Altendorfer Kirchgasse 3
Das zweigeschossige Haus Altendorfer Kirchgasse 3 ist eines der ältesten Fachwerkbauten der Stadt Nordhausen. Es gehörte ursprünglich zum Altendorfer Zisterzienser Nonnenkloster.
Der unter dem Gebäude liegende rechteckige tonnengewölbte Keller stammt aus der Zeit um 1230. Die enge und regelmäßige Stellung der Ständer, die großzügige Verwendung der Verstrebungen und die am Knaggen gestützte weite Ausladung der Dachbalkenlage deutet auf eine Erbauungszeit dieser Hausfassade zwischen 1400 und 1419 hin.
Zu DDR-Zeiten gehörte das Haus zum Wasserverband; seit den 1990er Jahren verfällt es.
Das nächstälteste Fachwerk Nordhausens, Altendorfer Kirchgasse 3 mag (…) um 1370 entstammen. Es zeigt bereits die Grundzüge des entwickelten gotischen Fachwerkhauses: Enge, regelmäßige Pfostenstellung, verstrebt und verriegelt, dazu ein regelrechtes über Bügen auskragendes Dachgebälk mit eingezapften Sparren. Altertümlich, an den Urtyp anklingend ist aber noch die Ausführung insofern, als, wie bei dem Frauenberger Kreuzgangflügel der Fall, noch keine Rücksicht auf die innere Geschoßteilung genommen ist. Die Pfosten schießen von Schwelle zu Rahmen durch, die Zwischendeckbalken sind innen eingezapft, der Einraum klingt nach! Es ist diese als „Ständebau“ auch andererorten erhaltene Bauweise nicht mehr etwas allzu Ungewöhnliches… | ||
— Friedrich Stolberg |
Beschreibung
Die Altendorfer Kirchgasse 3 ist ein bedeutendes Beispiel spätmittelalterlicher Fachwerkbaukunst. Das Gebäude besteht aus einem roughly rechteckigen, tonnengewölbten Keller aus der Zeit um 1230 sowie einem darüberliegenden Fachwerk-Obergeschoss.
Die noch erhaltene historische Bausubstanz konzentriert sich auf die Hofseite, genauer auf zwei Drittel der Hofwand. Diese lässt sich anhand dendrochronologischer Untersuchungen auf die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts datieren. Die Wand war ursprünglich aus zwölf in regelmäßigen Abständen angeordneten Eichenholz-Ständern konstruiert, die elf hochrechteckige Gefache bildeten. Elf Ständer stehen auf parallel verlaufenden Schwellehölzern, zwei greifen direkt in den Steinsockel ein. Dies verweist auf einen Übergangsstil zwischen Ständerbau und moderner Schwellenkonstruktion.
Weitere prägende Merkmale sind ein Dreiecksverband mittels Streben, Fensteröffnungen mit Sturzriegeln, eine tragfähige Auskragung der Dachbalkenlage sowie eine monumentale Spitzbogen-Tür, deren Umrisse unter späteren Umbauten noch zu erahnen sind.
Insgesamt vereinigt die Kirchgasse 3 archaische Stilelemente der Frühzeit des Fachwerkbaus mit fortschrittlichen Konstruktionsmerkmalen des 15. Jahrhunderts. Dies, sowie die Kombination süddeutscher und niedersächsischer Stilformen, macht sie zu einem wichtigen bauhistorischen Dokument.
Die vielschichtige Baugeschichte setzt sich in den nachfolgenden Jahrhunderten fort. Im 18. Jahrhundert wurde das Erdgeschoss durch einen Zwischenboden unterteilt, später kamen weitere Innenwände und Umbauten hinzu. Die Kirchgasse 3 gilt deshalb als herausragendes Beispiel der Kontinuität und steten Transformation der (Fachwerk-) Baukultur über einen Zeitraum von mehr als 700 Jahren.
Literatur
- Hermann Weidhaas: Fachwerkbauten in Nordhausen. Berlin: Henschel, 1955. S. 25 ff.
- Friedrich Stolberg: Ein Fachwerkbau des 13. Jahrhunderts in Nordhausen am Harz und seine Beziehung zum germanischen Urbild, 1938.