Geschichte des Buchdrucks und des Buchhandels in Nordhausen: Unterschied zwischen den Versionen
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Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß die Buchdruckerkunst, die von 1450 an durch Gutenberg in Mainz ausgeübt wurde, in unserer Nachbarstadt Erfurt schon 1479, in Magdeburg 1483 — ganz zu schweigen vom Auslande, z. B. von Ungarn, wo sie bereits 1473, oder von Schweden, wo sie 1483 schon betrieben wurde —, in den Harzgegenden aber erst viel später auftrat. Und doch blühte hier bereits vom 10. Jahrhundert, von der Zeit der sächsischen Könige an, ein reiches Kulturleben. Die alten Klöster Gandersheim, Ilsenburg und Drübeck am Nordrande des Harzes, Walkenried und Ilfeld am Südrande, die Königshöfe Nordhausen, Goslar und Quedlinburg wie auch der Bischofssitz Halberstadt sind dafür ein Beweis. Und doch finden wir selbst im 16. Jahrhundert, dessen wissenschaftliche, besonders kirchliche Kämpfe unsere Harzgegend stark berührten, nur in Halberstadt und Eisleben Druckereien. In Halberstadt war eine solche schon von 1520 bis 1524, in der hochbedeutsame Werke gedruckt wurden, wie z. B. eine niederdeutsche Bibel; dann aber ruhte auch hier die Presse wieder fast 60 Jahre, bis sie von 1580 an hier einen ständigen Sitz bekam. In Eisleben entstand 1554 eine Druckerei. Im 17. Jahrhundert folgte dann erst Goslar 1604, Quedlinburg 1619 und Nordhausen 1628. | Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß die Buchdruckerkunst, die von 1450 an durch Gutenberg in Mainz ausgeübt wurde, in unserer Nachbarstadt Erfurt schon 1479, in Magdeburg 1483 — ganz zu schweigen vom Auslande, z. B. von Ungarn, wo sie bereits 1473, oder von Schweden, wo sie 1483 schon betrieben wurde —, in den Harzgegenden aber erst viel später auftrat. Und doch blühte hier bereits vom 10. Jahrhundert, von der Zeit der sächsischen Könige an, ein reiches Kulturleben. Die alten Klöster Gandersheim, Ilsenburg und Drübeck am Nordrande des Harzes, Walkenried und Ilfeld am Südrande, die Königshöfe Nordhausen, Goslar und Quedlinburg wie auch der Bischofssitz Halberstadt sind dafür ein Beweis. Und doch finden wir selbst im 16. Jahrhundert, dessen wissenschaftliche, besonders kirchliche Kämpfe unsere Harzgegend stark berührten, nur in Halberstadt und Eisleben Druckereien. In Halberstadt war eine solche schon von 1520 bis 1524, in der hochbedeutsame Werke gedruckt wurden, wie z. B. eine niederdeutsche Bibel; dann aber ruhte auch hier die Presse wieder fast 60 Jahre, bis sie von 1580 an hier einen ständigen Sitz bekam. In Eisleben entstand 1554 eine Druckerei. Im 17. Jahrhundert folgte dann erst Goslar 1604, Quedlinburg 1619 und Nordhausen 1628. |
Version vom 28. Dezember 2018, 16:11 Uhr
Geschichte des Buchdrucks
und des Buchhandels in Nordhausen Von Heinrich Heine
Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß die Buchdruckerkunst, die von 1450 an durch Gutenberg in Mainz ausgeübt wurde, in unserer Nachbarstadt Erfurt schon 1479, in Magdeburg 1483 — ganz zu schweigen vom Auslande, z. B. von Ungarn, wo sie bereits 1473, oder von Schweden, wo sie 1483 schon betrieben wurde —, in den Harzgegenden aber erst viel später auftrat. Und doch blühte hier bereits vom 10. Jahrhundert, von der Zeit der sächsischen Könige an, ein reiches Kulturleben. Die alten Klöster Gandersheim, Ilsenburg und Drübeck am Nordrande des Harzes, Walkenried und Ilfeld am Südrande, die Königshöfe Nordhausen, Goslar und Quedlinburg wie auch der Bischofssitz Halberstadt sind dafür ein Beweis. Und doch finden wir selbst im 16. Jahrhundert, dessen wissenschaftliche, besonders kirchliche Kämpfe unsere Harzgegend stark berührten, nur in Halberstadt und Eisleben Druckereien. In Halberstadt war eine solche schon von 1520 bis 1524, in der hochbedeutsame Werke gedruckt wurden, wie z. B. eine niederdeutsche Bibel; dann aber ruhte auch hier die Presse wieder fast 60 Jahre, bis sie von 1580 an hier einen ständigen Sitz bekam. In Eisleben entstand 1554 eine Druckerei. Im 17. Jahrhundert folgte dann erst Goslar 1604, Quedlinburg 1619 und Nordhausen 1628. Es muß auffallen, daß in Nordhausen, wo Humanismus und Reformation so geistig rege Vertreter fanden, wie den Bürgermeister Meyenburg, den Prediger Joh. Spangenberg, den Schulmann Michael Neander, den Rektor der Lateinschule Basilius Faber, den gelehrten Prior des Klosters Himmelgarten Joh. Hüter, den Arzt und Botaniker Joh. Thal, daß hier nicht schon im 16. Jahrhundert eine Druckerei entstand, und man hat Wohl gemeint, Nordhausen müsse schon damals eine solche gehabt haben. Dem steht aber entgegen, daß bisher kein einziger Nordhäuser Druck aus dem 16. Jahrhundert bekannt geworden ist, obgleich von Nordhäuser gelehrten Männern aus dieser Zeit eine Reihe bemerkenswerter Schriften größeren und kleineren Umfangs ausgegangen und auf uns gekommen ist, wie
Dann aber, im Jahre 1628, treffen wir auf den ersten Nordhäuser Druck. Er besteht nur aus einem Blatt in Folioformat und enthält einen Glückwunsch, den der Rektor der Nordhäuser Lateinschule, Bachmann, dem Bürgermeister Wilde zu der Geburt einer Tochter darbringt. Das Blatt ist sauber gedruckt und rings mit einer schönen Randleiste eingefaßt. Oben auf dem Blatte steht die lateinische Widmung in der schwülstigen Sprache der Zeit, darunter ein Gedicht in lateinischer und weiter unten ein Gedicht in deutscher Sprache. Unter dem Ganzen steht: Nordhausen, gedruckt durch Johann Erasmus Hynitzsch im Jahr 1628. Dieses Blatt ist das erste uns bekannte Erzeugnis des Nordhäuser Druckereigewerbes, das also jetzt, 1928, sein dreihundertjähriges Jubiläum feiern kann. war also der erste Buchdrucker in Nordhausen. Er gehörte einer alten aus Schlesien stammenden Druckerfamilie an. Sein Vater Erasmus Hynitzsch war über Wurzen nach Halle gekommen, wo er in der Zeit zwischen 1602 und 1611 druckte. Im Jahre l628 erscheint unser Johann Erasmus Hynitzsch in Nordhansen. Von seinem Vorleben, seiner Lehr- und Wanderzeit ist nichts bekannt. Das Jahr 1628 läßt sich aus einem Briefe feststellen, den er im Jahre 1661 an den Rat richtet und der so lautet:
noch großgünstig erinnern, daß gemeldter Catechismus auf vorgangene approkution und Lensnr als ein nützlich und beständiges Schulbuch, auf meinen Verlag zu drucken, mir ist zugeschickt und anbefohlen worden, welchem Befehl ich auch schuldige Folge geleistet und bischer diesen Cathechismum allmählich verkaufst, weil selbiger sonst nirgend als hier gebrauchet wird. Will derowegen E. WolEhrenV. hochW. demütigst fleisses bitten, Sie wollen doch bey so steten Verenderungen meinen grossen Schaden bedenken, weil ohne das hier keine Nahrung mit Druckerey, und den Cathechismum Emdenii bey seinen Würden, wie auch meine andere gedruckte Schulbücher im gebrauch erhalten und was sonst meiner Druckerey zu aufnehmen und Verbesserung ersprießlich sehn mag, wie von E. E. Rate vor 33 Jahren bey meinem Anzuge viel versprochen wurde, großgünstig, auch als Liebhaber dieser Kunst, rühmlich befördern helssen. Solches wird mich erfreven, im gegentheil aber würde in meinem Alter über solch verderbendes Drucken offte seuffzeu und klagen müssen, hoffe iedoch noch einer behag lichen Antwort und bin E. WohlEhrenv. Großachtb. Hw. auch hochgelahrten Dienstwilligster Johann Erasmus Hynitzsch, Buchdrucker mpp. Nordhausen am 29. Julii ao 1661. Aus dem Briefe geht hervor, daß Hynitzsch die Druckerei im Jahre 1628 hier einrichtete, daß er das auf Veranlassung, jedenfalls aber mit Zustimmung des Rats getan und daß dieser ihm gewisse Versprechungen gemacht hat. Es ist bemerkenswert, daß gerade in den Jahren, als der 30jährige Krieg nach Nordhausen seine ersten Schatten warf, hier eine Druckerei errichtet wurde. Das geistige Schaffen, das eine Voraussetzung für sie ist, war durch die Kriegswirren also nicht gelähmt. Im Jahre 1632 vermählte sich Joh. Erasmus Hynitzsch mit einer Tochter des Nordhäuser Arztes Dr. Oswald. Die Ehe hat nicht lange gedauert; schon im folgenden Jahre kam die junge Frau durch Spielerei ihres Gesellen mit einem Gewehr ums Leben. Hynitzsch ging dann 1637 eine neue Ehe ein, aus der 8 Kinder entsprossen sind, 4 Söhne und 4 Töchter. Der älteste Sohn Johann Joachim war später Stadt-Leutnant in Leipzig; der zweite, August Martin, ward Buchdrucker und übernahm später des Vaters Geschäft; der dritte, auch Jo hann Erasmus genannt, ward ebenfalls Buchdrucker, heiratete die Tochter des Buchdruckers Kohlwald in Halberstadt und wurde Besitzer von dessen Buchdruckerei. Nachkommen dieses Halberstädter Hynitsch leben noch heute in Halberstadt wie auch in Nordhausen. Der vierte Sohn ist als dänischer Oberförster in Jütland gestorben. Von den 4 Töchtern heiratete die eine den Buchdrucker Hertz in Erfurt; die anderen drei scheinen früh verstorben zu sein. Von den Erzeugnissen seiner Presse finden sich in dem städtischen Archiv zu Nordhausen und in den Fürstlich-Stolbergschen Bibliotheken zu Wernigerode und Stolberg etwa 80 Drucke; wenn man dazu noch seine Schulbücher, von denen er in dem milgeteilten Briefe spricht, und andere Werke rechnet, die vielleicht anderswo oder gar nicht mehr vorhanden sind, so dürfte die Zahl sich wohl auf 100 vermehren. Meist sind es kleinere Sachen, Glückwünsche zu den verschiedensten Gelegenheiten in poetischer und prosaischer Form, deutsch und lateinisch, ferner Erlasse des Rats, Predigten, besonders Leichenpredigten. Das 17. und zum Teil auch noch das 18. Jahrhundert war ja die Zeit der unsagbar langweiligen und schwülstigen Leichenreden, die, wenn sie wohlhabenden Personen galten, gedruckt und an die trauernden Hinterbliebenen verteilt wurden. Wertvoll sind sie für Familienforschungen, da sie meist auch eine Lebensbeschreibung des Verstorbenen enthalten. Daher leisten die Leichenpredigtsammlungen, die bei manchen Bibliotheken bestehen, für diese Arbeit ausgezeichnete Dienste. Die größte Leichenpredigtsammlung besitzt die Fürstlich Stolbergsche Bibliothek in Stolberg, wo etwa 20 000 dieser seltsamen Literaturerzeugnisse vorhanden sind, darunter auch viele Nordhäuser Drucke. Neben solchen Gelegenheitsdrucken gingen aber auch größere, zum Teil bedeutende Werke aus der Presse des ersten Nordhäuser Druckers hervor. Da die Bücher oft mehrere hundert Seiten umfassen, muß er schon ein umfangreiches Typenmaterial besessen haben. Meist benutzte er die Schwabacher Type, aber auch Antiqua in den verschiedensten Formen, so gar griechische und hebräische Lettern sind genügend vorhanden. Die Titel sind vielfach im Zweifarbendruck gehalten; nach der Mode der Zeit wechseln schwarze und rote Zeilen hier ab. Die Ausstattung der Drucke durch Leisten und Schlußbilder ist durchweg recht gut. Aus dem Titelblatte mancher seiner Drucke sieht man das Bild eines Pelikans, der seine Zungen mit seinem eigenen Blut füttert; dieses alte Wahrzeichen der Stadt Nordhausen kann als sein Signet, sein Druckerzeichen angesehen werden, wie damals auch andere Trucker ihr Geschäftszeichen hatten. Während die Gelegenheitsarbeiten, wie Ratserlasse, Glückwünsche und dergl. meist in Folio oder Quart gedruckt wurden, haben die Bücher meist Quart-, Oktav- oder Duodezformat. Einige davon sollen hier genannt werden. Schon im 2. Jahre seiner Tätigkeit, im Jahre 1629, erschien bei ihm ein Buch von Bachmann: Divini Platonis, cum Aristotele parallelo in Queroktavformat. Es ist sehr selten; hier besitzt es ein Sammler. Das Titelblatt sieht so aus: BILDER Eigenartig sind die beiden gegeneinanderstehenden und sich anhauchenden Köpfe mit der danebenstehenden Inschrift. Die Bezeichnung „In Imperiali“ vor Nordhausen ist ebenfalls eine Seltenheit, die sonst bei seinen Drucken nicht vorkommt. Auch das „Aera C“ („Zeitalter Christi, nach Christo“) kommt nicht oft vor.
Das Buch enthält 8 Predigten, wie z. B. vom Begräbnis Mosis, vom Tode Gustav Adolfs, von plötzlichen Todesfällen älterer und jüngerer Personen. Im Jahre 1651 gibt Hynitzsch, nachdem Emdenius im Jahre vorher gestorben war, eine neue vermehrte Auflage dieses Buches heraus und widmet es „denen Edlen, Ehrenvesten, Großachtbaren, Hoch- und Wohlgelahrten Herren Bür germeistern, Rathen und Eltesten dieser uhralten Freien Reichsstadt Nordhausen“. Welchen Zweck er mit dieser Wid mung verfolgte, sagt er deutlich genug in der Vorrede. „Weil“, heißt es dort, „dieses Orts dergleichen Bücher noch nie ausgefertiget worden, so hat sichs allermaßen gebühren wollen, dasselbe ihrem ruhnwürdigen Namen zuzuschreiben, ob sie etwa in anschawung dieses möchten bewogen werden, noch ferner mich und die meinigen sowohl meine Buchdruckerei und Handlung nach gelegenheit, so inen nicht mangelt, zu schätzen, zu befördern und in besseres Aufnehmen zu bringen“. Sein Geschäft scheint demnach nicht besonders geblüht zu haben. Außerdem sehen wir aus diesen Worten, wenn er von seiner „Buchdruckerei und Handlung" redet, daß er, wie es damals üblich war, nicht nur der Drucker, sondern auch der Verleger und Verkäufer seiner Bücher ist; eine Arbeitsteilung war damals hier noch nicht eingetreten. |