Friedrich August Wolf (1759–1824): Unterschied zwischen den Versionen
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Anfangs April 1777 bezog der jugendliche Studiosus, vom Rate in Nordhausen mit „guten Stipendien“ ausgestattet, die alma mater in Göttingen. Noch schlimmer als bei Heyne erging es ihm da aber bei dem Prorektor der Universität, dem berühmten Arzte Baidinger, als er von ihm verlangte, als Philologiae Studiosus eingeschrieben zu werden. Sich vor Lachen schüttelnd, meinte Seine Magnifizenz: Medicinae studiosos gebe es wohl, auch iuris und theologiae, ja selbst philosophiae. Aber ein Student der Philologie sei ihm in praxi noch nicht vorgekommen. Des Jünglings Beharrlichkeit siegte indessen über alle formalen Bedenken: Philologiae Studiosus — so lautet des jungen Friedrich August Wolf Matrikel vom 8. April 1777. Und dieses Datum bezeichnet zugleich den Geburtstag der Philologie überhaupt, denn damit wurde ihr als einem freien Studium, das seinen Zweck und seine Berechtigung in sich selbst trage, der prägnanteste und kühnste Ausdruck gegeben. So zog der „auf eignen Grund und Boden gegründete Mann“ hinaus in das Leben, dessen stürmische Wogen auch sein Lebenschifflein hart umspülen sollten. | Anfangs April 1777 bezog der jugendliche Studiosus, vom Rate in Nordhausen mit „guten Stipendien“ ausgestattet, die alma mater in Göttingen. Noch schlimmer als bei Heyne erging es ihm da aber bei dem Prorektor der Universität, dem berühmten Arzte Baidinger, als er von ihm verlangte, als Philologiae Studiosus eingeschrieben zu werden. Sich vor Lachen schüttelnd, meinte Seine Magnifizenz: Medicinae studiosos gebe es wohl, auch iuris und theologiae, ja selbst philosophiae. Aber ein Student der Philologie sei ihm in praxi noch nicht vorgekommen. Des Jünglings Beharrlichkeit siegte indessen über alle formalen Bedenken: Philologiae Studiosus — so lautet des jungen Friedrich August Wolf Matrikel vom 8. April 1777. Und dieses Datum bezeichnet zugleich den Geburtstag der Philologie überhaupt, denn damit wurde ihr als einem freien Studium, das seinen Zweck und seine Berechtigung in sich selbst trage, der prägnanteste und kühnste Ausdruck gegeben. So zog der „auf eignen Grund und Boden gegründete Mann“ hinaus in das Leben, dessen stürmische Wogen auch sein Lebenschifflein hart umspülen sollten. | ||
In seinen Studien blieb Wolf im allgemeinen Autodidakt: in den kostbaren Bücherschätzen der Universitätsbibliothek und in der reich ausgestatteten Privatbibliothek des Professors Lüder Kulenkamp fand sein umfassender vorwärtsstrebender Geist beste Nahrung. Der Besuch der Vorlesungen in den ersten 14 Tagen diente ihm nur zur Kenntnis der Quellen und Hülfsmittel seiner Disziplin. Aber auch außerhalb seines eigentlichen Studienfaches hörte er zahlreiche Vorlesungen, in denen ihn entweder Gelehrsamkeit oder Geist der Untersuchung anzogen. Infolge seines Interesses an der Kritik des Alten Testamentes bei Professor Michaelis wurde er mit einem Privatdozenten im orientalisch-philologischen Fache, Joh. Ohr. Wilhelm Diederichs aus Pyrmont, und einem Juristen, Heinrich Meurer aus den Nassau-Weilburgischen Landen freundschaftlich zusammengeführt. Seine Teilnahme an einem geselligen Abendzirkel brachte ihn ferner näher hervorragenden Persönlichkeiten wie Kästner, Lichtenberg und Kulenkamp. Dagegen wollte sich mit dem eigentlichen Fachvertreter, mit Professor Heyne, kein inneres Verhältnis anbahnen, ja Heyne war gerade ihm, der gleich einem Prometheus die Fackel der neuen Wissenschaft leuchtend in die Lande tragen sollte, in tiefstem Grunde abgeneigt. In seinem vierten Briefe an Heyne zieht Wolf selbst die Summe seiner Versuche, sich Heyne zu nähern: „... Genug, jene rauhe Begegnung (Ausschluß von einer Pindarvorlesung) war die vornehmste Ursache, warum ich das fernere Melden und Hören gänzlich aufgab, mich auf meine vorherige Studienart einschränkte und nicht einmal eine Stelle in dem philologischen Seminarium suchte, so ungern ich sie in ökonomischer Rücksicht entbehrte.“ Sein sich immer erweiternder Privatunterricht, in dem er Studierenden nicht nur lateinischen, griechischen und englischen Unterricht erteilte, sondern ihnen auch den Xenophon, Demosthenes und andere Schriftsteller erklärte, hatte bereits in den Professorenkreisen eine gewisse Sensation erregt, als ihm wider alles Erwarten ohne akademischen Grad, ohne Examen, ja ohne Mitglied des philologischen Seminars gewesen zu sein, von Heyne (vielleicht nach dem bekannten Rezepte des Promoveatur, ut amoveatur) eine Kollaboratorstelle am Kgl. Pädagogium in Ilfeld, dessen Kommissar Heyne war, und zugleich vom Professor der Theologie Joh. Peter Miller eine Hauslehrerstelle bei einem Wiener Reichshofrate angeboten wurden. Wolf entschied sich für Ilfeld und reichte Heyne als Beweis seiner Gelehrsamkeit eine Abhandlung unter dem Titel „Ketzereien über Homer“ ein. Da offenbar Heyne von dieser Leistung nicht sonderlich erbaut war, so sollte Wolf vor dem Ilfelder Rektor Carl Friedrich Meisner und den beiden älteren Lehrern eine Probelektion halten. Interessant ist Heynes Schreiben (30. August 1779) an Meisner: „. . . Der Mensch hat Fähigkeiten, aber sein Wesen gefällt mir nicht; jedoch darf das hier nicht | In seinen Studien blieb Wolf im allgemeinen Autodidakt: in den kostbaren Bücherschätzen der Universitätsbibliothek und in der reich ausgestatteten Privatbibliothek des Professors Lüder Kulenkamp fand sein umfassender vorwärtsstrebender Geist beste Nahrung. Der Besuch der Vorlesungen in den ersten 14 Tagen diente ihm nur zur Kenntnis der Quellen und Hülfsmittel seiner Disziplin. Aber auch außerhalb seines eigentlichen Studienfaches hörte er zahlreiche Vorlesungen, in denen ihn entweder Gelehrsamkeit oder Geist der Untersuchung anzogen. Infolge seines Interesses an der Kritik des Alten Testamentes bei Professor Michaelis wurde er mit einem Privatdozenten im orientalisch-philologischen Fache, Joh. Ohr. Wilhelm Diederichs aus Pyrmont, und einem Juristen, Heinrich Meurer aus den Nassau-Weilburgischen Landen freundschaftlich zusammengeführt. Seine Teilnahme an einem geselligen Abendzirkel brachte ihn ferner näher hervorragenden Persönlichkeiten wie Kästner, Lichtenberg und Kulenkamp. Dagegen wollte sich mit dem eigentlichen Fachvertreter, mit Professor Heyne, kein inneres Verhältnis anbahnen, ja Heyne war gerade ihm, der gleich einem Prometheus die Fackel der neuen Wissenschaft leuchtend in die Lande tragen sollte, in tiefstem Grunde abgeneigt. In seinem vierten Briefe an Heyne zieht Wolf selbst die Summe seiner Versuche, sich Heyne zu nähern: „... Genug, jene rauhe Begegnung (Ausschluß von einer Pindarvorlesung) war die vornehmste Ursache, warum ich das fernere Melden und Hören gänzlich aufgab, mich auf meine vorherige Studienart einschränkte und nicht einmal eine Stelle in dem philologischen Seminarium suchte, so ungern ich sie in ökonomischer Rücksicht entbehrte.“ Sein sich immer erweiternder Privatunterricht, in dem er Studierenden nicht nur lateinischen, griechischen und englischen Unterricht erteilte, sondern ihnen auch den Xenophon, Demosthenes und andere Schriftsteller erklärte, hatte bereits in den Professorenkreisen eine gewisse Sensation erregt, als ihm wider alles Erwarten ohne akademischen Grad, ohne Examen, ja ohne Mitglied des philologischen Seminars gewesen zu sein, von Heyne (vielleicht nach dem bekannten Rezepte des Promoveatur, ut amoveatur) eine Kollaboratorstelle am Kgl. Pädagogium in Ilfeld, dessen Kommissar Heyne war, und zugleich vom Professor der Theologie Joh. Peter Miller eine Hauslehrerstelle bei einem Wiener Reichshofrate angeboten wurden. Wolf entschied sich für Ilfeld und reichte Heyne als Beweis seiner Gelehrsamkeit eine Abhandlung unter dem Titel „Ketzereien über Homer“ ein. Da offenbar Heyne von dieser Leistung nicht sonderlich erbaut war, so sollte Wolf vor dem Ilfelder Rektor Carl Friedrich Meisner und den beiden älteren Lehrern eine Probelektion halten. Interessant ist Heynes Schreiben (30. August 1779) an Meisner: „. . . Der Mensch hat Fähigkeiten, aber sein Wesen gefällt mir nicht; jedoch darf das hier nicht entscheiden… . Ew. Hochedelgeboren ersuche ich, ihn nach aller Strenge zu prüfen und besonders darauf zu achten, wie weit Sie sich seiner Gelehrigkeit und Folgsamkeit versichert halten können.“ Bald darauf (8. September 1779) hielt Wolf in Ilfeld seine Probelektion, deren Themata er „auf ganz eigentümliche Weise“ behandelte. Noch am gleichen Tage berichtete Rektor Meisner an Heyne über seinen Eindruck dieser Lektion (Ovid. Met. H. 761—800 und Aelian V. H. XIV 24): „ . . . ich traue ihm alle Geschicklichkeit und Tüchtigkeit im wissenschaftlichen Vortrage zu, ein sehr guter Collaborator zu werden, wenn er will. Er scheint freilich etwas eine gute Meinung von sich zu haben, und da sie nicht ungegründet ist, so nehme ich ihm das so übel nicht, wenn sie ihn in der Folge nicht zum Mißbrauch verleitet. Sonst hat mir sein Wesen viel besser gefallen, als ich nach den von ihm aus seiner Vaterstadt erhaltenen Beschreibungen vermuten konnte. Bei der hiesigen Jugend, merke ich, hat er schon einiges Zutrauen gewonnen, und das ist zugleich Gewinnst an Ansehen, um auch den Teil seiner Pflichten, die die Disziplin betreffen, ohne viel Mühe und erziehungsmäßig erfüllen zu können …“ | ||
Auf Grund des Ministerialrescripts vom 21. Oktober 1779 kam Wolf am 27. Oktober nach Ilfeld, stellte sich am nächsten Tage dem Oberamtmann Wilhelm Christian von Wuellen, dem höchsten Beamten der Grafschaft Hohenstein und zugleich Administrator des Ilfelder Stiftsfonds, vor und ward am 29. Oktober um 10 Uhr vormittags in größerem Auditorium vom Direktor Meisner durch eine Rede „von den Pflichten der Lehrer“ feierlichst in sein Amt eingeführt. Die Handhabung der Disziplin im Kloster Ilfeld war auch damals nicht leicht. Kein Wunder daher, daß Wolf bei seinem jugendlichen Alter trotz „Perrücke und Tressenkleid“ in dieser Hinsicht keinen leichten Stand hatte, doch gewann er bald die richtige Position. In den zu behandelnden Disziplinariällen legte er ruhige Besonnenheit und äußerst taktvolles Vorgehen an den Tag; auch warnte er wiederholt in besonderen Voten vor allzu strenger Anwendung der Schulgesetze. Dagegen stellte er an die wissenschaftlichen Leistungen seiner Schüler mit Recht hohe Forderungen, wie sich aus seinen Gutachten bei Versetzungen deutlich ersehen läßt. Bei den Beratungen über die Auswahl eines Primus scholae (im Januar 1778) gab er folgendes interessante Votum ab: „Der Primus, den wir zu den Absichten, die durch ihn erreicht werden sollten, wünschten, ist freilich nicht da. Denn wenn ein bei gesetztem Wesen zugeich mit Kenntnissen vorzüglich versehener Scholar gesucht werden soll, so gestehe ich wenigstens, daß ich unter dem gegenwärtigen Coetus diesen nicht finden kann.“ Und wie er selbst tüchtige Schüler gern förderte, so drang er auch darauf, daß schwächeren Zöglingen von den Lehrern privatim geholfen werde. So ließ er selbst es sich angelegen sein, die drei ihm anvertrauten Scholaren in ihren Freistunden besonders zu beschäftigen und überhaupt über ihr ganzes Studium eine genaue Aufsicht zu führen, über dessen Fortgang er seinen Kollegen in der Konferenz zu berichten pflegte. Der Direktor Meisner war freilich der Ansicht, daß Wolf von seinen Schülern zu viel verlange, auch drückte ihn wohl die geistige Ueberlegen- heit des jungen Mannes, da er auf sein Ansehen als Direktor sehr eifersüchtig war. Auch Heyne scheint mit Wolfs Behandlungsart der Schriftsteller und der Scholaren nicht immer zufrieden gewesen zu sein, doch meinte Wolf: „ich sah bloß aufwallende Hitze, bittere Laune: schlimme Absichten sah ich nicht“ und schrieb eben damals zugleich dem berühmten Meister das stolze Wort von sich: „ich wandele nur meinen eigenen Weg.“ Doch erkannte er auch rühmend an, Heyne für seine Bearbeitung von Platons Gastmahl (am 16. Januar 1782 in Ilfeld abgeschlossen) „die besten Hülfsmittel von der göttingischen Bibliothek“ zu verdanken. Seine Konzentration auf das Symposion war aber eine Folge des „Schreibens Friedrich des Großen an den Etatsminister Freiherrn von Zedlitz“, das die Verbesserung des gelehrten Schulunterrichts besonders durch eine in rhetorischer und logischer Analyse mehr auf den Inhalt der alten Autoren gerichtete Interpretationsmethode bezweckte. Dieses Schreiben des großen Königs scheint ihn auch zur deutschen Erklärung veranlaßt zu haben. In seiner Vorrede gedachte er absichtlich des „Philosophen auf dem Throne und seines erleuchteten Staatsministers“; auch fehlte es nicht an einem Komplimente gegenüber dem Berliner Direktor Gedike, vermutlich in dem geheimen Wunsche, an einer preußischen Gelehrtenschule oder Universität wirken zu können, wobei auch der Gedanke an eine Heirat mit Sophia Hüpeden, der Tochter eines seiner Pathen, des Justizamtmanns Hüpeden zu Neustadt unterm Hohnstein mitgespielt haben mag. | Auf Grund des Ministerialrescripts vom 21. Oktober 1779 kam Wolf am 27. Oktober nach Ilfeld, stellte sich am nächsten Tage dem Oberamtmann Wilhelm Christian von Wuellen, dem höchsten Beamten der Grafschaft Hohenstein und zugleich Administrator des Ilfelder Stiftsfonds, vor und ward am 29. Oktober um 10 Uhr vormittags in größerem Auditorium vom Direktor Meisner durch eine Rede „von den Pflichten der Lehrer“ feierlichst in sein Amt eingeführt. Die Handhabung der Disziplin im Kloster Ilfeld war auch damals nicht leicht. Kein Wunder daher, daß Wolf bei seinem jugendlichen Alter trotz „Perrücke und Tressenkleid“ in dieser Hinsicht keinen leichten Stand hatte, doch gewann er bald die richtige Position. In den zu behandelnden Disziplinariällen legte er ruhige Besonnenheit und äußerst taktvolles Vorgehen an den Tag; auch warnte er wiederholt in besonderen Voten vor allzu strenger Anwendung der Schulgesetze. Dagegen stellte er an die wissenschaftlichen Leistungen seiner Schüler mit Recht hohe Forderungen, wie sich aus seinen Gutachten bei Versetzungen deutlich ersehen läßt. Bei den Beratungen über die Auswahl eines Primus scholae (im Januar 1778) gab er folgendes interessante Votum ab: „Der Primus, den wir zu den Absichten, die durch ihn erreicht werden sollten, wünschten, ist freilich nicht da. Denn wenn ein bei gesetztem Wesen zugeich mit Kenntnissen vorzüglich versehener Scholar gesucht werden soll, so gestehe ich wenigstens, daß ich unter dem gegenwärtigen Coetus diesen nicht finden kann.“ Und wie er selbst tüchtige Schüler gern förderte, so drang er auch darauf, daß schwächeren Zöglingen von den Lehrern privatim geholfen werde. So ließ er selbst es sich angelegen sein, die drei ihm anvertrauten Scholaren in ihren Freistunden besonders zu beschäftigen und überhaupt über ihr ganzes Studium eine genaue Aufsicht zu führen, über dessen Fortgang er seinen Kollegen in der Konferenz zu berichten pflegte. Der Direktor Meisner war freilich der Ansicht, daß Wolf von seinen Schülern zu viel verlange, auch drückte ihn wohl die geistige Ueberlegen- heit des jungen Mannes, da er auf sein Ansehen als Direktor sehr eifersüchtig war. Auch Heyne scheint mit Wolfs Behandlungsart der Schriftsteller und der Scholaren nicht immer zufrieden gewesen zu sein, doch meinte Wolf: „ich sah bloß aufwallende Hitze, bittere Laune: schlimme Absichten sah ich nicht“ und schrieb eben damals zugleich dem berühmten Meister das stolze Wort von sich: „ich wandele nur meinen eigenen Weg.“ Doch erkannte er auch rühmend an, Heyne für seine Bearbeitung von Platons Gastmahl (am 16. Januar 1782 in Ilfeld abgeschlossen) „die besten Hülfsmittel von der göttingischen Bibliothek“ zu verdanken. Seine Konzentration auf das Symposion war aber eine Folge des „Schreibens Friedrich des Großen an den Etatsminister Freiherrn von Zedlitz“, das die Verbesserung des gelehrten Schulunterrichts besonders durch eine in rhetorischer und logischer Analyse mehr auf den Inhalt der alten Autoren gerichtete Interpretationsmethode bezweckte. Dieses Schreiben des großen Königs scheint ihn auch zur deutschen Erklärung veranlaßt zu haben. In seiner Vorrede gedachte er absichtlich des „Philosophen auf dem Throne und seines erleuchteten Staatsministers“; auch fehlte es nicht an einem Komplimente gegenüber dem Berliner Direktor Gedike, vermutlich in dem geheimen Wunsche, an einer preußischen Gelehrtenschule oder Universität wirken zu können, wobei auch der Gedanke an eine Heirat mit Sophia Hüpeden, der Tochter eines seiner Pathen, des Justizamtmanns Hüpeden zu Neustadt unterm Hohnstein mitgespielt haben mag. | ||
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Schon in seinem Begleitschreiben zu seiner Immediateingabe vom 19. September 1807 an Beyme sprach Wolf den Wunsch aus, nicht als gewöhnlicher Universitätsprofessor einzutreten, sondern in der Eigenschaft eines lesenden Mitgliedes der Akademie (der Wissenschaften), also als Professor honorarius. Schon damals schrieb Fichte über ihn an Beyme (Berlin, den 3. Oktober 1807): „Er scheint überhaupt sich nicht gern zu einer planmäßigen Tätigkeit bequemen zu wollen, sondern es mehr zu lieben, wie ein Freiherr zu treiben, was ihm eben einfällt und wenn es ihm einfällt.“ Nach mancherlei Verhandlungen erhielt Wolf in einer Kabinettsverfügung vom 20. Juni 1808 die Aufforderung, dem Freiherrn von Stein, der am 30. September 1807 an die Spitze des preußischen Ministeriums getreten war, seine Vorschläge einzureichen, „auf welchem Wege er jetzt bis zu anderweitiger Bestimmung seine gelehrte Tätigkeit mit einer praktischen Beschäftigung nützlich vereinigen zu können glaube.“ Durch ein Kabinettschreiben vom 14. Oktober 1808 wurde ihm der außerordentliche Auftrag erteilt, die durch den Tod des Direktors (der philosophisch-historischen Klasse in der Akademie der Wissenschaften) Merian erledigte Stelle eines Visitators des Joachimstalschen Gymnasiums einstweilen zu versehen. Wolf ging mit gutem Mute an das ihm aufgetragene Geschäft und war in gehobener Stimmung: „Mein hiesiges Loos ist durch Herrn von Stein, bei dem ich hier manche sehr erfreuliche Stunde genoß, gar sehr verbessert worden, und so der Gedanke jeder Auswanderung (ein Ruf nach Landshut blieb unbeachtet!) verbannt. Wie wunderbar liefen doch die Schicksale, besonders seit der Zeit, wo ich mehr durch Ihre (d. h. Johannes von Müller) als irgend jemandes Aufmunterung gereizt das vorige Nest (Halle) verließ“ (Schreiben an Johannes von Müller vom 8. September 1808). Infolge der Neuordnung der obersten Staatsbehörden der preußischen Monarchie (auf Grund des Publikan- dum vom 16. Dezember 1808) sollte der öffentliche Unterricht unter unmittelbarer Leitung des Sektionschefs stehen. Für diese einflußreiche Stellung war Wolfs vieljähriger Freund und nun Geheime Staatsrat Wilhelm von Humboldt ausersehen. Seinem neuen Chef reichte Wolf als Visitator am 18. Februar 1809 einen umfassenden Bericht über das Joachimsthalsche Gymnasium ein (siehe Näheres Arnoldt I S. 143 ff.). „Ihr Bericht, mein teurer Freund“, so schreibt W. von Humboldt am 24. Februar an Wolf, „ist vortrefflich, frei, wie sonst in diesen Dingen selten gesprochen worden ist; dabei schonend und fein, und so, daß er sehen läßt, daß die Anstalt noch mehr, als Sie es geradezu sagen, Hauptreformen bedarf. Ich werde eilen, ihn gleich nach Königsberg zu schicken.“ Und zugleich bemühte sich Humboldt darum, das Verhältnis Wolfs als Visitators zum Joachimsthalschen Schuldirektorium und die Stellung dieses Direktoriums zum Ministerium aufs genaueste zu bestimmen (vgl. seine Eingabe an den Minister des Innern, Grafen zu Dohna-Schlobitten vom 28. Februar 1809). Infolgedessen bestimmte die Kabinettsordre vom 24. März 1809, daß der Visitator G. R. Wolf als Mitglied jenes Direktoriums demselben nicht subordiniert, sondern coordiniert sein solle, sodaß ihm die Verwaltung der inneren Angelegenheiten (Unterricht und Disziplin) anvertraut würde, und er in Ansehung derselben von keiner Behörde als der Sektion des öffentlichen Unterrichts abhänge.“ Dieses Joachimsthalsche Visitatoriat blieb zunächst Wolfs einzige praktische Betätigung. Aber die Staatsregierung wünschte ihm einen erheblich weiteren seiner Kraft und Neigung entsprechenden Wirkungskreis zu verschaffen, und so ersuchte der Minister des Innern, Graf zu Dohna, (Königsberg, 24. Januar 1809) Wolf, er solle W. von Humboldt in Berlin seine Ideen wegen einer bestimmten Anstellung mitteilen. Infolgedessen schrieb Wolf (Anfang Februar) an Humboldt, er werde gern alles übernehmen, wenn nur die Umstände, unter denen er etwas leisten solle, eine freie Wirksamkeit möglich machten. Auf Grund eines Berichtes Humboldts zeigte der Staatsrat Nicolovius dem Minister am 16. Februar an, daß Wolf sich bereit erklärt habe, „teils an der beabsichtigten Universität zu Berlin als Lehrer nicht nur, sondern auch als Direktor des philologisch-pädagogischen Seminariums, teils an der Akademie der Wissenschaften, teils in einem der mit der Sektion des öffentlichen Unterrichts zu verbindenden wissenschaftlichen Kollegien, teils endlich als Oberaufseher der Gelehrtenschulen in Berlin dem Staate mit seinen ausgebreiteten und tiefen Kenntnissen und seiner Geschicklichkeit noch ferner nützlich zu bleiben.“ Im April 1809 begab sich Humboldt selbst nach Königsberg, wo er die Wolfen gebührende Rücksicht nicht bloß bei dem Minister des Innern, sondern auch bei der Majestät des Königs in geeigneter Weise geltend zu machen wußte. Seinem Freunde aber schrieb er (Juni 1809) u. a.: „. . . Dir Beruf sind große gelehrte Arbeiten; Sie sind so gesetzt (3000 Thaler Gehalt!), daß Sie vollkommene Muße haben ... Unternehmen Sie irgend eine Arbeit . . . und schließen Sie mich, wie bisher, in Ihr inniges und liebevolles Vertrauen ein. Aber machen Sie ja, daß es nicht heiße, ich mache Sie, indem ich Sie hier fixiere, untätig für die Wissenschaft.“ | Schon in seinem Begleitschreiben zu seiner Immediateingabe vom 19. September 1807 an Beyme sprach Wolf den Wunsch aus, nicht als gewöhnlicher Universitätsprofessor einzutreten, sondern in der Eigenschaft eines lesenden Mitgliedes der Akademie (der Wissenschaften), also als Professor honorarius. Schon damals schrieb Fichte über ihn an Beyme (Berlin, den 3. Oktober 1807): „Er scheint überhaupt sich nicht gern zu einer planmäßigen Tätigkeit bequemen zu wollen, sondern es mehr zu lieben, wie ein Freiherr zu treiben, was ihm eben einfällt und wenn es ihm einfällt.“ Nach mancherlei Verhandlungen erhielt Wolf in einer Kabinettsverfügung vom 20. Juni 1808 die Aufforderung, dem Freiherrn von Stein, der am 30. September 1807 an die Spitze des preußischen Ministeriums getreten war, seine Vorschläge einzureichen, „auf welchem Wege er jetzt bis zu anderweitiger Bestimmung seine gelehrte Tätigkeit mit einer praktischen Beschäftigung nützlich vereinigen zu können glaube.“ Durch ein Kabinettschreiben vom 14. Oktober 1808 wurde ihm der außerordentliche Auftrag erteilt, die durch den Tod des Direktors (der philosophisch-historischen Klasse in der Akademie der Wissenschaften) Merian erledigte Stelle eines Visitators des Joachimstalschen Gymnasiums einstweilen zu versehen. Wolf ging mit gutem Mute an das ihm aufgetragene Geschäft und war in gehobener Stimmung: „Mein hiesiges Loos ist durch Herrn von Stein, bei dem ich hier manche sehr erfreuliche Stunde genoß, gar sehr verbessert worden, und so der Gedanke jeder Auswanderung (ein Ruf nach Landshut blieb unbeachtet!) verbannt. Wie wunderbar liefen doch die Schicksale, besonders seit der Zeit, wo ich mehr durch Ihre (d. h. Johannes von Müller) als irgend jemandes Aufmunterung gereizt das vorige Nest (Halle) verließ“ (Schreiben an Johannes von Müller vom 8. September 1808). Infolge der Neuordnung der obersten Staatsbehörden der preußischen Monarchie (auf Grund des Publikan- dum vom 16. Dezember 1808) sollte der öffentliche Unterricht unter unmittelbarer Leitung des Sektionschefs stehen. Für diese einflußreiche Stellung war Wolfs vieljähriger Freund und nun Geheime Staatsrat Wilhelm von Humboldt ausersehen. Seinem neuen Chef reichte Wolf als Visitator am 18. Februar 1809 einen umfassenden Bericht über das Joachimsthalsche Gymnasium ein (siehe Näheres Arnoldt I S. 143 ff.). „Ihr Bericht, mein teurer Freund“, so schreibt W. von Humboldt am 24. Februar an Wolf, „ist vortrefflich, frei, wie sonst in diesen Dingen selten gesprochen worden ist; dabei schonend und fein, und so, daß er sehen läßt, daß die Anstalt noch mehr, als Sie es geradezu sagen, Hauptreformen bedarf. Ich werde eilen, ihn gleich nach Königsberg zu schicken.“ Und zugleich bemühte sich Humboldt darum, das Verhältnis Wolfs als Visitators zum Joachimsthalschen Schuldirektorium und die Stellung dieses Direktoriums zum Ministerium aufs genaueste zu bestimmen (vgl. seine Eingabe an den Minister des Innern, Grafen zu Dohna-Schlobitten vom 28. Februar 1809). Infolgedessen bestimmte die Kabinettsordre vom 24. März 1809, daß der Visitator G. R. Wolf als Mitglied jenes Direktoriums demselben nicht subordiniert, sondern coordiniert sein solle, sodaß ihm die Verwaltung der inneren Angelegenheiten (Unterricht und Disziplin) anvertraut würde, und er in Ansehung derselben von keiner Behörde als der Sektion des öffentlichen Unterrichts abhänge.“ Dieses Joachimsthalsche Visitatoriat blieb zunächst Wolfs einzige praktische Betätigung. Aber die Staatsregierung wünschte ihm einen erheblich weiteren seiner Kraft und Neigung entsprechenden Wirkungskreis zu verschaffen, und so ersuchte der Minister des Innern, Graf zu Dohna, (Königsberg, 24. Januar 1809) Wolf, er solle W. von Humboldt in Berlin seine Ideen wegen einer bestimmten Anstellung mitteilen. Infolgedessen schrieb Wolf (Anfang Februar) an Humboldt, er werde gern alles übernehmen, wenn nur die Umstände, unter denen er etwas leisten solle, eine freie Wirksamkeit möglich machten. Auf Grund eines Berichtes Humboldts zeigte der Staatsrat Nicolovius dem Minister am 16. Februar an, daß Wolf sich bereit erklärt habe, „teils an der beabsichtigten Universität zu Berlin als Lehrer nicht nur, sondern auch als Direktor des philologisch-pädagogischen Seminariums, teils an der Akademie der Wissenschaften, teils in einem der mit der Sektion des öffentlichen Unterrichts zu verbindenden wissenschaftlichen Kollegien, teils endlich als Oberaufseher der Gelehrtenschulen in Berlin dem Staate mit seinen ausgebreiteten und tiefen Kenntnissen und seiner Geschicklichkeit noch ferner nützlich zu bleiben.“ Im April 1809 begab sich Humboldt selbst nach Königsberg, wo er die Wolfen gebührende Rücksicht nicht bloß bei dem Minister des Innern, sondern auch bei der Majestät des Königs in geeigneter Weise geltend zu machen wußte. Seinem Freunde aber schrieb er (Juni 1809) u. a.: „. . . Dir Beruf sind große gelehrte Arbeiten; Sie sind so gesetzt (3000 Thaler Gehalt!), daß Sie vollkommene Muße haben ... Unternehmen Sie irgend eine Arbeit . . . und schließen Sie mich, wie bisher, in Ihr inniges und liebevolles Vertrauen ein. Aber machen Sie ja, daß es nicht heiße, ich mache Sie, indem ich Sie hier fixiere, untätig für die Wissenschaft.“ | ||
Allein auch Wolf gehörte nicht zu denen, die im Gegensätze zur Masse in der neuen Ordnung der Dinge ein erneutes Leben beginnen können. Auf seine Befürchtungen über die Lage des Staates hin sprach sich Humboldt wiederholt aus:,,. . . Niemand kann die Zukunft enträtseln. Aber ich weiß nicht, ich habe einen vielleicht manchem wunderbar scheinenden Mut. Lassen Sie uns nur mit Raschheit | Allein auch Wolf gehörte nicht zu denen, die im Gegensätze zur Masse in der neuen Ordnung der Dinge ein erneutes Leben beginnen können. Auf seine Befürchtungen über die Lage des Staates hin sprach sich Humboldt wiederholt aus:,,. . . Niemand kann die Zukunft enträtseln. Aber ich weiß nicht, ich habe einen vielleicht manchem wunderbar scheinenden Mut. Lassen Sie uns nur mit Raschheit fortarbeiten… (Königsberg, den 14. Juli 1809). „Man muß auch am Rande des Abgrundes das Gute nicht aufgeben. Ich arbeite mit ununterbrochenem Eifer fort (Königsberg, den 28. Juli 1809). „Die Gegenwart ist eine große Göttin, und selten spröde gegen den, der sie mit einem gewissen heiteren Mute behandelt.“ (Erfurt, Weihnachtsabend 1809). | ||
Besonders viel wurde die Frage über Wolfs Stellung als Direktors der wissenschaftlichen Deputation bei der Sektion des öffentlichen Unterrichts erörtert. Der Direktor der Deputation sollte zugleich Mitglied der Sektion sein, ihren Sitzungen beiwohnen und an allen ihren Beratungen teilnehmen. Er sollte ferner hierin durchaus gleiche Rechte mit den Staatsräten haben und mit ihnen lediglich nach der Anciennität rangieren. Auch wenn in den Deputationssitzungen der Chef der Sektion selbst zugegen wäre, so sollte doch allein der Direktor das Präsidium führen und alle Ausfertigungen und offiziellen Schreiben der Deputation allein unterzeichnen. Das bedeutete offenbar die Huldigung, die Humboldt der Idee der philologischen Wissenschaft darbrachte. Er hatte ihr einen Thron bereitet: das Direktorat der Wissenschaftlichen Deputation, von dem die Herrschaft über das pädagogische Reich ausgehen sollte, und er wollte nun den König seiner Ideale auf diesen Thron setzen. In dieser Stellung würde in der Tat Wolf in weit höherem Sinne als S ü v e r n das höhere Schulwesen gefördert haben, wenn er eben den Gelehrten mit dem Geschäftsmann zu vereinigen gewußt hätte. Allein er besaß die gefährliche Neigung, die ihm eigentümliche Sphäre, „die Fortifikationslinien seines Daseins“ zu überspringen. Denn unbefriedigt von dem bescheidenen Lose des Gelehrten, wollte er ein hoher Staatsbeamter werden. Und den über die Verzögerung seiner Anstellung Unmutigen weiß der getreue Freund, ein Heros von Geduld, immer wieder zu trösten: ,,.... Ich schmeichle mir,“ so schreibt Humboldt aus Königsberg den 20. November 1809, „daß Sie finden werden, daß ich mit der Treue und Freundschaft, die ich immer für Sie hege, Ihre Lage so bereitet, so in nahe Verbindung mit mir gebracht, und zugleich so frei und mobil erhalten habe, daß sie Ihnen nie einen Augenblick drückend werden kann. Indes bleiben Sie immer durchaus frei | Besonders viel wurde die Frage über Wolfs Stellung als Direktors der wissenschaftlichen Deputation bei der Sektion des öffentlichen Unterrichts erörtert. Der Direktor der Deputation sollte zugleich Mitglied der Sektion sein, ihren Sitzungen beiwohnen und an allen ihren Beratungen teilnehmen. Er sollte ferner hierin durchaus gleiche Rechte mit den Staatsräten haben und mit ihnen lediglich nach der Anciennität rangieren. Auch wenn in den Deputationssitzungen der Chef der Sektion selbst zugegen wäre, so sollte doch allein der Direktor das Präsidium führen und alle Ausfertigungen und offiziellen Schreiben der Deputation allein unterzeichnen. Das bedeutete offenbar die Huldigung, die Humboldt der Idee der philologischen Wissenschaft darbrachte. Er hatte ihr einen Thron bereitet: das Direktorat der Wissenschaftlichen Deputation, von dem die Herrschaft über das pädagogische Reich ausgehen sollte, und er wollte nun den König seiner Ideale auf diesen Thron setzen. In dieser Stellung würde in der Tat Wolf in weit höherem Sinne als S ü v e r n das höhere Schulwesen gefördert haben, wenn er eben den Gelehrten mit dem Geschäftsmann zu vereinigen gewußt hätte. Allein er besaß die gefährliche Neigung, die ihm eigentümliche Sphäre, „die Fortifikationslinien seines Daseins“ zu überspringen. Denn unbefriedigt von dem bescheidenen Lose des Gelehrten, wollte er ein hoher Staatsbeamter werden. Und den über die Verzögerung seiner Anstellung Unmutigen weiß der getreue Freund, ein Heros von Geduld, immer wieder zu trösten: ,,.... Ich schmeichle mir,“ so schreibt Humboldt aus Königsberg den 20. November 1809, „daß Sie finden werden, daß ich mit der Treue und Freundschaft, die ich immer für Sie hege, Ihre Lage so bereitet, so in nahe Verbindung mit mir gebracht, und zugleich so frei und mobil erhalten habe, daß sie Ihnen nie einen Augenblick drückend werden kann. Indes bleiben Sie immer durchaus frei …“ Und seinem grillenhaften Ehrgeize, Staatsrat zu werden, tritt Humboldt freundlichmild entgegen (vgl. sein Schreiben aus Erfurt vom 11. Januar | ||
1810): | 1810): „… Aber, mein Bester, da wären Sie sehr schlecht beraten gewesen, die Wissenschaft und die Universität ebensosehr, ...........Fragen Sie nur Süvern, ob er den ganzen Sommer hindurch hat etwas für sich tun können .... Sie hätten gar keine oder äußerst wenig Zeit, und würden vor Ekel und Verdruß bald ausgeschieden sein . . . Ich dagegen (d. h. im Gegensätze zu Steins Plan) habe Ihnen Ihr Gehalt gesichert, auch wenn Sie eigentlich nichts tun; ich habe Ihnen eine dem Wesen nach viel ansehnlichere Stelle als die eines bloßen Staatsrates, eine Direktion gegeben, und Sie in die Sektion mit völlig gleichem Range eines Staatsrats gesetzt … Wer. mein Lieber, hat nun besser für Sie gesorgt, Stein oder ich? Jeder Unparteiische mag selbst entscheiden. Ein Gelehrter, wie Sie, muß nicht Staatsrat sein, er muß es im eigentlichsten Verstände unter sich halten. Als Titel muß er es verschmähen, und mit vollen Geschäften sich nicht auf bürden lassen.“ Aber schon am 27. Januar 1810 machte Wolf seinem unmutigen Herzen aufs neue Luft. Auf diese Vorwürfe antwortete Humboldt am 30. Januar mit unsäglicher Langmut und in echtester Freundestreue: „… Wegen der Verdienste, die Ihnen niemand je streitig macht, habe ich darauf gedacht, Ihnen den ehrenvollsten Posten, den ich für einen Gelehrten zu vergeben hatte, zu erteilen (d. h. den des Direktors der Wissenschaftlichen Deputation)............. aber daß es mir auch persönlich | ||
wehe tut, wenn ich sehe, daß eine, wie es mir scheint, vorgefaßte Meinung über einen bloßen Titel, Sie, der Sie in jeder Rücksicht so trefflich sind, hindert, mit uns gemeinschaftliche Sache zu machen............, — das können Sie mir nun einmal | wehe tut, wenn ich sehe, daß eine, wie es mir scheint, vorgefaßte Meinung über einen bloßen Titel, Sie, der Sie in jeder Rücksicht so trefflich sind, hindert, mit uns gemeinschaftliche Sache zu machen............, — das können Sie mir nun einmal | ||
nicht verargen und werden es nicht tun . . .“ Wirklich erklärte sich nun Wolf im Februar mit mancherlei Umschweifen zur Annahme der Stellung bereit. Tatsächlich aber hat er die Geschäfte überhaupt nicht übernommen. Denn schon im März machte er seinen ungünstigen Gesundheitszustand geltend. Er trat zurück und blieb fortan — nach dem Reglement — außerordentliches Mitglied der Deputation. Humboldt aber schrieb ihm am 10. April 1810 u. a. | nicht verargen und werden es nicht tun . . .“ Wirklich erklärte sich nun Wolf im Februar mit mancherlei Umschweifen zur Annahme der Stellung bereit. Tatsächlich aber hat er die Geschäfte überhaupt nicht übernommen. Denn schon im März machte er seinen ungünstigen Gesundheitszustand geltend. Er trat zurück und blieb fortan — nach dem Reglement — außerordentliches Mitglied der Deputation. Humboldt aber schrieb ihm am 10. April 1810 u. a. „… Ihre Krankheit, liebster Wolf, hat Sie trübsehender gemacht, als Sie sonst sind. Muße und Ruhe werden Ihnen Ihre frühere Heiterkeit wiedergeben. Kommt noch, was ich so sehr wünsche, eine litterarische Arbeit hinzu, so werden Sie sich wieder glücklicher fühlen: Glauben Sie es mir, ein Geist, wie der Ihrige, bedarf einer starken, kräftigen, ihn ganz in Anspruch nehmenden Beschäftigung. Eine solche ist in unsern Geschäften nicht …“ Humboldts eigene Differenzen mit dem Staatsministerium führten indes zu seiner Entlassung. Sein Scheiden aber wurde allgemein bedauert, und auch er selbst wußte, daß er Bleibendes geschaffen hatte. „Ich hatte,“ so sagt er rückblickend nicht ohne Wehmut, „einen allgemeinen Plan gemacht, der von der kleinsten Schule an bis zur Universität alles umfaßte, und in dem alles ineinandergriff, ich war in jedem Teil desselben zu Hause, ich nahm mich des kleinsten wie des größten, ohne Vorliebe, mit gleicher Tätigkeit an, ich ließ mich durch keine Schwierigkeit abschrecken; wo ich für eine Sache augenblicklich schlechterdings nichts tun konnte, wandte ich mich sogleich auf eine andere; ich hatte, wie die wirkliche Niedergeschlagenheit bei meinem Abgang beweist, allgemeines Vertrauen.“ | ||
Wolf aber erhielt vom Ministerium Allenstein die Aufforderung, „nunmehr selbst zu bestimmen, in welche Verbindung er mit der Universität zu treten wünsche, und die Vorlesungen anzugeben, die er im bevorstehenden Winter zu halten gesonnen sei.“ Seine Anschauung darüber ging dahin (vgl. seine Antwort aus Wien den 4. September 1810), daß es den Mitgliedern der Königlichen Akademie der Wissenschaften vergönnt sein würde, auf gleiche Weise wie die eigentlichen Glieder der Universität Vorlesungen zu halten. Auf die Aufforderung der Sektion (vom 1. November 1810) eine bestimmte, unumwundene Erklärung abzugeben, blieb Wolf (am 8. Novbr.) bei seinem Wunsche, „an der neuen Universität n i c h t als Professor Ordinarius oder als Glied einer Fakultät“ in Funktion zu treten, sondern „in der Qualität eines Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften lesen zu dürfen und s o im Lektionsverzeichnisse aufgeführt zu werden.“ Die Entscheidung fiel schließlich dahin aus, daß Wolf mit seinen Vorlesungen seit Ostern 1811 nicht mehr unter den ordentlichen Professoren, sondern unter den Sodales der Königlichen Akademie der Wissenschaften aufgeführt wurde. Darin sah er aber ein Werk bürokratischer Chikane und ließ sich von dem Unmut darüber derart beherrschen, daß er der Akademie der Wissenschaften entgelten ließ, was nach seiner Meinung das Departement des Kultus an ihm verschuldet hatte. Wolfs Streben war von vornherein darauf gerichtet gewesen, in allererster Linie als Akademiker (d. h. als Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften) eine Stellung sich zu gründen. Deshalb hatte er schon am 5. Februar 1809 seinem Freunde Humboldt seine Wünsche dargelegt: „ | Wolf aber erhielt vom Ministerium Allenstein die Aufforderung, „nunmehr selbst zu bestimmen, in welche Verbindung er mit der Universität zu treten wünsche, und die Vorlesungen anzugeben, die er im bevorstehenden Winter zu halten gesonnen sei.“ Seine Anschauung darüber ging dahin (vgl. seine Antwort aus Wien den 4. September 1810), daß es den Mitgliedern der Königlichen Akademie der Wissenschaften vergönnt sein würde, auf gleiche Weise wie die eigentlichen Glieder der Universität Vorlesungen zu halten. Auf die Aufforderung der Sektion (vom 1. November 1810) eine bestimmte, unumwundene Erklärung abzugeben, blieb Wolf (am 8. Novbr.) bei seinem Wunsche, „an der neuen Universität n i c h t als Professor Ordinarius oder als Glied einer Fakultät“ in Funktion zu treten, sondern „in der Qualität eines Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften lesen zu dürfen und s o im Lektionsverzeichnisse aufgeführt zu werden.“ Die Entscheidung fiel schließlich dahin aus, daß Wolf mit seinen Vorlesungen seit Ostern 1811 nicht mehr unter den ordentlichen Professoren, sondern unter den Sodales der Königlichen Akademie der Wissenschaften aufgeführt wurde. Darin sah er aber ein Werk bürokratischer Chikane und ließ sich von dem Unmut darüber derart beherrschen, daß er der Akademie der Wissenschaften entgelten ließ, was nach seiner Meinung das Departement des Kultus an ihm verschuldet hatte. Wolfs Streben war von vornherein darauf gerichtet gewesen, in allererster Linie als Akademiker (d. h. als Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften) eine Stellung sich zu gründen. Deshalb hatte er schon am 5. Februar 1809 seinem Freunde Humboldt seine Wünsche dargelegt: „ … Bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften allhier möchte ich immerhin meinen seitherigen Platz behaupten, falls mit der Akademie keine Veränderung vorginge, sonst aber mir auf eine der ersteren Stellen Hoffnung machen dürfen, als auf die eines Direktors der philologischen Klasse, überhaupt unter denen zu sein, die auf zweckmäßige Reform der Akademie wirken werden.“ Als aber die ohne seine Anteilnahme entworfenen Statuten der Akademie der Wissenschaften vom 24. Januar 1812 in Wirksamkeit getreten waren, erklärte Wolf (11. März 1812), er wisse nicht, wiefern es möglich sei an einer solchen Tätigkeit in der Akademie, wie in den Statuten beschrieben werde, teilzunehmen und deshalb, wenn es erforderlich sei, darüber bei erster Gelegenheit sich erklären würde.“ Diese Erklärung gab er aber (am 8. April) dahin ab, daß jetzt, wo er „gegen Wunsch und Neigung zur Tätigkeit eines ordentlichen Professors verpflichtet worden, von seiner Seite weder auf die den neuen Statuten gemäßen Verrichtungen noch auf ein regelmäßiges Lesen von Memoiren zu rechnen sei …“ Diese Erklärung betrachtete die Akademie als freiwilligen Austritt und beantragte über sein Jahresgehalt von 900 Talern anderweitig disponieren zu können. Gegen letzteren Antrag erhob jedoch Wolf berechtigten Protest, ward aber als „Ehrenmitglied“ in dem Verzeichnis der Mitglieder und Korrespondenten der Akademie vom 3. Juli 1812 aufgeführt. In der Folgezeit war aber eine Annäherung zwischen ihm und der Akademie so wenig erfolgt, daß noch in den Jahren 1816 und 1817 Schuckmann als Minister des Innern sogar diese seine Ehrenmitgliedschaft in Schutz nehmen mußte. Wolf beschränkte aber seine amtliche Tätigkeit auf seine Universitätsvorlesungen, doch gelang es ihm nicht wieder, sein ganz hervorragendes Lehrtalent in den alten Schwung zu bringen, zumal er unlustig und nach und nach auch sehr unregelmäßig las. Dies hatte aber hauptsächlich darin seinen Grund, daß seine Berufsfreudigkeit unheilbar gebrochen war, da er, mißvergnügt und mit aller Welt zerfallen, immer tiefer in seinen Widerspruchsgeist, den Geist der Verneinung hineingeriet, einen Geist, der Goethe so unangenehm berührte. Und über die gleiche Beobachtung schrieb Goethe nach einem Besuche Wolfs in Tennstädt aufs neue an Zelter (28. August 1816): „Wolf hat sich auf die seltsamste Weise dem Widerspruch ergeben, daß er alles, was dasteht, hartnäckig verneint und einen, ob man gleich darauf gefaßt ist, zur Verzweiflung treibt. Eine solche Unart wächst von Jahr zu Jahr und macht seinen Umgang, der so belehrend und förderlich sein könnte, unnütz und unverträglich; ja man wird zuletzt von gleicher Tollheit angesteckt, daß man ein Vergnügen findet, das Umgekehrte zu sagen von dem, was man denkt. Man kann sich vorstellen, was dieser Mann als Lehrer in früherer Zeit trefflich muß gewirkt haben, da es ihm Freude machte, tüchtig positiv zu sein.“ Kein Wunder daher, daß infolge solcher Seelenstimmung auch der Ertrag seiner wissenschaftlichen Arbeiten in Berlin gering war. Von den Uebersetzungen als einem schönen Spiel nimmt die Nachdichtung der „Wolken“ des Aristophanes (1811) den ersten Platz ein. Der Kern seiner Uebersetzungs- theorie besteht darin, daß die Uebertragung eine Nachbildung sein müsse, worin Stoff und Form dergestalt sich durchdringen, daß dem Kenner ein völlig gleicher Genuß wie durch die Urschrift ohne irgendeine Störung bereitet würde. Und oft genug hat er dabei den übertriebenen Purismus verworfen und aus dem Wesen aller Sprache nachgewiesen, daß keine sich völlig abschließen lasse, noch auf ihren alleinigen Füßen stehe. Von jener „herrlichen Uebertragung“ urteilt aber J. 0. Droys en als berufener Kenner: Wolfs ausgeprägte und dem Klassischen merkwürdig verwandte Eigentümlichkeit, die kecke Grandiosität seiner Laune und die attische Kühnheit seines allseitig beweglichen und freien Sinnes habe sich nirgends anziehender und imponierender abspiegeln können als eben in den deutschen „Wollten.“ Wenn damals Wolf in resignierter Stimmung auch seine wissenschaftliche Laufbahn für abgeschlossen erklärte, so zeigt doch die folgende Zeit, daß er ein besonders reges Interesse für die Pädagogik an den Tag legte. So hat er zahlreiche Arbeiten zu der am 12. Oktober 1812 veröffentlichten Abiturientenprüfungsinstruktion geliefert. Freilich war darin sein Ton voll Bitterkeit, insbesondere gegen Süvern, dem die Abfassung des Reglements nach seiner amtlichen Stellung oblag, und das scheint auch Schuckmann verstimmt zu haben. Dennoch wurde er (1812) von dem Departement für den Kultus und öffentlichen Unterricht über eine „Anweisung über die Einrichtung der öffentlichen allgemeinen Schulen im preußischen Staate“ zu Rate gezogen. Und sein Gutachten über Süverns Entwurf „die Unterrichtsverfassung der Gymnasien und Stadtschulen betreffend“ war freundlich gehalten (13. Januar 1812). Vielleicht ist an der Wandlung seiner Gesinnung gegenüber seinem einstigen Schüler W. von Humboldt nicht ohne Einfluß gewesen. Denn wiederholt griff er begütigend ein und verfehlte nicht auf Süverns unleugbare Verdienste hinzuweisen: man dürfe ihn nicht nur als Philologen betrachten, sondern er habe auch über Pädagogik und den philosophischen Teil des Erziehungsfaches äußerst gut durchdachte und selbst neue Ideen. In der Tat faßte Süvern, neben Humboldt (Wolf saß gleich dem zürnenden Achill abseits) unzweifelhaft der geistreichste und tätigste Kopf der Sektion, in dessen Leben sich die schöne Welt des Neuhumanismus mit der aktiven Philosophie eines Fichte aufs innigste vermählte, immer die Dinge vom hohen Standpunkte der Idee, immer aber wußte er auch die Individualität der Wirklichkeit zu schonen und so die Verfügungen zu lebenweckenden Maßregeln zu gestalten. Auch Wolf trug sich lange Zeit mit dem Gedanken, eine „neue Schulordnung für deutsche Gymnasien“ zu entwerfen, und diese Absicht scheint seine Studien besonders bestimmt zu haben. Allein trotz aller Vorbereitungen hat er seine Arbeit doch nie zum Abschluß gebracht. Von den ihm zugedachten Funktionen hat er also nur die Visitation der Berliner Gymnasien eine Zeitlang ausgeübt; gerade diese hätte er auch künftig gern beibehalten, was aber verfassungsmäßig nicht möglich war. Daß er aber auf dem Gebiete der pädagogischen Wissenschaft nicht praktisch tätig im eminentesten Sinne gewesen ist, bleibt stets aufs tiefste zu bedauern. Denn er besaß hier in der Tat die umfassendste Erfahrung, ein Gebiet, das Humboldt doch nur durch das Medium bestimmter grundsätzlicher Ideen sah. Und trotz seiner Abneigung gegen jede gesonderte pädagogische Wissenschaft war und ist er doch der eigentliche Begründer der Gymnasialpädagogik, die er nach ihrer damaligen, vorwiegend eben philosophischen Richtung in allen ihren Zweigen übersah. Was aber Wolf nicht ausgeführt hat, das hat sein Schüler Süvern als Referent für das Gymnasialwesen in rastloser und vielseitiger Tätigkeit durchzuführen versucht. Und das Resultat davon ist um 1820 im wesentlichen etwa folgendes: die griechische Sprache wurde als ein unerläßliches Hauptstück von allen Schülern gefordert; das Lateinschreiben nach ciceronianischem Muster in den oberen Klassen als das erste und wichtigste Stück des Gymnasialunterrichts geübt, Mathematik und Philosophie traten hingegen sehr zurück. Diese für manchen Beobachter der pädagogischen Welt um 1770 bis 1820 überraschende Wendung der Dinge läßt sich auf drei Momente, auf ein religiöses, ein nationales und ein soziales zurückführen. Der Fürst der Aufklärung Voltaire herrschte in den oberen Kreisen, in Berlin wie in Paris. Und was in Frankreich auf politischem Wege geschah, das vollzog sich in Deutschland auf litterarisch-philologischem: trotzige Absage an das kirchliche Glaubensbekenntnis. Spinoza ist der Philosoph der neuen Zeit. Aber der religiöseTrieb in der Menschennatur ist unausrottbar. Darum fand die neue Zeit das Bild des Vollkommenen — im Griechentum. Der hellenische Humanismus ist eine neue Religion, die Philologen sind ihre Priester, die Universitäten und Gymnasien ihre Tempel. Voß und Wolf, Passow und Thiersch, Hegel und Hölderlin konnten zum Christentum kein inneres Verhältnis mehr gewinnen, wohl aber erschien ihnen das Griechentum als die Welt der Wahrheit und Freiheit, der Schönheit und Größe: „glückselig“, ruft einmal Wolf aus, „sind wir Philologen, daß uns weder Götter noch Menschen hindern, d. h. frei und ungebunden nach allseitiger Erwägung so oder anders uns zu entscheiden. Wenn ein Theolog einmal von der gebotenen Ansicht abweicht, gleich entsteht Geschrei und Aufregung des Pöbels, wenn dagegen wir heute einreißen, was wir gestern bauten, so merkt es kaum der Nachbar.“ Das erwachende nationale Selbstgefühl rief dann im Kampfe gegen die Franzosen die Griechen, die wahren Klassiker zu Hilfe; von ihnen als den Lehrern aller Völker zu nehmen und zu lernen, bedeutete keine nationale Kränkung und keinen seelischen Druck. Dies Gefühl ist schon bei Lessing wie bei dem jungen Goethe in Straßburg lebendig. Und später nährte wiederum das deutsche Volk gegenüber dem korsischen Unterdrücker die Freiheitshoffnungen an der griechischen Literatur; man las den Demosthenes und verstand Napoleon, wo jener von Philipp redete. Darum vergiß nicht, du deutsche Jugend, daß die Griechen stets ein Jungbrunnen für Freiheit und Natur suchende Geister sind: in der Welt der Griechen spiegelt sich die Sehnsucht nach Freiheit. Auch die Tatsache ist höchst wichtig, daß der Neuhumanismus vom protestantischen Deutschland ausgegangen ist. Denn der Grundcharakter der protestantischen Theologie ist historischer Natur. Die protestantischen Theologen haben es mit ihrem großen Vorbilde Luther immer für eine Ehrensache gehalten, die Bibel im Original zu lesen. Darum ist die deutsche Freiheit mit der griechischen Sprache auch in der Theologie verknüpft. Und endlich das soziale Moment: seit dem 17. Jahrhundert war der Adel der herrschende Stand und der Träger der Bildung gewesen; die Höfe waren die Brennpunkte der Kultur; die Städte und das Bürgertum hingegen hatten ihre Bedeutung verloren. Aber seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist das Bürgertum wieder im Aufsteigen: neues Ansehen in der Literatur und Wissenschaft und Gleichstellung im Staat und in der Gesellschaft waren die wohltätigen Folgen. Diese aufsteigende Schicht stellt der französischen Bildung des Adels die griechische Bildung als die höhere und w irklich vornehmere gegenüber: die griechische Bildung ist die wahrhafte Menschenbildung; Unkunde des Griechischen (nicht des Französischen) schließt dagegen von höherer und freierer Bildung aus. Ohne den Eintritt des Bürgertums in die Gesellschaft wäre nie das Griechische als obligatorisches Lehrfach in den Gymnasien durchgesetzt worden. An den Höfen lernten nicht nur Minister (z. B. von Zedlitz und von Reizenstein), sondern sogar Fürsten und Prinzen die griechische Sprache. Das alte Preußen brach zwar durch Napoleon zusammen, aber Männer aus dem Volke wußten die deutsche Volkskraft zu entfesseln: eine geistige Aristokratie übernahm die Führung. Und der Neubau des gesamten Staatswesens machte auch zugleich eine durchgreifende Reform des Bildungswesens notwendig. So blüht auch im Leben der Völker aus den Ruinen neues Leben: in der Tat ein tröstlicher Gedanke auch für die Zukunft! — | ||
In die Zeit aber, wo Wolf voll Unmut nichts für gut hielt, wenn er es nicht selbst gemacht hatte, fällt auch sein Aburteilen über Fach- und Amtsgenossen. Ueber sein abschätziges Urteil über Niebuhr als Autodidaktos ist die Ansicht Goethes an Wilhelm von Humboldt (vom 30. August 1812) höchst lehrreich: „Sie geben mir die Notiz, daß unser Wolf mit dem Niebuhrschen Werke (über die Geschichte der Römer) nicht zufrieden ist, er, der vorzügliches Recht hätte, es zu sein. Ich bin jedoch hierüber ganz beruhigt, ich schätze Wolfen unendlich, wenn er wirkt und tut, aber teilnehmend habe ich ihn nie gekannt, besonders am Gleichzeitigen, und hierin ist er ein wahrer Deutscher. Sodann weiß er viel zu viel, um sich noch belehren zu mögen und um nicht die Lücken in dem Wissen anderer zu entdecken. Er hat seine eigene Denkweise, wie sollte er fremden Ansichten etwas abgewinnen? Und gerade die großen Vorzüge, die er hat, sind recht geeignet, den Geist des Widerspruchs und des Ablehnens zu erregen und zu erhalten.“ Und als Wolf vor Verdruß darüber, daß ihm sein Schüler Heindorf mit einer Platonausgabe zuvorkommen wollte, die Schale seines Zornes auch über Heindorfs Freunde reichlich ausgegossen hatte, da veröffentlichten diese für ihren eben aus dem Leben geschiedenen Freund († 23. Juni 1816) eine Flugschrift unter dem Titel: „Buttmann und Schleiermacher über Heindorf und Wolf“ (Berlin 1816). Welchen Staub sie aber in den gelehrten Kreisen aufwirbelte, dafür sind zwei Schreiben Zelters an Goethe höchst charakteristisch: 1) „Gegen G. R. Wolf ist gestern eine Schrift von Buttmann und Schleiermacher erschienen, die ihm den gar- aus machen soll. Ich wüßte ihn ganz anders zu zausen, und man sieht wohl, daß die Herrn weder sich noch was anderes verstehen“ (20. Oktober 1816) und 2) „Wenn Du jetzt den Ise- grimm sehen solltest, würdest Du Deinen Spaß daran haben. — Wie er von allen Seiten gescholten, ja verfolgt wird, fehlt es nicht an solchen, die ihm die Stange halten; und da ihm wirklich etwas bange ist, ist er wie Schafleder und nimmt hin, was ihm sonst unerträglich gewesen wäre“ (25. Oktober). Eine öffentliche Widerlegung jenes Pamphlets erfolgte allerdings nicht, aber vor dem Kreise seiner Hörer schleuderte der Meister in ungebrochenem Selbstgefühle die echt Wölfischen Worte in die Welt hinaus: „Sie haben gelesen, meine Herren, was die Herren Buttmann, Schleiermacher und von Savigny gegen mich und für den Professor Heindorf in die Welt geschickt haben. Versteht sich, daß ich von meinem Urteile nichts zurücknehme, aber lassen Sie uns betrachten, welche Helden gegen mich aufgetreten sind: Herr Buttmann, der Welt als Grammatiker, aber keineswegs als Interpret bekannt, Herr Schleiermacher, der durch seine Uebersetzung Platon verdorben hat, Herr von Savigny, der selbst gesteht, erst hier in Berlin das Griechische gelernt zu haben. Wer ich bin, Quiriten, das wißt Ihr.“ | In die Zeit aber, wo Wolf voll Unmut nichts für gut hielt, wenn er es nicht selbst gemacht hatte, fällt auch sein Aburteilen über Fach- und Amtsgenossen. Ueber sein abschätziges Urteil über Niebuhr als Autodidaktos ist die Ansicht Goethes an Wilhelm von Humboldt (vom 30. August 1812) höchst lehrreich: „Sie geben mir die Notiz, daß unser Wolf mit dem Niebuhrschen Werke (über die Geschichte der Römer) nicht zufrieden ist, er, der vorzügliches Recht hätte, es zu sein. Ich bin jedoch hierüber ganz beruhigt, ich schätze Wolfen unendlich, wenn er wirkt und tut, aber teilnehmend habe ich ihn nie gekannt, besonders am Gleichzeitigen, und hierin ist er ein wahrer Deutscher. Sodann weiß er viel zu viel, um sich noch belehren zu mögen und um nicht die Lücken in dem Wissen anderer zu entdecken. Er hat seine eigene Denkweise, wie sollte er fremden Ansichten etwas abgewinnen? Und gerade die großen Vorzüge, die er hat, sind recht geeignet, den Geist des Widerspruchs und des Ablehnens zu erregen und zu erhalten.“ Und als Wolf vor Verdruß darüber, daß ihm sein Schüler Heindorf mit einer Platonausgabe zuvorkommen wollte, die Schale seines Zornes auch über Heindorfs Freunde reichlich ausgegossen hatte, da veröffentlichten diese für ihren eben aus dem Leben geschiedenen Freund († 23. Juni 1816) eine Flugschrift unter dem Titel: „Buttmann und Schleiermacher über Heindorf und Wolf“ (Berlin 1816). Welchen Staub sie aber in den gelehrten Kreisen aufwirbelte, dafür sind zwei Schreiben Zelters an Goethe höchst charakteristisch: 1) „Gegen G. R. Wolf ist gestern eine Schrift von Buttmann und Schleiermacher erschienen, die ihm den gar- aus machen soll. Ich wüßte ihn ganz anders zu zausen, und man sieht wohl, daß die Herrn weder sich noch was anderes verstehen“ (20. Oktober 1816) und 2) „Wenn Du jetzt den Ise- grimm sehen solltest, würdest Du Deinen Spaß daran haben. — Wie er von allen Seiten gescholten, ja verfolgt wird, fehlt es nicht an solchen, die ihm die Stange halten; und da ihm wirklich etwas bange ist, ist er wie Schafleder und nimmt hin, was ihm sonst unerträglich gewesen wäre“ (25. Oktober). Eine öffentliche Widerlegung jenes Pamphlets erfolgte allerdings nicht, aber vor dem Kreise seiner Hörer schleuderte der Meister in ungebrochenem Selbstgefühle die echt Wölfischen Worte in die Welt hinaus: „Sie haben gelesen, meine Herren, was die Herren Buttmann, Schleiermacher und von Savigny gegen mich und für den Professor Heindorf in die Welt geschickt haben. Versteht sich, daß ich von meinem Urteile nichts zurücknehme, aber lassen Sie uns betrachten, welche Helden gegen mich aufgetreten sind: Herr Buttmann, der Welt als Grammatiker, aber keineswegs als Interpret bekannt, Herr Schleiermacher, der durch seine Uebersetzung Platon verdorben hat, Herr von Savigny, der selbst gesteht, erst hier in Berlin das Griechische gelernt zu haben. Wer ich bin, Quiriten, das wißt Ihr.“ | ||
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Wer den Wolf der Berliner Zeit ganz verstehen und damit völlig objektiv beurteilen will, der wird gut tun, in die damalige Welt der Gelehrten und Regierenden bis in die feinsten Verästelungen mit Scharfblick und mit starkem Mute einzudringen. Goethe sah ja in jeder genialen Natur etwas „Dämonisches“; er kannte das Unselige in einer solchen Natur und wußte, daß sie an ihren inneren Gegensätzen leide. Darum hatte gerade er für die Tragik des Genies Wolf so tiefes Verständnis und so milde Worte. Er selbst freilich, der große erzieherische Geist, der Selbstbildner und Selbstvollender hat auch das Genie in sich erzogen und freigemacht. | Wer den Wolf der Berliner Zeit ganz verstehen und damit völlig objektiv beurteilen will, der wird gut tun, in die damalige Welt der Gelehrten und Regierenden bis in die feinsten Verästelungen mit Scharfblick und mit starkem Mute einzudringen. Goethe sah ja in jeder genialen Natur etwas „Dämonisches“; er kannte das Unselige in einer solchen Natur und wußte, daß sie an ihren inneren Gegensätzen leide. Darum hatte gerade er für die Tragik des Genies Wolf so tiefes Verständnis und so milde Worte. Er selbst freilich, der große erzieherische Geist, der Selbstbildner und Selbstvollender hat auch das Genie in sich erzogen und freigemacht. | ||
Sein früheres Wesen aber konnte Wolf dauernd nur auf Reisen wiedergewinnen. So war er 1814 vier Monate in den Rheinbädern und im Herbst 1816 besuchte er „seine Inkunabeln“, Hainrode und Nordhausen, dann Osterode am Harz und Göttingen. Am genußreichsten aber war seine Sommerreise 1820: nach längerem Aufenthalte bei seiner jüngsten in Frankfurt a. M. verheirateten Tochter Karoline zog er den Oberrhein hinauf bis Zürich, wo allein von seinen alten Schülern sieben beisammen waren: Usteri, Bremi, Ulrich, Weiß, Ochsner, Escher und Han- hart. Aus jenen lebensfrohen Tagen gibt Escher seinem Freunde Nüßlin in Mannheim (6. Juni 1821) eine prachtvolle Schilderung: | Sein früheres Wesen aber konnte Wolf dauernd nur auf Reisen wiedergewinnen. So war er 1814 vier Monate in den Rheinbädern und im Herbst 1816 besuchte er „seine Inkunabeln“, Hainrode und Nordhausen, dann Osterode am Harz und Göttingen. Am genußreichsten aber war seine Sommerreise 1820: nach längerem Aufenthalte bei seiner jüngsten in Frankfurt a. M. verheirateten Tochter Karoline zog er den Oberrhein hinauf bis Zürich, wo allein von seinen alten Schülern sieben beisammen waren: Usteri, Bremi, Ulrich, Weiß, Ochsner, Escher und Han- hart. Aus jenen lebensfrohen Tagen gibt Escher seinem Freunde Nüßlin in Mannheim (6. Juni 1821) eine prachtvolle Schilderung: „… Eine köstliche Stunde hatten nur, als er (Wolf) auf unsere Bitte, um uns so ganz in die alten Zeiten zu versetzen, ein Stück aus der Odyssee erklärte. Wolf saß in der Mitte des Zimmers, unser etwa fünfzehn um ihn herum, und nun war er wieder ganz der alte: in einer Ecke saß ein geschickter Porträtzeichner, der ihn während der Vorlesung ganz in seiner Individualität auffaßte. Daß auf dieses Kollegium ein fröhliches Mahl folgte, versteht sich . . .“ Auf dieser Reise scheint in der Tat Wolfen die hohe Bedeutung seines Lebens noch einmal recht lebhaft vor die eigene Seele getreten zu sein: „Ich genieße ein Glück, das nur wenigen in meiner Lage zuteil wurde, — noch lebend zu sehen, was die mühsamen Pflanzungen für die zukünftige Zeit versprechen, und wie sie gedeihen möchten, wenn man nicht mehr dabei ist.“ | ||
Und er sollte in der Tat nicht mehr lange dabei sein. Nach seiner Krankheit (Anfang 1822) kränkelte er häufig; deshalb sollte er im Frühjahr 1824 auf ärztlichen Rat ein milderes Klima — Nizza aufsuchen. Am 14. April reiste Wolf von Berlin ab und kam schließlich am 16. Juli in Marseille an, wo er aber aufs neue erkrankte. Am 8. August (1824) ist er daselbst gestorben, in dem gleichen Jahre also, da seine erste Bildungsstätte, das Gymnasium zu Nordhausen, die 300jährige Jubelfeier beging. Auf dem klassischen Boden der uralten phokäischen Pflanzstadt Massilia hat er auch seine letzte Ruhestätte gefunden. Bei seiner Beerdigung waren der Präfekt der Stadt, der preußische und dänische Konsul, der Bankier Otier und noch etwa 150 Personen zugegen. Als die Nachricht von seinem Tode in Berlin eintraf, erschien von Gottlieb Wilhelm Groke in der Vossischen Zeitung folgendes Epigramm: | Und er sollte in der Tat nicht mehr lange dabei sein. Nach seiner Krankheit (Anfang 1822) kränkelte er häufig; deshalb sollte er im Frühjahr 1824 auf ärztlichen Rat ein milderes Klima — Nizza aufsuchen. Am 14. April reiste Wolf von Berlin ab und kam schließlich am 16. Juli in Marseille an, wo er aber aufs neue erkrankte. Am 8. August (1824) ist er daselbst gestorben, in dem gleichen Jahre also, da seine erste Bildungsstätte, das Gymnasium zu Nordhausen, die 300jährige Jubelfeier beging. Auf dem klassischen Boden der uralten phokäischen Pflanzstadt Massilia hat er auch seine letzte Ruhestätte gefunden. Bei seiner Beerdigung waren der Präfekt der Stadt, der preußische und dänische Konsul, der Bankier Otier und noch etwa 150 Personen zugegen. Als die Nachricht von seinem Tode in Berlin eintraf, erschien von Gottlieb Wilhelm Groke in der Vossischen Zeitung folgendes Epigramm: |