Walter Schlette: Unterschied zwischen den Versionen

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Während des Zweiten Weltkriegs war Schlette mehrfach als Einsatzgruppen-Offizier im besetzten Ausland tätig: für einige Wochen in Polen, den Niederlanden und der Sowjetunion, für ein halbes Jahr in der Ukraine. Bei der Invasion der Niederlande 1940 kommandierte er das Einsatzkommando 2 im Bereich von Arnheim.
Während des Zweiten Weltkriegs war Schlette mehrfach als Einsatzgruppen-Offizier im besetzten Ausland tätig: für einige Wochen in Polen, den Niederlanden und der Sowjetunion, für ein halbes Jahr in der Ukraine. Bei der Invasion der Niederlande 1940 kommandierte er das Einsatzkommando 2 im Bereich von Arnheim.
Im Juli 1944 wurde Schlette ins Reichsinnenministerium versetzt und zum Referenten für materielles Polizeirecht ernannt.
Im Juli 1944 wurde Schlette ins Reichsinnenministerium versetzt und zum Referenten für materielles Polizeirecht ernannt.
Parallel zu seiner Karriere in Verwaltung und Gestapo stieg Schlette auch in der SS-Hierarchie auf. Bei Kriegsende hatte er den Rang eines SS-Obersturmbannführers erreicht.<ref name="lto">
Parallel zu seiner Karriere in Verwaltung und Gestapo stieg Schlette auch in der SS-Hierarchie auf. Bei Kriegsende hatte er den Rang eines SS-Obersturmbannführers erreicht.<ref name="lto"/>


Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes blieb Schlette zunächst von einer Strafverfolgung verschont. Ein Spruchkammerverfahren kam 1949 zu dem Ergebnis, dass er nicht freiwillig zur Gestapo gekommen sei. So konnte Schlette ab 1952 als Rechtsanwalt in Bielefeld praktizieren.<ref name="lto">
Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes blieb Schlette zunächst von einer Strafverfolgung verschont. Ein Spruchkammerverfahren kam 1949 zu dem Ergebnis, dass er nicht freiwillig zur Gestapo gekommen sei. So konnte Schlette ab 1952 als Rechtsanwalt in Bielefeld praktizieren.<ref name="lto"/>


In den 1960er Jahren bemühte sich Schlette um eine Bestellung zum Notar. Der nordrhein-westfälische Justizminister Josef Neuberger verweigerte diese jedoch mit Hinweis auf Schlettes Tätigkeit bei der Gestapo. Der Fall landete schließlich beim [[Bundesgerichtshof]]. Dieser entschied am 1. Dezember 1969, dass Schlette die Zulassung nicht aus Gründen seiner "Persönlichkeit" gemäß § 6 [[Bundesnotarordnung|BNotO]] versagt werden könne. Der BGH stützte sich dabei u. a. auf Schlettes Vorbringen, er habe sich bei der Gestapo stets um eine milde Haltung gegenüber Kirche und Verfolgten bemüht und zahlreichen Juden zur Ausreise verholfen. Diese Argumentation hatte bereits 1952 zur Zulassung Schlettes als Rechtsanwalt geführt, obwohl das Anwaltsrecht der Britischen Zone bei ehemaligen Gestapo-Beamten eigentlich eine Versagung nahelegte.<ref name="lto">
In den 1960er Jahren bemühte sich Schlette um eine Bestellung zum Notar. Der nordrhein-westfälische Justizminister Josef Neuberger verweigerte diese jedoch mit Hinweis auf Schlettes Tätigkeit bei der Gestapo. Der Fall landete schließlich beim [[Bundesgerichtshof]]. Dieser entschied am 1. Dezember 1969, dass Schlette die Zulassung nicht aus Gründen seiner "Persönlichkeit" gemäß § 6 [[Bundesnotarordnung|BNotO]] versagt werden könne. Der BGH stützte sich dabei u. a. auf Schlettes Vorbringen, er habe sich bei der Gestapo stets um eine milde Haltung gegenüber Kirche und Verfolgten bemüht und zahlreichen Juden zur Ausreise verholfen. Diese Argumentation hatte bereits 1952 zur Zulassung Schlettes als Rechtsanwalt geführt, obwohl das Anwaltsrecht der Britischen Zone bei ehemaligen Gestapo-Beamten eigentlich eine Versagung nahelegte.<ref name="lto"/>


Walter Schlette war mit Hildegard Schlette, geborene Sewing, verheiratet.
Walter Schlette war mit Hildegard Schlette, geborene Sewing, verheiratet.

Version vom 6. Juni 2024, 05:42 Uhr

Walter Schlette
[[Bild:|220px|Walter Schlette]]
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geb. 11. Januar 1904 in Nordhausen
gest. 17. Juli 1977 in Bielefeld
Rechtsanwalt, Notar, SS-Offizier
Bilder und Medien bei Commons
Datenbank.Nordhausen
DbNDH: Q23329

Friedrich Wilhelm Walter Schlette (geb. 11. Januar 1904 in Nordhausen; gest. 17. Juli 1977 in Bielefeld) war Jurist und SS-Offizier. Er gehörte der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) an.

Werdegang

Schlette wurde in Nordhausen als Sohn des Eisenbahnoberinspektors bzw. Eisenbahn-Stations-Assistenten Wilhelm Schlette geboren.[1] Am 29. September 1923 legte er am Gymnasium Nordhausen das Abitur ab. Ein Jahr später nahm er ein Medizinstudium in Göttingen auf,[2] wechselte dann aber zur Rechtswissenschaft.

Noch vor Abschluss seiner juristischen Ausbildung trat Schlette am 1. November 1931 als Rechtsreferendar der NSDAP bei. 1933 legte er die juristische Staatsprüfung ab. Das Adreßbuch von Nordhausen 1934 führt ihn als Gerichtsassessor in der Moltkestraße 4 und als Propagandawart der NSDAP-Ortsgruppe Altentor.[3]

Seine Beamtenlaufbahn begann Schlette am 1. Februar 1934 beim Polizeipräsidium Berlin, wo er als Dezernent für Disziplinarsachen und Justitiar tätig war. Zum 1. November 1935 wurde seine Abteilung in die neu gegründete Geheime Staatspolizei (Gestapo) überführt.[4] Am 15. Oktober 1935 trat Schlette zusätzlich der SS bei. Vom 15. Oktober 1935 bis zum 15. Mai 1936 leitete Schlette als Regierungsassessor kommissarisch die Staatspolizeistelle Köslin. Von 1936 bis 1940 war er dann Dienststellenleiter der Gestapo in Osnabrück. 1940 wechselte er als stellvertretender Leiter zum Polizeipräsidium Münster, 1944 in gleicher Funktion zum Polizeipräsidium Magdeburg. Während des Zweiten Weltkriegs war Schlette mehrfach als Einsatzgruppen-Offizier im besetzten Ausland tätig: für einige Wochen in Polen, den Niederlanden und der Sowjetunion, für ein halbes Jahr in der Ukraine. Bei der Invasion der Niederlande 1940 kommandierte er das Einsatzkommando 2 im Bereich von Arnheim. Im Juli 1944 wurde Schlette ins Reichsinnenministerium versetzt und zum Referenten für materielles Polizeirecht ernannt. Parallel zu seiner Karriere in Verwaltung und Gestapo stieg Schlette auch in der SS-Hierarchie auf. Bei Kriegsende hatte er den Rang eines SS-Obersturmbannführers erreicht.[4]

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes blieb Schlette zunächst von einer Strafverfolgung verschont. Ein Spruchkammerverfahren kam 1949 zu dem Ergebnis, dass er nicht freiwillig zur Gestapo gekommen sei. So konnte Schlette ab 1952 als Rechtsanwalt in Bielefeld praktizieren.[4]

In den 1960er Jahren bemühte sich Schlette um eine Bestellung zum Notar. Der nordrhein-westfälische Justizminister Josef Neuberger verweigerte diese jedoch mit Hinweis auf Schlettes Tätigkeit bei der Gestapo. Der Fall landete schließlich beim Bundesgerichtshof. Dieser entschied am 1. Dezember 1969, dass Schlette die Zulassung nicht aus Gründen seiner "Persönlichkeit" gemäß § 6 BNotO versagt werden könne. Der BGH stützte sich dabei u. a. auf Schlettes Vorbringen, er habe sich bei der Gestapo stets um eine milde Haltung gegenüber Kirche und Verfolgten bemüht und zahlreichen Juden zur Ausreise verholfen. Diese Argumentation hatte bereits 1952 zur Zulassung Schlettes als Rechtsanwalt geführt, obwohl das Anwaltsrecht der Britischen Zone bei ehemaligen Gestapo-Beamten eigentlich eine Versagung nahelegte.[4]

Walter Schlette war mit Hildegard Schlette, geborene Sewing, verheiratet.

Er engagierte sich bei den Nordhäuser Heimatfreunden, für die er die Melodie des „Nordhausen-Liedes" komponierte.[5]

Zitat Am 16. 7. 77 erhielten wir die schmerzliche Nachricht, daß unser verehrter und allseits beliebter Heimatfreund, der Rechtsanwalt und Notar Walter Schlette, zur ewigen Heimat eingegangen ist. Wer ihn näher kannte, weiß, was wir an ihm verloren haben. Seine liebenswürdige, humorvolle, von reifer Menschlichkeit geprägte Wesensart, aber auch seine stete Hilfsbereitschaft im Kreise seiner Nordhäuser Lands­ leute hatten ihm hohe Wertschätzung und Verdienste, auch als Mitglied des erweiterten Vorstandes, erworben.

Voller Liebe und Treue zur Heimat und zum Kreis seiner Heimatfreunde, hat er noch bis wenige Tage vor seinem Tode mitgewirkt an der Gestaltung des bevorstehenden großen Jubiläums-Treffen der Nordhäuser in Bad Sachsa und hat mit seiner optimistischen und tatkräftigen Natur immer gelassene Zuversicht, auch bei großen Schwierigkeiten, die nirgends ausbleiben, ausgestrahlt. Seine heitere Tatkraft und sein stiller Humor sollen uns auch nach seinem Tode Verpflichtung sein in der Arbeit für unsere Heimatvereinigung. Wir trauern mit seiner verehrten Gattin um den Verstorbe­nen.
Der Vorstand der Nordhäuser Heimatfreunde

Zitat
                    — Nordhäuser Nachrichten, 3. Vierteljahr, 1977, Nr. 87
Zitat An der Trauerfeier, die unter sehr großer Beteiligung am Freitag, dem 22. Juli in Bielefeld stattfand — Walter Schlette gehörte mehreren Verbänden und Vereinigungen an, u. a. auch dem Vorstand des Bundes der Mitteldeutschen — nahmen auch Freunde unserer Heimatvereinigung teil. In Anerkennung und Dankbarkeit für seine Mitarbeit und sein Eintreten für die Belange des Heimatbundes sprach Gerhard Donnerberg im Auftrag des Vorstandes der Nordhäuser Heimatfreunde Abschiedsworte am Grabe und legte einen Strauß gelber Chrysanthemen nieder, an dem eine Kranz­ schleife mit den schwarz-gelben Stadtfarben Nordhausens angebracht war mit der Aufschrift:
Unserem getreuen Heimatfreund ein letzter Gruß Nordhäuser Heimatfreunde e. V.

Heimatbund für den Südharz
Auch Maria Sting gab dem treuen Freund ihres verstor­benen Gatten das letzte Geleit. Mit einem Kranz des GGV erwies Dr. C. Knorr und Frau, Hankensbüttel, seinem Vereinsbruder Walter Schlette die letzte Ehre.

Zitat
                    — Nordhäuser Nachrichten, 3. Vierteljahr, 1977, Nr. 87

Einzelnachweise

  1. Adreß-Buch der Stadt Nordhausen : für das Jahr 1904/1905 (1904) - Nordhausen, S. 127, abgerufen am 13. Mai 2023.
  2. Gustav Trittel: Statistischer Anhang (Lehrer und Abiturienten des Nordhäuser Gymnasiums). In: Zur Feier des vierhundertjährigen Bestehens des Gymnasiums zu Nordhausen, Nordhausen 1924. S. 193.
  3. Einwohnerbuch für Nordhausen (1934). Nordhausen: Theodor Müller, 1934. S. 468. (Digitalisat)
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Vom SS-Obersturmbannführer zum Notar in der BRD, abgerufen am 12. Mai 2023.
  5. Rahmendaten zur Geschichte der Nordhäuser Heimatfreunde e. V., abgerufen am 12. Mai 2023.