Otto Förschner
Otto Förschner (geb. 4. November 1902 in Dürrenzimmern, Nördlingen; gest. 28. Mai 1946 in Landsberg) war SS-Sturmbannführer und Lagerkommandant des Konzentrationslagers Dora-Mittelbau.
Leben
Nach zwölf Jahren Dienst in der Reichswehr, wo er zuletzt im Rang eines Oberfeldwebels stand, trat Förschner am 1. März 1934 in die SS ein und wurde als militärischer Ausbilder in der Führerschule Bad Tölz eingesetzt. Im September 1934 wurde er zum SS-Untersturmführer ernannt und bald darauf befördert - im April 1935 zum Obersturmführer und im Januar 1936 zum Hauptsturmführer, was dem Rang eines Hauptmanns bei der Wehrmacht entsprach. Er trat der NSDAP erst Ende der 1930er Jahre bei.
Nach Kriegsbeginn wurde Förschner in die SS-Totenkopfverbände versetzt und diente ab 1941 an der Ostfront. Nach einer Krankheit wurde er im Februar 1942 ins Konzentrationslager Buchenwald versetzt, wo er die Führung der Wachmannschaften im Wachsturmbann Buchenwald übernahm. In dieser Funktion soll er sich, wie Eugen Kogon später schrieb, „den Häftlingen gegenüber jederzeit einwandfrei benommen, d. h. nichts gegen sie - wenn auch nichts für sie - getan“ haben.
Förschner war seit 1931 verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Otto Förschner in Mittelbau-Dora
Im September 1943 wurde Otto Förschner als Kommandoführer zum neu gegründeten Außenlager Dora versetzt. Förschner sagte nach dem Krieg aus, dass er zuvor wiederholt dienstliche Auseinandersetzungen mit seinen Vorgesetzten im Konzentrationslager Buchenwald gehabt habe und die Versetzung als Bestrafung angesehen habe. Förschner wurde Anfang Oktober 1943 auf Veranlassung von Pohl und Kammler in den Vorstand des Mittelwerkes berufen.
Laut Heinrich Detmers, einem zeitweiligen Adjutanten Förschners, hielt sich dieser in Dora eher fern von anderen SS-Angehörigen und bildete mit den beiden Scharführern Westphal und Bornschein einen geschlossenen Zirkel, der sich vom Rest der SS-Besatzung abgrenzte. Förschners Vorgänger, Hans Ritz, behauptete Jahrzehnte später, im Frühjahr 1944 von Förschner nach Ellrich strafversetzt worden zu sein, weil beide mit der Ehefrau eines Nordhäuser Rechtsanwaltes "harmonisiert" hätten und sein Chef einen Rivalen habe loswerden wollen. Es bleibt jedoch fraglich, inwieweit die Angaben der beiden Adjutanten die Realität widerspiegeln; jedenfalls hatte Förschner in Dora keine ausgeprägte Hausmacht. Erschwerend kam hinzu, dass die Lager-SS durch Rivalitäten zwischen den aus Sachsenhausen und den aus Buchenwald versetzten SS-Angehörigen geprägt war.
Infolge seiner fehlenden Qualifikation und KZ-Karriere musste Förschner in Dora mit den Funktionshäftlingen der Häftlingsverwaltung zusammenarbeiten. Überlebende Häftlinge beschrieben Förschners Haltung gegenüber den Gefangenen jedoch sehr unterschiedlich. Es fällt auf, dass ihn ehemalige politische Funktionshäftlinge fast durchgehend wesentlich positiver beurteilten als Häftlinge, die keine Funktionen innerhalb der Häftlingsverwaltung bekleideten. Die tschechischen Ermittlungsbehörden berichteten beispielsweise, dass der Kommandant Förschner sich persönlich bemüht habe und dass Dora unter seiner Leitung das beste Außenkommando bezüglich Aufbau, Einrichtung der Baracken und hygienischer Möglichkeiten gewesen sei. Einige Häftlinge berichteten, dass er niemals geschlagen habe und anständig mit den Häftlingen umgegangen sei, insbesondere mit den tschechischen. Förschners Erzieher für seine Kinder war ein Bibelforscher. Der deutsche politische Häftling Josef Ackermann, der als Schreiber im Häftlingskrankenbau gearbeitet hatte und gute Beziehungen zum Standortarzt Dr. Kahr unterhielt, urteilte zwar nicht ganz so positiv, jedoch noch immer recht wohlwollend. Er beschrieb, dass Förschner in keinem Fall persönlich einem Häftling etwas zuleide getan habe, aber stillschweigend alle Vorgänge geduldet habe. Im Gegensatz dazu berichtete ein sowjetischer ehemaliger Häftling, dass Förschner hoch zu Ross unter den Gefangenen erschienen sei und sie mit der Reitpeitsche geschlagen habe, wenn er nicht ehrfürchtig genug durch Mützeabnehmen gegrüßt worden sei. Diese Peitsche hatte angeblich einen goldenen Griff.
Die große Mehrheit der Häftlinge begegneten Förschter nie oder sahen ihn nur aus der Ferne. Konkretere Berichte über Förschner stammen fast ausschließlich von ehemaligen Häftlingen, die hohe Funktionsposten im Lager inne hatten. Obwohl auch ihre Aussagen widersprüchlich sind, kristallisiert sich ein Bild heraus, das Förschner als einen Kommandanten darstellt, der sich auf die Mitarbeit insbesondere der politischen Funktionshäftlinge stützte und diese zeitweise protegierte. So hatte er aus seiner Tätigkeit im Konzentrationslager Buchenwald Erfahrung mit der Zusammenarbeit mit einer sozialdemokratischen/kommunistischen Häftlingsverwaltung. Als Kommandant eines Arbeitslagers war er auf die Mitarbeit von Funktionshäftlingen angewiesen, die Organisationsgeschick und Sachkompetenz vorweisen konnten. Dies traf insbesondere auf organisierte politische Häftlinge zu.
Eine besondere Rolle spielte dabei der KPD-Funktionär Albert Kuntz, der seit 1933 in verschiedenen Gefängnissen und Lagern inhaftiert war. 1942 wurde er als führendes Mitglied des kommunistisch dominierten illegalen Lagerkomitees im KZ Buchenwald von der Gestapo ins Visier genommen und aus Sicherheitsgründen mit Hilfe seiner politischen Mithäftlinge in ein Außenlager nach Kassel verlegt. Im September 1943 wurde er von dort aus auf Betreiben der SS in das neu errichtete Außenlager Dora überstellt. Dort wurde er als Lagertechniker eingesetzt und war maßgeblich am Aufbau des Barackenlagers beteiligt. Außerdem zählte er zu den zentralen Figuren der Widerstandsbewegung im Lager Dora. Es gelang Kuntz zumindest zeitweise, das Vertrauen Förschners zu gewinnen. Nicht nur ehemalige Häftlinge, sondern auch ehemalige SS- und Gestapo-Angehörige wiesen nach dem Krieg auf das enge Verhältnis zwischen dem Kommandanten und dem Lagertechniker hin. Ein ehemaliger SS-Scharführer aus dem Bunker und der ehemalige Leiter des Zimmereikommandos bezeichneten Kuntz übereinstimmend als „rechte Hand“ des Kommandanten. Förschner scheint sich in Fragen des inneren Lagerbetriebs stark auf die politischen Funktionshäftlinge verlassen zu haben, und Kuntz diente ihm dabei als Vertrauensperson und Mittelsmann. Das Zweckbündnis hatte das Ziel, die Bedingungen im Häftlingslager zu verbessern, wenn auch mit unterschiedlicher Motivation.
Ein weiteres Merkmal der Zusammenarbeit zwischen Förschner und den politischen Funktionshäftlingen war seine Flexibilität im Hinblick auf die Bedürfnisse der KZ-Zwangsarbeit. Er erkannte, dass politische Häftlinge oft die erforderlichen organisatorischen und sachlichen Fähigkeiten besaßen, um die Arbeitsanforderungen im Lager zu erfüllen. Daher setzte er politische Funktionshäftlinge insbesondere in der Arbeitsstatistik ein. Im Gegensatz dazu dominierten unter den Blockältesten Häftlinge, die den grünen Winkel der als kriminell Eingestuften trugen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die SS-Personalpolitik die Rotation förderte. Förschner hatte seine erste Stelle als KZ-Kommandant im KZ Mittelbau-Dora und war bereits anderthalb Jahre in dieser Position tätig. Es war wahrscheinlich, dass er Anfang 1945 abgelöst worden wäre, wie es bei anderen KZ-Kommandanten der Fall war. Jedoch wurde seine Versetzung nach Kaufering beschleunigt, vermutlich aufgrund einer Kombination von Faktoren. Förschner selbst bezeichnete seine Versetzung als Strafversetzung. Eine erste Niederlage hatte er bereits im Frühjahr 1944 hinnehmen müssen, als er mit der Berufung Georg Rickheys zum Generaldirektor seinen Posten als Betriebsführer des Mittelwerkes verlor.
Förschners Versetzung aus dem KZ Mittelbau-Dora erfolgte vermutlich aufgrund von verschiedenen Faktoren, darunter die Aufdeckung von Widerstandsgruppen im Lager (Herbst 1944), denen politische Häftlinge angehörten, die Förschner auf Empfehlung von Albert Kuntz auf Funktionsposten gesetzt hatte. Auch die Tatsache, dass Förschner als Geschäftsführer des Mittelwerkes eine einmalige Gratifikation in Höhe von 10.000 RM erhalten hatte und versäumt hatte, dies der SS-Verwaltung zu melden, könnte zu seiner Missgunst bei Vorgesetzten wie Hans Kammler und Heinrich Himmler beigetragen haben.
Kurz nach der Ankunft der ersten Räumungstransporte aus Auschwitz wurde Förschner im März 1945 von Richard Baer als Kommandant des KZ Mittelbau-Dora abgelöst. Förschner verbrachte die letzten Kriegswochen als Lagerführer der elf Kauferinger Außenlager des KZ Dachau.
Nach dem Krieg musste er sich vor einem amerikanischen Militärgericht verantworten und wurde am 13. Dezember 1945 zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 28. Mai 1946 in Landsberg vollstreckt.
Literatur
- Jens-Christian Wagner: Produktion des Todes: Das KZ Mittelbau-Dora. Wallstein Verlag, Göttingen 2001, ISBN 3-89244-439-0.