Integriertes Stadtentwicklungskonzept Nordhausen 2030
Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept Nordhausen 2030 (kurz ISEK Nordhausen 2030) ist ein strategischer Plan, der von der Stadt Nordhausen entwickelt wurde, um auf den demografischen und energetischen Wandel zu reagieren. Es wurde am 6. April 2016 vom Stadtrat beschlossen und soll einen gesamtstädtischen Handlungsrahmen für den weiteren Stadtumbau bis 2030 bieten.
Im Zuge der Fortschreibung des ISEK 2020 auf den Zeithorizont 2030 wurde in den Jahren 2014/2015 unter Beteiligung von Bürgern und Akteuren ein Leitbild für die Stadt Nordhausen erarbeitet. Das Leitbild dient als Orientierung für die zukünftige Entwicklung der Stadt und bildet die Grundlage für das ISEK Nordhausen 2030.
Es beinhaltet eine zielorientierte Planung, rechtliche Absicherung durch Bauleitplanung, infrastrukturelle Voraussetzungen und Anreize für Investitionen. Darüber hinaus soll es als Grundlage für erforderliche Zuschüsse aus Europäischen, Bundes- und Landesmitteln für die Umsetzung daraus abgeleiteter öffentlicher und privater Maßnahmen dienen.
Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Mit dem ISEK 2030 verfolgt die Stadt das Ziel, die zukünftige Stadtentwicklung unter Berücksichtigung von Klimaschutz- und Energieeffizienzaspekten nachhaltig zu gestalten und die Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit Nordhausens zu sichern. Dazu wurden strategische Handlungsfelder definiert sowie konkrete Projekte und Maßnahmen formuliert, die unter Einbindung aller Akteure schrittweise umgesetzt werden sollen. Insbesondere durch die Schwerpunktsetzung auf Klimaschutz, Bürgerbeteiligung und innovative Pilotprojekte strebt Nordhausen eine Vorreiterrolle an.
Hintergrund und Ausgangslage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nordhausen als Kreisstadt im Südharz und mit ihren rund 42.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt in Nordthüringen. Historisch war die Stadt aufgrund ihrer Lage wirtschaftlich und kulturell von großer Bedeutung, im Zweiten Weltkrieg jedoch zu rund Dreiviertel zerstört. In der DDR wurde Nordhausen stark industrialisiert und erlebte einen Bauboom mit Großwohnsiedlungen. Nach der Wiedervereinigung kam es zu erheblichen Einwohnerverlusten, Betriebsstillegungen und einem enormen Leerstand an Wohnungen und Gewerbeflächen.
Seit den 2000er Jahren hat sich die Situation durch einen umfassenden Stadtumbau konsolidiert. Mit eigenen Anstrengungen sowie der Unterstützung durch die Städtebauförderung von Bund und Land konnte die Stadt gestärkt aus diesem Transformationsprozess hervorgehen. Heute verfügt Nordhausen wieder über eine solide wirtschaftliche Basis mit einer Arbeitsplatzzentralität in der strukturschwachen Region Südharz. Die überregionale Anbindung wurde durch den Ausbau der Verkehrswege verbessert. Mit rund 2500 Studentenn hat sich die Hochschule Nordhausen als wichtiger Bildungs- und Innovationsstandort etabliert. Die historische Bausubstanz der Altstadt sowie die großzügigen innerstädtischen Grünflächen sind weitgehend saniert und aufgewertet.
Gleichzeitig steht die Stadtentwicklung vor großen Herausforderungen. Der demografische Wandel führt zu einem weiteren Bevölkerungsrückgang und zu veränderten Anforderungen an Wohnraum, Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Der Klimawandel erfordert Anpassungen und Klimaschutzmaßnahmen. Knappe Kommunalfinanzen erzwingen eine Priorisierung von Projekten. Vor diesem Hintergrund wurde das ISEK von 2008 fortgeschrieben, um die Stadtentwicklung neu auszurichten.
Vorgehen und Beteiligung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der ISEK-Prozess wurde moderiert durch das Planungsbüro GRAS und gliederte sich in die Phasen Analyse, Leitbildentwicklung, Strategieableitung und Umsetzungsvorbereitung.
Für die inhaltliche und politische Begleitung wurde eine Lenkungsgruppe mit Oberbürgermeister, Dezernenten und Vertretern aller Stadtratsfraktionen gebildet. In zwei Bürgerwerkstätten konnten die Nordhäuser Bürger ihre Sichtweisen einbringen. Das Leitbild wurde in einem Bürger- und Akteursgremium mit über 70 Teilnehmern aus verschiedensten Bereichen erarbeitet. In zwei Planungswerkstätten waren die Fachämter der Stadtverwaltung eingebunden. Durch Pressearbeit und im Rahmen der "Nordhäuser Stadtgespräche" wurde die Öffentlichkeit informiert und zur Beteiligung aufgerufen.
Analyse der Ausgangssituation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In der Analysephase wurden zunächst die bisherige Entwicklung, der Ist-Zustand sowie die künftigen Herausforderungen in den Themenbereichen
- Demografie
- Wohnungsmarkt
- Wirtschaft
- Bildung
- Verkehr
- Klimaschutz
- Stadtentwicklung
- Technische Infrastruktur
untersucht und bilanziert. Dabei wurde deutlich, dass Nordhausen vor großen strukturellen Herausforderungen steht.
Die Bevölkerung ist zwischen 1990 und 2006 um rund 18% zurückgegangen, konnte durch Eingemeindungen und Zuzüge aber seit 2007 stabilisiert werden. Insgesamt wird bis 2030 ein weiterer moderater Rückgang auf etwa 40.100 Einwohner prognostiziert. Damit verbunden ist eine Verschiebung der Altersstruktur mit deutlich weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter.
Am Wohnungsmarkt kam es bis 2009 zu einem umfangreichen Rückbau überzähliger Wohnungen. Die Leerstandsquote konnte so auf heute nur noch 3,7% gesenkt werden. Mittelfristig wird aber wieder ein Anstieg auf 8-12% erwartet. Damit verbunden ist die Herausforderung, Rückbau und Neubau so zu steuern, dass stabile Stadtstrukturen erhalten bleiben.
Die Wirtschaft zeigt eine robuste Entwicklung mit rund 22.000 Arbeitsplätzen überwiegend in produzierendem Gewerbe, Handel und Dienstleistung. Als regionaler Beschäftigungsmagnet fungiert Nordhausen zunehmend auch als Wohnstandort. Engpässe zeichnen sich in bestimmten Fachkräftebereichen ab.
Im Bildungsbereich besteht ein umfassendes Angebot, die Studentennzahlen an der Hochschule sind stark gewachsen. Der demografische Wandel wird aber zu sinkenden Schülerzahlen und einem Mangel an Auszubildenden führen.
Beim Klimaschutz nimmt Nordhausen eine Vorreiterrolle ein. Bereits 2012 wurde ein ambitioniertes Integriertes Klimaschutzkonzept bis 2050 beschlossen. Offen ist die langfristige Ausrichtung der Fernwärmeversorgung.
Bei der Stadtentwicklung konnten durch Rückbau und Sanierung in den Stadtumbaugebieten Erfolge erzielt werden. Defizite bestehen noch bei der Entwicklung der Stadt- und Ortseingänge, der Gestaltung verkehrsbelasteter Bereiche sowie der Revitalisierung von Brachflächen.
In der technischen Infrastruktur steht die Anpassung der Systeme an Schrumpfungs- und Klimawandel an. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien gibt es Potenziale. Die Breitbandversorgung ist auf hohem Niveau.
Leitbild Nordhausen 2030[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ausgehend von den Ergebnissen der Analyse wurde unter Beteiligung von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft das Leitbild "Nordhausen 2030 - Lebendige und weltoffene Stadt in attraktiver Lage" entwickelt. Es enthält folgende 5 Handlungsfelder bzw. Zielzustände:
- Weltoffene Bürgerstadt: Offenheit, Vielfalt und Teilhabe prägen das Zusammenleben. Die Bürger engagieren sich für ihre Stadt.
- Führende Rolle im Dreiländereck Harz: Als Wirtschafts- und Versorgungszentrum erfüllt Nordhausen eine Motorfunktion in der Region.
- Wirtschaftliche Kraft: Nordhausen bietet attraktive Arbeitsplätze in vielfältigen Branchen und ist bekannt für innovative Unternehmen.
- Lebensqualität und Familienfreundlichkeit: Die Stadt bietet ein kinderfreundliches Umfeld sowie umfangreiche Bildungs-, Freizeit- und Erholungsangebote.
- Ganzheitliche Bildung und kulturelle Vielfalt: Bildung und Kultur sind Pfeiler der Stadtentwicklung und prägen das gesellschaftliche Leben.
Das Leitbild gab eine gemeinsame orientierende Zielvorstellung vor und war handlungsleitend für die folgende Strategieentwicklung.
Strategische Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Aus dem Abgleich zwischen Analyse und Leitbild wurden strategische Ziele und Handlungserfordernisse für die Stadtentwicklung bis 2030 abgeleitet. Diese gliedern sich in die 5 Handlungsfelder des Leitbildes:
- Handlungsfeld 1: Weltoffene Bürgerstadt
- Verstärkung von Zuwanderung und Erhöhung der Geburtenrate
- Förderung von Familien- und Seniorenfreundlichkeit
- Steuerung der Aufnahme von Flüchtlingen
- Sicherung der Nahversorgung in den Ortsteilen
- Handlungsfeld 2: Führende Rolle im Dreiländereck Harz
- Sicherung und Weiterentwicklung der überregionalen Versorgungsfunktionen
- Ausbau der Zusammenarbeit mit den Nachbarregionen
- Mitgestaltung der Kommunal- und Kreisreform
- Handlungsfeld 3: Wirtschaftliche Kraft
- Vermarktung und Erschließung von Gewerbeflächen
- Fachkräftesicherung und Bildungsangebote
- Ausbau der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Hochschule
- Ansiedlung von Unternehmen und Arbeitsplätzen
- Handlungsfeld 4: Lebensqualität und Familienfreundlichkeit
- Ausbau von Naherholungs-, Grünflächen- und Freizeitangeboten
- Entwicklung moderner und energieeffizienter Wohnangebote
- Ausbau von Infrastruktur für Familien, Senioren und Pflege
- Stärkung von Kultur und Tourismus
- Handlungsfeld 5: Ganzheitliche Bildung und kulturelle Vielfalt
- Sicherung der Bildungsvielfalt und Stärkung der Berufsausbildung
- Etablierung von Bürgerengagement und Projekten zur Teilhabeförderung
- Weiterentwicklung von Kulturbetrieben und Stärkung des Kulturtourismus'
Als Querschnittsaufgabe für alle Handlungsfelder wurden Klimaschutz und energetischer Stadtumbau definiert.
Umsetzung und Projekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Für die Umsetzung der strategischen Ziele wurden über 70 Einzelprojekte konzipiert, die in drei Kategorien gegliedert sind:
A) Projekte zur Verbesserung der Umsetzungsbedingungen (z.B. Klimaschutzmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Koordinierungsstelle für Bürgerengagement)
B) Projekte zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit (z.B. Spielplatzsanierungen, Radverkehrskonzept, Flächenmanagement)
C) Projekte als Impulsgeber (z.B. Bürgerhaus, Theaterneubau, Modellstadt Energiewende, Umnutzung Marktpassage)
Schwerpunktmäßig wurden Projekte in den Bereichen Bildung, Mobilität und Bürgerbeteiligung konzipiert. Beispiele hierfür sind die Einrichtung offener Lernzentren, der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur und -angebote, die Entwicklung von Bürgerhaushalts- und Stadtentwicklungsfonds sowie generationenübergreifende Wohnprojekte.
Für die Umsetzung sind eine abgestimmte Priorisierung, alternative Finanzierungsmodelle, Fördermittel sowie die Aktivierung von Bürgerengagement und privaten Investitionen erforderlich. Der Prozess soll durch ein Monitoring evaluiert werden.
Fazit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das ISEK 2030 dient mit seinem umfassenden Analyse- und Strategieteil als eine auf die Zukunft gerichtete Gesamtplanung zur integrierten Stadtentwicklung. Durch die breite Beteiligung und das entwickelte Leitbild soll eine gemeinsame Perspektive erarbeitet werden. Die darauf aufbauenden Projekte adressieren die wichtigsten Handlungsfelder und haben Pilotcharakter.
Durch eine Umsetzung soll es gelingen, Nordhausen seine Position als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität und Klimaschutzausrichtung nachhaltig sichern und Vorbild für andere Städte sein.