Nordhausen, die tausendjährige Stadt am Harz: Unterschied zwischen den Versionen
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Es vereinigt sich hier die Großartigkeit und Mannigfaltigkeit des Berglandes mit der Lieblichkeit und der stillen Anmut weiter Ebenen. Von der Höhe von etwa sechshundert Metern (Poppenberg) sinken die Berge in Abstufungen bis zu der Ebene der Goldenen Aue hinab, bald in langgestreckten Höhenzügen sich hinziehend, bald in spitzer Kegelform aufragend, hier eine sanfte Wölbung bildend, da in schroffer Wand abfallend, die Höhen mit dunkeln Wäldern, die Täler von Saatfeldern oder bunten Wiesenteppichen bedeckt, überall aber durch Linien und Farben sich voneinander abhebend. Zahlreiche Punkte der Umgebung der Stadt bieten überraschende Rund- und Weitsichten: über die Ebene der Goldenen Aue hinweg bleibt der Blick haften an dem Kyffhäuser, dem Possenturm bei Sondershausen, der Eichsfeldischen Pforte, der Hasenburg, dem Ohmgebirge, bis er sich schließlich in weiter, duftiger Ferne verliert. | Es vereinigt sich hier die Großartigkeit und Mannigfaltigkeit des Berglandes mit der Lieblichkeit und der stillen Anmut weiter Ebenen. Von der Höhe von etwa sechshundert Metern (Poppenberg) sinken die Berge in Abstufungen bis zu der Ebene der Goldenen Aue hinab, bald in langgestreckten Höhenzügen sich hinziehend, bald in spitzer Kegelform aufragend, hier eine sanfte Wölbung bildend, da in schroffer Wand abfallend, die Höhen mit dunkeln Wäldern, die Täler von Saatfeldern oder bunten Wiesenteppichen bedeckt, überall aber durch Linien und Farben sich voneinander abhebend. Zahlreiche Punkte der Umgebung der Stadt bieten überraschende Rund- und Weitsichten: über die Ebene der Goldenen Aue hinweg bleibt der Blick haften an dem Kyffhäuser, dem Possenturm bei Sondershausen, der Eichsfeldischen Pforte, der Hasenburg, dem Ohmgebirge, bis er sich schließlich in weiter, duftiger Ferne verliert. | ||
[[Datei:Ältestes Stadtsiegel von Nordhausen, Karl Schiewek.jpg|thumb|center|Ältestes Stadtsiegel von Nordhausen (Karl Schiewek)]] | |||
Auch der in die Geschichte der Stadt zurückschauende Blick verliert sich in grauer Vorzeit. Nordhausen schickt sich an, seine Tausendjahrfeier zu begehen. Wer aber kann sagen, wieviele Jahrhunderte, ja Jahrtausende früher hier schon Menschen gewohnt haben? Zahlreiche Funde aus der Bronze- und Steinzeit im Gebiete der Stadt und ihrer Umgebung weisen bereits auf eine verhältnismäßig dichte Besiedelung in dieser Frühzeit hin. | Auch der in die Geschichte der Stadt zurückschauende Blick verliert sich in grauer Vorzeit. Nordhausen schickt sich an, seine Tausendjahrfeier zu begehen. Wer aber kann sagen, wieviele Jahrhunderte, ja Jahrtausende früher hier schon Menschen gewohnt haben? Zahlreiche Funde aus der Bronze- und Steinzeit im Gebiete der Stadt und ihrer Umgebung weisen bereits auf eine verhältnismäßig dichte Besiedelung in dieser Frühzeit hin. | ||
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Als König Heinrich I. gestorben war, lebte seine Witwe, die Königin Mathilde, abwechselnd in Nordhausen und Quedlinburg. Im Jahre 962 gründete sie in Nordhausen ein Nonnenkloster, aus dessen Kirche der Dom hervorgegangen ist. Ihr Enkel Otto II. schenkte dem Kloster den Ort Nordhausen; die Aebtissin des Klosters war also jetzt die Herrin der Stadt. Im Jahre 1158 erhielt sie von Friedrich Barbarossa auch noch die Burg und den Herrenhof, so daß ihr nun der ganze Ort unterstellt war. | Als König Heinrich I. gestorben war, lebte seine Witwe, die Königin Mathilde, abwechselnd in Nordhausen und Quedlinburg. Im Jahre 962 gründete sie in Nordhausen ein Nonnenkloster, aus dessen Kirche der Dom hervorgegangen ist. Ihr Enkel Otto II. schenkte dem Kloster den Ort Nordhausen; die Aebtissin des Klosters war also jetzt die Herrin der Stadt. Im Jahre 1158 erhielt sie von Friedrich Barbarossa auch noch die Burg und den Herrenhof, so daß ihr nun der ganze Ort unterstellt war. | ||
Etwa | Etwa zweihundertfünfzig Jahre wurde die Stadt von der Aebtissin des Klosters regiert. Im Jahre 1220 hörte dies Verhältnis auf: da verwandelte Kaiser Friedrich II. das Nonnenkloster in ein Mannesstift und trennte die Stadt davon, die nun unmittelbar dem Reiche unterstellt wurde. Dadurch ward Nordhausen eine freie Reichsstadt, was sie bis 1802 geblieben ist. | ||
Als die Stadt von geistlicher Herrschaft frei war, leitete sie ihre Geschicke selbst durch einen Rat, der an ihrer Spitze stand. Sie konnte sich nun ungehindert von fremden Einflüssen entwickeln. Was sie im Laufe der Zeit geworden ist, verdankt sie durchweg eigener Tüchtigkeit. Fürstenhnld hat sie nie sonderlich mit Gunst überschüttet. Ein seiner Kraft sich bewußtes aufstrebendes Bürgertum fühlte sich stark genug, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen. Zunächst freilich mußte es noch allerlei Entwicklungskrankheiten durchmachen. | Als die Stadt von geistlicher Herrschaft frei war, leitete sie ihre Geschicke selbst durch einen Rat, der an ihrer Spitze stand. Sie konnte sich nun ungehindert von fremden Einflüssen entwickeln. Was sie im Laufe der Zeit geworden ist, verdankt sie durchweg eigener Tüchtigkeit. Fürstenhnld hat sie nie sonderlich mit Gunst überschüttet. Ein seiner Kraft sich bewußtes aufstrebendes Bürgertum fühlte sich stark genug, seine Angelegenheiten selbst zu ordnen. Zunächst freilich mußte es noch allerlei Entwicklungskrankheiten durchmachen. | ||
[[Datei:Friedrich-Wilhelm-Platz Nordhausen.jpg|thumb|center|Friedrich-Wilhelm Platz (Echtermeyer, Bürodirektor i. R.)]] | |||
Wie in anderen Städten, so entbrannten auch hier heftige Standeskämpfe zwischen den Geschlechtern, den früher vom Dorfe der Stadt zugewanderten Adelsfamilien, die zunächst die Herrschaft an sich gebracht hatten, und dem zu Innungen zusammengeschlossenen Handwerk, das von dem Stadtregimenl fast ausgeschlossen war. Mit dem Sturm auf das Riesenhaus, der sogenannten Revolution am 13. Februar 1375, wurde der Kampf zugunsten der Zünfte entschieden: einundvierzig ihrer Gegner wurden „auf ewige Zeiten“ aus der Stadt verbannt. Die Stadtverwaltung geht nun in die Hände der neun ratsfähigen Zünfte über. | Wie in anderen Städten, so entbrannten auch hier heftige Standeskämpfe zwischen den Geschlechtern, den früher vom Dorfe der Stadt zugewanderten Adelsfamilien, die zunächst die Herrschaft an sich gebracht hatten, und dem zu Innungen zusammengeschlossenen Handwerk, das von dem Stadtregimenl fast ausgeschlossen war. Mit dem Sturm auf das Riesenhaus, der sogenannten Revolution am 13. Februar 1375, wurde der Kampf zugunsten der Zünfte entschieden: einundvierzig ihrer Gegner wurden „auf ewige Zeiten“ aus der Stadt verbannt. Die Stadtverwaltung geht nun in die Hände der neun ratsfähigen Zünfte über. | ||
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Den Höhepunkt in der Entwicklung des städtischen Lebens bildet die Zeit der Reformation mit dem Bürgermeister Meyenburg, dem Freunde Luthers und Förderer seines Werkes. | Den Höhepunkt in der Entwicklung des städtischen Lebens bildet die Zeit der Reformation mit dem Bürgermeister Meyenburg, dem Freunde Luthers und Förderer seines Werkes. | ||
[[Datei:Stadttheater in Nordhausen.jpg|thumb|center|Stadttheater in Nordhausen (Karl Schiewek)]] | |||
In dem Stadtbilde dieser Zeit fehlen aber auch die Schatten nicht. Die Reichsfreiheit hatte ihre Kehrseite. Das kleine Gemeinwesen bildete einen Staat für sich, der rings umgeben war von mehr oder weniger mächtigen Herren, die sich nur zu gern auf Kosten des schwachen Nachbarn zu bereichern suchten. Und in der rauhen Zeit hatte nur der Stärkere recht. Daher finden wir die Stadt auch in ewigen Fehden mit den raublustigen Grafen von Honstein, von Schwarzburg, von Stolberg und aneren. Die Reichsfreiheit war daher für die Stadt in ihren Beziehungen zu den Nachbarn von recht zweifelhaftem Wert. | In dem Stadtbilde dieser Zeit fehlen aber auch die Schatten nicht. Die Reichsfreiheit hatte ihre Kehrseite. Das kleine Gemeinwesen bildete einen Staat für sich, der rings umgeben war von mehr oder weniger mächtigen Herren, die sich nur zu gern auf Kosten des schwachen Nachbarn zu bereichern suchten. Und in der rauhen Zeit hatte nur der Stärkere recht. Daher finden wir die Stadt auch in ewigen Fehden mit den raublustigen Grafen von Honstein, von Schwarzburg, von Stolberg und aneren. Die Reichsfreiheit war daher für die Stadt in ihren Beziehungen zu den Nachbarn von recht zweifelhaftem Wert. | ||
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Auf eine tausendjährige Geschichte blickt die Stadt zurück. Dreiunddreißig Geschlechterfolgen haben sie bevölkert. Aus der kleinen Landsiedelung ist eine Industriestadt von etwa 37 000 Einwohnern geworden. Demgemäß hat sich auch ihr Aeußeres verändert; doch nicht so, daß nun an die Stelle des Alten das Neue getreten ist, sondern entsprechend dem Wort „Der Ölen Erbe loost nich verderbe“ ist das Alte rücksichtsvoll gepflegt, während man anderseits aber auch dem Neuen den Eintritt nicht verwehrt hat. In diesem entwicke- lungsgeschichtlich bedingten Nebeneinander liegt der besondere Reiz, den das äußere Bild Nordhausens bietet. Ein Gang durch die Straßen und Gassen, über die Treppen und Stiege der Stadt, etwa vom Bahnhofe aus über den Lohmarkt nach dem Neuen Wege und über den Primariusgraben in die Rautenstraße wird dem Reisenden überraschende Eindrücke geben; während er hier in einem der traulichen alten Nester Wilhelm Raabes zu sein glaubt, umbraust ihn dort die rastlose Zeit des zwanzigsten Jahrhunderts. | Auf eine tausendjährige Geschichte blickt die Stadt zurück. Dreiunddreißig Geschlechterfolgen haben sie bevölkert. Aus der kleinen Landsiedelung ist eine Industriestadt von etwa 37 000 Einwohnern geworden. Demgemäß hat sich auch ihr Aeußeres verändert; doch nicht so, daß nun an die Stelle des Alten das Neue getreten ist, sondern entsprechend dem Wort „Der Ölen Erbe loost nich verderbe“ ist das Alte rücksichtsvoll gepflegt, während man anderseits aber auch dem Neuen den Eintritt nicht verwehrt hat. In diesem entwicke- lungsgeschichtlich bedingten Nebeneinander liegt der besondere Reiz, den das äußere Bild Nordhausens bietet. Ein Gang durch die Straßen und Gassen, über die Treppen und Stiege der Stadt, etwa vom Bahnhofe aus über den Lohmarkt nach dem Neuen Wege und über den Primariusgraben in die Rautenstraße wird dem Reisenden überraschende Eindrücke geben; während er hier in einem der traulichen alten Nester Wilhelm Raabes zu sein glaubt, umbraust ihn dort die rastlose Zeit des zwanzigsten Jahrhunderts. | ||
[[Datei:Stadion in Nordhausen.jpg|thumb|center|Das Stadion in Nordhausen (Fr. Rühle)]] | |||
Ein anderes offenbart sich nicht sogleich dem flüchtigen Blick, nämlich, daß in Nordhausen von jeher auch geistiges Leben, Wissenschaft und Kunst zu Hause gewesen ist. Bis in die Zeit der Reformation reichen die Anfänge des Gymnasiums zurück, das 1924 sein vierhundertjähriges Bestehen feiern konnte. Von bedeutenden Musikern sollen aus dem achtzehnten Jahrhundert nur Christoph Gottlieb Schröter, der als Organist an St. Nicolai gewirkt hat und namentlich als Erfinder einer verbesserten Hammermechanik am Klavier berühmt geworden ist, und aus dem neunzehnten Jahrhundert Willing, Sörgel und Früh erwähnt werden. Von der Pflege der dramatischen Kunst legt das neue Stadttheater an der Promenade, das 1917 eröffnet wurde, Zeugnis ab. Ein gut ausgestattetes Museum, eine reichhaltige Volksbücherei, eine Lesehalle, Kunstausstellungen, wissenschaftliche Vereine sind weitere Anzeichen der Wertschätzung von Kunst und Wissenschaft in Nordhausen. Auch ein groß angelegter Spielplatz sür Spiel, Sport und Turnen muß in diesem Zusammenhänge erwähnt werden. Diese großzügige Anlage hat die Stadt bereits im Jahre 1923 in beschränktem Umfange der Benutzung übergeben; sie ist aber erst im Sommer 1925 eingeweiht worden. Sie umfaßt rund 22 Hektar und mißt in der größten Ausdehnung 595 : 385 Meter. Von dieser Gesamtanlage entfallen auf die Sportfelder selbst über 19 Hektar, bei einer Länge von 380 Meter und 250 Meter Breite. Darin sind enthalten: ein Stadion von über 2 Hektar Größe mit einer Radrennbahn von 454 6/11 Meter, einer 400 Meter-Laufbahn und 2000 Sitz- und 5000 Stehplätzen. Die Spielfläche außerhalb des Stadions umfaßt neun Felder in den Ausmaßen der Fußballfelder. In der Anlage sind im Sommer 1926 neu hergerichtet: vier Tennisplätze, eine Reitbahn, ein Luft- und Sonnenbad. In diesem Jahre wird im Anschluß an das Luftbad ein Freibad in dem Ausmaß 20 x 70 Meter geschaffen. | Ein anderes offenbart sich nicht sogleich dem flüchtigen Blick, nämlich, daß in Nordhausen von jeher auch geistiges Leben, Wissenschaft und Kunst zu Hause gewesen ist. Bis in die Zeit der Reformation reichen die Anfänge des Gymnasiums zurück, das 1924 sein vierhundertjähriges Bestehen feiern konnte. Von bedeutenden Musikern sollen aus dem achtzehnten Jahrhundert nur Christoph Gottlieb Schröter, der als Organist an St. Nicolai gewirkt hat und namentlich als Erfinder einer verbesserten Hammermechanik am Klavier berühmt geworden ist, und aus dem neunzehnten Jahrhundert Willing, Sörgel und Früh erwähnt werden. Von der Pflege der dramatischen Kunst legt das neue Stadttheater an der Promenade, das 1917 eröffnet wurde, Zeugnis ab. Ein gut ausgestattetes Museum, eine reichhaltige Volksbücherei, eine Lesehalle, Kunstausstellungen, wissenschaftliche Vereine sind weitere Anzeichen der Wertschätzung von Kunst und Wissenschaft in Nordhausen. Auch ein groß angelegter Spielplatz sür Spiel, Sport und Turnen muß in diesem Zusammenhänge erwähnt werden. Diese großzügige Anlage hat die Stadt bereits im Jahre 1923 in beschränktem Umfange der Benutzung übergeben; sie ist aber erst im Sommer 1925 eingeweiht worden. Sie umfaßt rund 22 Hektar und mißt in der größten Ausdehnung 595 : 385 Meter. Von dieser Gesamtanlage entfallen auf die Sportfelder selbst über 19 Hektar, bei einer Länge von 380 Meter und 250 Meter Breite. Darin sind enthalten: ein Stadion von über 2 Hektar Größe mit einer Radrennbahn von 454 6/11 Meter, einer 400 Meter-Laufbahn und 2000 Sitz- und 5000 Stehplätzen. Die Spielfläche außerhalb des Stadions umfaßt neun Felder in den Ausmaßen der Fußballfelder. In der Anlage sind im Sommer 1926 neu hergerichtet: vier Tennisplätze, eine Reitbahn, ein Luft- und Sonnenbad. In diesem Jahre wird im Anschluß an das Luftbad ein Freibad in dem Ausmaß 20 x 70 Meter geschaffen. | ||
So bietet Nordhausen in Vergangenheit und Gegenwart das Bild einer betriebsamen und geistig regen Stadt. | So bietet Nordhausen in Vergangenheit und Gegenwart das Bild einer betriebsamen und geistig regen Stadt. |