Friedrich August Wolf: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
|||
Zeile 18: | Zeile 18: | ||
|PND=117444154 | |PND=117444154 | ||
}} | }} | ||
'''Friedrich August Christian Wilhelm Wolf''' (geb. 15. Februar 1759 in Hainrode; gest. 8. August 1824 in Marseille) war ein bedeutender deutscher Altphilologe und gilt als einer der Begründer der modernen wissenschaftlichen Philologie. | '''Friedrich August Christian Wilhelm Wolf''' (geb. 15. Februar 1759 in Hainrode; gest. 8. August 1824 in Marseille) war ein bedeutender deutscher Altphilologe und gilt als einer der Begründer der modernen wissenschaftlichen Philologie. | ||
Version vom 18. Oktober 2024, 20:44 Uhr
|
Friedrich August Christian Wilhelm Wolf (geb. 15. Februar 1759 in Hainrode; gest. 8. August 1824 in Marseille) war ein bedeutender deutscher Altphilologe und gilt als einer der Begründer der modernen wissenschaftlichen Philologie.
Leben
Friedrich August Wolf wurde als Sohn des Lehrers und Organisten Philipp Wolf geboren. Schon früh zeigte sich seine außerordentliche Begabung, insbesondere für Sprachen. Sein Vater, selbst ein gebildeter und eifriger Pädagoge, begann bereits in Wolfs frühester Kindheit, ihn in Latein zu unterrichten. Bereits im Alter von sechs Jahren rezitierte Friedrich August lateinische Gedichte und Predigten, die von seinem Vater geschrieben waren.
Im Jahr 1767 zog die Familie nach Nordhausen, wo der Vater eine Anstellung als Lehrer und Organist antrat. In Nordhausen besuchte Friedrich August das dortige Gymnasium. Bereits als Jugendlicher zeigte er eine bemerkenswerte autodidaktische Lernfähigkeit und vertiefte sich neben dem Schulunterricht in die griechischen, lateinischen sowie die französischen, englischen und italienischen Klassiker. Schon früh prägte sich bei ihm die Überzeugung aus, dass man durch eigenen Fleiß und intensive Lektüre viel ohne formale Anleitung lernen könne – eine Haltung, die sich durch sein ganzes Leben zog.
Universitätsjahre in Göttingen
Im Jahr 1777, im Alter von 18 Jahren, begann Wolf sein Studium an der renommierten Universität Göttingen. Dort wollte er sich der Philologie widmen, obwohl dieses Fach damals noch nicht als eigenständiges akademisches Studium anerkannt war. Er bewarb sich entschlossen als „Philologiae studiosus“ und setzte sich gegen anfängliche Widerstände durch, da die Philologie in der akademischen Hierarchie jener Zeit noch keinen festen Platz hatte.
An der Universität lernte Wolf unter dem berühmten Altphilologen Christian Gottlob Heyne, dessen Seminare jedoch eher auf Theologie als auf die autonome Philologie ausgerichtet waren. Wolf blieb seinem eigenen, autodidaktischen Stil treu und studierte nicht nur die klassischen Sprachen, sondern auch Philosophie, Geschichte und Literaturwissenschaft. Besonders vertiefte er sich in die Werke Homers, Herodots, Platons und Ciceros. In dieser Zeit legte er den Grundstein für seine späteren Arbeiten zur Textkritik und entwickelte die Idee, dass antike Texte historisch-kritisch untersucht werden müssten.
Neben seinem Studium arbeitete Wolf bereits als Privatlehrer und erwarb sich durch seinen Wissensdurst und sein pädagogisches Geschick einen hervorragenden Ruf unter den Göttinger Studenten. Erste Anstellungen und die Reform des Schulwesens
Nach Abschluss seines Studiums übernahm Wolf 1779 eine erste Anstellung am Pädagogium in Ilfeld, wo er als Kollaborator tätig war. Dort entwickelte er seine Lehrmethoden weiter und setzte auf eine tiefgehende philologische Analyse der antiken Texte, um den Schülern eine umfassende humanistische Bildung zu vermitteln.
1782 wurde er zum Rektor des Gymnasiums in Osterode am Harz berufen. In dieser Position entfaltete Wolf seine didaktischen Fähigkeiten und machte sich einen Namen als Reformator des Schulwesens. Er setzte auf eine strenge Disziplin und eine umfassende Auseinandersetzung mit den antiken Klassikern, sowohl im Griechischen als auch im Lateinischen. Wolf war der Ansicht, dass die Beschäftigung mit den alten Sprachen und Kulturen die intellektuelle und moralische Reifung der Schüler fördern und ihnen helfen würde, zu gebildeten und verantwortungsvollen Bürgern heranzuwachsen.
In dieser Zeit entwickelte Wolf auch seine Vorstellungen über das Wesen der Bildung. Für ihn war die klassische Philologie nicht nur ein Mittel zur Wissensvermittlung, sondern eine Quelle der humanistischen Erziehung und des geistigen Wachstums. Die Bildung des Menschen erfolge durch die Vertiefung in die klassischen Texte der Antike, die sowohl ästhetisch als auch moralisch vorbildlich seien.
Berufung nach Halle und die Gründung des Philologischen Seminars
Im Jahr 1783 erhielt Friedrich August Wolf einen Ruf an die Universität Halle, wo er als Professor für Philosophie und Philologie lehrte. Die Berufung nach Halle markierte den Beginn seiner eigentlichen akademischen Karriere und machte ihn zu einem der führenden Gelehrten seiner Zeit.
An der Universität Halle legte Wolf besonderen Wert auf die wissenschaftliche Untersuchung antiker Texte. 1787 gründete er das erste philologische Seminar, ein Modell, das bald von anderen Universitäten in Deutschland übernommen wurde. Dieses Seminar bot Studierenden die Möglichkeit, unter seiner Anleitung eine fundierte Ausbildung in der Textkritik und Interpretation zu erlangen. Wolfs methodischer Ansatz war bahnbrechend: Er legte großen Wert auf die genaue sprachliche und historische Analyse antiker Werke und forderte von seinen Schülern eine kritische Auseinandersetzung mit den Quellen.
In Halle entwickelte Wolf auch seine „Enzyklopädie und Methodologie der Altertumswissenschaften“, die er in neun Vorlesungszyklen vortrug. Diese umfassende Darstellung des Studiums der Altertumswissenschaften war ein Versuch, die gesamte klassische Philologie zu systematisieren und als eigenständige wissenschaftliche Disziplin zu etablieren. Die „Homerische Frage“
Der entscheidende Wendepunkt in Wolfs Karriere war die Veröffentlichung der „Prolegomena ad Homerum“ im Jahr 1795. In diesem Werk stellte er die bis dahin weit verbreitete Ansicht in Frage, dass die „Ilias“ und die „Odyssee“ von einem einzigen Dichter namens Homer verfasst wurden. Wolf argumentierte, dass diese Werke das Ergebnis einer langen mündlichen Überlieferung und kollektiven Komposition seien. Er sah in ihnen eine Sammlung von Erzählungen, die von verschiedenen Rhapsoden zusammengetragen und später in schriftlicher Form fixiert wurden.
Diese These, die als „Homerische Frage“ bekannt wurde, löste eine wissenschaftliche Revolution aus und legte den Grundstein für die moderne Textkritik und die Untersuchung antiker Literatur. Wolfs These stellte die bis dahin verbreitete Vorstellung eines individuellen Genies infrage und rückte die Entstehungsgeschichte der Texte in den Mittelpunkt der philologischen Forschung. Seine Ansichten beeinflussten nicht nur die klassische Philologie, sondern auch die allgemeine Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte.
Krise nach der Schlacht bei Jena und Wechsel nach Berlin
Nach der Schlacht bei Jena im Jahr 1806, als die französischen Truppen Preußen besetzten, wurde die Universität Halle geschlossen. Für Wolf bedeutete dies einen tiefen Einschnitt in sein berufliches Leben. Auf Anraten von Goethe zog er nach Berlin, wo sich ihm neue Möglichkeiten eröffneten. 1807 wurde er von Johannes von Müller nach Berlin eingeladen, um dort an der geplanten Gründung einer neuen Universität mitzuwirken. Diese Universität, die 1810 als Humboldt-Universität zu Berlin eröffnet wurde, sollte den Idealen des Neuhumanismus und der wissenschaftlichen Freiheit folgen. Wolf unterstützte Wilhelm von Humboldt in dessen Bemühungen, die Universität als Zentrum freier Wissenschaft und Forschung zu gestalten.
Berliner Jahre und späte Lebensphase
In Berlin setzte Wolf seine wissenschaftlichen Arbeiten fort, widmete sich aber zunehmend administrativen Aufgaben und Lehrverpflichtungen. 1810 wurde er Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Seine Vorlesungen genossen weiterhin großes Ansehen, doch las er zunehmend unregelmäßiger und zog sich langsam aus der aktiven Lehre zurück.
Wolf war in dieser Zeit auch in verschiedenen pädagogischen Projekten tätig, so arbeitete er an der Verbesserung des Gymnasialwesens in Preußen mit. Er trat für eine Reform des Lehrplans ein, in der die alten Sprachen, insbesondere Griechisch und Latein, eine zentrale Rolle spielten. Für ihn waren die klassischen Sprachen nicht nur Vehikel für die Wissensvermittlung, sondern auch Mittel zur Formung des moralischen Charakters und der ästhetischen Urteilskraft der Schüler. Tod und Vermächtnis
Im Frühjahr 1824 entschloss sich Wolf, nach Südfrankreich zu reisen, um sich von einer längeren Krankheit zu erholen. Doch trotz aller Bemühungen verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, und er verstarb am 8. August 1824 in Marseille.
Erbe
Friedrich August Wolf hinterließ ein tiefes intellektuelles und akademisches Erbe. Als einer der Begründer der modernen Philologie revolutionierte er das Studium der antiken Texte und setzte neue Maßstäbe in der Textkritik und dem wissenschaftlichen Arbeiten. Durch die „Homerische Frage“ und seine Forschungen zur antiken Literatur veränderte er die Art und Weise, wie die Gelehrtenwelt antike Texte wahrnahm und analysierte.
Seine Ideen zur humanistischen Bildung und zur Bedeutung der klassischen Sprachen prägten das deutsche Bildungssystem, insbesondere das Gymnasialwesen, über Jahrzehnte hinweg. Wolfs Methode, die auf strenger Quellenkritik, historischer Kontextualisierung und ästhetischem Urteil basierte, blieb ein Vorbild für Generationen von Philologen.
Sein Leben und Wirken sind ein Zeugnis für den Aufstieg der klassischen Philologie als Wissenschaft im 18. und 19. Jahrhundert, und sein Vermächtnis als Lehrer und Gelehrter hat bis in die Gegenwart Bestand.
Gedenken
In Nordhausen wurde eine Straße, in der er gewohnt hat, nach ihm benannt. Die Luftangriffen auf Nordhausen im April 1945 zerstörten sowohl Straße als auch Wohnhaus.
Anlässlich seines 200. Todestages ließen am 8. August 2024 die Stadtverwaltung Nordhausen und der Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein e. V. eine Gedenktafel am Ort des elterlichen Wohnhauses in Nordhausen anbringen.
Literatur
- Stadtarchiv Nordhausen (Hrsg.): Nordhäuser Persönlichkeiten aus elf Jahrhunderten. Horb am Neckar: Geiger, 2009. ISBN 978-3-86595-336-9
- Hermann Stoeckius: Friedrich August Wolf (1759–1824). In: Zur Feier des vierhundertjährigen Bestehens des Gymnasiums zu Nordhausen. Nordhausen 1924.
- Zum 150. Geburtstage eines berühmten Hohensteiners. In: Heimatland. Illustrierte Blätter für die Heimatkunde des Kreises Grafschaft Hohenstein, des Eichsfeldes und der angrenzenden Gebiete. 1909.