Lager „Dora“ wird Vertriebenen-Lager

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14.12.1945 Lager „Dora“ wird Vertriebenen-Lager Das Lager Dora ist am 14.12.45 mit 1194 Umsiedlern belegt worden, die aus Reichenberg, Gablonz und Friedland (ehemalige Tschechoslowakei) stammen. Sie gehören meist den Mittelstandskreisen an, es sind viele Beamte darunter, denen es schwer fällt, im Lager einheimisch zu werden. Um ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen, sind folgende Einrichtungen bereits getroffen.

1. Es ist eine Poststelle eingerichtet worden, die ehrenamtlich von einem ehemaligen Postbeamten verwaltet wird und der in der Poststelle Papierwaren und Zeitungen verkaufen darf. 2. Es ist ein Friseursalon eingerichtet worden, der betreut wird von einem Friedländer Friseur. Ein Pachtvertrag wird noch abgeschlossen. 3. Das Bad, gleich ehemaliges SS-Bad, verwaltet ein ehemaliger Häftling aus dem K. Z. und als Badepreis wird genommen für ein Wannenbad -.30 RM und für ein Brausebad -.10 RM. 4. Eine Schuhmacherreparaturwerkstatt ist auch eingerichtet worden von einem Umsiedler, Nähmaschine fehlt noch. 5. Es ist auch eine Flickschneiderei vorgesehen. Eine Nähmaschine muß noch beschafft werden. 6. Im SS-Offizierskasino wird eine Kantine eingerichtet, die verwaltet wird von der Ehefrau des Lagerleiters Reichardt. 7. Der SS-Speisesaal wird für kirchliche Zwecke, für Festfeiem und für Vorführungen von Schmalfilmen benutzt. Es sind schon Verhandlungen getroffen, daß der Besitzer des Nordhäuser Eintracht-Kinos im Lager Dora Vorführungen veranstalten wird. 8. Die Registrierung der Schulkinder hat auch schon stattgefunden, und es ist nach Neujahr die Einrichtung der Schule durch Umsiedlerlehrer vorgesehen. 9. Eine Gärtnerei wird auf dem Gelände der ehemaligen Lagergärtnerei wieder eingerichtet werden. Die Art der Bewirtschaftung, ob Eigenbetrieb oder Pacht, ist noch nicht geregelt. 10. Die kirchliche Versorgung nimmt wahr für die Evang. der Pfarrer von Niedersachswerfen, für die Kath. der Kaplan von Nordhausen.

Die Verwaltung des Lagers Dora besteht aus einem Lagerleiter, seinem Stellvertreter, zwei Köchen, einer Küchenhilfe, drei Schwestern und einer Lazaretthilfe. Die Krankenstation ist ziemlich stark belegt. Wir hatten am 22.12.45 55 Infektionskranke, 146 gewöhnliche Kranke, 20 mit Läusen Behaftete. Todesfälle sind bis jetzt im Lager Dora zwei. Wenn das Lager mit 5 - 6 000 Leuten belegt wird, so würde es soviel Einwohner haben wie die Gemeinde Salza bei Nordhausen.

Es würden dann im Lager ca. 180 Todesfälle vorkommen. Die Gemeinde Salza gibt dazu zu erwägen, ob es nicht tunlich ist, für Dora einen eigenen Friedhof anzulegen, da in Salza der Friedhof bald voll belegt ist und in Dora auch ein Krematorium vorhanden ist. Die Arztfrage bereitet Schwierigkeiten für das Lager Dora, infolge der großen Anzahl der Kranken. Der nebenamtliche Lagerarzt Dr. Hecht, Vertreter des Herrn Dr. Kiefer, Salza kann unmöglich die Betreuung des Lagers für die Dauer übernehmen.

Deswegen ist beantragt worden, einen hauptamtlichen Lagerarzt in der Person des Dr. Futter, bisher Mittelwerk, anzustellen.

Zum Lager Dora gehören auch 15 Mann Techn. Personal unter der Leitung des Herrn Ing. Delf. Diesem Arbeitstrupp liegt ob: die Aufsicht über die Kläranlage, die Pumpstation, die Licht- u. Wasserleitung. Die Licht- u. Wasserleitung ist sehr defekt und erfordert große Reparaturen. Auch muß eine neue Leitung gelegt werden, da in absehbarer Zeit das Mittelwerk stillgelegt werden kann.

Die Verpflegung der Umsiedler ist den Verhältnissen entsprechend eine gute. Die Küchen- u. Lagerleiter haben alles getan, um außer den amtlichen Verpflegungsmengen noch zusätzlich Gemüse herbeizuschaffen. Dank der Opferfreudigkeit der Landbevölkerung war es möglich, Weihnachten zusätzlich Gebäck, Kuchen, Stollen usw. zu geben. Zwischen dem Hilfsausschuß und dem Ausschuß „Thüringen in Not“ herrscht eine gute Zusammenarbeit, die sich besonders äußerte in der Versorgung der Umsiedler mit Spielzeug und mit Bekleidung.

Der Bevollmächtigte für Umsiedlung gez. Unterschrift (Güntsche, Schulrat a. D.) S 138, BI. 55 f.