Die neue Verwaltung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. November 2022, 19:53 Uhr

Textdaten
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Autor: Hermann Heineck
Titel: Die neue Verwaltung
Untertitel:
aus: Geschichte der Stadt Nordhausen 1802-1914
Herausgeber: Magistrat
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Magistrat der Stadt Nordhausen
Drucker:
Erscheinungsort:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Abschnitt 1,
Kapitel 2
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Kapitel 2.
Die neue Verwaltung.


Den Kommissarien, welche von der Stadt Besitz zu ergreifen haben, ist eine geheime Instruktion eingehändigt, welche in Absatz 14 folgendermaßen lautet:

„Nicht nur die Bedienten, sondern auch die Einwohner aller Klassen und Stände müssen mit der größten Humanität behandelt werden, welches den Kommissarien und deren Subalternen hierdurch aufs ernstlichste zur ersten Pflicht gemacht wird.............Beschwerden über unverdiente, unfreundliche Behandlung würden Se. Majestät höchst ungnädig aufnehmen und müssen daher sorgfältig vermieden werden. Doch können und müssen freilich Protestationen oder sonstige Widersprüche in keiner Art angenommen werden. Sollten sich wider Verhossen Widersetzliche finden, welche sich nicht weisen lassen wollen, so sind solche streng in das Geleis zurückzubringen.

Was die Religions- und kirchlichen Angelegenheiten betrifft, so wollen Se. Majestät solchen den kräftigsten Schutz angedeihen lassen, indem Allerhöchstdieselben für alle Konfessionen der christlichen Religion die höchste Achtung haben. Die Kommissarien müssen also dafür sorgen, daß niemand in Ausübung des Gottesdienstes gestört und überhaupt alle und jede Kränkung in Religions- und Glaubenssachen verhütet und keine Einmischung in die kirchliche Disziplin gestattet werde."[1]

Ist so das Verfahren gegenüber den neuen Untertanen geregelt, so dauert es noch eine Zeit, ehe die neuen politischen Zustände eine feste Form erhalten. Die neue oberste Landesbehörde erhält mit dem Jahre 1803 für das Gebiet von Erfurt mit dem Eichsfeld, für die Stadt Nordhausen und Mühlhausen und die Grafschaft Hohnstein ihren Sitz in Heiligenstadt. Seit 1. November 1803 entfaltet die neuerrichtete Eichsfeld-Erfurtische

Kriegs- und Domänenkammer

ihre Tätigkeit. Kammerpräsident wird der bekannte Friedrich Dohm, dessen große Geschäftsgewandtheit und tüchtige Arbeitskraft den Nordhäusern bereits von freireichsstädtischer Zeit her bekannt ist.

Und nun beginnen die Reformen auch in Nordhausen.

An die Spitze der Stadt wird an Stelle des bisherigen Interimsmagistrats ein preußischer Beamter mit dem Titel Stadtdirektor gesetzt, dem der Magistrat untersteht. Stadtdirektor wird der Kammergerichtsreferendar Piautaz, dem es obliegt, einen ausführlichen Bericht auszuarbeiten über die wirtschaftlichen und Steuerverhältnisse der ehemaligen freien Reichsstadt Nordhausen, zugleich aber auch Vorschläge zu machen über die zukünftige Verwaltung der Stadt.

Der ihm unterstellte Magistrat setzt sich zusammen aus Personen, welche schon vor 1802 in reichsstädtischen Diensten standen: aus dem Bürgermeister Ioh. Conr. Ephraim Grünhagen, dem Syndikus Friedr. Aug. Günther Riemann, den Senatoren Legationsrat Ioh. Georg Friedr. Seidler, Joh. Aug. Carl Mohring und Carl Wilh. Ferd. Seiffart. Am 1. Mai 1803 wird ein preußisches Postamt eingerichtet, das hannöversche Postamt bleibt bestehen, das kaiserl. Amt (Thurn und Taxis) ist von diesem Tage an aufgehoben. 1804 wird das preußische Landrecht in Nordhausen eingeführt. Es wird damit einem Zustand ein Ende gemacht, der in Altnordhausen recht unliebsam bemerkt wurde. Bisher war in der kleinen Stadt ständig Verwaltung und Rechtspflege verquickt worden. Das hatte zu mannigfachen Streitigkeiten geführt. Ein einheitliches Recht gab es in Nordhausen nicht, daher viele Prozesse, die nie endeten. Nicht gerade selten war es, daß man die Justizbeamten einseitiger Parteinahme bezichtete.

Die Klarheit und Uebersichtlichkeit der neuen Stadtverwaltung macht sich bald fühlbar. In der reichsstädtischen Zeit brauchte man, um die Steuern zu erheben, 10 Kämmerer. Wenn in reichsstädtischer Zeit das Kunstgeld erhoben ward, so bedurfte es einer eigenen Deputation; den Schoß zogen die Schoßherren ein. Wach- und Schutzgeld erhoben 2 Deputierte, das Mahl- und Schrotgeld 2 Ratspersonen.

Der Zoll und die Wageeinnahme waren der Aufsicht eines Ratsherrn unterstellt, einem andern Ratsherrn die Aufsicht über die Hausierer. Außer diesen Ratsherrn fungierte noch ein Kornschreiber, das Weinamt bildeten 4 Ratsherren. — Das Ratsregiment bestand aus 54 Personen; es gab also genügend Personen, um die Geschäfte zu versehen und jedem ein Aemtchen zuzuschieben!

*

Doch genug von der Art und Weise der ehemaligen Steuererhebung. Wie steht es aber mit den Steuern selbst? Die Steuern der reichsstädtischen Zeit werden durch die neue Verwaltung zum Teil abgeschafft, zum großen Teil aber in gleicher Höhe beibehalten.[2]

Der Personalschoß, welcher von den nicht mit Häusern angesessenen Bürgern erhoben wird, beträgt

1800 ℳ 16.390
1803 ℳ 18.262

das Feuerwachtgeld, zur Bezahlung der Nachtwächter der Oberstadt dienend, bringt

ℳ 610
ℳ 886

das Kunstgeld, welches auf den Inquilinen der Oberstadt ruht, beläuft sich auf

ℳ 1.003
ℳ 1.627.

Zur indirekten Besteuerung gehören

Mahl-, Schrot- und Oelschlagegeld.

Es wurden erhoben im Durchschnitt 1796—1801 = ℳ 23.428

jetzt bringt diese Steuer (1803) = ℳ 25.745 ein.
Brauzeichengeld 1800 = ℳ 6.405; 1803 = ℳ 6.369
Schrotmetzgeld 1800 = ℳ 1.266; 1803 = ℳ 1.305
Braupfannenzins 1800 = ℳ 1.270; 1803 = ℳ 1.161

Aus alledem geht zur Genüge hervor, daß seitens der neuen Regierung der Bierkonsum ausreichend besteuert wird.

Der Branntwein hingegen wird von der Steuerbehörde noch nicht in gleichem Maße herangezogen. Es wird kein Blasenzins erhoben, ebensowenig eine Abgabe nach der Größe der Gärungsgefäße. Eine Belastung des Fabrikats erfolgt erst, wenn exportiert wird. Der Steuersatz beträgt dann 1 Groschen 6 Pfg. pro Faß (wie in reichsstädtischer Zeit). Die Branntweinsteuer bringt 1800 = ℳ 3139, 1803 = ℳ 3106. Von allen Steuern Nordhausens ist die Branntweinsteuer am wenigsten ausgebildet. Der einheimische Konsum wird überhaupt nicht versteuert. Aus Bier und Branntwein bezieht man 1803 rund 40 % der Steuern bei Belastung von 3.20 ℳ pro Kopf der Bevölkerung. Direkte Steuer ist das Bürgerrechtsgeld. Es werden eingenommen

1800 = ℳ 690; 1803 = ℳ 753.

Finanzzölle werden durch die Zollgefälle erhoben, die besonders hoch sind bei Ausfuhr von Branntwein und Bier, bei Einfuhr von Getreide, Metallen usw. Nordhäuser Bier und Branntwein werden viel begehrt, daher die Belastung, welche der Abführende zu tragen hat. Auch Tabak ist verschieden, je nach Ausfuhr und Einfuhr belastet.[3]

An Zollgefällen gehen ein

1800 = ℳ 5513; 1803 = ℳ 8104
=8,7 % der Gesamteinnahme der Steuern.

Um einen kurzen Ueberblick zu gewähren über die allmähliche Einbeziehung der Stadt Nordhausen in die Interessen des preußischen Staates, bemerke ich noch, daß seit 1803 die Stadt dem Geltungsbereich der Magdeburgischen Landfeuersozietät zugeführt wird; der Wert sämtlicher Gebäude in Nordhausen ist auf 1742 825 Taler taxiert. Seit dem 1. Juni 1803 gilt das preußische Stempelwesen und seit derselben Zeit die allgemeine Gerichtsordnung. Des preuß. allg. Land- rechts ist schon oben gedacht. Seit dem 1. Februar 1804 gelangt das Salzregal zur Einführung, am 14. Juli desselben Jahres nimmt die Accise ihren Anfang.

*

Ein sehr unangenehmes Gefühl für die Nordhäuser Bürgerschaft ist die bevorstehende Kantonpflicht, die Pflicht Militärdienst zu tun. Denn der Eintritt in das damalige Heer bedeutete in vielen Fällen die Vernichtung eines bis dahin geordneten Lebensganges. Es ist dem damaligen Geschlecht ein unerträglicher Gedanke, daß tüchtige Söhne ehrbarer Bürger zum Militärdienst ausgehoben werden sollen. Wird auch die Eingabe der sämtlichen Innungen unserer Stadt, von der Kantonspflicht für ihre Söhne befreit zu werden, von dem Könige abgewiesen mit dem Hinweis darauf, daß Ehrenpflicht jedes Bürgers die Vaterlandsverteidigung sei,[4] so hat dieses Schreiben doch wenig Eindruck auf die Bürger gemacht, und in ihrem Widerwillen gegen die Kantonspflicht hält die Bevölkerung einmütig zusammen, bis sie durch die Franzosenherrschaft belehrt wird, daß die brutale Härte der napoleonischen Konskription noch viel weniger erträglich ist wie das bisherige preußische System.

Auch in Kirchen- und Schulsachen machen sich bedeutende Umänderungen bemerklich. Die Machtbefugnisse des früheren reichsstädtischen Konsistoriums gehen an die Heiligenstädter Kriegs- und Domänenkammer über, die Pastorenprüfungen finden nach der Instruktion für die Konsistorien über die theologischen Prüfungen vom 12. Februar 1799, Berlin, Georg Decker, statt. Das alte, seit der Reformationszeit eingerichtete Gymnasium scheint der Auflösung verfallen zu sein. Und das kommt so.[5]

Der preußischen Regierung, welche damals mit Eifer ihr Schulwesen entwickelt, liegt daran, nur wenige, aber gute Schulen als Gymnasien bestehen zu lassen, hingegen die zurückgebliebenen Anstalten in Real- und Bürgerschulen für den Mittelstand umzuwandeln.

Revisionen des Nordhäuser Gymnasiums durch den Minister von Massow im November 1805 fallen recht ungünstig aus, und so lautet der Spruch der Regierung: „Das Gymnasium zu Nordhausen ist als gelehrte Schule weder notwendig noch gehörig organisiert, es soll in eine Mittelschule umgewandelt werden.[6] Am 20. Januar 1806 bestimmt das Preußische Ministerium, daß

  1. in Nordhausen mehrere Elementarschulen für Knaben und Mädchen,
  2. eine höhere Bildungsanstalt für Mädchen,
  3. eine höhere Bürgerschule für Knaben, der einige Klassen mit gelehrtem Unterricht angegliedert werden sollen, einzurichten sind.

Eine Kommission, bestehend aus dem Stadtdirektor Piautaz, Bürgermeister Grünhagen, Superintendent Dietrich und Gymnasialdirektor Lenz, soll das Nordhäuser Bildungswesen in diese neuen Verhältnisse hinüberführen. Wir berühren diese Angelegenheit nochmals bei Besprechung der westfälischen Zeit (s. Kapitel 3).

*

In einem sentimental gehaltenen Gedichte „An meine Mitbürger den 2. August 1802" ruft der bekannte Nordhäuser Lokaldichter, Magister Ehrhardt, aus:[7]

Weint! Das Wetter, welches wir seit Jahren
fürchteten, bricht über uns herein.
Weint! Nordhausens Bürger! Was wir waren,
werden wir nicht fort von heut' an sein.
Weinet! Unser Freibrief gilt nicht weiter,
was er sonst vor Deutschlands Fürsten galt.
Eines fremden Herrschers Rät' und Streiter
ändern unsres Vaterlands Gestalt.

Zu gleicher Zeit gibt er aber seinen Mitbürgern den Rat, willig des Gehorsams Pflicht zu üben.

Es wäre nun ganz falsch, zu glauben, daß die Nordhäuser in Tränen ausgebrochen wären über ihrer Stadt Schicksal. Ebenso wenig aber darf man annehmen, daß eine große Vorliebe für den preußischen Staat sich geregt hätte. Entsprechend ihrem Charakter, den der bekannte Freiherr von Heß in seinen Durchflügen so trefflich charakterisiert, behalten die Nordhäuser auch in diesen Zeiten der Umwälzung ihren nüchternen Sinn und gesunden Menschenverstand und nehmen gern die Vorteile hin, welche die Zugehörigkeit zu einem größeren Staatswesen ihrem Handel und Gewerbe bietet. Gegen die Aufnahme katholischer Bürger in ihre Stadt regt sich kein Widerstand. So religiös im allgemeinen der Nordhäuser ist, so wenig ist er Fanatiker.

Der Uebergang in einen größeren Staatskörper verwischt vor allem den Geist des Nepotismus, der die kleine Republik doch gar sehr beherrscht hatte.[8] Ein freier Luftzug durchweht die Stadt, welche allmählich ihr mittelalterliches Kleid ablegt.

*

Ein königlicher Besuch 1805

Wir schließen diesen Abschnitt, indem wir noch mit einigen Worten auf ein Ereignis eingehen, welches sich lange in der Erinnerung unserer Urgroßeltern erhielt, auf den Besuch des Königspaares von Preußen im Jahre 1805.

April 1805 trifft aus Heiligenstadt an den Stadtrat zu Nordhausen ein Schreiben der Kgl. Eichsfeld-Erfurtischen Kriegs- und Domänenkammer ein, durch welches dem Rat bekannt gemacht wird, daß Se. Majestät am 1. Juni a. e. zur Revue-Reise nach Erfurt die Tour von Ellrich über Nordhausen nehmen werde. Da vielleicht der Fall eintreten könnte, daß das Nordhäuser Postamt die daselbst zum Umspannen erforderlichen 29 Extrapostpferde nicht sämtlich aufzubringen vermöchte, so habe der dortige Stadtrat dafür zu sorgen, daß die benötigten Hilfspferde gegen extrapostmäßige Bezahlung aus dortiger Stadt herbeigeschafft würden usw.

Nun beginnen in Nordhausen fieberhafte Vorbereitungen, um die Kgl. Majestäten zu empfangen, in den 3 Linden zu bewirten und durch die Straßen der Neustadt zu geleiten.

Die meisten Kopfschmerzen macht dem Stadtrat die Sorge für die Reinlichkeit in den Straßen, durch welche die vielen Schweine der Branntweinbrennereien alltäglich ihren Weg zur Schwemme vor den Toren der Stadt zu nehmen pflegen.

Endlich bricht der 1. Juni an.

Seit ½4 Uhr morgens ist alles auf den Beinen, Punkt 5 Uhr finden sich sämtliche Behörden in den 3 Linden ein, um die königlichen Gäste, die vom Brocken kommend in Ellrich übernachtet haben, feierlich zu bewillkommnen.

Eine harte Geduldsprobe haben die Zuschauer zu bestehen.

Endlich verkündet hoch aufwirbelnder Staub von Salza her die Ankunft der königlichen Reisegesellschaft. Sie besteht aus 10 Wagen. Voran fährt im 8-Spänner Se. Majestät König Friedrich Wilhelm III., begleitet vom Generalmajor von Köckeritz. Im 2. Wagen sitzt die Königin Luise, neben ihr die Oberhofmeisterin Gräfin Voß.

Auf dem Platze vor den 3 Linden wird der König vom Stadtdirektor Piautaz empfangen und in den Gasthof geleitet. Daselbst wird ein kaltes Frühstück angeboten und angenommen.

Inzwischen werden die Pferde gewechselt. Das Publikum drängt sich in dichten Scharen heran, um einen Einblick in die königlichen Kutschen zu gewinnen. Es vergehen 1—2 Stunden. Dann geht die Reise nach Erfurt weiter.

Infolge einer Unachtsamkeit des Leibkutschers wird der Wagen des Königs um die Stadt herum bis zur Sundhäuser Brücke geleitet, während die Königin Luise programmgemäß die Sandstraße, Neustadt und den Rumbach durchfährt, um nach dem Passieren der 2 Sundhäuser Tore von der Stadt Nordhausen für immer Abschied zu nehmen.

*

Der Zusammenbruch Preußens 1806

Ueber die Politik Kaiser Napoleons gegenüber dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. ist schon im Eingang gesprochen. Das preußische Heer bricht zusammen unter der strategischen Ueberlegenheit Napoleons, der taktischen seiner Generale und Soldaten und der numerischen Uebermacht, der gegenüber ein endgültiger Erfolg überhaupt ausgeschlossen ist.

Die Entscheidungsschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 wirkt vernichtend. Am 9. Juli 1807 kommt es zum Frieden von Tilsit.

Der Sieg über Preußen bedeutet den Höhepunkt von Napoleons Macht. In der Fürstenversammlung von Erfurt im September 1808 umgeben den Günstling des Glücks außer dem Zaren 4 Könige und 34 Fürsten.

Aber diese Erfolge bereiten Napoleons Sturz vor. Indem Napoleon immer rücksichtsloser nur seine eigenen Interessen kennt und die der Völker gewissenlos beiseite schiebt, werden die von ihm geforderten Opfer immer schmerzlicher empfunden und erzeugen die Stimmung, welche in den Befreiungskriegen schließlich ihrem elementaren Ausdruck findet. Der größte Fehler, den Napoleon begeht, ist sein Zug nach Rußland. Als Südfranzose (Korse) unbekannt mit der elementaren Gewalt eines russischen Winters, unterschätzt er in seinen Berechnungen die gewaltigen Entfernungen und die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in diesen Wäldern, Sümpfen und Einöden.

Da Napoleon erst in Moskau Halt macht, so ist er mehr den elementaren Gewalten erlegen als seinen menschlichen Gegnern.

Nur traurige Trümmer des stolzen Heeres, welches siegessicher die russische Grenze überschritten hat, kehren in die Heimat zurück.

Diesem russischen Feldzug folgt Preußens Erhebung, sie ist ohne das Jahr 1812 undenkbar. Aber Preußen hat auch allen Grund, sich als erster Staat zu erheben in dem Augenblicke, wo es den Anschein hat, man könne dem bisherigen Bedrücker gewachsen sein. Hat doch Napoleon alles getan, um den 1806 niedergeworfenen Staat dauernd in Ohnmacht zu halten und ihm die Fremdherrschaft in schmachvollster Weise fühlen zu lasten.

Und so bleibt die deutsche Erhebung bis zur Schlacht bei Leipzig in der Hauptsache eine preußische. Wie hätten auch die Rheinbundstaaten sich von ihrem Herren und Meister lossagen können! Nur die Staaten östlich der Elbe haben gegen Napoleon gekämpft, Friedrich August von Sachsen ging in die Verbannung in der Hoffnung, durch seinen großen Alliierten wieder in das Reich seiner Väter zurückzukommen.

Nach der Schlacht bei Leipzig fällt das westfälische Reich in seine früheren Bestandteile auseinander, und so kommt die westfälische Stadt Nordhausen 1813 naturgemäß wieder an den König von Preußen.




  1. Vergl. Heineck, Brandenburg-Preußen und Nvrdhausen, 1902, S. 114—115.
  2. Ausführlich handelt darüber meine Schrift „Der Kämmereietat der kaiserl. freien Reichsstadt Nordhausen am Ausgang des 18. Jahrhundert". 1898, C. Haacke, Nordhausen.
  3. K. Schröter, die Steuern der Stadt Nordhausen, Jena, G. Fischer, 1904.
  4. Die Antwort des Königs lautete: „An die Zünfte und Innungen der Stadt Nordhausen. Se. Königliche Majestät von Preußen lassen den Zünften und Innungen der Stadt Nordhausen auf deren Vorstellung vom 11. ds. Mts. bekannt geben, daß nach den in Allerhöchst dero Staaten zum Flor derselben unverrückt befolgten Regierungsgrund- sätzen wohlerworbene Innungsprivilegien blos von dem landesherrlichen Vorbehalte, dieselben nach den Anforderungen des allgemeinen Wohls und des besonderen Interesses der Zünfte, sowohl einer jeden für sich als in Beziehung der einen Innung auf die andere, zu erweitern oder einzuschränken, abhängen, im übrigen aber auch ohne Bestätigung aufrecht erhalten und kräftig geschützt werden. In dem Maaße werden auch die genannten Zünfte den landesherrlichen Schutz Sr. Majestät zu ihrem wahren Besten erfahren. Damit steht aber die zugleich gewünschte Befreiung ihrer Zunft- und Hanbwerks- genossen-Kinder von allen militärischen Dienstleistungen geradezu im Widerspruch, indem das Recht auf Schutz in der bürgerlichen Verfassung nur durch Uebernahme aller bürgerlichen Pflichten, worunter die Pflicht der Landesverteidigung den ersten Platz behauptet, erhalten werden kann. Allerhöchst dieselben können daher den Supplikanten nicht gestatten, sich dieser Pflicht zu entziehen, hoffen vielmehr, daß sie dieselbe gern und willig als gute, treue Bürger übernehmen werden. Charlvttenburg, 21. August 1802. Friedrich Wilhelm."
  5. Silberborth, Geschichte des Nordhäuser Gymnasiums, 1924, S. 115 ff.
  6. Schwartz, Die Gelehrtenschule Preußens unter dem Oberschulkollegium 1787—1806 und das Abiturientenexamen, 3 Bde., 1914.
  7. Ueber Magister Ehrhardt s. meinen Aufsatz in „Aus der Heimat" 1894. (Sonntagsbeilage des „Nordhäuser Courier".)
  8. Heineck, Geschichte der Post in Nordhausen, 1926, S. 18.