Cyriakus Spangenberg: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Cyriakus Spangenberg''' (geb. 7. Juni 1528 in Nordhausen; gest. 10. Februar 1604 in Straßburg) war | '''Cyriakus Spangenberg''' (geb. 7. Juni 1528 in Nordhausen; gest. 10. Februar 1604 in Straßburg) war evangelischer Theologe, Pfarrer, Historiker und Kirchenlieddichter. | ||
== Leben == | |||
=== Herkunft und Jugend === | |||
Cyriakus Spangenberg wurde als Sohn des Pfarrers Johann Spangenberg und Katharina Grau aus Nordhausen geboren. Sein Vater lebte seit 1524 in Nordhausen und war der erste protestantische Pfarrer an der [[St.-Blasii-Kirche]]. Die Familie stammte ursprünglich aus Hardegsen bei Göttingen. Der Urgroßvater Kurt Erpsen hatte um 1440 in Spangenberg (Hessen) das Schlosserhandwerk erlernt und von dort den Namen "Spangenberg" angenommen. Cyriakus' Großvater Tilemann Spangenberg lebte ebenfalls in Hardegsen und übte scharfe Kritik an der Klerisei seiner Zeit. | |||
Cyriakus Spangenberg und seine Geschwister wurden zunächst vom Vater unterrichtet, später wurde Basilius Faber aus Sorau (Niederlausitz) als Hauslehrer angestellt. Im Alter von 14 Jahren kam Spangenberg an die Universität Wittenberg und studierte u. a. bei Martin Luther und Philipp Melanchthon Theologie und Geschichte. Aufgrund des Schmalkaldischen Krieges (1546/1547) verließ er die Stadt als Magister und ging nach Eisleben, wo der Vater inzwischen Superintendent geworden war. Cyriakus erhielt hier 1547 eine Lehrerstelle an der Lateinschule. Als der Vater 1550 verstarb, bekam er vertretungsweise das Predigeramt an der St.-Andreas-Kirche. | |||
=== Pfarrer in Mansfeld === | |||
Am 9. Februar 1552 heiratete Spangenberg Eva Mooshammer, die Tochter eines der reichsten und angesehensten Eisleber Patriziergeschlechter. Mit ihr hatte er eine Tochter. Durch diese Verbindung wurde er mit fast allen bedeutenden Familien der Grafschaft verschwägert. Ein Jahr später wurde er als Schloss- und Stadtprediger nach Mansfeld berufen und 1559 zum Generaldekan ernannt. Um 1554 verstarb seine Frau Eva, und Spangenberg ging eine zweite Ehe mit Barbara Taurer ein. Aus dieser Verbindung erreichten drei Töchter und sechs Söhne das Erwachsenenalter. | |||
[[Datei:Cyriacus Spangenberg Teufels Karnöffelspiel (Isny).jpg|thumb|Cyriacus Spangenberg: Wider die böse Sieben / ins Teufels Karnöffelspiel (Prädikantenbibliothek Isny)]] | |||
In Mansfeld entfaltete Spangenberg über zwei Jahrzehnte hinweg eine überaus fruchtbare Tätigkeit als Seelsorger, Prediger und Historiker. Mit großem Engagement widmete er sich der Erforschung der Geschichte der Grafschaft und ihrer Dynastien. Daraus erwuchsen seine bedeutendsten historischen Werke, allen voran die monumentale "Mansfeldische Chronica", an der er viele Jahre arbeitete. Daneben verfasste er zahlreiche theologische Schriften, in denen er als strenger Lutheraner kompromisslos für die Reinheit der Lehre eintrat und jede Abweichung von der Wittenberger Tradition scharf bekämpfte. | |||
Besondere Bedeutung erlangte Spangenbergs Wirken im sogenannten Erbsündenstreit, einer in den 1560er und 1570er Jahren innerhalb der lutherischen Kirche geführten Auseinandersetzung um das rechte Verständnis der Sündenlehre. Dabei ging es um die Frage, ob die Erbsünde zum Wesen des Menschen gehöre oder nur eine akzidentelle Eigenschaft sei. Spangenberg vertrat mit Nachdruck die strenge lutherische Position, wonach die Erbsünde die Natur des Menschen total verderbt habe und sein ganzes Sein durchdringe. Zwischen 1571 und 1576 veröffentlichte er nicht weniger als 30 teilweise sehr umfangreiche Streitschriften gegen die Vertreter der milderen melanchthonischen Richtung, die er als Verführer und Irrlehrer brandmarkte. | |||
=== Vertreibung und Exil === | |||
Wegen seiner unnachgiebigen Haltung im Erbsündenstreit wurde Spangenberg 1575 aus der Grafschaft Mansfeld verbannt. Er ging zunächst nach Straßburg, wo er Anschluss an die dortigen lutherischen Kreise fand und seine literarische Tätigkeit fortsetzte. 1580 erhielt er für kurze Zeit eine Pfarrstelle im hessischen Schlitz, sah sich aber schon bald zur erneuten Flucht gezwungen, als der Landesherr zum reformierten Bekenntnis übertrat. Ab 1590 lebte er als freier Schriftsteller in Vacha bei Eisenach. 1595 siedelte er endgültig nach Straßburg über, wo er am 10. Februar 1604 im Alter von 75 Jahren starb. | |||
== Bedeutung == | |||
=== Theologe === | |||
Cyriakus Spangenberg gehört zu den markantesten und profiliertesten Vertretern der lutherischen Orthodoxie im Konfessionellen Zeitalter. Mit unermüdlichem Eifer und oft scharfer Feder kämpfte er für die Reinheit der Lehre, wie er sie bei seinem verehrten Lehrer Martin Luther kennengelernt hatte. Kompromisslos wandte er sich gegen alle Bestrebungen, davon abzuweichen, sie aufzuweichen oder gar synkretistisch zu verfälschen. Seine Polemik konnte dabei durchaus verletzend und schonungslos sein, war aber stets getragen von einem tiefen seelsorgerlichen Ernst und einer den einfachen Leuten zugewandten Volkstümlichkeit. | |||
Im Erbsündenstreit erwies sich Spangenberg als der wohl entschiedenste und unermüdlichste Streiter für die genuin lutherische Position. Seine Gegner versuchten ihn als Flacianer zu diffamieren und in die Nähe des umstrittenen Matthias Flacius zu rücken. Tatsächlich verband ihn mit diesem jedoch nur die grundsätzliche Ablehnung jedes Synergismus und die Betonung der Heilsnotwendigkeit der reinen Lehre. Flacius' Behauptung von der Erbsünde als "Substanz" des gefallenen Menschen hat Spangenberg hingegen stets entschieden abgelehnt. Ihm ging es nicht um dogmatische Spitzfindigkeiten, sondern um die unverkürzte Bewahrung des reformatorischen Erbes und die existenzielle Aneignung des Evangeliums von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden. | |||
Neben den Streitschriften hinterließ Spangenberg ein ebenso umfangreiches wie vielgestaltiges theologisch-erbauliches Werk, das ihn als begnadeten Prediger und einfühlsamen Seelsorger ausweist. In einer bilderreichen, lebensnahen Sprache verstand er es, selbst komplizierte Sachverhalte anschaulich und verständlich darzulegen. Besonders beachtenswert sind seine Predigtsammlungen über Luthers Leben und Werk ("Cithara Lutheri" und "Theander Lutherus"), die zu den frühesten Beispielen einer hagiographischen Luther-Darstellung gehören. Hier wird der Reformator als Held und Heiliger stilisiert, der in seinen Kämpfen und Anfechtungen ganz von Gottes Geist geleitet war. Auch in seinen katechetischen Schriften und geistlichen Liedern erweist sich Spangenberg als treuer Schüler und Fortsetzer Luthers. | |||
=== Historiker === | |||
Mit seiner konsequenten Hinwendung zur Landesgeschichte steht er an der Schwelle zwischen der älteren humanistischen und der aufkommenden kritischen Historiographie in Deutschland. Sein besonderes Interesse galt der Vergangenheit "seines lieben Vaterlandes", der Grafschaft Mansfeld, aber auch die angrenzenden Territorien hat er erstmals quellengesättigt und materialreich beschrieben. | |||
Spangenbergs historiographisches Hauptwerk ist die "Mansfeldische Chronica", eine monumentale Darstellung in sieben stattlichen Foliobänden. In jahrzehntelanger Sammel- und Forschungsarbeit trug er dafür eine schier unerschöpfliche Fülle an Quellen und Fakten zusammen. Urkunden, Akten, Inschriften, Briefe, Chroniken und mündliche Überlieferungen wurden ausgewertet, um ein möglichst vollständiges und detailreiches Bild der Grafschaft von ihren Anfängen bis in die Gegenwart zu zeichnen. Ergänzt und erweitert wird dieses Opus Magnum durch die "Querfurtische Chronica", die "Hennebergische Chronica" und diverse regionalgeschichtliche Spezialstudien. Insgesamt hat Spangenberg über 30 historisch-chronikalische Werke verfasst – eine auch im Maßstab seiner so überaus schreibfreudigen Zeit singuläre Leistung. | |||
Kennzeichnend für Spangenbergs historiographischen Ansatz ist das Bemühen um eine möglichst dichte Beschreibung von Land und Leuten. Für die von ihm behandelten Territorien bietet er oft erstmals so etwas wie eine historisch-topographische Gesamtdarstellung, die politische, kirchliche, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Mit geradezu enzyklopädischem Anspruch registriert er eine Unzahl von Einzelfakten, verliert dabei aber nie die großen Entwicklungslinien aus dem Blick. Zugleich ist seine Darstellung durchdrungen von der Überzeugung eines unmittelbaren Wirkens Gottes in der Geschichte. Sie versteht sich letztlich als Rekonstruktion der Heilsgeschichte im Kleinen, bezogen auf den überschaubaren Rahmen einer Landschaft und ihrer Bewohner. | |||
=== Genealoge === | |||
Von großem Wert bis heute sind Spangenbergs genealogische Forschungen. Mit Spürsinn und systematischer Gründlichkeit trug er die Stammbäume und Familienviten zahlloser Adelsgeschlechter zusammen, wobei er sich auf Lehnsurkunden, Testamente, Leichenpredigten, Epitaphien und andere Primärquellen stützte. Oft zeichnete er die Geschicke einer Sippe über viele Generationen hinweg nach und bewahrte so die Erinnerung an längst erloschene Linien und in Vergessenheit geratene Persönlichkeiten. Seine diesbezüglichen Hauptwerke sind der "Adelsspiegel" und die "Jagdteufelhistorie", aber auch in allen anderen Schriften streute er immer wieder umfangreiche genealogische Exkurse ein. | |||
Aus heutiger Sicht kann Spangenberg mit Fug und Recht als einer der Begründer der wissenschaftlich betriebenen Genealogie in Deutschland gelten. Seine Arbeiten auf diesem Gebiet sind vielfach bis heute die einzige Quelle für die ältere Familiengeschichte des mitteldeutschen Adels. Dank seines Sammelfleißes und seiner Finderfreude ist uns außerdem eine Fülle von Grabinschriften, Epitaphtexten und anderem epigraphischen Material überliefert, das ansonsten unwiederbringlich verloren wäre. Nicht zuletzt hat Spangenberg auch über seine eigene Familien- und Lebensgeschichte höchst wertvolle, von der Forschung bislang kaum ausgewertete Nachrichten hinterlassen. | |||
== Rezeption und Nachwirkung == | |||
Schon zu Lebzeiten fanden Spangenbergs Werke weite Verbreitung und stießen auf große Resonanz. Seine historischen Darstellungen wurden von den Fachgenossen geschätzt und dienten noch lange als Grundlage und Materialsammlung für die Geschichtsschreibung in den von ihm behandelten Territorien. Im orthodoxen Luthertum des 17. Jahrhunderts genoss er hohes Ansehen als zuverlässiger Tradent der reinen Lehre. Auch für die Erweckungsbewegung und den Pietismus wurden seine Schriften, vor allem die eindringlichen Lutherpredigten, zu einer wichtigen Inspirationsquelle. | |||
Im Zeitalter von Aufklärung und Rationalismus geriet Spangenberg dann allerdings weitgehend in Vergessenheit. Für das nunmehr herrschende Geschichtsbild galt er als Repräsentant einer dumpfen und engstirnigen Orthodoxie, die man endlich hinter sich gelassen zu haben glaubte. Auch die Germanistik des 19. Jahrhunderts wusste mit seinen deutschen Schriften, die nicht ins Konzept einer geradlinigen Entwicklung hin zur "Nationalliteratur" passten, wenig anzufangen. Eine positivere Würdigung erfuhr er lediglich im Umfeld der lutherischen Erweckungsbewegung, wo man ihn als Kronzeugen eines kompromisslosen Bekenntnisses wieder zu entdecken begann. | |||
Seit dem frühen 20. Jahrhundert zeichnet sich nun eine allmähliche Neubewertung und differenziertere Beurteilung der Persönlichkeit und des Werkes von Cyriakus Spangenberg ab. Heute gilt er unbestritten als eine der faszinierendsten und vielschichtigsten Gestalten der "Lutherischen Hochorthodoxie". In ihm verbanden sich leidenschaftlicher Glaubenseifer, seelsorgerliche Hingabe, rastloser Fleiß und enzyklopädische Gelehrsamkeit zu einer ebenso eigenwilligen wie beeindruckenden Synthese. Mit seiner schier unüberschaubaren literarischen Hinterlassenschaft, die nahezu alle Gattungen und Gebiete der damaligen Wissenschaft berührt, gehört er fraglos zu den großen Vielschreibern der deutschen Geistesgeschichte. Für die Erforschung der Reformationszeit und der Konfessionalisierung, zumal im mitteldeutschen Raum, bleiben seine Werke wertvoll. | |||
== Literatur == | |||
*[[Hermann Etzrodt]]: ''[[Die Familie des Cyriakus Spangenberg]]''. Halle/Saale: Buchdr. Hallische Nachrichten, 1933. | |||
*Johann Georg Leuckfeld: ''Historische Nachricht von dem Leben, Lehre und Schrifften Cyriaci Spangenbergs''. Quedlinburg 1712, Auleben 2003. | |||
*Volker Jung: ''Cyriakus Spngenberg, ein treuer Schüler Luthers…'' In: ''Ev.-Luth. Stadtkirche Schlitz''. Schlitz 1987. | |||
*Elisabeth Schwarze-Neuß: ''Cyriakus Spangenberg – 400. Todestag''. In: ''Mitteldeutsches Jahrbuch.'' Nr.11 (2004) | |||
* [[Stadtarchiv Nordhausen]] (Hrsg.): ''[[Nordhäuser Persönlichkeiten aus elf Jahrhunderten]]''. Horb am Neckar: Geiger, 2009. ISBN 978-3-86595-336-9 | |||
== Externe Verweise == | |||
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Aktuelle Version vom 10. Oktober 2024, 14:38 Uhr
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Cyriakus Spangenberg (geb. 7. Juni 1528 in Nordhausen; gest. 10. Februar 1604 in Straßburg) war evangelischer Theologe, Pfarrer, Historiker und Kirchenlieddichter.
Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Herkunft und Jugend[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Cyriakus Spangenberg wurde als Sohn des Pfarrers Johann Spangenberg und Katharina Grau aus Nordhausen geboren. Sein Vater lebte seit 1524 in Nordhausen und war der erste protestantische Pfarrer an der St.-Blasii-Kirche. Die Familie stammte ursprünglich aus Hardegsen bei Göttingen. Der Urgroßvater Kurt Erpsen hatte um 1440 in Spangenberg (Hessen) das Schlosserhandwerk erlernt und von dort den Namen "Spangenberg" angenommen. Cyriakus' Großvater Tilemann Spangenberg lebte ebenfalls in Hardegsen und übte scharfe Kritik an der Klerisei seiner Zeit.
Cyriakus Spangenberg und seine Geschwister wurden zunächst vom Vater unterrichtet, später wurde Basilius Faber aus Sorau (Niederlausitz) als Hauslehrer angestellt. Im Alter von 14 Jahren kam Spangenberg an die Universität Wittenberg und studierte u. a. bei Martin Luther und Philipp Melanchthon Theologie und Geschichte. Aufgrund des Schmalkaldischen Krieges (1546/1547) verließ er die Stadt als Magister und ging nach Eisleben, wo der Vater inzwischen Superintendent geworden war. Cyriakus erhielt hier 1547 eine Lehrerstelle an der Lateinschule. Als der Vater 1550 verstarb, bekam er vertretungsweise das Predigeramt an der St.-Andreas-Kirche.
Pfarrer in Mansfeld[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am 9. Februar 1552 heiratete Spangenberg Eva Mooshammer, die Tochter eines der reichsten und angesehensten Eisleber Patriziergeschlechter. Mit ihr hatte er eine Tochter. Durch diese Verbindung wurde er mit fast allen bedeutenden Familien der Grafschaft verschwägert. Ein Jahr später wurde er als Schloss- und Stadtprediger nach Mansfeld berufen und 1559 zum Generaldekan ernannt. Um 1554 verstarb seine Frau Eva, und Spangenberg ging eine zweite Ehe mit Barbara Taurer ein. Aus dieser Verbindung erreichten drei Töchter und sechs Söhne das Erwachsenenalter.
In Mansfeld entfaltete Spangenberg über zwei Jahrzehnte hinweg eine überaus fruchtbare Tätigkeit als Seelsorger, Prediger und Historiker. Mit großem Engagement widmete er sich der Erforschung der Geschichte der Grafschaft und ihrer Dynastien. Daraus erwuchsen seine bedeutendsten historischen Werke, allen voran die monumentale "Mansfeldische Chronica", an der er viele Jahre arbeitete. Daneben verfasste er zahlreiche theologische Schriften, in denen er als strenger Lutheraner kompromisslos für die Reinheit der Lehre eintrat und jede Abweichung von der Wittenberger Tradition scharf bekämpfte.
Besondere Bedeutung erlangte Spangenbergs Wirken im sogenannten Erbsündenstreit, einer in den 1560er und 1570er Jahren innerhalb der lutherischen Kirche geführten Auseinandersetzung um das rechte Verständnis der Sündenlehre. Dabei ging es um die Frage, ob die Erbsünde zum Wesen des Menschen gehöre oder nur eine akzidentelle Eigenschaft sei. Spangenberg vertrat mit Nachdruck die strenge lutherische Position, wonach die Erbsünde die Natur des Menschen total verderbt habe und sein ganzes Sein durchdringe. Zwischen 1571 und 1576 veröffentlichte er nicht weniger als 30 teilweise sehr umfangreiche Streitschriften gegen die Vertreter der milderen melanchthonischen Richtung, die er als Verführer und Irrlehrer brandmarkte.
Vertreibung und Exil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wegen seiner unnachgiebigen Haltung im Erbsündenstreit wurde Spangenberg 1575 aus der Grafschaft Mansfeld verbannt. Er ging zunächst nach Straßburg, wo er Anschluss an die dortigen lutherischen Kreise fand und seine literarische Tätigkeit fortsetzte. 1580 erhielt er für kurze Zeit eine Pfarrstelle im hessischen Schlitz, sah sich aber schon bald zur erneuten Flucht gezwungen, als der Landesherr zum reformierten Bekenntnis übertrat. Ab 1590 lebte er als freier Schriftsteller in Vacha bei Eisenach. 1595 siedelte er endgültig nach Straßburg über, wo er am 10. Februar 1604 im Alter von 75 Jahren starb.
Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Theologe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Cyriakus Spangenberg gehört zu den markantesten und profiliertesten Vertretern der lutherischen Orthodoxie im Konfessionellen Zeitalter. Mit unermüdlichem Eifer und oft scharfer Feder kämpfte er für die Reinheit der Lehre, wie er sie bei seinem verehrten Lehrer Martin Luther kennengelernt hatte. Kompromisslos wandte er sich gegen alle Bestrebungen, davon abzuweichen, sie aufzuweichen oder gar synkretistisch zu verfälschen. Seine Polemik konnte dabei durchaus verletzend und schonungslos sein, war aber stets getragen von einem tiefen seelsorgerlichen Ernst und einer den einfachen Leuten zugewandten Volkstümlichkeit.
Im Erbsündenstreit erwies sich Spangenberg als der wohl entschiedenste und unermüdlichste Streiter für die genuin lutherische Position. Seine Gegner versuchten ihn als Flacianer zu diffamieren und in die Nähe des umstrittenen Matthias Flacius zu rücken. Tatsächlich verband ihn mit diesem jedoch nur die grundsätzliche Ablehnung jedes Synergismus und die Betonung der Heilsnotwendigkeit der reinen Lehre. Flacius' Behauptung von der Erbsünde als "Substanz" des gefallenen Menschen hat Spangenberg hingegen stets entschieden abgelehnt. Ihm ging es nicht um dogmatische Spitzfindigkeiten, sondern um die unverkürzte Bewahrung des reformatorischen Erbes und die existenzielle Aneignung des Evangeliums von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden.
Neben den Streitschriften hinterließ Spangenberg ein ebenso umfangreiches wie vielgestaltiges theologisch-erbauliches Werk, das ihn als begnadeten Prediger und einfühlsamen Seelsorger ausweist. In einer bilderreichen, lebensnahen Sprache verstand er es, selbst komplizierte Sachverhalte anschaulich und verständlich darzulegen. Besonders beachtenswert sind seine Predigtsammlungen über Luthers Leben und Werk ("Cithara Lutheri" und "Theander Lutherus"), die zu den frühesten Beispielen einer hagiographischen Luther-Darstellung gehören. Hier wird der Reformator als Held und Heiliger stilisiert, der in seinen Kämpfen und Anfechtungen ganz von Gottes Geist geleitet war. Auch in seinen katechetischen Schriften und geistlichen Liedern erweist sich Spangenberg als treuer Schüler und Fortsetzer Luthers.
Historiker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mit seiner konsequenten Hinwendung zur Landesgeschichte steht er an der Schwelle zwischen der älteren humanistischen und der aufkommenden kritischen Historiographie in Deutschland. Sein besonderes Interesse galt der Vergangenheit "seines lieben Vaterlandes", der Grafschaft Mansfeld, aber auch die angrenzenden Territorien hat er erstmals quellengesättigt und materialreich beschrieben.
Spangenbergs historiographisches Hauptwerk ist die "Mansfeldische Chronica", eine monumentale Darstellung in sieben stattlichen Foliobänden. In jahrzehntelanger Sammel- und Forschungsarbeit trug er dafür eine schier unerschöpfliche Fülle an Quellen und Fakten zusammen. Urkunden, Akten, Inschriften, Briefe, Chroniken und mündliche Überlieferungen wurden ausgewertet, um ein möglichst vollständiges und detailreiches Bild der Grafschaft von ihren Anfängen bis in die Gegenwart zu zeichnen. Ergänzt und erweitert wird dieses Opus Magnum durch die "Querfurtische Chronica", die "Hennebergische Chronica" und diverse regionalgeschichtliche Spezialstudien. Insgesamt hat Spangenberg über 30 historisch-chronikalische Werke verfasst – eine auch im Maßstab seiner so überaus schreibfreudigen Zeit singuläre Leistung.
Kennzeichnend für Spangenbergs historiographischen Ansatz ist das Bemühen um eine möglichst dichte Beschreibung von Land und Leuten. Für die von ihm behandelten Territorien bietet er oft erstmals so etwas wie eine historisch-topographische Gesamtdarstellung, die politische, kirchliche, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Mit geradezu enzyklopädischem Anspruch registriert er eine Unzahl von Einzelfakten, verliert dabei aber nie die großen Entwicklungslinien aus dem Blick. Zugleich ist seine Darstellung durchdrungen von der Überzeugung eines unmittelbaren Wirkens Gottes in der Geschichte. Sie versteht sich letztlich als Rekonstruktion der Heilsgeschichte im Kleinen, bezogen auf den überschaubaren Rahmen einer Landschaft und ihrer Bewohner.
Genealoge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Von großem Wert bis heute sind Spangenbergs genealogische Forschungen. Mit Spürsinn und systematischer Gründlichkeit trug er die Stammbäume und Familienviten zahlloser Adelsgeschlechter zusammen, wobei er sich auf Lehnsurkunden, Testamente, Leichenpredigten, Epitaphien und andere Primärquellen stützte. Oft zeichnete er die Geschicke einer Sippe über viele Generationen hinweg nach und bewahrte so die Erinnerung an längst erloschene Linien und in Vergessenheit geratene Persönlichkeiten. Seine diesbezüglichen Hauptwerke sind der "Adelsspiegel" und die "Jagdteufelhistorie", aber auch in allen anderen Schriften streute er immer wieder umfangreiche genealogische Exkurse ein.
Aus heutiger Sicht kann Spangenberg mit Fug und Recht als einer der Begründer der wissenschaftlich betriebenen Genealogie in Deutschland gelten. Seine Arbeiten auf diesem Gebiet sind vielfach bis heute die einzige Quelle für die ältere Familiengeschichte des mitteldeutschen Adels. Dank seines Sammelfleißes und seiner Finderfreude ist uns außerdem eine Fülle von Grabinschriften, Epitaphtexten und anderem epigraphischen Material überliefert, das ansonsten unwiederbringlich verloren wäre. Nicht zuletzt hat Spangenberg auch über seine eigene Familien- und Lebensgeschichte höchst wertvolle, von der Forschung bislang kaum ausgewertete Nachrichten hinterlassen.
Rezeption und Nachwirkung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schon zu Lebzeiten fanden Spangenbergs Werke weite Verbreitung und stießen auf große Resonanz. Seine historischen Darstellungen wurden von den Fachgenossen geschätzt und dienten noch lange als Grundlage und Materialsammlung für die Geschichtsschreibung in den von ihm behandelten Territorien. Im orthodoxen Luthertum des 17. Jahrhunderts genoss er hohes Ansehen als zuverlässiger Tradent der reinen Lehre. Auch für die Erweckungsbewegung und den Pietismus wurden seine Schriften, vor allem die eindringlichen Lutherpredigten, zu einer wichtigen Inspirationsquelle.
Im Zeitalter von Aufklärung und Rationalismus geriet Spangenberg dann allerdings weitgehend in Vergessenheit. Für das nunmehr herrschende Geschichtsbild galt er als Repräsentant einer dumpfen und engstirnigen Orthodoxie, die man endlich hinter sich gelassen zu haben glaubte. Auch die Germanistik des 19. Jahrhunderts wusste mit seinen deutschen Schriften, die nicht ins Konzept einer geradlinigen Entwicklung hin zur "Nationalliteratur" passten, wenig anzufangen. Eine positivere Würdigung erfuhr er lediglich im Umfeld der lutherischen Erweckungsbewegung, wo man ihn als Kronzeugen eines kompromisslosen Bekenntnisses wieder zu entdecken begann.
Seit dem frühen 20. Jahrhundert zeichnet sich nun eine allmähliche Neubewertung und differenziertere Beurteilung der Persönlichkeit und des Werkes von Cyriakus Spangenberg ab. Heute gilt er unbestritten als eine der faszinierendsten und vielschichtigsten Gestalten der "Lutherischen Hochorthodoxie". In ihm verbanden sich leidenschaftlicher Glaubenseifer, seelsorgerliche Hingabe, rastloser Fleiß und enzyklopädische Gelehrsamkeit zu einer ebenso eigenwilligen wie beeindruckenden Synthese. Mit seiner schier unüberschaubaren literarischen Hinterlassenschaft, die nahezu alle Gattungen und Gebiete der damaligen Wissenschaft berührt, gehört er fraglos zu den großen Vielschreibern der deutschen Geistesgeschichte. Für die Erforschung der Reformationszeit und der Konfessionalisierung, zumal im mitteldeutschen Raum, bleiben seine Werke wertvoll.
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Hermann Etzrodt: Die Familie des Cyriakus Spangenberg. Halle/Saale: Buchdr. Hallische Nachrichten, 1933.
- Johann Georg Leuckfeld: Historische Nachricht von dem Leben, Lehre und Schrifften Cyriaci Spangenbergs. Quedlinburg 1712, Auleben 2003.
- Volker Jung: Cyriakus Spngenberg, ein treuer Schüler Luthers… In: Ev.-Luth. Stadtkirche Schlitz. Schlitz 1987.
- Elisabeth Schwarze-Neuß: Cyriakus Spangenberg – 400. Todestag. In: Mitteldeutsches Jahrbuch. Nr.11 (2004)
- Stadtarchiv Nordhausen (Hrsg.): Nordhäuser Persönlichkeiten aus elf Jahrhunderten. Horb am Neckar: Geiger, 2009. ISBN 978-3-86595-336-9
Externe Verweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Literatur von und über Cyriakus Spangenberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek