Die Kapelle der Burg Lohra: Unterschied zwischen den Versionen
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{{idt2|25}}'''Die Kapelle der Burg Lohra''' ist nicht nur eine Sehenswürdigkeit des jetzt zur Domäne gewordenen Sitzes des Grafen von Lare, sondern gehört zu den interessantesten Gebäuden unserer Heimat. Sie ist eine im 12. Jahrhundert im romanischen Stile erbaute Doppelkapelle. Julius Schmidt berichtet über den eigenartigen Bau in Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Grafschaft Hohenstein Seite 106 folgendes: | {{idt2|25}}'''Die Kapelle der Burg Lohra''' ist nicht nur eine Sehenswürdigkeit des jetzt zur Domäne gewordenen Sitzes des Grafen von Lare, sondern gehört zu den interessantesten Gebäuden unserer Heimat. Sie ist eine im 12. Jahrhundert im romanischen Stile erbaute Doppelkapelle. Julius Schmidt berichtet über den eigenartigen Bau in Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Grafschaft Hohenstein Seite 106 folgendes: | ||
{{idt2|25}}Man findet dergleichen übereinander liegende, durch eine Oeffnung in der trennenden Wölbung in Verbindung gesetzte Kapellen fast ausschließlich auf deutschen Burgen – vielleicht war Beschränktheit des Raumes hier das Motiv ihrer Anlage –, doch auch an Palästen (Ulrichskapelle am Kaiserpalast in Goslar, Kapelle im Saalhof in Frankfurt a/M., Hofkapelle des erzbischöflichen Palastes in Mainz). Es ist angenommen worden, daß die untere Kapelle solcher Anlagen als Gruft oder wenigstens als zum Totendienste bestimmte Crypta gedient habe, was wohl bei manchen derselben zutreffen mag, indes nicht hier, wo dieselbe ein oberirdischer Bau mit westlicher Vorhalle (Narthex) ist. Es greift deshalb die dritte Annahme Platz: daß der untere Raum beim Gottesdienste den Dienstleuten angewiesen war, während der obere, der in unserm Falle allerdings große Veränderungen erlitten hat, der Burgherrschaft Vorbehalten blieb, wie ja noch jetzt die Emporen in Schloßkapellen und Kirchen von Dörfern, die Rittergüter enthalten. Der bei weitem größte Teil dieser Doppelkapellen gehört mit der zu Lohra der romanischen Bauperiode an, wie die zu Freiburg an der Unstrut, bei Landsberg bei Halle, in Eger in Böhmen, Hagenau im Elsaß usw. Die Formen von Säulen und Kämpfern der untern Kapelle weisen dieselben der Mitte des 12. Jahrhunderts zu, der gänzliche Mangel an verzierten Bauteilen der obern erlaubt zwar nicht einen Schluß auf ihre Entstehungszeit zu ziehen, jedoch spricht eine äußere, beiden Stockwerken gemeinschaftliche Nische für eine gleichzeitige Entstehung beider. Die durchgängig erneuten Fensteröffnungen sind selbstverständlich nicht maßgebend. Die nach Westen zu offen gewesene Vorhalle, die sich allen drei Schiffen der Kapelle vorlegt, ist am | {{idt2|25}}Man findet dergleichen übereinander liegende, durch eine Oeffnung in der trennenden Wölbung in Verbindung gesetzte Kapellen fast ausschließlich auf deutschen Burgen – vielleicht war Beschränktheit des Raumes hier das Motiv ihrer Anlage –, doch auch an Palästen (Ulrichskapelle am Kaiserpalast in Goslar, Kapelle im Saalhof in Frankfurt a/M., Hofkapelle des erzbischöflichen Palastes in Mainz). Es ist angenommen worden, daß die untere Kapelle solcher Anlagen als Gruft oder wenigstens als zum Totendienste bestimmte Crypta gedient habe, was wohl bei manchen derselben zutreffen mag, indes nicht hier, wo dieselbe ein oberirdischer Bau mit westlicher Vorhalle (Narthex) ist. Es greift deshalb die dritte Annahme Platz: daß der untere Raum beim Gottesdienste den Dienstleuten angewiesen war, während der obere, der in unserm Falle allerdings große Veränderungen erlitten hat, der Burgherrschaft Vorbehalten blieb, wie ja noch jetzt die Emporen in Schloßkapellen und Kirchen von Dörfern, die Rittergüter enthalten. Der bei weitem größte Teil dieser Doppelkapellen gehört mit der zu Lohra der romanischen Bauperiode an, wie die zu Freiburg an der Unstrut, bei Landsberg bei Halle, in Eger in Böhmen, Hagenau im Elsaß usw. Die Formen von Säulen und Kämpfern der untern Kapelle weisen dieselben der Mitte des 12. Jahrhunderts zu, der gänzliche Mangel an verzierten Bauteilen der obern erlaubt zwar nicht einen Schluß auf ihre Entstehungszeit zu ziehen, jedoch spricht eine äußere, beiden Stockwerken gemeinschaftliche Nische für eine gleichzeitige Entstehung beider. Die durchgängig erneuten Fensteröffnungen sind selbstverständlich nicht maßgebend. Die nach Westen zu offen gewesene Vorhalle, die sich allen drei Schiffen der Kapelle vorlegt, ist am füglichsten mit der alten Narthex zu vergleichen, wie wir dieselbe an der 442 von der Kaiserin Eudoxia erbauten Kirche St. Pietro in Vincoli in Rom der hier betrachteten ganz ähnlich eingerichtet finden, doch sind auch im 12. Jahrhundert an anderen Orten den Kirchenportalen solche „Vorlauben“ – Aufenthaltsorte für Büßer – vorgelegt worden, wiewohl viel spärlicher als bei byzantinischen Kirchen. Späterhin gab das Erdgeschoß der westlichen Türen eine solche, freilich tiefere Vorhalle ab. Die obere Kapelle in Lohra war auch in späterer Zeit dem Gottesdienste erhalten geblieben; der Pfarrer zu Elende war zugleich Hofprediger auf Lohra, als aber Ernst VII. seine Residenz dort nahm, wurde 1585 der Pfarrer des allerdings näher liegenden Dorfes Groß-Wenden mit diesem Amte betraut, angeblich wegen der häufigen Todesfälle in seiner Familie Noch gegenwärtig hält der Pfarrer jenes Dorfes zweimal im Monat Gottesdienst in dieser Kapelle ab. Die untere Kapelle war durch zwischen die Säulen gezogene Bleichen geteilt und diente als Kälber- und Gastpferdestall; die Oeffnung im Gewölbe war mit Holz verschlagen. Die stark beschädigte nordöstliche Säule wurde 1799 durch einen gemauerten Pfeiler ersetzt, ihr Fuß und Kapitäl bildet jetzt den Fuß des Taufsteins. Bei Gelegenheit des Umbaues des westlichen Giebels kam die Beschränktheit des Raumes der Kapelle zur Sprache, in die damals noch die protestantische Gemeinde von Friedrichslohra eingepfarrt war. Die Domänenkammer beschloß in Folge dessen, beide Kapellen durch Herausschlagen der Gewölbe zu vereinigen und durch Anbringen von Emporen hinreichend Raum zu schaffen, auch einer Erweiterung wurde das Wort geredet, und nur die technischen Bedenken des Bauinspektors Voß retteten das hochinteressante Bauwerk. In der Folge wurde für die Gemeinde Friedrichslohra eine eigene Kirche gebaut. Durch Voß aufmerksam gemacht, unterwarf der Landeskonservator der Altertümer Baurat von Quast auf einer Inspektionsreise im Sommer des Jahres 1845 auch die angebliche „Krypta“ in Lohra einer nähern Untersuchung und bestimmte dieselbe als Doppelkapelle, deren Erhaltung er dringend empfahl. So wurden denn bereits im folgenden Jahre die Einbauten beseitigt, Fußboden und Fenstergewände erneuert, die Freitreppe, welche äußerlich zur obern Kapelle führte, abgetragen, kurz das Ganze in den Stand gesetzt, in dem wir es gegenwärtig erblicken. Der Altar, die Kanzel und die Orgelempore der oberen Kapelle verraten durch die breitgedrückten Voluten ihrer Ausschmückung, daß sie der allgemeinen Wiederherstellung der Burggebäude zu Ende des dreißigjährigen Krieges entstammen. | ||
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Version vom 14. August 2019, 09:32 Uhr
Die Kapelle der Burg Lohra ist nicht nur eine Sehenswürdigkeit des jetzt zur Domäne gewordenen Sitzes des Grafen von Lare, sondern gehört zu den interessantesten Gebäuden unserer Heimat. Sie ist eine im 12. Jahrhundert im romanischen Stile erbaute Doppelkapelle. Julius Schmidt berichtet über den eigenartigen Bau in Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Grafschaft Hohenstein Seite 106 folgendes: Man findet dergleichen übereinander liegende, durch eine Oeffnung in der trennenden Wölbung in Verbindung gesetzte Kapellen fast ausschließlich auf deutschen Burgen – vielleicht war Beschränktheit des Raumes hier das Motiv ihrer Anlage –, doch auch an Palästen (Ulrichskapelle am Kaiserpalast in Goslar, Kapelle im Saalhof in Frankfurt a/M., Hofkapelle des erzbischöflichen Palastes in Mainz). Es ist angenommen worden, daß die untere Kapelle solcher Anlagen als Gruft oder wenigstens als zum Totendienste bestimmte Crypta gedient habe, was wohl bei manchen derselben zutreffen mag, indes nicht hier, wo dieselbe ein oberirdischer Bau mit westlicher Vorhalle (Narthex) ist. Es greift deshalb die dritte Annahme Platz: daß der untere Raum beim Gottesdienste den Dienstleuten angewiesen war, während der obere, der in unserm Falle allerdings große Veränderungen erlitten hat, der Burgherrschaft Vorbehalten blieb, wie ja noch jetzt die Emporen in Schloßkapellen und Kirchen von Dörfern, die Rittergüter enthalten. Der bei weitem größte Teil dieser Doppelkapellen gehört mit der zu Lohra der romanischen Bauperiode an, wie die zu Freiburg an der Unstrut, bei Landsberg bei Halle, in Eger in Böhmen, Hagenau im Elsaß usw. Die Formen von Säulen und Kämpfern der untern Kapelle weisen dieselben der Mitte des 12. Jahrhunderts zu, der gänzliche Mangel an verzierten Bauteilen der obern erlaubt zwar nicht einen Schluß auf ihre Entstehungszeit zu ziehen, jedoch spricht eine äußere, beiden Stockwerken gemeinschaftliche Nische für eine gleichzeitige Entstehung beider. Die durchgängig erneuten Fensteröffnungen sind selbstverständlich nicht maßgebend. Die nach Westen zu offen gewesene Vorhalle, die sich allen drei Schiffen der Kapelle vorlegt, ist am füglichsten mit der alten Narthex zu vergleichen, wie wir dieselbe an der 442 von der Kaiserin Eudoxia erbauten Kirche St. Pietro in Vincoli in Rom der hier betrachteten ganz ähnlich eingerichtet finden, doch sind auch im 12. Jahrhundert an anderen Orten den Kirchenportalen solche „Vorlauben“ – Aufenthaltsorte für Büßer – vorgelegt worden, wiewohl viel spärlicher als bei byzantinischen Kirchen. Späterhin gab das Erdgeschoß der westlichen Türen eine solche, freilich tiefere Vorhalle ab. Die obere Kapelle in Lohra war auch in späterer Zeit dem Gottesdienste erhalten geblieben; der Pfarrer zu Elende war zugleich Hofprediger auf Lohra, als aber Ernst VII. seine Residenz dort nahm, wurde 1585 der Pfarrer des allerdings näher liegenden Dorfes Groß-Wenden mit diesem Amte betraut, angeblich wegen der häufigen Todesfälle in seiner Familie Noch gegenwärtig hält der Pfarrer jenes Dorfes zweimal im Monat Gottesdienst in dieser Kapelle ab. Die untere Kapelle war durch zwischen die Säulen gezogene Bleichen geteilt und diente als Kälber- und Gastpferdestall; die Oeffnung im Gewölbe war mit Holz verschlagen. Die stark beschädigte nordöstliche Säule wurde 1799 durch einen gemauerten Pfeiler ersetzt, ihr Fuß und Kapitäl bildet jetzt den Fuß des Taufsteins. Bei Gelegenheit des Umbaues des westlichen Giebels kam die Beschränktheit des Raumes der Kapelle zur Sprache, in die damals noch die protestantische Gemeinde von Friedrichslohra eingepfarrt war. Die Domänenkammer beschloß in Folge dessen, beide Kapellen durch Herausschlagen der Gewölbe zu vereinigen und durch Anbringen von Emporen hinreichend Raum zu schaffen, auch einer Erweiterung wurde das Wort geredet, und nur die technischen Bedenken des Bauinspektors Voß retteten das hochinteressante Bauwerk. In der Folge wurde für die Gemeinde Friedrichslohra eine eigene Kirche gebaut. Durch Voß aufmerksam gemacht, unterwarf der Landeskonservator der Altertümer Baurat von Quast auf einer Inspektionsreise im Sommer des Jahres 1845 auch die angebliche „Krypta“ in Lohra einer nähern Untersuchung und bestimmte dieselbe als Doppelkapelle, deren Erhaltung er dringend empfahl. So wurden denn bereits im folgenden Jahre die Einbauten beseitigt, Fußboden und Fenstergewände erneuert, die Freitreppe, welche äußerlich zur obern Kapelle führte, abgetragen, kurz das Ganze in den Stand gesetzt, in dem wir es gegenwärtig erblicken. Der Altar, die Kanzel und die Orgelempore der oberen Kapelle verraten durch die breitgedrückten Voluten ihrer Ausschmückung, daß sie der allgemeinen Wiederherstellung der Burggebäude zu Ende des dreißigjährigen Krieges entstammen. |