angebrachten Kreckel drehte ein verkleideter Bursche. Am 2. Tage putzten dann die jungen Leute einen Erbsbären (mit Erbsenstroh) an und zogen mit diesem Gaben heischend durch den Ort.

Erst gegen 1850 wurde die Wisselbeerenkirmeß durch das Schützenfest abgelöst. Dieses wurde unter der dicken Eiche (6 Mtr. Umfang) gestiert. Bis gegen 1860 kamen im Sommer allsonntäglich Bürger aus dem nahen Nordhausen zum Armbrustschießen. Dieses fand auf der Bleichstelle statt. 1850 wurden die alten Nabbernrechte aufgehoben. Darnach mußte jeder junge Bauer, der seines Vaters Erbe antrat 1 Gulden zahlen, desgleichen wenn sich einer verheiratete, zog einer in ein neues Haus, so mußte er mit einem halben Gulden sich lösen. Diese Geldbeträge nahm der Bauermeister in Verwahrung. Alle 3 Jahre wurde von dem Lösegelde das Nachbarnfest unter der Dorflinde gefeiert. Der Platz war mit Eier- und Läpperketten geschmückt. Bei Braunbier und Ingwerbrot wurde getanzt.

Noch vor 100 Jahren war das Notfeuer hier üblich. Wenn sich eine ansteckende Krankheit unter dem Vieh zeigte, so wurde auf einer Drechselbankb Feuererzwungen und von demselben vor Sonnenaufgang in einem Hohlwege ein Feuer von neunerlei Holz angezündet und die kranke Viehherde hindurchgetrieben.

Stellt sich in einer Familie der Storch ein, so bringt er den Geschwistern Geschenke mit. In das Bad des Erstgeborenen legt der Vater ein Geschenk für die Hebamme. Die Mutter darf vor der Taufe nicht über die Straße gehen. Auch darf der kleine Erdenbürger im ersten Jahre nicht in den Spiegel sehen. Haar und Nägel dürfen in dieser Zeit nicht geschnitten werden. Die Nägel werden von der Mutter abgebissen. Im ersten Vierteljahr wurden den Säuglingen selbst die Arme mit eingewickelt. Die Paten werden durch Patenbriefe gebeten. Zu Weihnachten und zur Konfirmation werden Patengeschenke gegeben. Die Paten werden auch geladen, wenn sich ihr Patenkind später verheiratet.

Die Hochzeit muß an einem Fleischtage gefeiert werden, am Sonntag, Dienstag, Donnerstag oder Sounabend. Von den Freundinnen wird der Weg zur Kirche mit Blumen und Blättern bestreut. Feinde bestreuen denselben mit Häckerling. Je mehr Scherben beim Poltern, je mehr Glück. In den Kranz darf es nicht regnen. Wer am Hochtzeitstage den Ring fallen läßt, wird bald sterben. Zum Hochtzeitsmahle mußten früher die Gäste ihre Teller, Messer und Gabeln selbst mitbringen. Um 12 Uhr wurde der Brautkranz ausgetanzt. Nach der Hochzeit wird an Freunde und Nachbarn Kuchen ausgeteilt.

Auch bei Beerdigungen bekamen die singenden Schulkinder süßen Schnaps und Ingwerbrot. Dem Toten wurden einige Münzen mit in den Sarg gegeben, und die Bahre mußte 3 Tage aus dem Grabe stehen bleiben.

Crimderode.
W. Vahlbruch.