Inferno Nordhausen – Schicksalsjahr 1945

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Inferno Nordhausen
Untertitel Schicksalsjahr 1945 ; Chronik, Dokumente, Erlebnisberichte
Reihe Schriftenreihe heimatgeschichtlicher Forschungen des Stadtarchivs Nordhausen, Harz
Band-Nr. 6
Autor Peter Kuhlbrodt
Herausgeber Archiv der Stadt Nordhausen
Verlag Nordhausen : Archiv der Stadt Nordhausen
Erscheinungsjahr 1995
Umfang 199 S. : Illustrationen
ISBN 978-3-929767-09-4
 Im Bestand der Stadtbibliothek Nordhausen.
Stand: 9. Oktober 2020

Inferno Nordhausen – Schicksalsjahr 1945 ist ein 1995 erschienenes Buch von Peter Kuhlbrodt über das Kriegsende in Nordhausen und die Luftangriffe auf die Stadt. Es enthält die Tageschronik für das Jahr 1945, Originaldokumente und Erlebnisberichte.

Geschichte und Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Buch erschien in der „Schriftenreihe heimatgeschichtlicher Forschungen des Stadtarchivs Nordhausen, Harz“ (Band 6) und wurde vom Stadtarchivar Peter Kuhlbrodt zum 50. Jahrestag der Zerstörung Nordhausens herausgegeben.

Grund für der Veröffentlichung war die sehr einseitige Geschichtsdarstellung der DDR-Zeit auch in Hinblick auf die Stadtgeschichte. Manfred Schröter erarbeitete auf Grundlage zahlreicher Befragungen von Zeitzeugen ein Manuskript, das 1985 als Sonderheft der Beiträge zur Heimatkunde aus Stadt und Kreis Nordhausen erschienen sollte. Die schon fertiggestellte Auflage von 5000 Exemplaren wurde Ende März 1985 auf Anordnung der damaligen SED-Kreisleitung konfisziert und vernichtet. Dafür wurde in der durch die Kreisleitung herausgegebenen Reihe Unser aktuelles Argument (Nr. 4/1985) wider besseren Wissens von einem „Zerstörungsangriff amerikanischer Bomber auf Nordhausen“ gesprochen und davon, dass der Kommandant der US-Panzerarmee zu den Hauptschuldigen an der Zerstörung und am Tode Tausendeer Menschen gehöre. Auch die Zeit der US-amerikanischen Besatzung wurde ausschließlich negativ dargestellt.

Aufgrund dieser Defizite und Verzerrungen wurde für „Inferno Nordhausen“ eine Chronik erarbeitet, die das ganze Jahr 1945 umfasst. Werden die Tage der Luftangriffe überwiegend auf der Grundlage der Forschungen von Manfred Schröter dargestellt, so werden zum erstenmal ausführlicher auch die folgenden Monate untersucht. In den drei Teilen der Chronik folgen jeweils eine Auswahl von Dokumenten und Fotos. Daran schließt sich eine Sammlung von 23 Erinnerungsberichten über das Jahr 1945 an, die zum größten Teil erst 1994 entstanden sind und hier zum ersten mal veröffentlicht worden.

Ziel der Autoren war, die letzte Generation der noch lebenden Zeitzeugen, die damals Siebzig- und Achtzigjährigen, zu befragen, um zu helfen, nachfolgenden Generationen ein möglichst wahrhaftes Bild des damaligen Geschehens zu vermitteln.

Das Buch enthält 200 Seiten mit 45 Abbildungen, davon zehn ganzseitige Bildtafeln, die der Fotograf Werner Steinmann zur Verfügung stellte.

Vorwort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erforschung und Verbreitung der Geschichte des Jahres 1945 in unserer Stadt stießen bis zum Jahre 1990 auf nicht geringe Schwierigkeiten.

Unter dem unmittelbaren Eindruck der Geschehnisse verfaßte Hans Silberborth, der bekannte Autor der „Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen“ (1927), noch im Jahre 1945 ein Manuskript „Nordhausen unter den Amerikanern“, das nach seinem Tode 1949 zusammen mit anderen bisher unveröffentlichten Texten in die Bundesrepublik gelangte und trotz unserer Recherchen bisher nicht aufgefunden werden konnte. Danach ist auf diesem so wichtigen Gebiet stadtgeschichtlicher Forschung jahrzehntelang so gut wie nicht gearbeitet worden. Dieser immer spürbarere Mangel veranlaßte Anfang der achtziger Jahre den Nordhäuser Arzt Manfred Schröter, auf der Grundlage zahlreicher Befragungen von Zeitzeugen ein Manuskript zu erarbeiten, das im Jahre 1985 als Sonderheft der „Beiträge zur Heimatkunde aus Stadt und Kreis Nordhausen“ gedruckt wurde. Die schon fertiggestellte Auflage von 5 000 Exemplaren ist jedoch Ende März 1985 auf Anordnung der damaligen SED-Kreisleitung konfisziert und vernichtet worden. Dafür wurde in der Reihe „Unser aktuelles Argument“, herausgegeben von der Kreisleitung Nordhausen der SED, in Nr. 4/1985 wider besseres Wissen von einem „Zerstörungsangriff amerikanischer Bomber auf Nordhausen“ gesprochen und davon, daß der Kommandant der US-Panzerarmee zu den Hauptschuldigen an der Zerstörung und am Tode Tausender Menschen gehöre. Erst die KPD habe dann im Sommer 1945 dazu aufgerufen, die Schuttmassen wegzuräumen. So ist besonders den Jüngeren, die das Geschehen 1945 nicht aus eigenem Erleben kannten, durch schlimme Geschichtsklitterung ein völlig verzerrtes Bild dieses Jahres verordnet worden.

Inzwischen erwarb sich in der Bundesrepublik auf dem Gebiet lokaler zeitgeschichtlicher Forschungen Manfred Bornemann auch für die Geschichte der Stadt Nordhausen große Verdienste. Hatte er schon 1971 die Studie „Geheimprojekt Mittelbau“ veröffentlicht (zweite, völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 1994), so erschienen von ihm 1974 „Schicksalstage im Harz“ und 1977 „Die letzten Tage in der Festung Harz“, zwei Arbeiten, die inzwischen mehrere Nachauflagen erlebten. Besonders die „Schicksalstage“ enthalten viel Material auch über das Kriegsende in Nordhausen und eine Übersetzung des erschütternden Berichtes von Sergeant Ragene Farries über die Bergung der Häftlinge der Boelcke-Kaserne, auf dessen Wiedergabe deshalb hier verzichtet wurde.

1988 durfte dann Manfred Schröters Arbeit „Die Zerstörung Nordhausens und das Kriegsende im Kreis Grafschaft Hohenstein 1945“ als Sonderheft der schon genannten „Beiträge...“ in Nordhausen erscheinen, eine Arbeit, die auch heute für die Behandlung dieses Themas unentbehrlich ist.

Am 3. und 4. April 1995 begeht die Stadt Nordhausen wiederum einen bedeutenden Gedenktag. Vor 50 Jahren versank der größte Teil der Stadt in Schutt und Asche. Wenige Tage darauf besetzten amerikanische Truppen Nordhausen und beendeten die nationalsozialistische Diktatur. Aber das ganze Jahr 1945 ist von Bedeutung, wurden in ihm doch gewissermaßen die Weichen gestellt für ein weiteres halbes Jahrhundert deutscher „Nachkriegsgeschichte“.

Wir sahen es als unsere Aufgabe an, die letzte Generation der noch lebenden Zeitzeugen, die heute Siebzig- und Achtzigjährigen, zu befragen, um zu helfen, den nach uns Kommenden ein möglichst wahrhaftiges Bild des damaligen Geschehens zu vermitteln. Geht man einmal davon aus, daß nur die heute mindestens im vollendeten 6. Lebensjahrzehnt Stehenden das Jahr 1945 einigermaßen bewußt erlebt haben, die Jüngeren aus eigenem Erleben also gar nichts wissen, zum anderen in der Vergangenheit darüber nur sehr einseitig informiert wurden, so verwundert es nicht, daß über das Jahr 1945 große Wissenslücken bestehen. Diese mit vorliegender Publikation schließen zu helfen, das soll unser Hauptanliegen sein.

Um ein einigermaßen klares Bild zu gewinnen, mußten etwa 1000 Akten des Bestandes S (1945 bis 1990) im Stadtarchiv durchgesehen werden. Hinzugezogen wurden ferner die lokale Presse und andere gedruckte Archivalien sowie die wichtigsten Darstellungen.

Dennoch bleiben Fragen offen, die durch weiterführende Studien beantwortet werden müssen. Das vorgelegte Material erlaubt in Detailfragen Präzisierungen, zum Beispiel in den genannten Arbeiten zur Geschichte des „Lagers Dora“ in der Nachkriegszeit.

Erleichtert wurde die Materialzusammenstellung durch bereits vorliegende Untersuchungen über das unheilvolle Wirken des NKWD in Nordhausen seit Sommer 1945. Hier sei auf unsere Publikation „Die Graupenstraße“ hingewiesen. Der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Erfurt, Raphael Scharf-Katz, der 1945 schreckliche Wochen als Häftling der Boelcke-Kaseme verbrachte und das Inferno überlebte, hatte zugesagt, einen Erinnerungsbericht zu schreiben. Sein plötzlicher Tod bedeutete auch für diese Schrift einen schmerzlichen Verlust.

Zum Schluß sei all denen gedankt, die das Zustandekommen unserer Veröffentlichung maßgeblich gefördert haben: denjenigen, die als Zeitzeugen schrieben oder im Stadtarchiv ihre Erlebnisse mitteilten, Werner Steinmann für die Erlaubnis, seine Fotos vom zerstörten Nordhausen verwenden zu dürfen, ebenso der Firma Senso-Film (Berlin), Rolf Hecker (München), der Thüringer Staatskanzlei zu Erfurt und dem Landratsamt Nordhausen für die Bereitstellung finanzieller Mittel.