Explosionsunglück im Schacht Ludwigshall der Heeresmunitionsanstalt Wolkramshausen

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Das Explosionsunglück im Schacht Ludwigshall der Heeresmunitionsanstalt Wolkramshausen ereignete sich am 29. Juli 1942. Bei der Sprengstoffkatastrophe kamen 145 Menschen im Schacht Ludwigshall ums Leben.

Explosion

Die Explosion fand entweder um 13:15 Uhr oder 13:25 Uhr statt und führte zu erheblichen Schäden. Die über Tage arbeitenden Bergleute spürten sofort die Erschütterung.

Im Anschluss an die Explosion trat dicker, schwarzer Rauch aus dem Schacht aus. Die genauen Umstände und das Ausmaß der Schäden unter Tage waren zunächst unklar. Es wurde lediglich vermutet, dass eine massive Explosion stattgefunden haben musste, die möglicherweise zu Verlusten von Menschenleben geführt haben könnte.

Ein Telefonanruf von unter Tage brachte erste Informationen. Der Anrufer, Feuerwerkerunteroffizier W., Leiter einer Munitionsarbeitsstelle auf der 636-Meter-Sohle, berichtete von einer Detonation und dem Eindringen von Qualm. Zudem war das elektrische Licht ausgefallen und es gab keine weiteren Meldungen von anderen Fernsprechstellen in der Grube.

Als Reaktion wurde der Notfallplan "Unglück in der Grube" ausgelöst. Die Verantwortlichen informierten ihre Vorgesetzten, die eigene Grubenwehr sowie vorsorglich die Grubenwehren der benachbarten Munitionsanstalten Obergebra, Bernterode und Sondershausen und zogen auch Ärzte hinzu.

In den ersten Stunden nach der Explosion waren Rettungsarbeiten aufgrund der giftigen Sprenggase im Schacht Ludwigshall und dem angrenzenden Grubenbereich blockiert. Man unternahm zunächst den Versuch, über den zweiten Schacht in Immenrode in den Ludwigshall-Bereich vorzudringen. Mitglieder der Grubenwehr und eine Rot-Kreuz-Schwester erklärten sich dazu bereit.

Ein Hauptmann leitete die Rettungsversuche und gehörte zu den ersten, die sich in den betroffenen Bereich wagten. Die Gruppe führte einen Feldfernsprecher mit und verlegte ein neues Telefonkabel im Fahrtenschacht bis zur unteren Ebene. Dort begegneten sie dem Feuerwerkerunteroffizier W. und seinen Begleitern, die sich bis zum Füllort der 636-Meter-Sohle durchgekämpft hatten. Am Ort des Geschehens fanden sie den Anschläger und zwei Bergleute tot auf.

Der Hauptmann nahm telefonischen Kontakt mit der Station über Tage auf, wo man dringend auf gute Nachrichten wartete. Inzwischen war es 20 Uhr, und der Kommandant des Feldzeugkommandos XXX, Oberst Linner, war eingetroffen und hatte die Leitung übernommen. Am Füllort der 636-Meter-Sohle herrschte reges Treiben, obwohl der Platz für die vielen Menschen dort kaum ausreichte. Viele von ihnen waren rußgeschwärzt und hatten rotunterlaufene Augen. Es handelte sich um die überlebende Belegschaft von den Munitionsarbeitsstellen der 660-Meter-Sohle. Ein Fahrhauer hatte sie alle schlafend vorgefunden und versucht, sie zu wecken. Die meisten waren nicht ansprechbar und kamen erstn durch Schreie und Aufrütteln wieder zu sich. Die Namen der Überlebenden sowie die Anzahl und Fundorte der gefundenen Toten wurden notiert und übermittelt.

Rettungsaktion

Es erging die Anweisung, Freiwillige in die Tiefe zu schicken, die sich auf den Ebenen verteilen sollten, um den Gehfähigen beim Hochklettern über die Leitern zu helfen. Weitere Grubenrettungstrupps trafen ein und erhielten nach dem Grubenplan jeweils einen Abschnitt zugewiesen, den sie systematisch absuchen sollten. Ausgerüstet mit Gasmasken und Schleifkörben, den Krankentragen der Grubenwehr, betraten sie die vergasten Stollen. Noch immer waren alle paar Minuten einzelne Explosionen zu hören.

Drei Personen wurden schwer verletzt und konnten nicht eigenständig aus der 660-Meter-Sohle des Füllorts klettern. Grubenwehrmänner setzten Krankentragen ein und transportierten die Verletzten über eine Strecke von etwa zwei Kilometern zum Schacht Immenrode. Dort wurden sie mithilfe des Förderkorbs an die Oberfläche gebracht.

Bei der Rettungsaktion konnte kein Überlebender aus den vergasten Abbauen geborgen werden, sondern es wurden nur Tote gefunden. Zudem blieben elf Arbeiter auch nach späteren Suchaktionen vermisst. Insgesamt konnten 66 Personen gerettet werden. Die Detonation von über 5.000 Granaten verursachte eine gewaltige Explosion, die ein heißes Gemisch aus giftigen Sprenggasen, Stahlsplittern und anderen Teilen erzeugte. Die Wucht der Explosion zerstörte alles auf ihrem Weg und riss sogar schwere Teile wie Förderwagen und Schienen mit sich.

In einem Bericht an das Oberkommando des Heeres vom 15. August 1942 wurde der Zustand des Schachtfüllorts und der Förderstrecke als furchtbar zerstört beschrieben. Einige Schienen waren komplett verschwunden.

Nachwirkungen

Eine Sabotage wurde offiziell ausgeschlossen, wobei diese bei Bewahrheitung nicht öffentlich kommuniziert worden wären. Es kursierte das Gerücht, dass eine Gruppe hochrangiger fremder Wehrmachtsoffiziere einen Tag vor der Explosion eine außergewöhnliche Befahrung der 660-Meter-Sohle im Schacht Ludwigshall durchgeführt hatte und dass dies möglicherweise mit dem Unglück in Verbindung stehen könnte.

Opfer

siehe: Liste der Unfallopfer im Schacht Ludwigshall der Heeresmunitionsanstalt Wolkramshausen

Von den 211 Beschäftigten in der Grube waren 145 Todesopfer zu beklagen. Ihre Namen waren öffentlich nicht vollständig bekannt und lediglich auf der Gedenktafel am Unglücksort verzeichnet. Elf Personen blieben vermisst, da keine Reste gefunden wurden.

Lange Zeit war unklar, wo die Tafel angebracht worden war und ob sie erhalten geblieben war. 2012 konnte eine vollständige Liste der Opfernamen erstellt werden. Vorab erschien 1998 eine Liste, die aber unvollständig und fehlerhaft war.

Die Opfer der Explosion sind auf der Gedenktafel zu „Helden der Arbeit“ stilisiert. Unter den Todesopfern befanden sich viele junge unverheiratete Frauen, frontuntaugliche Männer, befristet unabkömmliche Facharbeiter und auch Fachleute, die nicht zur regulären Belegschaft gehörten.

In den Medien fand das Unglück keinerlei Widerhall. Für die Angehörigen der Opfer und Mitarbeiter fand eine interne Trauerfeier statt. Ab dem 2. August 1942 wurden im Nordhäuser Teil der Thüringer Gau-Zeitung die Namen der Toten veröffentlicht, die jedoch meist ohne Nennung der Ursache oder des Todeszeitpunkts auskamen. Die täglich zugelassene Anzahl von Anzeigen betrug bis zum 16. August 1942 lediglich drei bis fünf. Insgesamt wurden 49 Traueranzeigen veröffentlicht.

Weiterbetrieb nach dem Unglück

Da sieben Munitionsarbeitsräume auf den höheren Sohlen sowie dutzende Lagerräume mit Munition noch intakt vorgefunden wurden, konnte die Heeresmunitionsanstalt ihre Arbeit wieder aufnehmen. Die Sprenggase hatten eine außergewöhnlich hohe Temperatur erreicht, wodurch der Schmelzpunkt der Steinsalzflächen bis zu 100 Meter vom Explosionsherd entfernt überschritten wurde (800 Grad Celsius).

Aufgrund der enormen Hitze entstand eine glasurartige, tiefschwarze Ruß-Salz-Schicht an den Steinsalzflächen, die nicht abwaschbar war. Da diese Schicht das Licht vollständig absorbierte, war ein sicherer Arbeitsaufenthalt in diesen Dunkelräumen auf der 660-Meter-Sohle nicht möglich. Aus diesem Grund wurde die Schicht mühsam mechanisch abgetragen.

Darüber hinaus wurden Gasschutzräume eingerichtet, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Die Spezialeinheit der Wehrmacht, die bei der Bergung der Toten im Einsatz war, hatte als erste und wichtigste Aufgabe die Wiederherstellung der Fördereinrichtung im Schacht Ludwigshall.

Nachdem die wichtigsten Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten abgeschlossen waren, wurde die Munitionsfertigung auf der 660-Meter-Sohle wieder aufgenommen. Als Anreiz erhielten alle Mitarbeiter mehr Lebensmittelkarten. Trotzdem hatte die Bereitschaft, für die Heeresmunitionsanstalt zu arbeiten, abgenommen.

Ein Jahr nach der Explosionskatastrophe, am 29. Juli 1943, wurde von der HMA-Führung ein nationalsozialistisch geprägter Betriebsappell angesetzt. Wahrscheinlich wurde an diesem Tag auch die Gedenktafel mit den Namen der 145 Getöteten eingeweiht.

Literatur

  • Ullrich Mallis: Die Gesamtgeschichte des Schachtes "Ludwigshall" Wolkramshausen mit der Sprengstoffkatastrophe im Jahre 1942 mit 145 Todesopfern. Nordhausen am Harz: Verlag Steffen Iffland, 2020. ISBN 978-3-939357-40-7