Das tausendjährige Nordhausen (Rezension von Kunz v. Kauffungen): Unterschied zwischen den Versionen
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politische und wirtschaftliche Geschichte Deutschlands wie Europas mit heranzieht, um die Rückwirkung auf die lokalen Verhältnisse erkennen zu lassen, und es grundsätzlich vermieden hat, auf politische Einzelheiten wie politische Erörterungen einzugehen. | politische und wirtschaftliche Geschichte Deutschlands wie Europas mit heranzieht, um die Rückwirkung auf die lokalen Verhältnisse erkennen zu lassen, und es grundsätzlich vermieden hat, auf politische Einzelheiten wie politische Erörterungen einzugehen. | ||
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Aktuelle Version vom 30. November 2022, 20:02 Uhr
Das tausendjährige Nordhausen. Zur Jahrtausendfeier herausgegeben vom Magistrat. Nordhausen am Harz 1927. Verlag des Magistrats der Stadt Nordhausen. Gedruckt von Theodor Müller in Nordhausen. 8°. Band I: XXIV, 655 S. mit 49 Abbildungen in Lichtdruck und 4 Bildtafeln in Farbendruck. Band II: XVI, 628 S. mit S1 Bildern in Lichtdruck, 1 farbigen Wappentafel und 1 Faksimileblatt in Folio. Gebd. 15 M. Zu den deutschen Städten, welche ihre ersten Anfänge bis auf die Zeit der sächsischen Kaiser und Könige einwandfrei zurückführen können und deshalb mit Fug und Recht die 1000jährige Jubelfeier der Stadtgründung festlich begingen, gehört die alte, gleich ihrer benachbarten Schwesterstadt Mühlhausen i. Thür. in der thüringischen Geschichte eine bedeutsame Rolle spielende ehemalige kaiserliche freie Reichsstadt Nordhausen. Ihr erstes urkundliches Auftreten ist durch ein Diplom König Heinrichs I. vom Jahre 927 unzweifelhaft erwiesen, so daß sie mit berechtigtem Hochgefühl auf den Inhalt ihrer ruhmreichen Geschichte, an der viele Generationen selbstbewußten und kraftvollen Bürgertums mit unermüdlichem Fleiß und in zäher Arbeit geschaffen haben, im vergangenen Jahre das Fest ihres 1000jährigen Bestehens feiern konnte. Wenngleich auch genannte Schenkungsverbriefung König Heinrichs I. selbst leider nicht mehr erhalten ist, so wird doch deren einstiges Vorhandensein sichergestellt und bestätigt durch eine zweite, in Originalgröße in Faksimiledruck am Schlusse des zweiten Bandes vorliegender Veröffentlichung wiedergegebene, im preußischen Staatsarchiv zu Magdeburg aufbewahrte Pergamenturkunde dieses Königs d. d. Quedlinburg 929, September 16, laut welcher er seiner Gemahlin Mathilde Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen, Grone und Duderstadt als Wittum zuweist. Eingedenk dieser Tatsache und stolz auf die geschichtliche Bedeutung als alte freie Reichsstadt ,wie als preußische Land- und Industriestadt (seit dem Verlust der Reichsfreiheit im Jahre 1802) hat der Magistrat der Stadt Nordhausen zur vorjährigen, in festlichen Rahmen gekleidet-en Jahrtausendfeier als bleibende Erinnerungsgabe unter Mitarbeit namhafter und bewährter Nordhäuser Lokalhistoriker vorliegendes umfangreiches und geschmackvoll ausgestattetes Werk erscheinen lassen, das die deutsche und vor allem die thüringische Geschichtsfoıschung mit freudiger Dankbarkeit begrüßen muß. Zusammen mit der zu gleicher Zeit von der Schriftleitung der Thüringer Heimatsblätter „Pflüger“ (Urquell-Verlag Erich Röth, 1927, Flarchheim bei Mühlhausen i. Th.) als Sonderdruck aus dem 5. Heft des IV. Jahrgangs in Buchform herausgegebenen kleinen Festschrift „Das tausendjährige Nordhausen in Geschichte und Sage, in Roman und Dichtung“. (Mit 3 Bildtafeln, 6 Abbildungen im Text und 1 Karte. 48 S. 80. Geh. 1 M.) erweist sie sich als willkommene Bereicherung der historischen und heimatkundlichen Literatur. Bisher besaßen wir noch keine abschließende vollständige Stadtgeschichte von Nordhausen, weil F. Ohr. Lesser's im Jahre 1740 veröffentlichten „Historischen Nachrichten“ die Materie sachlich nicht erschöpften, E. G. Förstemanns grundlegende Publikation (1840) die Stadtgeschichte nur bis zum Jahre 1250 führt und Förstemanns (erst nach dessen Tode im Jahre 1860 veröffentlichte) Fortsetzung der Lesser`schen Chronik den Anforderungen der neueren kritischen Geschichtsforschung nicht mehr entspricht, zumal ferner auch die übrigen zahlreichen Aufsätze, Spezialarbeiten ımd Beiträge zur Nordhäuser Historiographie (vgl. den sehr instruktiven und erschöpfenden, in der Beilage zur Nordhäuser Zeitung „Nordhäuser Familienblätter“ Nr. 89-91 vom 8., 12 und 19. November 1927 erschienenen Vortrag des rührigen Nordhäuser Stadtarchivars Hermann Heineck) nur einzelne Ausschnitte aus der inhaltreichen ımd wechselvollen Geschichte dieser alten Stadt enthalten. Um so erfreulicher und anerkennenswerter ist der opferwillige Beschluß des Magistrats der Stadt Nordhausen, aus Anlaß der vorjährigen Jubelfeier obige zweibändige Geschichte der Stadt Nordhausen im Wandel des ersten Jahrtausends ihres Bestehens als amtliche Festschrift herauszugeben und zu finanzieren. Mit der Bearbeitung der aus einzelnen gesonderten Abschnitten bestehenden Publikation wurde ein Kreis von Männern betraut, die infolge ihrer jahrelangen stadtgeschichtlichen Studien als solche dafür in erster Linie geeignet erschienen und somit die sichere Gewähr für eine quellenkritische und erschöpfende Auswertung des zu behandelnden Stoffes boten. Da das Werk vom Magistrat in der Hauptsache als ein für jeden Nordhäuser und Freund der Geschicke Nordhausens im Werdegang der Geschichte bestimmtes Heimatbuch gedacht war, haben die einzelnen Verfasser sich an- weisungsgemäß bemüht, die Darstellung einem großen Leserkreis anzupassen und populär zu gestalten, den trockenen Text der quellenmäßigen Berichterstattung nach Möglichkeit zu vermeiden und mitunter durch dramatisch gestaltete Schilderungen anregend und anschaulich zn wirken. Auch der Fachmann, dem naturgemäß diese Art der beabsichtigt populären Stoffbehandlung zuweilen etwas befremdlich anmutet - vor allem tritt das in der gemischten, bald wissenschaftlich strengen, bald volkstümlich phantastischen Stilform der umfangreichen Monographie des Studienrates Dr. Hans Silberborth zutage, die einen rechten Genuß nicht aufkommen läßt - wird aus der Lektüre genannter Festschrift doch manchen Gewinn haben und neue Gesichtspunkte gewinnen. Des gemessenen Raumes wegen ist es uns leider unmöglich, auf die reiche Fülle der auf über 1300 Seiten gebotenen Ergebnisse des näheren einzugehen. Wir müssen uns deshalb darauf beschränken, hier nur eine kurze Skizzierung nebst kurzer Kritik des Inhaltes beider Bände zu geben. Eingeleitet wird das Werk durch ein kurzes einführendes Vorwort des derzeitigen Oberbürgermeisters Dr. Baller. Den Hauptteil des Werkm, wie des 1. Bandes (Seite 1-596), bildet die Geschichte der freien Reichstadt Nordhausen (bis 1802); sie bearbeitete Studienrat Dr. Hans Silberborth, der sich erst seit 3 Jahren nur mit einem Teilgebiete der Nordhäuser Vergangenheit, nämlich mit verfassungsgeschichtlichen Studien über jene Stadt beschäftigte und sich daraufhin für genügend eingearbeitet betrachtete, um den Versuch zu wagen, zu- folge des Auftrages des Magistrats eine allgemeine Geschichte von Nordhausen in reichsstädtischer Zeit zu schreiben. Daß es zufolge des Fehlens eines Urkundenbuches wie des Mangels wertvoller Einzeldarstellungen und Vorarbeiten für die verschiedensten Gebiete des städtischen Lebens zur Zeit noch arg verfrüht und daher unmöglich war, nur unter Benutzung der wenigen gedruckten Chroniken, handschriftlichen Aufzeichnungen und einiger Forschungsergebnisse eine der wissenschaftlichen Kritik stand- haltende erschöpfende quellenkritische Geschichte Nordhausens in genannter Zeitepoche abzufassen (zumal die vorhandenen Quellen für die älteste Zeit wie für das ganze Mittelalter nicht zahlreich sind), zeigt deutlich Silberborths auf schwacher Basis stehender Beitrag, der leider auch manche bedauerliche Ungenauigkeiten und Auslassungen (z. B. fehlt eine Würdigung der verfassungsgeschichtlichen Bedeutung des Mühlhäuser Reichsrechtsbuches in der Fassung des Nordhäuser Stadtarchivs, vgl. meine Anzeige in dieser Zeitschrift 35. Bd. 1. Heft [Neue Folge 27. Bd.] S, 141-144) enthält. Silberborths oft dramatisch belebte Schilderungen orientieren uns 1) über Nordhausens Geschichte von den ältesten Zeiten bis zur Entstehung des mittelalterlichen städtischen Gemeinwesens (d. h. in der fränkischen Zeit, die Entstehung der sächsischen Burg Nord- hausen und die Schicksale des Gemeinwesens bis zum Jahre 1220), 2) Nordhausen unter der Herrschaft der Geschlechter, sowohl in der Zeit des Uebergangs vom Feudalismus zum Bürgertum (1220-1290) als auch in der Blütezeit und im Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter, 3) in der Zeit des ausgehenden Mittelalters, 4) im Zeitalter der Reformation und der Religionskriege, 5) über die letzten 150 Jahre des Bestehens als kaiserlich freie Reichstadt. Hieran schließt sich anhangsweise (I. Band, Seite 603-639) die Sonderuntersuchung von Pfarrer Otto Riemenschneider über die Gründung, Entwicklung und Zerstörung der ehemaligen Heinrichsburg in Nordhausen, der ältesten Gründung Hein- richs I. Würdig reiht sich an (B.and II, Seite 1-302) die Beschreibung der Stadtgeschichte bis zum großen Welt- kriege (1802–1914) durch Nordhausens bewährten Stadtarchivar Hermann Heineck, der in allgemeinen Ueberblicken die politische und wirtschaftliche Geschichte Deutschlands wie Europas mit heranzieht, um die Rückwirkung auf die lokalen Verhältnisse erkennen zu lassen, und es grundsätzlich vermieden hat, auf politische Einzelheiten wie politische Erörterungen einzugehen. Und die Kriegs- und Nachkriegszeit (von 1914 ab) nebst dem Verzeichnis der Gefallenen hat der Mann geschrieben, der während dieser schweren Jahre die Geschicke der Stadt gelenkt hat und deshalb in erster Linie dazu berufen war: Ehrenbürger, Oberbürgermeister i. R. Dr. Carl Contag (II. Band, Seite 300-370). Drei kultnrgeschichtliche Abhandlungen endlich ergänzen das Werk in wertvoller Weise: Mittelschullehrer Hein rich Heine bietet einerseits eine quellenınäßige Geschichte der dramatischen Auf- führungen (einschließlich der Schulkomödien des 16.-18. Jahr- hunderts) und des eigentlichen Theaters in Nordhausen (II. Band, Seite 379-440), andererseits einen wohlgelungenen Ueberblíck über die historische Entwicklung dm Musik und des Konzertwesens in dieser Stadt (H. Band, Seite 445-506) und Museumsdirektor Dr. August Stolberg hat im Verein mit Dr. ing. Friedrich Stolberg es vortrefflich verstanden, in der Uebersicht über die Bau- und Kunstdenkınäler der Stadt Nordhausen (II. Band, Seite 515 bis 613) das Beste aus den Schätzen überkommenen Kunst- und Knlturschaffens heranszugreifen und dem Leser die Hand zu bieten zu einer Wanderung durch das Bestehende. Kirchen und Bürgerbauten aus 7 Jahrhunderten, gefaßt vom turmbewehrten Mauerring der 1000jährigen Gründung, ziehen in lichtvoller Darstellung an uns vorüber und stehen als Denkmal altreichsstädtischer Blüte vor uns, ans großer Vergangenheit hinüberragend in eine größere Zukunft. Den Beschluß eines jeden Bandes bildet ein deren Benutzung wesentlich erleichterndes Personen-, Orts- und Sachregister, ferner enthält der II. Band noch ein Verzeichnis der Abbildungen und farbigen Bildtafeln, nebst einer Uebersicht über die Druckfehler und Berichtigungen. Manche anderen darin nicht aufgeführten Druckflüchtigkeiten des Werkes beruhen wohl auf dessen beschleunigter Herstellung. Die reiche Ausstattung beider Bände mit trefflichen Reproduktionen von Stadtplänen, Urkunden- und Siegelfaksimilien, vielen guten Abbildungen von Stadtansichten und einzelnen Baulichkeiten und sonstigen Beigaben verdient besonderes Lob. Alles in allem eine höchst schätzenswerte Erinnerungsgabe für die denkwürdige tausendjährige Geschichte Nordhausens und ein schönes Ehrenmal für den vorbildlichen Gemeinsinn ihres rührigen Magistrates. Hat doch dieser in der .heutigen Zeit der Gleichgültigkeit durch die Herausgabe obiger groß angelegten, trotz mancher Unvollkommenheiten ansprechenden und verdienstvollen Festschrift sein großes Verständnis für historische Werte und sein eifriges Bestreben bewiesen, die geistigen Interessen gegenüber der wechselvollen vaterländischen Vergangenheit seines Gemeinwesens eifrig zu schützen und zu wahren. Mögen sich andere staatliche Behörden, historische Kommissionen und gelehrte Gesellschaften und nicht minder die größeren Städte in gleicher Lage oder bei ähnlichen besonderen Veranlassungen das opferfreudige Nordhausen zum Muster nehmen!
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