Die Cholera in Bleicherode (1850)

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Titel: Die Cholera in Bleicherode (1850)
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aus: Heimatland. Illustrierte Blätter für die Heimatkunde des Kreises Grafschaft Hohenstein, des Eichsfeldes und der angrenzenden Gebiete
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Erscheinungsdatum: 1908 (Nr. 3)
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Die Cholera in Bleicherode (1850).


 „Mit Anfang August brach in Bleicherode die Cholera aus und trafen die ersten Todesfälle die soeben von der Braunschweiger Messe zurückgekehrten Handelsleute Friedländer und Frankenheim.“ So heißt es in dem amtlichen Bericht des Magistrats an das Landratsamt in Nordhausen. Die Cholera war Dank dem Leichtsinn zweier jüdischer Bürger eingeschleppt worden. Der erste Cholerakranke starb innerhalb 6 Stunden am 5. August Abends 6 Uhr. Der zweite starb innerhalb 8 Std. Abends 12Uhr.

 Wie groß die Furcht vor der bösen Krankheit in der Bürgerschaft war, geht deraus hervor, daß sich weder für Geld, noch für gute Worte jemand finden ließ, der die beiden Toten begraben wollte; das geht auch aus folgendem Gesuch an den Magistrat hervor: „Da uns leider das Unglück betroffen, daß in unserer Stadt durch unverantwortliche Unvorsichtigkeit einiger Bewohner die Cholera ausgebrochen ist, so hoffe ich, daß es, wenn die gehörigen Vorsichtsmaßregeln angewandt werden, daß es bey zwey Opfern sein Bewenden haben wird, da jedoch eben diesen Vorsichts-Maßregeln gestern bey der Beerdigung der Leichen total Hohn gesprochen ist, so sehe ich mich genöthigt den wohllöblichen Magistrat inständig zu bitten, dieser Unordnung, welche die ganze arme Stadt in große Gefahr bringt, zu steueren.

 Ich bitte daher zu befehlen, daß die gebrauchten Leichentücher entweder auf dem Begräbnisplatz der Juden beygerodet werden oder den Flammen Preiß gegeben werden, ferner: alle Kleidungsstücke, welche bey den Kranken gebraucht worden, verbrannt werden und der Verkauf aller dieser Kleidungsstücke bey Strafe verbothen wird, bei vorkommenden Fällen die Leichen, welche an der Cholera gestorben, nicht durch die Stadt zum Schrecken der Einwohner sondern aus dem zunächst gelegenen Thore dem Begräbnisplatz geführt werden, die Zusammenkünfte in den Häusern, worin die Leichen gelegen, möglichst beaufsichtigt und die Leichenfolge verboten werden.

 Ich berufe mich bey meiner Bitte auf die Verordnung des königl. Landrathsamts zu Worbis und das Urtheil des Kreisphysikus Wunsch zu Heiligenstadt.“

 Am 6. August, erließ der Magistrat durch Ausruf folgende Bekanntmachung:

 „Nach dem Urtheile der Aerzte ist Folgendes zum Schutz vor der Cholera zu beobachten:

  1. ) mit verdoppelter Aufmerksamkeit auf den Zustand des Körpers beim Wechsel des Aufenthalts zu achten, da nichts mehr zur Herbeiführung der Cholera beiträgt, als das Wegziehen von dem Orte, wo die Krankheit herrscht,
  2. ) daß jeder Genuß irgend einer Speise im Uebermaße gänzlich, hauptsächlich solcher Speisen vermieden werde, welche wenig Mehl und viel Saft haben, wie z. B. Salate und Obst, welche gänzlich zu vermeiden sind. Ebenso ist auch der Genuß solcher Speisen, welche an sicki selber sauer sind, sowie auch der kleinen deutschen Weine und frischer Biere zu vermeiden,
  3. ) daß Personen, welche auch nur vom gewöhnt Durchfall befallen werden, dabei vorsichtig zu Werke gehen und zugleich von den sogenannten Choleratropfen, welche in der Apotheke zu haben sind, nach Vorschrift Gebrauch machen.“

 Am 9. August erkrankten die Familienangehörigen des Friedländer und starben sämtlich. Dann trat eine kleine Pause ein, — am 14. und 19. je ein Todesfall —, doch schon am 26. August starben 5. An diesem Tage berichtet der Magistrat: „Nachdem mehrere Tage Cholerafälle nicht vorgekommen waren, wurden plötzlich einige Personen von der Brechruhr befallen, hiervon wurde uns aber erst dann ärztliche Anzeige gemacht, als bereits zwei Personen daran verstorben. Seit zwei Tagen und namentlich heute hat sich diese Krankheit so verbreitet, daß gegenwärtig wohl 15 Personen daran niederliegen und 8 daran bereits verstorben sind. (Heute allein 5.) Von fast all diesen Erkrankungsfällen läßt sich nachweisen, daß solche durch bedeutende Diätfehler entstanden und die Todesursache durch Vernachlässigung der Krankheit herbeigeführt sind. Wir haben heute die (Sanitäts-Commisston ins Leben treten lassen und hat diese alle die Vorsichtsmaßregeln ergriffen und angeordnet, welche die Aerzte für zweckmäßig und notwendig halten.“

 Bis zum 11. September finden täglich mehrere Todesfälle statt. Bis zur Mitte des Monats läßt das Sterben nach, nimmt aber Ende des Monats wieder zu und währt bis zum 5. Oktober. Die Zahl der Erkrankungen konnte schon damals, „der großen Zahl wegen“(!) nicht ermittelt werden; einer der drei Aerzte (Schömann) hat allein 114 Fälle, von denen 55 tödtlich verliefen, ausgezeichnet. Im ganzen starben 103 Personen.