Tapetenfabrik Becker
Die Tapetenfabrik Becker (Börsenname ab 1871 Nordhäuser Tapetenfabrik) in Nordhausen war im 19. Jahrhundert eine der bedeutendsten ihrer Art in Deutschland.
Geschichte
Anfang der Tapetenherstellung
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts betrieb der Uhrmacher Johann Becker neben seinem Gewerbe den Handel mit französischen Papier-Tapeten, deren Preis sich jedoch mit Eingangs-Steuer von 20 Talern für den Zentner und mit Fracht so hoch stellte, dass bei dem geringen Absatz öfter der Verlust an übriggebliebenen Resten größer war als der Gewinn an verkauften Tapeten. Steuer und Fracht allein betrugen für jede Rolle 5mal soviel als der Preis, zu welchem fertige Tapeten gewöhnlicher Sorte verkauft werden.
Becker erkannte bald, dass in Tapeten mit der Zeit ein gutes Geschäft zu machen sei, sofern es ihm gelänge, die geringeren Sorten selbst herzustellen und solche um den Betrag der Steuer und Fracht billiger zu verkaufen. Ungeachtet der entgegenstehenden Schwierigkeiten und trotz des Mangels an Erfahrung in diesem Bereich fing er an, die ersten Vorbereitungen zu treffen. Zur damaligen Zeit war die Errichtung einer Tapetendruckerei ein schwieriges Unterfangen, da nur in Frankreich einige Tapetenfabriken bestanden, deren Besichtigung durch Fremde nicht gestattet war, und deren Arbeiter zur Verschwiegenheit verpflichtet waren. In Deutschland war die chemische Farben-Zusammensetzung nicht bekannt.
Ohne Anleitung oder Hilfsmittel und in Ermangelung von eingeübten Arbeitern wurde Becker durch fortgesetzte Versuche selbst „Mechanikus“, Musterzeichner, Formenstecher, Colorist, Papierzubereiter und Drucker.
Tapetenfabrik
Nach mehrjährigen Bemühungen gelang es ihm im Jahre 1812, mit der Tapetendruckerei zu beginnen. Zu Anfang scheiterten alle Versuche, Tapeten der geringsten Art mit Erdfarben in guter Beschaffenheit herzustellen, weil zu wenig Leim beigemischt war, und als dann der Zufall durch Umstürzen eines gefüllten Leimtopfes, dessen Inhalt sich in die Druckfarbe ergoß, bei der Farbenmischung zur Hilfe kam, fehlten wieder die Geldmittel, um das Geschäft in größerem Maßstabe zu betreiben.
Nachdem Becker mit seiner Frau Maria Sabine Becker geb. Eberhagen (geb. 12. August 1789 in Windehausen, gest. nach 1852)[1][2] und seinen Kindern bis 1831 weiter im Kleinen fortgearbeitet hatte, war es ihm möglich, in dem Haus Rautenstraße Nr. 1099 (28) einen Arbeitssaal zu bauen, in welchem 4 Handdrucker arbeiten konnten; auch hatte er inzwischen den Drucktisch mit doppeltem Hebel erfunden. Im Jahr 1836 war schon eine Erweiterung der Druckerei erforderlich. Becker verlegte das Geschäft in das Haus Rautenstraße Nr. 318 (39), Goldene Kugel.
Nach seinem Tod 1841 führten dessen Witwe und der älteste Sohn Franz, und vom 15. Juli 1852 ab die Gebrüder Franz und August Becker die Tapetenfabrik fort und verlegten dieselbe, als der Absatz sich in unerwarteter Weise mehrte, 1857 in den Ilfelder Hof vor dem Hagen, wo sie zuerst 15, und nach 5 Jahren 36 Handdrucker beschäftigten und eine Druckmaschine für Handbetrieb aufstellten.
1862 wurden englische Druckmaschinen angeschafft, und ein Jahr später erwarben die Gebrüder Becker das Färberei- und Druckerei-Grundstück des Commerzienraths Schulze im Altendorfe für die Tapetenfabrik, zu deren Erweiterung sie noch mehrere große Gebäude erwarben. Im Jahre 1870 befanden sich in der Fabrik 32 Handdrucker, 9 Druck-Maschinen, 4 Grundier-Maschinen, 4 Satinier-Maschinen usw.
Nachdem Franz Becker (geb. 7. November 1817 in Nordhausen, gest. 29. September 1871 in Nordhausen[3]) verstorben war, wurde die Fabrik am 1. September 1871 als erstes Unternehmen in Nordhausen zu einer Aktiengesellschaft umgewandelt mit einem Stammkapital von 1.050.000 Mark. Sein Sohn Karl Johann Becker führte die Firma bis 1907 weiter.
Am 23. Februar 1891 besichtigten Landrat von Davier und Regierungspräsident von Brauchitsch (Erfurt) die Tapetenfabrik, die zu der Zeit als eine der bedeutendsten ihrer Art in Deutschland galt.[4]
Literatur
- Hans-Jürgen Grönke: Die Tapetenfabrik der Familie Becker in Nordhausen. In: Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Kreis Nordhausen (Band 43/2018).
- Hans-Jürgen Grönke (Hrsg.): Zur Industriegeschichte im Südharz. Berlin: Lukas Verlag, 2016.
Externe Verweise
- Rückkehr nach 46 Jahren, nnz-online, 20. Januar 2010.
Einzelnachweise
- ↑ Stadtarchiv Nordhausen/Bearb. M. Schmidt: Einwohnerverzeichnis Stadt Nordhausen/Harz aus 1814, 2020, S. 4, abgerufen am 18. Juli 2024.
- ↑ letztmalig im Adreß-Buch von Nordhausen 1852. S. 37. (Digitalisat) aufgeführt, abgerufen am 18. Juli 2024.
- ↑ Franz Becker, ritger.com, abgerufen am 20. Juli 2024.
- ↑ Stadtarchiv Nordhausen (Hrsg.): Chronik der Stadt Nordhausen : 1802 bis 1989. Horb am Neckar: Geiger, 2003.